Das Geheimnis eines Senators - Frank Queißer - E-Book

Das Geheimnis eines Senators E-Book

Frank Queißer

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Beschreibung

Vollkommen überraschend erhält Penny Wolf, eine Analystin im Pentagon, die Nachricht über den Unfalltod ihres Onkels Jack Stein. Zusammen mit ihrem Freund, dem ehemaligen Marine Chris Tanner, macht sie sich nach San Francisco auf, um den Nachlass zu regeln. Als die beiden schließlich in der Wohnung ihres Onkels ankommen, finden sie nur noch ein einziges Trümmerfeld vor. Chris ahnt, dass hinter dem mysteriösen Tod seines besten Freundes mehr steckt als ein tragischer Unfall, doch bereits kurz nach der Trauerfeier kommt es zu einer dramatischen Wendung...

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Seitenzahl: 176

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ähnliche


Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Epilog

Kapitel 1

Chris Tanner bog gerade auf die California State 99 ab, als seine Freundin Penny Wolf aufschluchzte. Sie hatte während der Fahrt nach San Francisco kaum einen Ton gesagt, sondern nur apathisch aus dem Fenster gestarrt und die Landschaft an sich vorbeiziehen lassen.

Seit man sie vor einigen Stunden telefonisch über den Tod ihres Onkels Jack Stein unterrichtet hatte, rang sie um Fassung.

Das Paar hatte für dieses Wochenende vollkommen andere Pläne gehabt, doch das Schicksal machte ihnen einen dramatischen Strich durch die Rechnung.

Die malträtierten Nerven des sonst so gelassenen Marines konnten plötzlich das Zischen der Reifen auf dem regennassen Asphalt und die monotonen Motorengeräusche kaum noch ertragen. Schnell beugte er sich vor und schaltete das Radio ein.

Mit einem entschlossenen Tippen auf dem Touchscreen-Display suchte er SomaFM, Pennys Lieblingssender, heraus. Dann legte er liebevoll eine Hand auf ihren Oberschenkel und wartete auf eine Reaktion, doch sie verharrte weiterhin in einer Schockstarre.

»Ich kann es nicht glauben, dass Jack tot sein soll. Für mich war er immer so, als würde er jede Herausforderung unbeschadet überstehen. Er hat immer gesagt, dass er die sieben Leben einer Katze hat«, grübelte er vor sich hin, während er mechanisch den Wagen weiter steuerte.

Obwohl sein alter Freund, den er in einer Rehaklinik in Deutschland kennen und schätzen gelernt hatte, sich in der Vergangenheit mehrfach als eine echte Nervensäge erwiesen hatte, riss sein Verlust ein Loch in das Herz des Marines.

»Er wird mich nie wieder mit einer seiner abenteuerlichen Ideen auf die Palme bringen«, dachte er und schluckte hart gegen die aufsteigenden Tränen an.

»Das Radio war gut gemeint, aber leider hilft es nicht«, murmelte Penny unvermittelt, während sie sich Tränen von den Wangen wischte und dann seine Hand ergriff.

Versonnen fuhr sie mit feuchten Fingerspitzen den Umriss seines Daumens nach, und ihr Freund wusste nichts darauf zu erwidern.

»Er fehlt mir auch so sehr«, antwortete er schließlich, wobei seine Stimme rau vor unterdrückter Trauer klang.

»Ich kann es einfach nicht begreifen. Erst vorgestern haben wir noch telefoniert«, stammelte Penny, brach dann aber ab, da das Weinen ihr die Kehle zuschnürte.

»Ein verdammter Autounfall?«, fragte der ehemalige Marine ungläubig, während er versuchte, seinen aufsteigenden Zorn unter Kontrolle zu bringen.

Seine Freundin schluchzte abermals leise auf.

