Das Geheimnis um den seltsamen Dieb - Simone Jöst - E-Book
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Das Geheimnis um den seltsamen Dieb E-Book

Simone Jöst

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Beschreibung

In Philippes Buchhandlung wurde eingebrochen, und Klara ist entschlossen, den Täter zu fassen. Der Schaden in der Buchhandlung ist gering, doch in den Geschäften des Feinkosthändlers und des Optikers wurde brutal randaliert. Die Ermittlungen führen Klara zu den Gegnern des geplanten Herbstfestes – könnte der Täter einer der missgestimmten Geschäftsleute sein? Die Liste mit verdächtigen Personen wird immer länger und Klara tappt völlig im Dunkeln. 

Als Philippe mit einer Waffe bedroht wird, beschließt Klara, ihn rund um die Uhr zu bewachen. Doch damit nicht genug. Plötzlich droht auch noch ihr eigenes Leben aus den Fugen zu geraten ...

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Seitenzahl: 398

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über das Buch

In Philippes Buchhandlung wurde eingebrochen, und Klara ist entschlossen, den Täter zu fassen. Der Schaden in der Buchhandlung ist gering, doch in den Geschäften des Feinkosthändlers und des Optikers wurde brutal randaliert. Die Ermittlungen führen Klara zu den Gegnern des geplanten Herbstfestes – könnte der Täter einer der missgestimmten Geschäftsleute sein? Die Liste mit verdächtigen Personen wird immer länger und Klara tappt völlig im Dunkeln. 

Als Philippe mit einer Waffe bedroht wird, beschließt Klara, ihn rund um die Uhr zu bewachen. Doch damit nicht genug. Plötzlich droht auch noch ihr eigenes Leben aus den Fugen zu geraten ...

Über Simone Jöst

Simone Jöst lebt im Odenwald. Beflügelt von der Lust, sich ständig neue Geschichten auszudenken, schreibt sie humorvolle Unterhaltungskrimis, die nicht nur von Mord und Totschlag erzählen, sondern auch die Lachmuskeln ihrer Leser fordern. Für sie gibt es nichts Schöneres als schwarzen Humor und weiße Schokolade. Sie veröffentlichte zahlreiche Kurzgeschichten und Romanserien und ist Herausgeberin von Krimi-Anthologien.

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Simone Jöst

Das Geheimnis um den seltsamen Dieb

Übersicht

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Inhaltsverzeichnis

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Dies ist der Schlusspunkt einer langen Reise – oder vielleicht schon das erste Kapitel einer ganz neuen.

Danke, Klara und Philippe, für die schöne Zeit mit euch ;-)

Prolog

Genau hier war der schönste Fleck auf Erden, zumindest für Hubert. Die grün lackierte Holzbank stand keine zehn Meter von dem kleinen See mitten im Stadtpark entfernt und war für ihn ein Stück Heimat geworden. Eingebettet zwischen dicht wuchernden Sträuchern, von den Spaziergängern unbemerkt, saß er oft an jenem Ort. Besonders abends, wenn die Sonne golden und warm hinter den Bäumen am gegenüberliegenden Ufer abtauchte. Er genoss den Blick auf das Wasser und erinnerte sich an früher und an seine Frau. Hier hatte er sie zum ersten Mal getroffen und war sofort von ihr verzaubert gewesen. Es war der Platz, an dem er um ihre Hand angehalten hatte und wo sie ihm Jahre später offenbarte, dass sie krank sei. Nach ihrem Tod weinte er sich dort aus Verzweiflung die Augen aus dem Kopf, bis er schlussendlich sein bisheriges Leben aufgab und an diesem Ort voller Erinnerungen sein Lager aufschlug. Was war seine kleine Bäckerei ohne Lore? Ihr herzliches Lachen zwischen Weißbrot und Streuselkuchen war verschwunden. Der neuen Verkäuferin gelang es nicht, ihren Zauber im Laden aufrechtzuerhalten. In der leeren Wohnung wurde ihm so elend zumute, dass er ständig in den Park lief, wo sie am glücklichsten gewesen waren. Er saß oft stundenlang auf der harten Bank und führte endlose Gespräche mit ihr, wo immer sie jetzt sein mochte. Dabei hatte er sämtliche Pflichten in der Backstube vergessen, bis eines Tages alles den Bach heruntergegangen war und er entschieden hatte, einfach hierzubleiben.

Ihr Tod lag bereits einige Jährchen zurück, und Hubert hatte sich an den Alltag auf der Straße gewöhnt. Das bisschen, das er besaß, passte in einen alten Stoffbeutel, den er stets bei sich trug. Unter den wenigen Habseligkeiten war auch ein Bild von Lore, wie sie fröhlich und noch ohne Sorgenfalten in die Kamera winkte. Zusammen mit ihrem Ehering hatte er die Fotografie in eine Plastikhülle gesteckt, damit sie bei Regenwetter nicht aufweichte. Manchmal gelang es ihm nicht schnell genug, einen überdachten Schlafplatz zu finden, und er wurde pitschnass, was ihn nicht kümmerte. Hauptsache, die Aufnahme blieb trocken.

Die warmen Sommernächte, so wie heute, waren die schönsten. Der Straßenlärm verebbte, Grillen zirpten, Glühwürmchen tanzten durch die Dunkelheit, und über ihm spannte sich der Sternenhimmel, den man wegen der vielen Lichter der Stadt kaum sah. Aber er war da. Irgendwo dort draußen. Genau wie Lore.

Sein Bündel schob er als Kopfkissen in den Nacken und legte sich auf die Bank. Den schäbigen Trenchcoat verschnürte er mit dem Gürtel und stellte den Kragen auf. Die Arme verschränkte er vor der Brust und steckte die Hände unter die Achseln, damit die Mücken vom See sie nicht gänzlich zerstachen. Das Gesicht wurde zur Hälfte von einem verfilzten grauen Vollbart geschützt.

Bevor der Schlaf ihn in das Land der Träume holte, sprach er wie jeden Abend ein paar Worte zu Lore. Dann ruckelte er sich zurecht und schloss die Augen. Ein Plätschern im Wasser, ein Autohupen in der Ferne und ein laues Lüftchen, das über ihn hinwegstrich, waren das Letzte, was er wahrnahm.

Irgendwann in der Nacht schreckte Hubert auf. Hatte er geträumt oder tatsächlich etwas gehört? Er spannte den Körper an, hob den Kopf ein Stück in die Höhe und lauschte.

Seit er auf der Straße lebte, war er ständig auf der Hut. Ein kleines Geräusch genügte, und er war hellwach. Deshalb trank er niemals Alkohol, anders als die meisten seiner Freunde, die er im Milieu gefunden hatte. Der Fusel vernebelte die Sinne und machte träge.

Da, schon wieder. Irgendwo hinter den Büschen sprach jemand. Der alte Bäckermeister setzte sich auf, zog den Beutel zu sich und rückte an das äußere Ende der Bank. Er hörte zwei Männerstimmen, verstand jedoch nur Wortfetzen eines Streites. Dem knirschenden Kies und dem Keuchen nach zu urteilen, rangelten sie sogar miteinander.

Lautlos erhob er sich und spähte um das Gebüsch. Es interessierte ihn nicht, was die Kerle ausheckten. Das ging ihn nichts an. Dennoch war es besser, er behielt sie im Auge, bevor er selbst in ernsthafte Schwierigkeiten geriet.

»Kümmer dich um deinen eigenen Scheiß«, schimpfte der Größere der beiden und versetzte dem Kleineren einen Schlag vor die Brust.

»Ich meine ja nur«, folgte die leicht angefressene Antwort, während er sich ausbalancierte.

Der Bestimmer, wie Hubert ihn nannte, packte den anderen blitzschnell am Kragen und zog ihn zu sich heran. Seine Faust schwebte dicht vor dessen Gesicht. Jederzeit bereit zuzuschlagen. Die Luft knisterte vor Anspannung und Gefahr.

Hubert hielt den Atem an. Es wäre nicht das erste Mal, dass nachts zwielichtige Kerle durch den Park schlichen, ihn aus Langeweile zusammenschlugen und als Abschaum beschimpften. In diesem speziellen Fall hatte er die Befürchtung, dass er als potenzieller Zeuge, von was auch immer die zwei miteinander ausfochten, bestimmt nicht mit einem blauen Auge davonkäme, würden sie ihn entdecken.

Mucksmäuschenstill verharrte er im Schutz der Sträucher und wartete. Ihm war es egal, was sie dort trieben, Hauptsache, sie ließen ihn in Ruhe und verschwanden rasch wieder.

Der Bestimmer stieß den anderen von sich, spuckte ihm vor die Füße und rannte davon. Steinchen knirschten unter seinen Sohlen, bis er schließlich querfeldein über den Rasen eine kleine Böschung hinaufstürmte und in Richtung Marktplatz davonlief.

Der zurückgebliebene Mann fluchte und wandte sich zum Gehen. Ausgerechnet in jenem Moment wich Hubert einen Schritt zurück und trat auf einen trockenen Zweig, der laut knackte. Wie vom Blitz getroffen horchte der Kerl auf und schaute zu den Büschen, hinter denen der Alte sich versteckte.

»Hallo? Ist da wer?«, rief er. »Verdammt! Komm raus da!«

Hubert umklammerte den Beutel vor der Brust und machte sich auf das Schlimmste gefasst.

Freitag

Unmittelbar nach Lukas’ Anruf packten Philippe und Klara ihre Sachen und brachen den Besuch bei seinen Eltern ab. Die Nachricht, dass in die Buchhandlung eingebrochen worden sei, hatte sie zutiefst schockiert. In der vergangenen Woche war so ziemlich alles schiefgelaufen, was man sich nur vorstellen konnte. Statt fröhlich den fünfundachtzigsten Geburtstag von Monsieur Bloque senior zu feiern, waren sie wieder einmal in ein heilloses Chaos geschlittert. Zuerst warfen der Familienstreit und Edmonds merkwürdiges Verhalten Fragen auf. Ein verschwundenes Gemälde, rätselhafte Vorfälle und zu guter Letzt eine Leiche im Weinkeller der Familienvilla fachten Klaras detektivische Neugier wie ein Strohfeuer an. Gemeinsam klärten sie die Geschehnisse auf und brachten die ganze, unschöne Geschichte zu einem einigermaßen glimpflichen Ausgang. Gerade in dem Moment, als sie glaubten, dass das Schicksal sich endlich beruhigte und ihnen wohlgesonnen war, übermittelte Lukas die schreckliche Nachricht. Philippes Eltern bestanden darauf, dass man sie umgehend informieren solle, sobald es Neuigkeiten gab. Die ohnehin schon verdorbene Geburtstagsfeier fand ein abruptes Ende.

Inzwischen saßen sie seit Stunden im Wagen. Klara konzentrierte sich auf den Verkehr und ärgerte sich über einen Stau auf der Autobahn, durch den sie sich stellenweise nur im Schritttempo quälten. Mit jedem weiteren Kilometer spürte sie die Erschöpfung in ihren Knochen ein wenig deutlicher. Gestern hatte man sie noch als Geisel mit einem Messer an der Kehle in einem Maisfeld bedroht. Statt sich heute davon zu erholen, wartete bereits eine neue Katastrophe auf sie.

Ihr Blick wanderte zu Philippe auf dem Beifahrersitz. Wie blass er war. Während der gesamten Fahrt sprachen sie kaum miteinander. Beide hingen sie trüben Gedanken und Befürchtungen nach. Gelegentlich telefonierte er mit Lukas, ließ sich von ihm auf den aktuellen Stand bringen, oder er redete mit Thomas von der Streifenpolizei und dessen Kollegen von der Kripo und beantwortete Fragen.

Angeblich hatte Lukas morgens beim Öffnen des Ladens bemerkt, dass das Schloss beschädigt war und die Tür einen Spaltbreit offen stand. Als er eintrat, entdeckte er das Desaster. Jemand hatte sämtliche Bücher aus den Regalen herausgerissen, sie achtlos wie Müll zu Boden geschleudert, wo sie kreuz und quer verstreut herumlagen. Zum Teil waren die Seiten eingeknickt, manche sogar eingerissen. Der Einbrecher hatte sich außerdem an der Kasse bedient. Zum Glück lag darin für gewöhnlich nur wenig Wechselgeld, knapp über hundert Euro. Die Tageseinnahmen hatte Lukas am Vorabend zur Bank gebracht und die Geldschublade nicht geschlossen, um in einem Falle wie diesem den Schaden an der Registrierkasse so gering wie möglich zu halten. Philippe war versichert und brauchte sich um die Erstattung der Kosten keine Gedanken zu machen, aber der ideelle Wert war nicht messbar. Der Laden war sein Leben, und er hatte ihn mit Herzblut aufgebaut.

Gegen achtzehn Uhr steuerte Klara den Geschäftswagen in den Hinterhof der Buchhandlung und schaltete den Motor aus.

»Wir sind da.« Sie kreiste die Schultern und seufzte.

Wortlos stieß Philippe die Wagentür auf, stieg aus und tastete sich mit dem Blindenstock zur Hintertür des Gebäudes. Er zog den Schlüssel aus der Hosentasche und schloss auf. Klara angelte ihre Handtasche vom Rücksitz und folgte ihm. Um das Gepäck würde sie sich später kümmern.

Die Sommerhitze kroch von dem aufgeheizten Steinboden des Hofes an Klaras Beinen empor. Die Luft roch nach Staub, Abgasen und Sommer in der Stadt, ganz anders als auf Familie Bloques Anwesen, wo der Duft von Heu und Blumen dominierte.

Sie eilte im Laufschritt ins Haus, durch den schmalen Flur neben dem Treppenaufgang, der bis zur Vordertür führte. Philippe war bereits durch eine Tür auf der linken Seite in das angrenzende Büro und weiter bis in den Buchladen gestürmt. Klara lief ihm hinterher und entdeckte Lukas mit einem Stapel Bücher in der Hand. Aufgebracht berichtete er, was vorgefallen war, was er am Telefon bestimmt schon dreimal getan hatte. Der Schreck stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.