»Da fliegt der Kerl jahrelang Kampfjets, hat Einsätze im Irak, bekommt zweimal den Silver Star und stirbt dann bei einem lächerlichen Unfall? Das will mir einfach nicht in den Schädel. Er hätte als gottverdammter Held sterben sollen!«

Penny bemerkte die Wut in der Stimme und drückte beruhigend seine Hand. Der Marine wusste nicht, wem sie eigentlich galt. Dem betrunkenen Autofahrer, der seinen Freund mit hoher Geschwindigkeit angefahren und dann hilflos liegen gelassen hatte, oder dem Schicksal, das so etwas zuließ.

»Ich hoffe, dass die Cops das Schwein kriegen«, rief Penny nun ebenfalls zornig, und das half ihr für einen Moment, die Trauer zu vergessen.

Der Marine hingegen konnte nicht antworten, denn der Wunsch, etwas zu zerschlagen, raubte ihm die Luft zum Atmen. Daher nickte er nur und versuchte sich, das Lenkrad fest umklammert, auf die Straße zu konzentrieren.

»Was wird jetzt aus Stein Airways? Wir werden sie ohne ihn wohl schließen müssen«, seufzte Penny.

»Ich habe keine Ahnung. Mach dir jetzt darüber keine Gedanken. Das regeln wir später.«

Sosehr Chris auch versuchte, Normalität vorzutäuschen, es gelang ihm nicht. Penny hatte ihn längst durchschaut.

»Auch du als Soldat darfst weinen«, flüsterte sie, ohne ihn anzusehen.

Der Marine nickte stumm, doch dann schlug er mit immenser Kraft auf das Lenkrad, um schließlich seinen Schmerz und die aufgestaute Wut mit einem einzigen, lang gezogenen Brüllen herauszulassen.

Penny hatte ihren Freund selten emotional gesehen, denn er war meist beherrscht und ihr Fels in der Brandung.

»Du bist das typische Klischee eines Marines«, zog sie ihn, öfter, als ihm lieb war, auf.

Der Mann, in den sich die attraktive Pentagon-Analystin bei ihrem gemeinsamen Abenteuer um ein verschollenes deutsches U-Boot* verliebt hatte, konnte seine Gefühle nur sehr schwer zeigen, und sie wusste das. Ein Ausbruch dieser Art hatte daher eine besondere Bedeutung, und sie betrachtete ihren Freund, ohne etwas zu sagen. Sie musste ihm Zeit lassen. »Was ist?«, fragte er schließlich kleinlaut.

Penny antwortete nicht, jedoch war es dieses Mal nicht die Trauer, die ihre Worte verhinderte, sondern das übermächtige Gefühl von Liebe, das sie stumm bleiben ließ.

*Roman – Das Geheimnis von U-975

Kapitel 2

Senator Shamus McGregor saß entspannt in seinem Bürosessel und hörte dem Anrufer aufmerksam zu.

Dabei spielte er mit dem Spiralkabel des Telefonhörers und wickelte es sich immer wieder gedankenversunken um den Zeigefinger.

»Hören Sie, Governor. Sie können sich absolut sicher sein, dass ich gegen diese lächerliche Gesetzesvorlage bin. Gerade weil mir bewusst ist, wie viele Arbeitsplätze dieses Vorhaben in unserem Bundesstaat kosten würde.«

McGregor verdrehte genervt die Augen und fuhr sich mit der Hand durch die dunkelbraunen Locken.

»Meine Güte ist der Typ schwer von Begriff. Ich erkläre es dem jetzt zum fünften Mal!«

Obwohl der Senator mit seinen 36 Jahren für den politischen Zirkus ungewohnt jung war und erst seit kurzer Zeit sein Amt innehatte, war er als Nachfahre irischer Einwanderer der lebende Beweis dafür, dass man es von ganz unten bis in ein Spitzenamt bringen konnte.

McGregor war dafür bekannt, ehrgeizig und zielstrebig zu sein. Was dieser Mann erreichen wollte, das schaffte er.

Es war in Washington kein Geheimnis, dass dieser Mann in der Lage war, seine Gegner unsanft aus dem Rennen zu werfen.

Der sportliche, schlanke Mann galt zwar nicht als ungewöhnlich skrupellos, hatte sich aber dennoch sehr schnell Respekt verschafft, da er die machiavellistischen Spielregeln der Karriereleiter perfekt beherrschte.

»Fressen, oder gefressen werden. Das solltest du eigentlich wissen, du weinerliches Waschweib!«, dachte McGregor und grinste schief.

Die Unterhaltung mit seinem Parteikollegen, die mehr ein nörgelnder Monolog war, dauerte nun bereits knapp dreißig Minuten. Zeit, die der Senator viel besser hätte nutzen können.

Governor Florence war darüber aufgebracht, dass eine von der demokratischen Gegenseite vorgebrachte Gesetzesvorlage wichtige Arbeitsplätze in seinem Bezirk kosten würde.

Und das ausgerechnet in einem Wahljahr.

Ein Politiker konnte sich in der heißen Phase des Wahlkampfs weder schlechte Presse noch massenhaft Arbeitslose leisten, denn der unzufriedene Pöbel würde ihn dafür an den Pranger stellen.

Florence hatte schlichtweg Angst, sein Amt zu verlieren.

»Governor, Sie haben meine volle Unterstützung und ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass ich meine gesamte Kraft darauf konzentrieren werde, dass es zu keinem Stellenabbau kommen wird«, versicherte McGregor erneut, bevor er seinen Gesprächspartner abwimmelte.

»Governor, es kommt gerade ein weiteres Gespräch rein. Da muss ich rangehen, das verstehen Sie doch sicher? Ich melde mich wieder bei Ihnen«, säuselte er und legte ohne zu zögern auf.

Für einen Moment lehnte er sich erneut zurück und massierte die pochende Ader an seiner Stirn.

»Der kann einem echt die letzte Energiereserve aus dem Körper ziehen«, seufzte er leise.

Es klopfte und Peter Hartwood, sein Stabschef, öffnete die Bürotür.

»Bitte entschuldigen Sie, Sir. Sie haben in fünf Minuten ihren nächsten Termin im Konferenzraum«, erinnerte er seinen Chef.

»Ist es schon so spät?«, fragte McGregor überrascht und warf einen prüfenden Blick auf seine Armbanduhr.

»Florence, dieser alte Sack«, zischte er angesäuert und erhob sich eilig.

Der Politiker nutzte den kurzen Weg, um sich über weitere anstehende Verpflichtungen zu informieren.

»Was liegt noch alles an?«

»Morgen Abend ist das Spendenbankett des Museums, bei dem Sie der Gastredner sind«, informierte ihn Hartwood geschäftig.

»Ach ja, das habe ich völlig verdrängt«, murmelte McGregor genervt.

»Am Freitag haben Sie um 10:00 Uhr einen Termin mit dem Landwirtschaftsminister, und am Nachmittag finden mehrere Telefonkonferenzen statt. Abends ist dann das Treffen ...«

»... der Bruderschaft der Ritter!«, ergänzte der Senator mm im gut gelaunten Ton.

»Genau, Sir«, bestätigte sein Stabschef, der den Blick weiter auf den Kalender gerichtet hielt.

»Das nur ein Treffen zu nennen, wäre untertrieben, denn das wird die geilste Party des Jahres«, dachte McGregor diabolisch grinsend.

Allerdings änderte sich dies schon wenige Augenblicke später, denn sein Gesichtsausdruck schlug um zu seinem typischen Plakatwerbungslächeln.

Vor dem Konferenzraum wartete ein weiterer Angestellter des Senators, der ihm mit feierlichem Blick entgegensah.

»Danke, Peter! Das ist dann alles«, komplementierte er seinen Stabschef davon, um sich unter vier Augen mit dem Wartenden zu unterhalten.