»Beschreib mir, wie es hier aussieht«, bat Philippe, der sich an der Ladentheke festhielt und wegen seiner Blindheit nur Schemen zwischen hell und dunkel ausmachen konnte.

Sein junger Kollege war blass und wirkte, als ob er gleich in Tränen ausbrechen würde. Überwältigt versuchte er in Worte zu fassen, was unaussprechlich war. »Und anschließend hat Thomas die Beamten von der Kriminalpolizei informiert«, vervollständigte er den Schadensbericht. »Die ließen jemanden von der Spurensicherung anrücken, und nachdem sie sich einig waren, dass es keine weiteren sachdienlichen Spuren zu sichten gab, erteilten sie mir die Erlaubnis, das Türschloss reparieren zu lassen, um wenigstens den Laden zu sichern. Das habe ich dann sofort veranlasst.«

Genau so hatte es der Polizist bereits am Telefon mit Philippe besprochen.

»Aus der Kasse sind einhundertsiebzehn Euro und sechsundachtzig Cent abhandengekommen. Mobiliar und sonstige Gegenstände wurden nicht zerstört oder gestohlen«, fuhr der junge Mann fort und schüttelte fassungslos den Kopf.

Der Anblick, der sich ihnen bot, war entsetzlich. Überall lagen Bücher herum, und die Regale gähnten leer an den Wänden. Klara legte ihre Handtasche auf dem Tresen ab, von dem sämtliche Stapel mit kleinen Geschenkbüchlein und Postkarten zu Boden gefegt worden waren, die sich ebenfalls kreuz und quer auf dem Teppich verteilten.

»Was ist mit den Büchern?«, fragte Philippe und trommelte nervös mit den Fingerspitzen auf den Ladentisch.

»Die meisten liegen auf dem Fußboden«, antwortete Lukas resigniert. »Ich habe bereits mit den Reisereportagen vorn am Schaufenster angefangen und einige davon wieder in die Fächer gestellt.«

»Wie hoch schätzt du den Sachschaden ein?«, wollte Philippe wissen.

Eine Frage, die auf den ersten Blick beim besten Willen nicht zu beantworten war. Natürlich ließ sich alles sortieren und einräumen, doch in welchem Zustand befanden sich die Werke? Sie würden jedes Exemplar einzeln begutachten müssen, um den tatsächlichen Schaden beziffern zu können. Mit Eselsohren oder eingerissenen Seiten konnte man die Ware schließlich nicht mehr verkaufen. Klara seufzte und hakte sich bei Philippe unter.

»So schlimm?«, fragte er.

»Ich fürchte ja«, antwortete sie.

Er schloss für einen Moment die Augen und sammelte sich. »Lukas?«

»Ja?«

»Das war ein harter Tag für dich. Lass uns morgen weitersehen. Wir werden gemeinsam aufräumen und uns ein Bild davon machen, was noch brauchbar ist. Für die Versicherung erstellen wir eine Liste, was gestohlen wurde und was beschädigt ist. Du wirst Fotos schießen, um alles lückenlos zu dokumentieren.« Er tastete nach seinem Kollegen und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich danke dir für deinen Einsatz. Das hast du großartig organisiert.«

»Na ja, das war eigentlich Thomas«, stellte der junge Mann richtig. »Er hat sich mächtig ins Zeug gelegt und darauf gedrängt, dass umgehend jemand von der Kripo und der Spurensicherung kam, der den Einbruch untersuchte. So wie ich das mitbekommen habe, herrscht dort gerade absoluter Personalmangel, aber er ließ nicht locker. Angeblich ist die Aufklärungsquote bei Diebstahl nicht besonders hoch. Der Kripobeamte hat mir jedenfalls wenig Mut gemacht.« Er senkte den Kopf.

»Nun denn«, erwiderte Philippe resigniert, »lasst uns eine Nacht darüber schlafen und das Durcheinander morgen in Ruhe durchgehen. Dann werden wir nachsehen, ob etwas gestohlen wurde. Für heute hast du mehr als genug getan. Geh nach Hause und erhole dich von dem Schreck.«

Lukas lächelte verstohlen und verabschiedete sich.

Als sie allein im Geschäft zurückblieben, trat Klara neben Philippe und schmiegte ihre Wange an seine.

»Komm schon«, versuchte sie ihn aufzumuntern, »ich helfe euch beim Aufräumen. Die Hauptsache ist doch, dass niemand verletzt wurde.«

Er nickte tapfer. »Wer macht so etwas? Warum bricht jemand in einen kleinen Laden wie meinen ein? Was hat er davon?«

Dasselbe hatte sie sich ebenfalls gefragt. Dass hier weder große Mengen Bargeld noch wertvolle Literatur zu erbeuten waren, lag auf der Hand. Womöglich war es ein persönlich orientierter Angriff? Hatte der Täter den Moment abgepasst, als er verreist war? Eine Antwort auf diese Frage würde sie heute unter Garantie nicht mehr finden. Sie war viel zu müde und erschöpft.

»Komm, lass uns unsere Sachen aus dem Wagen holen und etwas zu essen bestellen«, schlug sie vor. »Ich habe einen Bärenhunger.«

»Das wird das Beste sein«, erwiderte Philippe und nickte gedankenverloren.

Nachdem sie ihre Reisetaschen ausgepackt hatten, trafen sie sich in seiner Küche und verspeisten zwei Pizzen, die der Lieferdienst zwischenzeitlich gebracht hatte. Sie rätselten eine ganze Weile über den Einbruch, bis sie sich schließlich mit einem leidenschaftlichen Kuss auf der Türschwelle voneinander verabschiedeten. Philippe wollte früh schlafen gehen und zuvor seine Eltern auf den neuesten Stand der Ereignisse bringen, und Klara sehnte sich nach einem heißen Bad und leiser Musik zum Beruhigen ihrer aufgewühlten Nerven.

Samstag

Der folgende Tag startete für ihren Geschmack viel zu zeitig, doch bereits beim Frühstück drängte Philippe, dass er endlich in den Laden wolle, um aufzuräumen, den entstandenen Schaden genauer zu inspizieren und zu dokumentieren. Mit ein paar Müllbeuteln und Putzsachen bewaffnet folgte sie ihm die Treppe hinunter, wo sie auf Lukas trafen, der gerade vor der Ladentür stand und in seiner Tasche nach dem Schlüssel suchte.

»Guten Morgen!«, grüßte Klara und ließ ihn ein.

»Dir auch«, erwiderte der junge Mann. Er sah genauso unausgeschlafen aus, wie sie sich fühlte.

Sie schloss die Tür hinter ihm wieder zu und sah hinaus auf den fast menschenleeren Marktplatz. Die Sommersonne stand schon über den Dächern der Stadt und strahlte von einem herrlich blauen Himmel. Es versprach ein heißer Sommertag zu werden. In nicht einmal einer Stunde würden die Menschen den Platz beleben, mit bunten Einkaufstüten von Geschäft zu Geschäft schlendern und Kinder in Badehosen durch die Wasserfontänen springen, die aus dem Boden in die Höhe schossen. Die Geräuschkulisse – eine Melange aus Wasserplätschern und fröhlichem Lachen – und der Geruch von Sommer, Hitze und Essensdüften aus den Restaurants zauberten eine ganz eigene Atmosphäre.

Gedankenverloren drehte sie das Schild an der Ladentür mit der Aufschrift »Geschlossen« nach außen. Bei diesem Durcheinander im Buchladen war heute im Traum nicht an Kundenverkehr zu denken. Da sie erst ab Montag wieder bei Mona im Café erwartet wurde, hatte Klara genügend Zeit, um beim Aufräumen und Putzen zu helfen.

»Ich habe mir überlegt«, sagte Philippe, »wir stellen die Bücher, die unbeschädigt sind, in die Regale zurück. Diejenigen mit leichten Schäden räumen wir dort vorn links ein und reduzieren den Preis auf ein, zwei oder drei Euro, je nachdem, wie stark sie beeinträchtigt sind. Den Rest, der nicht mehr zu retten ist, legen wir raus auf die Fensterbänke und spenden ihn an Schulen, Kindergärten, Seniorenheime und sonstige Einrichtungen. Was haltet ihr davon?«

»Das ist eine wunderbare Idee«, fand Klara. »Nur weil Seiten eingerissen oder Buchrücken geknickt sind, gehören die Werke nicht zum Altpapier, der Inhalt, die Geschichte zwischen den Buchdeckeln, zählt, nicht die Verpackung.«

Lukas nickte und brachte zuerst seine Tasche ins Büro, dann kniete er sich neben einen Berg Reiseliteratur nahe dem Schaufenster auf den Boden. Er faltete die Hände, drehte sie mit den Handflächen von sich, streckte dabei die Arme aus und ließ die Fingerknochen knacken. »Dann mal los!«, sagte er und griff nach dem ersten Bildband.

»Vergiss nicht, alle Schäden zu fotografieren«, erinnerte ihn Philippe. »Ich weiß nicht, inwieweit die Versicherung diese Aufnahmen benötigt, aber sicher ist sicher. Ich werde gleich dort anrufen und den Einbruch melden, und mit der Polizei will ich ebenfalls sprechen.«

Mit den Fingerspitzen trommelte er auf den Tresen und sah dermaßen unglücklich aus, dass es Klara im Herzen wehtat. Vor ein paar Tagen hatte er ihr gestanden, wie sehr er seine Blindheit manchmal verfluchte, weil sie ihn in gewissen Situationen zum Nichtstun zwang. So zum Beispiel, als die Familie in Gefahr schwebte und er nicht in der Lage gewesen war, etwas zu ihrem Schutz zu unternehmen. Und jetzt lag sein Baby, der Buchladen, hier vor ihm in Schutt und Asche, und er würde wahrscheinlich nichts lieber tun, als mit anzupacken. Doch er war auf Klaras und Lukas’ Hilfe angewiesen. Für ihn war es unmöglich zu wissen, welches Buch er in Händen hielt und wohin es einsortiert gehörte. Eselsohren oder Kratzer auf dem Einband waren möglicherweise mit den Fingern zu ertasten, aber spätestens beim Dokumentieren des Schadens mit der Kamera war er aufgeschmissen. Diese Hilflosigkeit musste sich schrecklich anfühlen. Klara überlegte, wie sie ihn möglichst unauffällig in die Arbeit einbinden konnte.

»Meine Güte«, sagte sie wie nebenbei, beugte sich zu Boden, hob das Kleinzeug auf, das gewöhnlich auf dem Ladentisch stand, und legte es zu einem großen Berg vor Philippe ab. »Wenigstens das hätte der Kerl liegen lassen können. Es dauert ewig, bis das alles wieder in die dazugehörigen Aufsteller eingeräumt ist.«

Da lagen kleine bunte Kinderstempel und Buntstifte kreuz und quer herum, winzige Büchlein mit Kalendersprüchen, Postkarten, Lesezeichen, Leselupen und jede Menge anderer Krimskrams.

Philippe hielt Klara mitten in der Bewegung an ihrem Handgelenk fest. Seine Mundwinkel zuckten, als er zu ihr blickte. »Merci, ma chère«, flüsterte er kaum hörbar.

Der dicke Kloß in Klaras Hals verschlug ihr fast die Stimme. Sie räusperte sich und sagte rasch: »Das sagst du bestimmt nicht mehr, nachdem du das aufgeräumt hast. Das ist ja wie bei Aschenbrödel. Und jetzt lass uns loslegen.«

Hastig lief sie zu Lukas, ging neben ihm auf die Knie und wühlte sich mit ihm gemeinsam durch das Durcheinander. Die meisten Bücher waren zum Glück unversehrt. Sie sortierten sie in drei Kategorien. Auf den ersten Stapel legten sie sämtliche Exemplare, die sie wieder zurück ins Regal stellten. Auf den zweiten jene, die zu den Sonderposten kamen, und auf den letzten alle, die sich definitiv nicht länger für den Verkauf eigneten.

Ein Hardcoverroman fiel ihr besonders ins Auge. Er lag aufgeschlagen mit dem Buchrücken nach oben auf dem Teppich und sah aus, als ob der Einbrecher darauf gestanden hätte. Ob man diesen Hauch von Abdruck einem konkreten Schuh zuordnen konnte, war fraglich. Selbst falls das gelang, sagte es nichts darüber aus, wer ihn getragen hatte. Zuerst musste ein Tatverdächtiger im Spiel sein, um ihn damit überführen zu können. Bis dahin lag noch ein weiter Weg vor ihnen. Trotzdem freute sich Klara. Es war immerhin ein klitzekleiner Hinweis.

»Was haben wir denn hier?« Sie nahm ihr Handy, knipste den Beweis aus verschiedenen Perspektiven und legte das Buch für die Polizei zur Seite, damit es kriminaltechnisch untersucht werden konnte.

»Was hast du entdeckt?«, fragte Philippe.

»Ich habe einen Teilschuhabdruck gefunden.«

»Das sollten wir unbedingt Thomas zeigen.« Ein Hoffnungsschimmer huschte über sein Gesicht.

»Freu dich nicht zu früh«, erwiderte sie, »man sieht nur eine leichte Einbuchtung des Absatzes. Leider erkennt man weder das Muster des Profils noch die gesamte Länge des Fußes, um eine Schuhgröße daraus ableiten zu können. Meiner Meinung nach könnte das von jedem x-beliebigen Schuh stammen.«

»Schade«, erwiderte Philippe und ließ die Schultern sinken. »Die Polizei soll sich das trotzdem ansehen. Es gibt vielleicht technische Möglichkeiten, von denen wir nichts ahnen.«

»Hm«, seufzte Klara und war davon nicht wirklich überzeugt.