»Und, Ryan?«

Auffordernd sah der Politiker den Mann an, den er seit Jahren zu seinem engsten Kreis zählte.

»Sir, das Problem wurde wie gewünscht beseitigt«, entgegnete dieser leise.

»Obwohl ich mich freuen sollte, denke ich, dass da noch ein Aber kommt. Richtig?«, hakte der Senator mit gerunzelter Stirn nach.

»Ja, Sir, leider haben wir das Notizbuch nicht bei ihm gefunden. Auch seine Wohnung war sauber.«

»Verdammte Scheiße«, zischte McGregor harsch, und starrte sein Gegenüber wütend an.

Der schwieg, hielt jedoch dem aggressiven Blick seines Auftraggebers stand.

Also holte der Senator schließlich tief Luft und versuchte sich damit, auf das Wesentliche zu konzentrieren.

»Wenigstens kann uns dieser Jack Stein nicht mehr in die Quere kommen. Das Buch wird schon wieder auftauchen, und wie mein Vater immer zu sagen pflegte: Wir lösen ein Problem nach dem anderen.«

»Ja, Sir!«

»Bleib in der Nähe, falls ich dich noch einmal brauche«, befahl McGregor, klopfte dem Besucher jovial auf die Schulter und betrat schließlich den Konferenzraum, um weiter seine täglichen politischen Ränke zu schmieden.

Kapitel 3

Chris lenkte den Wagen in die Einfahrt einer Tiefgarage und blieb vor deren Schranke stehen. Leise surrend senkte sich die Seitenscheibe und der Marine drückte auf einen Knopf, um dem Empfang mitzuteilen, dass sie angekommen waren.

Wenige Augenblicke später meldete sich eine Frauenstimme aus dem Lautsprecher.

»Ja, bitte?«

»Mein Name ist Chris Tanner. Penny Wolf, die Nichte von Jack Stein möchte ...«

»Mein herzliches Beileid. Ich öffne Ihnen sofort«, wurde er eilig unterbrochen.

Verblüfft starrte der Marine in die Kamera, die über dem Lautsprecher angebracht war.

»Nehmen Sie bitte Parkbucht fünfunddreißig. Der Aufzug bringt Sie dann direkt in den dritten Stock«, erklärte die Empfangsdame freundlich, während sich die Schranke öffnete.

»Danke, Ma’am«, erwiderte Chris höflich und steuerte den Wagen suchend durch das Parkhaus.

»Da vorn!«

Penny deutete auf einen freien Platz.

Der Marine parkte ein, stellte den Motor ab und blickte sie dann prüfend an.

»Bist du bereit?«

»Kann man das je sein?«, fragte sie mit müdem Blick, stieg aus und zupfte sich ohne großes Interesse ihr schwarzes Kleid zurecht.

Die Last der ganzen Welt schien auf ihren schmalen Schultern zu liegen. Dann warf die Pentagon-Analystin einen liebevollen Blick auf ihren Freund, der einen schwarzen Anzug mit passender Krawatte trug, und lächelte zaghaft.

»Ich habe dich noch nie in einem Anzug gesehen. Du siehst richtig gut aus«, sagte sie bewundernd, als sie sich bei ihm unterhakte.

»Ich wünschte nur, es wäre ein schönerer Anlass«, seufzte Chris.

Eine kurze Aufzugfahrt später standen die beiden vor Jack Steins Penthouse-Tür. Penny zögerte, holte dann tief Luft und schob beherzt den Schlüssel ins Schloss.

»Ich bin bei dir«, flüsterte der Marine ihr zu, während sie scheu die Tür öffnete.

Mit tränenvollem Blick trat sie ein, blieb dann aber abrupt stehen.

»Was zum Teufel ist denn hier los?«, keuchte sie entsetzt.

Geschockt starrte das Paar auf ein Chaos, das es nicht erwartet hatte.

Die Wohnung ihres Onkels war vollkommen verwüstet.