Im selben Moment klopfte es an die Ladentür. »Wir haben heute geschlossen«, rief er und wandte den Kopf zu dem scheinbar ungeduldigen Kunden. »Bitte kommen Sie am Montag wieder, dann stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.«

»Warte, das ist Mona!« Klara sprang in die Höhe, lief zur Tür und öffnete ihrer Freundin, die seit Neuestem auch ihre Chefin war.

»Ach du liebe Zeit!«, sagte diese, als sie das Durcheinander im Laden entdeckte. »Geht es euch allen gut?« Sie sah sich entsetzt um.

»Ja, Gott sei Dank«, antwortete Klara und schloss die Tür hinter ihr rasch zu.

Die Cafébesitzerin von nebenan trug ein in Papier gewickeltes Paket vor der Brust. Es war unschwer zu erkennen, dass sie darin Cupcakes mitgebracht hatte.

»Sind die für uns?«, fragte Klara.

»Ja, ich dachte mir, ihr könntet dringend eine Stärkung gebrauchen.« Sie stellte die Köstlichkeiten auf der Theke ab. »Thomas, mein werter Herr Bruder, hat mir erzählt, was geschehen ist, natürlich nur kryptisch. Ihr kennt ihn ja. Bloß dass es so schlimm ist, habe ich nicht erwartet. Kann ich euch irgendwie helfen?«

»Das ist lieb von dir«, sagte Philippe, »aber es ist Samstagvormittag, und da hast du für gewöhnlich bei dir drüben alle Tische mit Frühstücksgästen besetzt. Ich bin mir nicht sicher, ob deine neue Aushilfe in der Lage ist, den Andrang allein zu stemmen.«

»Da sagst du was«, erwiderte Mona und winkte genervt ab. »Ich mache drei Kreuze, sobald du am Montag zurück bist, Klara. Obwohl …« Sie verstummte. »Brauchst du ein paar Tage zusätzlichen Urlaub, bis ihr das Durcheinander hier im Griff habt? Dann sag mir das. Das kriegen wir geregelt.«

»Danke, doch das wird nicht nötig sein. Das Gröbste werden wir heute schon schaffen. Nicht wahr, Lukas?« Klara wandte sich zu ihm um.

Er räumte bereits fleißig die Regale ein und streckte den Daumen zuversichtlich in die Höhe.

»Okay, ich will euch nicht länger aufhalten. Ich bin trotzdem jederzeit für euch da, falls ihr mich braucht.«

»Merci, das wissen wir zu schätzen.« Philippe lächelte ihr zu.

Mona verabschiedete sich, und Klara ließ sie hinaus.

Der erste trostlose Eindruck und das Gefühl der Überforderung verschwanden mit jeder Minute, die sie sich durch den Berg von Büchern wühlten. Bald gab es so etwas wie eine eingespielte Routine. Sichten, fotografieren und anschließend auf einen der drei Stapel legen. Für das thematische Einsortieren in die Regale war Lukas zuständig.

Sie kamen schneller voran als gedacht. Obwohl Klara alles akribisch begutachtete, fand sie nichts, außer jenem zertretenen Roman, was irgendeinen Hinweis auf den Einbrecher hätte geben können. Philippe tätigte einige Anrufe und hantierte mit dem Kleinzeug auf der Theke, als es erneut an die Tür klopfte.

»Wir haben heute geschlossen«, rief er, und Klara schaute nach, wer da so hartnäckig weiter gegen die Glasscheibe hämmerte.

»Das ist Frau Zumbügel von der Stadtverwaltung«, sagte sie.

»O bitte nicht«, stöhnte Philippe leise. »Wir haben momentan andere Sorgen als das Marktplatzfest.«

Die Dame legte beide Hände neben ihr Gesicht und spähte durch die Glasscheibe in den Laden. »Monsieur Bloque!«

Widerwillig tastete er sich mit seinem Blindenstock durch eine kleine Schneise von der Theke zur Tür, die Klara freigeräumt hatte, und schloss auf.

»Guten Morgen, Frau Zumbügel«, grüßte er und wollte sie auf Montag vertrösten, doch sie ließ sich nicht aufhalten und schob sich an ihm vorbei in den Verkaufsraum.

Sie arbeitete für die Stadt und war für die Organisation des jährlichen Herbstfestes zuständig, für das sie bereits jetzt im Sommer anfing zu planen. Ihre Aufgabe war es, mit den ansässigen Geschäftsleuten zu sprechen, Gelder für eine Tombola und für das große Brillantfeuerwerk zum Abschluss der Feierlichkeiten zu sammeln und die Stellplätze der Verkaufsstände auf dem Marktplatz zuzuteilen. Ihr umtriebiges Engagement und das Fest an sich waren nicht bei allen Ladenbesitzern oder Anwohnern gern gesehen. Für die meisten bedeutete es einen erheblichen Aufwand, hohe Kosten, eine Menge Trubel und Arbeit für letztendlich nur wenig mehr Umsatz. Die Bewohner beschwerten sich regelmäßig über Ausschreitungen wegen zu viel Alkoholkonsums und kaum Respekt vor fremdem Eigentum. Die Sperrstunde wurde im vergangenen Jahr deswegen vorverlegt, was die Feierlaune bei einigen hartnäckigen Partybummlern und Krawalllustigen allerdings nicht schmälerte. Philippe hatte erzählt, dass Hausfassaden beschmiert worden waren und die Stadt keinerlei finanzielles Entgegenkommen bei der Reinigung gezeigt hatte. Genauso ein Ärgernis war die Vergabe der Stände in der Mitte des Platzes. Offiziell werde gerecht ausgelost, wer wohin zugewiesen wurde, doch das schmeckte nicht jedem. Angeblich sei Frau Zumbügels Vorgänger gegen einen Obolus unter der Hand zugänglich gewesen, was die Standortwünsche der Händler anging. Das hatte nur so lange funktioniert, bis er anonym denunziert wurde und seinen Posten hatte räumen müssen. Mit Frau Zumbügel als Nachfolgerin erhoffte man sich bei der Verwaltung einen reibungslosen Ablauf.

Die Dame war Ende vierzig, sehr charmant und charismatisch. Sie trug ein weinrotes Kleid, das ihr wie angegossen auf den Leib geschneidert war. Die dunkelbraunen Haare umspielten elegant ihr Gesicht. Man sah sie stets im Laufschritt mit klackernden Absätzen umhereilen, mit einer großen Handtasche, in der sie wahrscheinlich ihr halbes Büro mit sich herumtrug, und einem Tablet auf dem Unterarm. Es war nicht die Person an sich, die den Unmut der Leute auf sich zog, es war ihre Tätigkeit als Organisatorin des Herbstfestes, die manch einem bitter aufstieß.

Für Philippe stellte die Veranstaltung kein Problem dar. Er brauchte im Grunde kaum Vorkehrungen zu treffen, nur das Geschäft zu öffnen und die Arbeitszeiten für die Dauer von einer Woche anzupassen. Der finanzielle Beitrag, den alle zu leisten hatten, bescherte ihm wenig Kopfzerbrechen. Im Gegenteil, er genoss es, wenn er an der Ladentür stand und dem Trubel draußen lauschte. Es gab Tombolas, Showeinlagen, Zauberer, Jongleure und Livemusik nebenan im Stadtpark und jede Menge kulinarische Köstlichkeiten. Das Event kam seiner Ansicht nach einem Jahrmarkt gleich, der direkt vor der Haustür stattfand.

Doch das empfanden viele seiner Kollegen in der Wirtschaftsvereinigung ganz anders. Für sie war es Stress, Anstrengung und mit Kosten und Scherereien verbunden. Wie Philippe erzählt hatte, fand er das Engagement von Frau Zumbügel bewundernswert. Mit ihrem Charme zerstreute sie manche Bedenken und glättete die Wogen, wo immer sie entstanden. Nur heute war definitiv nicht der richtige Zeitpunkt, um sich Gedanken um das Herbstfest zu machen. Zuerst mussten sie den Buchladen wieder auf Vordermann bringen.

»Meine Güte, sieht das hier aus«, stellte sie fassungslos fest und blieb mitten im Raum stehen, während Philippe die Tür rasch schloss, bevor noch Kunden eintraten. »Monsieur Bloque, Sie sehen mich zutiefst schockiert. Das in unserer Stadt!« Ihr Blick wanderte durch den gesamten Verkaufsraum.

»Oui, c’est terrible. Es ist schrecklich«, stimmte er zu. »Wir wurden Opfer eines Einbruchs, aber soweit wir das bis jetzt abschätzen können, ist nur das Wechselgeld entwendet worden. Wir haben Glück, dass nichts Schlimmeres geschehen ist und niemand verletzt wurde.«

»Gibt es Hinweise auf den oder die Täter? Was sagt die Polizei dazu?« Die Dame schien aufrichtig betroffen zu sein. Ständig schüttelte sie den Kopf.

»Nein, leider haben wir keinerlei Anhaltspunkte. Man macht uns auch keine allzu großen Hoffnungen. Die Aufklärungsquote bei Einbrüchen und Diebstahl ist verschwindend gering.«

»Sie sind gut versichert?«, fragte Frau Zumbügel.

Philippe nickte.

»Eigentlich wollte ich mit Ihnen über Herrn Aubinger, unseren Juwelier, reden, aber …« Sie ließ den Blick über die Unordnung schweifen und bedachte Klara, die auf dem Boden kniete und Bücher sortierte, mit einem freundlichen Lächeln. »… das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Kümmern Sie sich erst einmal um Ihre Angelegenheiten, und falls Sie Unterstützung von der Stadtverwaltung benötigen, lassen Sie es mich wissen.«

»Merci, doch das wird nicht nötig sein. Wir kommen zurecht.«

»Ach«, seufzte sie, »wenn nur alle Geschäftsleute hier dieselbe Gelassenheit wie Sie an den Tag legten, wäre meine Arbeit um ein Vielfaches einfacher.« Sie lächelte traurig. »Ich gehe dann mal wieder. Auf Wiedersehen, die Herrschaften.«

Philippe bedankte sich für ihren Besuch und öffnete ihr die Tür. Frau Zumbügel war gerade gegangen, da stürmte Herr Manninger, der Optiker von der gegenüberliegenden Marktplatzseite, auf den Buchladen zu.

»Warte«, rief er, fing die Tür ab und schlüpfte ungebeten in den Laden. »Ich bin’s, Alwin.«

Mitten im Schwung blieb er abrupt stehen, starrte auf die zerstreuten Bücher und fluchte: »Ach du heilige Scheiße!«

Wäre die Situation nicht so dramatisch, hätte Klara laut herauslachen mögen. Der Mann war ein komischer Kauz, fand sie. Er war nett, aber immer ein wenig drüber. Eine kleine Dramaqueen, nur in männlich. Dort, wo er auftauchte, bemerkte man ihn recht schnell. Er war in den Fünfzigern, sportlich und dynamisch, trug stets Turnschuhe, Jeans und ausgefallen gemusterte Westen zu einem weißen Hemd. Dazu passend kombinierte er die schrillsten Brillengestelle, die sein Sortiment hergab. Wahrscheinlich mit Fensterglas bestückt, hatte Philippe einmal gestichelt. Außerdem hatte er einen spitz getrimmten Ziegenbart an seinem Kinn, und über der Oberlippe wuchs ein dichter Schnurrbart, dessen Enden er mit Haarwachs zu runden Kreisen zwirbelte. Der Optiker fiel auf, ob er wollte oder nicht.

»Du bist schon der Zweite«, stellte er entsetzt fest.

»Was meinst du?«, fragte Philippe.

»Bei Benno wurde vor drei Tagen ebenfalls eingebrochen.«

»Benno?«, wiederholte Klara neugierig. Sie erhob sich und trat zu den Männern. »Wer ist das?«

»Unser Feinkosthändler am Marktplatz weiter unten«, klärte Alwin auf.

»Feinkost Hellfisch?« Sie kannte den Laden besonders wegen der köstlichen Trüffel mit Cassisfüllung. Die waren einfach unschlagbar.

»Genau der.«

»Herrje!«, bedauerte Philippe den Vorfall. »Weißt du Näheres, was bei ihm geschehen ist?«

»Du kennst ihn, der alte Stinkstiefel übertreibt gern. Ich habe es nicht persönlich gesehen, aber angeblich ist das gesamte Mobiliar zerstört, und sämtliche Lebensmittel musste er in die Tonne kloppen. Das Zeug kann er nicht mehr verkaufen.« Alwin rieb sich das Kinn und strich seinen Ziegenbart lang. »Und jetzt dein Buchladen.«

Sie schwiegen.

»Das sieht mir verdammt nach einer Masche aus.«

»Glaubst du?«, fragte Philippe.

»Die Polizei hat uns gegenüber gar nichts von dem anderen Einbruch erwähnt, oder, Lukas?« Klara wandte sich verwundert zu ihm um.

»Nein«, kam die kurz angebundene Antwort, und schon war er wieder mit einem Stapel Bücher beschäftigt, den er einräumte.

»Ich spreche Thomas nachher darauf an, also ich meine Herrn Hechter von der Streifenpolizei«, sagte Philippe an den Optiker gewandt.

»Hör mir bloß auf mit denen«, winkte er ab. »Hätten sie die Sache ernst genommen und öfter Streifen vorbeigeschickt, wäre das nicht passiert. Zwei Einbrüche in drei Tagen!« Er gestikulierte aufgebracht.

Am liebsten würde Klara dem guten Mann widersprechen und ihm sagen, dass das Unsinn sei. Warum bitte sollten die Beamten nach dem ersten Einbruch gleich von einer Serie ausgehen, und selbst wenn, war die Stadt zu groß, um alle Geschäfte minutiös zu überwachen. Wer etwas anstellen wollte, der fand Mittel und Wege, um an sein Ziel zu gelangen, trotz Polizeipräsenz.

Alwin Manninger echauffierte sich, zwirbelte den Bart und lief auf und ab. »Mir gefällt das nicht. Wer weiß, bei wem sie als Nächstes einsteigen?«, schimpfte er vor sich hin.