Überall lagen Bücher und Papiere auf dem Boden, Schränke und Stühle waren umgeworfen worden und an den Wänden hing kein einziges Bild mehr.

Vorsichtig machte die Analystin einige Schritte in die Wohnung, doch das knirschende Geräusch von Glas unter ihren Füßen ließ sie erneut innehalten.

»So habe ich die Wohnung von Onkel Jack aber nicht in Erinnerung«, murmelte sie mit triefender Ironie in der Stimme und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Wieder glitzerte es in ihren Augen, doch dieses Mal nicht durch Tränen der Trauer.

Penny war so unendlich wütend und hatte genug! Was wollte ihr das Leben noch zumuten?

So etwas hatten sie nicht verdient und die junge Frau war nicht bereit, das alles weiterhin so hinzunehmen!

Da fiel ihr Blick auf ein silbernes Kästchen, das unter der zerbrochenen Glasplatte eines Beistelltisches zu sehen war, und glitt dann langsam über die darum herumliegenden Fotos. Sie zeigten fröhliche Unternehmungen mit ihrem Onkel.

Während sich die Analystin mit starrem Blick und zusammengepressten Lippen hinunterbeugte, um die Erinnerungsstücke einzusammeln, sah sich ihr Freund genauer in dem großen Raum um.

Er bemerkte verwundert, dass die Kissen des Sofas und auch dessen Sitzpolster aufgeschlitzt worden waren. Das Füllmaterial lag verteilt herum wie weiße, vom Himmel gefallene Kumuluswolken.

»Hier hat definitiv jemand nach etwas gesucht«, stellte er fest.

»Was denn bloß? Wollten die sein Geld? Mein Onkel hatte zwar seine eigene kleine Charterfluggesellschaft, aber er war alles andere als reich«, entgegnete Penny tonlos, während sie vorsichtig das Kästchen mit den Fotos in ihrer schwarzen Umhängetasche verschwinden ließ.

»Nein, ich glaube nicht, dass die nach Wertgegenständen gesucht haben«, meinte Chris und hob eine Armbanduhr in die Luft.

»Oh mein Gott, die habe ich ihm geschenkt!« Penny stürzte zu ihrem Freund und nahm den Pilot-Chronografen von Glashütte an sich.

»Ist zwar keine Rolex, aber jeder Pfandleiher würde dir dafür sicher eine Menge Geld geben. So etwas würde ein Einbrecher, der auf Geld aus ist, nicht liegenlassen«, kombinierte der Marine. Seine Freundin presste das Erinnerungsstück fest an ihre Brust, während sie sich weiter im Wohnzimmer umsah.

»Aber ... aber ... was ...?«, stotterte sie.

»... soll dann das Ganze?«, ergänzte ihr Freund die Frage, auf die er auch keine zufriedenstellende Antwort hatte.

»Vielleicht steckte er ja in Schwierigkeiten?«

Pennys Kopf schoss herum.

»Was willst du damit sagen? Er hätte uns bestimmt erzählt, wenn etwas Wichtiges passiert wäre«, erwiderte sie aufgebracht.

»Wir reden hier von Jack«, brummte Chris, der aber schon im nächsten Augenblick seine Antwort bereute.

»Du weißt genau, dass er sich nach der Geschichte in Peru geändert hat! Er machte keine krummen Dinger mehr, und auch die ewige Jagd nach Abenteuern und Schätzen hatte er aufgegeben«, zischte Penny ihren Freund mit wütend zusammengekniffenen Augen an.

Der Arme bekam das Gefühl, dass die Temperatur in der Wohnung schlagartig kühler wurde, und er wusste nicht genau, ob es an dem eisigen Blick seiner Freundin lag oder an dem halb geöffneten Fenster, das sporadisch einen kalten Windzug hineinließ.

»Ist ja schon gut. Ich wollte nichts Schlechtes über deinen Onkel sagen, schließlich war er mein bester Freund«, sagte er beschwichtigend und ging in die Küche, um sich ein Bild über die dortige Zerstörung zu machen.