»Es ist doch gar nicht gesagt, dass es weitere Vorfälle geben wird«, versuchte Philippe ihn zu beschwichtigen.

»Aber logisch wäre es!« Der Optiker blieb stehen.

»Wieso?« Philippe horchte auf.

»Das fragst du? Bei Benno haben sie nur knapp hundert Euro aus der Kasse entwendet und eine riesige Sauerei hinterlassen. Möglicherweise haben sie einige Flaschen Wein und Whisky, Trüffel, edlen Schinken oder Kleinkram mitgenommen. So genau konnte er das nicht rekonstruieren. Wenn überhaupt etwas fehlt. Und bei euch? Ich wette, da war ebenfalls nicht viel Geld zu holen. Was will ein Dieb schon mit Büchern anfangen? Wertvolle Erstausgaben werdet ihr hier wohl kaum verkaufen.« Alwin lachte für Klaras Geschmack ein wenig zu überheblich. »So richtig hat sich der Beutezug bislang noch nicht gelohnt, weswegen ich vermute, dass der Kerl weitermachen wird. Alles, was er mitgehen ließ, sind ein paar Euro und Leckereien für einen gemütlichen Fernsehabend. Glaub mir, das reicht ihm nicht.«

»Und nun befürchtest du, dass er sich deinen Laden vorknöpfen wird?«, folgerte Philippe.

Klara kannte ihn inzwischen gut genug, um das feine Zucken seiner Mundwinkel zu deuten. Er hielt offensichtlich nichts von der Theorie, dass die Einbrüche sich fortsetzten.

»Natürlich!«, prustete der Optiker empört los. »Ich habe teure Waren im Lager. Allein die Messgeräte sind ein Vermögen wert. Nicht auszudenken, würde jemand ohne Fachkenntnis daran herumspielen. Nein, das überlasse ich nicht dem Zufall.«

»Wie meinst du das?« Philippe zog eine Braue in die Höhe.

»Wie wohl? Ich lege mich heute Nacht auf die Lauer und übernehme die Arbeit unserer lieben Ordnungshüter. Da weiß ich wenigstens, dass etwas unternommen wird.« Je länger der Mann über diesen Plan nachdachte, desto entschlossener wirkte er.

»Herr Manninger«, versuchte Klara in versöhnlichem Tonfall einzulenken, »das ist viel zu riskant. Sie begeben sich unnötig in Gefahr.«

»Unnötig?«, feuerte er zurück. »Ihr seht doch, was passiert, wenn niemand dem Kerl Einhalt gebietet.«

»Alwin, bei allem Verständnis«, sagte Philippe, »sie hat recht, das ist Unsinn. Die Polizei ist alarmiert und wird sich kümmern. Außerdem hast du keine Ahnung, ob es überhaupt zu weiteren Vorfällen kommt, und falls ja, wann und wo sie stattfinden. Womöglich müsstest du wochenlang auf der Lauer liegen.«

»Na und? Ich kann warten!«

»Du riskierst deine Gesundheit und schlimmer, vielleicht sogar dein Leben.« Philippe schüttelte behutsam den Kopf und sprach wie mit einem kleinen Kind, das aus Trotz die Wahrheit nicht hören wollte.

»Selbstverständlich werde ich Vorkehrungen treffen. Ich bin ja nicht naiv.« Wieder zwirbelte er seine Bartspitze zwischen Daumen und Zeigefinger.

»Und wie genau sehen die aus?«, hakte Philippe nach.

»Wie du weißt, bin ich der Vorsitzende unseres Schützenvereins. Ich nehme eine Waffe mit, also nur zur Abschreckung, ohne Munition, versteht sich.«

Klara gefiel die Idee überhaupt nicht. Das Ganze war für ihren Geschmack zum Scheitern verurteilt. Gerade weil sie selbst schon zu oft kopflos reagiert hatte, wusste sie, wie schnell sie dank solcher gedankenloser Aktionen in die Bredouille geraten war.

»Halten Sie es nicht für besser, Sie informieren die Polizei?«, schlug sie vor.

»Ach was, ihr seht doch, wie die aufpassen.« Der Optiker machte eine ausladende Handbewegung in den Buchladen. »Ich beschütze mein Geschäft auf eigene Faust. Außerdem habe ich da so einen Verdacht, wer hinter alldem steckt.« Er verschränkte die Arme vor der Brust.

»Vraiment? Wirklich?« Philippe schien überrascht.

»Frank Aubinger.«

»Der Juwelier?«, fragte Klara.

»Wie kommst du ausgerechnet auf ihn?« Philippe schüttelte den Kopf. »Das ist absurd. Wieso sollte er das tun? Er ist kein Krimineller. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er dazu überhaupt in der Lage wäre.«

»Er ist ein ausgebuffter Hund. Du kennst ihn«, schimpfte Herr Manninger. »Bei unseren Versammlungen von der Wirtschaftsvereinigung flippt er regelmäßig aus, sobald er auf Benno trifft. Die beiden würden sich in der Luft zerreißen, wenn man sie ließe.« Alwin zog seine Weste zurecht.

»Sie mögen sich nicht«, stimmte Philippe zu, »aber deswegen bricht er doch nicht in den Feinkostladen ein. Und warum hätte er bei mir einsteigen sollen? Wir haben keinen Streit miteinander. Nein, das halte ich für ausgeschlossen.« Er lief wieder hinter die Theke, auf der immer noch ein Berg an Kleinkram zum Einsortieren lag.

»Das weißt du ganz genau«, echauffierte sich der Optiker und folgte ihm einen Schritt. »Er will deinen Laden. Darauf spekuliert er schon lange, und falls ich richtig informiert bin, hat er dir mehrmals ein unschlagbares Angebot unterbreitet, um dir die Immobilie abzukaufen. Es ist ein wunderschönes Fachwerkhaus in Toplage direkt am Marktplatz gelegen, während sich sein Geschäft zwei Blocks weiter in einer unattraktiven Seitenstraße befindet. Das schlägt sich unweigerlich auf den Umsatz nieder. Frank würde alles tun, um dich hier rauszubekommen.«

»Jetzt mach mal einen Punkt.« Philippe wurde ungehalten.

»Du hättest ihn erleben müssen, als ich ihn fragte, ob er seine dreckigen Finger bei Benno im Spiel hatte.« Herr Manninger verschränkte die Arme vor der Brust.

»Das hast du ihn gefragt?« Philippe war schockiert.

»Natürlich. Das ist doch naheliegend.« Er schnaubte wütend und ließ die Arme wieder sinken. »Nachdem nun auch bei euch eingebrochen wurde, vermute ich, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich an der Reihe bin.«

»Alwin! Hörst du dich eigentlich selbst reden?« Philippe starrte fassungslos in seine Richtung.