Alle Schubladen standen entweder offen oder waren achtlos auf den Boden geworfen worden, während sämtliche Kochutensilien überall verstreut lagen.

»Das war mehr als die einfache Suche nach irgendetwas. Da war jede Menge Zerstörungswut mit im Spiel. Er muss Feinde gehabt haben«, dachte er.

Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken und mit ihm kam die Gewissheit.

Auch wenn Penny es nicht wahrhaben wollte, sein alter Kumpel war in etwas verstrickt, das ihm vielleicht das Leben gekostet hatte.

Später war die anschließende Fahrt zu dem kleinen Friedhof am Rande der Stadt von Schweigen geprägt.

Penny war noch immer wütend auf ihren Freund und dessen Andeutungen, dass ihr Onkel in illegale Machenschaften involviert war. Unweit der vorbereiteten Trauerfeier stoppte Chris den Wagen und warf einen kurzen Blick auf die Szenerie.

Er sah die frisch ausgehobene Erde und das davorliegende Loch, in das der Sarg seines Freundes bald hinabgelassen werden würde.

Der Priester, die Heilige Schrift fest in den Händen haltend, und einige Trauergäste, warteten bereits auf das Pärchen.

Penny stieg aus und wollte wortlos in Richtung Grab stapfen, doch der Marine lief hinter ihr her und hielt sie am Arm fest.

»Warte bitte!«

Sie blieb abrupt stehen. Chris umarmte sie so fest, dass ihr dabei fast die Luft wegblieb.

»Es tut mir leid, ich wollte dich nicht verletzen oder Jacks Andenken beschmutzen«, flüsterte er.

Pennys Körper blieb jedoch starr und sie erwiderte seine Herzlichkeit nicht. Betroffen ließ der Marine sie los, legte aber seine Hand auf ihren Rücken und streichelte sie.

»Ich vermisse ihn doch auch, den verrückten Kerl«, sagte der Marine nach einer Weile.

Die Mauer des Trotzes, die seine Freundin um sich hochgezogen hatte, fiel haltlos in sich zusammen und Penny begann erneut zu schluchzen.

Dieses Mal machte sie den ersten Schritt und legte den Kopf schutzsuchend an seine Brust.

Der Streit war beigelegt und die gemeinsame Trauer verband das Paar.

So standen die beiden einfach nur da.

Zwischen den Gräbern von ihnen unbekannten Menschen, während sich die alten, knorrigen Bäume um sie herum sanft im Wind hin und her bewegten.

»Du hast recht.«

Die Analystin löste sich schließlich sanft aus seiner Umarmung.

Chris sah sie prüfend an.

»Irgendwas stimmt hier nicht. Das ergibt alles keinen Sinn«, murmelte sie, während ihr die Bilder der verwüsteten Wohnung durch den Kopf gingen.

Eine tiefe Zornesfalte bildete sich auf ihrer Stirn, und Chris streichelte liebevoll mit dem Finger darüber.

»Ich liebe dich, und ganz besonders, wenn du wütend bist.«

Penny schnaubte ein angedeutetes Lachen heraus.

»Du süßer Idiot!«

Chris nahm ihr Gesicht zärtlich zwischen seine Hände, zog es zu sich und drückte ihr einen sanften Kuss auf die Lippen.

»Lass uns diesen Tag einfach überstehen, und dann werden wir weitersehen«, sagte die Analystin entschlossen, nachdem ihr Blick zu der frischen Grabstelle gewandert war.

Der Marine nahm stumm Hand und gemeinsam ging das Paar die letzten Schritte zu den wartenden Trauergästen.

»Miss Wolf, nehme ich an? Mein Name ist Father Thomas! Mein tiefes Beileid zu Ihrem Verlust!«, begrüßte sie der hochgewachsene Mann im Talar mit angenehmer, mitfühlender Stimme und streckte ihr die Hand entgegen.

Doch die Analystin nickte nur, denn die Vorstellung, dass dort unten bald ihr geliebter Onkel liegen würde, schnürte ihr den Hals zu.

»Dann sind Sie Mister Tanner?«, überging der Geistliche diese Unhöflichkeit.

»Ja, Father. Wir haben zusammen telefoniert«, erwiderte der Marine.

Als Chris vom Tod seines ältesten Freundes erfuhr, hatte er alles Weitere in die Hand genommen, wohl wissend, dass seiner Freundin dafür die Kraft fehlen würde, denn die sonst so logisch vorgehende Analystin war nun ganz ihren Gefühlen ausgeliefert.

»Nehmen Sie sich alle Zeit, die Sie brauchen!«, sagte der Geistliche, bevor er zu seinem Platz am Kopf der Grabstelle zurückkehrte.

Die Zwei stellten sich zu den Trauergästen und Chris gab dem Priester mit einem Zeichen zu verstehen, dass er beginnen konnte.

»Liebe Trauergemeinde. Wir haben uns heute hier versammelt, um von einem geliebten Menschen, Onkel und Freund Abschied zu nehmen. Jack Cornelius Stein diente nicht nur seinem Land als Kampfpilot bei der Operation Desert Storm. Später flog er auch Transportmaschinen, bevor er ehrenvoll aus der Luftwaffe entlassen wurde und sein Glück als privater Geschäftsmann suchte.«

Penny drohte für einen Moment von der Trauer übermannt zu werden und krallte sich hilfesuchend an Chris.

»Jack war ein Abenteurer und Träumer. Wie jeder Mensch machte auch er Fehler, doch er lernte aus ihnen, denn Jack Cornelius Stein war ein Optimist. Es gab für ihn nie ein halb leeres Glas. Sein Glas war immer halb voll.«

Die Analystin schluchzte kurz auf, aber verstummte wieder, als der Priester mit seiner Rede fortfuhr.

»Der Mann, von dem wir heute Abschied nehmen, hatte das Privileg, durch seinen Beruf viel von dieser Welt zu sehen. Orte, von denen andere ihr Leben lang nur träumen. Jack Stein hat sie bereist und sein Herz mit vielen schönen Erinnerungen gefüllt, die er nun mitnimmt auf seine letzte Reise.«

Chris spürte, dass seine Freundin zitterte.

Sie kämpfte gegen ihre Tränen an, doch als Father Thomas die Trauergäste zum Gebet aufrief, konnte sie nicht mehr an sich halten, versteckte ihr Gesicht an Chris Brust und weinte bitterlich.

»Der HERR ist mein Hirte, mir wird es an nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und ...«

Mit gesenkten Köpfen schlossen sich die Anwesenden dem Priester an und vier kräftige Männer ließen den Sarg langsam in die ausgehobene Grube hinab. Sie verneigten sich nach getaner Arbeit und verließen die Beerdigung.

Penny löste sich von ihrem Freund, trat an das Grab heran und blickte auf die letzte Ruhestätte ihres Onkels. Schließlich nahm sie etwas von der bereitstehenden Erde.

»Onkel Jack, ich werde dich nie vergessen«, murmelte sie mit tränenerstickter Stimme und entfernte sich dann einige Schritte.

Chris atmete tief durch und ging ebenfalls zu dem kalten Loch im Boden. Er schluckte, hob seinen Kopf und straffte den Körper. Voller Ehrerbietung legte er langsam die rechte Hand an die Stirn und salutierte.

Der ihm gegenüberstehende Geistliche erkannte den Schmerz des ehemaligen Marines und nickte ihm verstehend zu.

Bei dem Anblick des glänzenden Eichensargs und der Gewissheit, dass Jack dort für immer liegen würde, weinte er tonlos und mit erstarrtem Gesicht.

Ihn überkam plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, und er wankte kurz.