»Ich bereite mich jedenfalls vor und überlasse nichts dem Zufall«, schimpfte der Optiker. »Wir werden ja sehen, wer am Ende recht behält.« Er ließ ein letztes Mal seinen Blick durch den Laden schweifen und wandte sich zum Gehen. Dann blieb er kurz stehen und sagte: »Der Einbruch hier tut mir aufrichtig leid. Sobald ich den Kerl überführe, bekommt er wenigstens eine gerechte Strafe für all das.«

Als er gegangen war, schlug Philippe sich mit der Handfläche gegen die Stirn. »Ist das zu fassen? Frank Aubinger und einbrechen! Was ist bloß in den Mann gefahren? Soll er sich doch auf die Lauer legen, von mir aus. Pft! Das ist blanker Unsinn.«

Der Vormittag verging wie im Flug. Sie schufteten fleißig, bis sich die Regale wieder füllten und sie erleichtert feststellten, dass der Schaden nicht annähernd so groß war wie anfangs befürchtet. Bis auf das eine Buch, das zertreten worden war, gab es fast nur kleinere Blessuren wie Eselsohren oder Schrammen auf dem Cover. Ihre Bestandsaufnahme war noch nicht endgültig abgeschlossen, aber Lukas glaubte, dass außer dem Wechselgeld aus der Kasse nichts gestohlen wurde. Ein Verlust, der zu verschmerzen war.

Gegen Mittag meldete sich trotz Monas leckerer Cupcakes der Hunger auf etwas Herzhaftes. Philippe lud alle zum Essen beim Italiener gegenüber ein. Erschöpft ließen sie sich an einem der Tische draußen vor dem Restaurant nieder. Die Sonne strahlte vom tiefblauen Himmel. Das Wasser der Fontänen plätscherte. Kinder kicherten und spielten in Badehosen Ball.

Klara lehnte sich zurück, genoss die Wärme und den köstlichen Essensduft, der aus dem Restaurant strömte. Ihr Magen knurrte. Lukas rückte seinen Stuhl unter den Sonnenschirm und studierte die Speisekarte. Bei ihrem ersten Besuch in dieser Taverne hatte Philippe ihr damals erklärt, dass er nie aus der Karte bestellte. Zum einen, da er nicht sah, was darauf angeboten wurde, und zum anderen, weil er es liebte, sich von dem jeweiligen Tagesmenü überraschen zu lassen. Ihr gefiel die Idee, und sie machte es ihm nach. Bisher war sie noch nie enttäuscht worden. Das Essen hier war jedes Mal vorzüglich.

Während Lukas eine Pizza wählte, wurden für Klara und Philippe hausgemachte Tortelloni mit Schinken in Sahnesoße samt kleinem Beilagensalat serviert.

»Mein Gott, habe ich Hunger«, seufzte sie, schob einen Bissen in den Mund und schloss die Augen. »Hm, ist das lecker.«

»Wir sind im Laden fast fertig geworden«, sagte Lukas und breitete eine Papierserviette auf dem Schoß aus. »Der Rest dauert nicht mehr lange, schätze ich.«

»Ja, ihr zwei habt wirklich einen Orden verdient. Ich danke euch für eure Hilfe.« Philippe tastete nach Klaras Hand und strich zärtlich darüber. »Mit Thomas habe ich telefoniert. Er kommt nachher vorbei und holt das Buch ab, das dir aufgefallen ist, ma chère. Er will es den Kollegen von der Kriminaltechnik bringen, damit sie es untersuchen können. Viel Hoffnung macht er uns allerdings nicht.«

»Das habe ich vermutet, aber einen Versuch ist es wert«, erwiderte Klara und aß genüsslich weiter. »Sag mal«, fragte sie schließlich, »was war das für eine eigenartige Sache mit Herrn Manninger vorhin? Glaubst du seiner Theorie, dass der Juwelier für die Einbrüche verantwortlich sein könnte?«

»Ach was!« Philippe schüttelte amüsiert den Kopf. »Er ist ein Hitzkopf, mit dem oft die Pferde durchgehen. Du müsstest mal bei den Treffen der Wirtschaftsvereinigung dabei sein. Jedes Mal gibt es Reibereien zwischen denselben Leuten. Alwin ist meistens maßgeblich daran beteiligt. Er hat eine Meinung, und die vertritt er kompromisslos bis zum Schluss. Das gefällt dem ein oder anderen absolut nicht, und deswegen kochen die Gemüter mit regelmäßiger Zuverlässigkeit immer wieder hoch. Besonders Alwin und Frank Aubinger ecken ständig aneinander. Manchmal komme ich mir vor wie im Kindergarten.« Er griff nach seinem Wasserglas und trank.

»Wieso gerade die beiden?«

»In einem Punkt hat Alwin recht: Der Juwelierladen hat wirklich keine gute Lage. Die Seitenstraße ist schmal, es fehlen Parkplätze, und das Ambiente drumherum ist für teuren Schmuck ungeeignet.«

Eine Wespe surrte über Klaras Teller hinweg und wollte sich an ihrem Glas mit Zitronenlimonade niederlassen. Hastig wedelte sie sie mit der Hand davon.

»Seit Jahren liegt mir Frank in den Ohren, dass er mir das Haus abkaufen möchte.« Philippe lächelte.

»Glaubt er tatsächlich, dass du ernsthaft über dieses Angebot nachdenkst?« Klara fand die Idee absurd.

»Na ja, weißt du, damals, als Stine mich verließ, war ich nicht gerade in bester Verfassung. Ich haderte mit so vielem und auch mit meinem Enthusiasmus für die Buchhandlung. Meine Arbeitswut hatte letztendlich unsere Ehe zerstört. Da kann man schon mal ins Grübeln geraten. Bei den monatlichen Treffen der Geschäftsleute habe ich ihm gegenüber das Thema angesprochen, und seitdem ist er besessen von dem Gedanken, dass er mir mit einem entsprechenden Betrag das Gebäude abluchsen könne. Natürlich sagte ich ihm, dass ich das niemals tun würde. Er weiß das. Selbst nachdem ich die Krise überwunden hatte, versuchte er es immer wieder. Das ist inzwischen so etwas wie ein Running Gag zwischen uns geworden. Er probiert es, und ich lehne dankend ab.«

»Krass!« Lukas sah seinen Chef verblüfft an. »Davon wusste ich gar nichts.«

»Ach, das ist längst Geschichte für mich.« Philippe fuhr mit der Gabel in die Nudeln auf dem Teller.

»Für dich mag das zutreffen, aber für Herrn Aubinger ebenfalls?«, fragte Klara. Von all den Streitereien und Verstrickungen unter den Ladenbesitzern hatte er ihr bislang nie erzählt. Bei diesen Versammlungen, an denen er monatlich teilnahm, ging es um Themen wie die Planung des Herbstfestes, Organisatorisches aus der Geschäftswelt und eben allgemeinen Austausch zwischen den Händlern.

»Ich denke schon, dass er sich über die Aussichtslosigkeit seiner Bitte bewusst ist«, antwortete er. »Es ist halt Alwin, der nie Ruhe gibt und ständig stichelt. Keine Ahnung, was sein Problem ist. Er polarisiert gern und stellt sich in den Mittelpunkt. Das reizt natürlich die Gemüter. Das war früher genauso«, fügte er leiser hinzu.

»Wie meinst du das?«, hakte Klara nach, und ihre Neugier war nun endgültig geweckt.