Das Gold der Bandas: Die Geschichte der Muskatnuss - Horst H. Geerken - E-Book

Das Gold der Bandas: Die Geschichte der Muskatnuss E-Book

Horst H. Geerken

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Beschreibung

Die Banda Inseln waren für lange Zeit der einzige Platz dieser Erde, auf dem die Muskatnuss gedieh. Auf dem langen Weg über die Seidenstraße bis Europa wurde das Gewürz immer teurer, und als die Muskatnuss auch noch als Wundermittel gegen die Pest empfohlen wurde, war sie zeitweise teurer als Gold. Einige europäische Staaten veranstalteten daraufhin ein Wettrennen um die Gewürzinseln. Sie wollten an dem gewinnbringenden Geschäft teilhaben. Die Portugiesen waren die ersten Europäer, die die Gewürzinseln erreichten. Es folgten die Spanier und die Engländer. Die letzten waren die Niederländer. Sie waren der Auslöser für Eroberungen, Kriege und gnadenloses Morden. Während die Portugiesen, Spanier und Engländer mit den Einwohnern der Bandas nur Handel treiben wollten, wollten die Niederländer die Inseln besitzen. Aus reiner Geldgier verübten sie hier den ersten Genozid der neueren Geschichte. Heute leben auf den Bandas fast nur noch Nachkommen der durch die Holländer auf die Inseln verschleppten Sklaven. Das Buch enthält viele spannende und größtenteils unbekannte Geschichten über die winzige Inselgruppe. Zum Beispiel, dass eine der Inseln einst gegen Manhattan in Amerika getauscht wurde, oder dass die Insel Banda Neira eine Zeit lang die teuerste Immobilie der Welt war. Dieses Buch ist eine faszinierende Dokumentation über die Banda Inseln vom 17. Jahrhundert bis heute, und über die Kolonisierung Indonesiens. Es beschreibt weltbewegende Ereignisse, und zeigt, wie eine kleine Nuss die Welt veränderte.

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Inhaltsverzeichnis

Dank

Prolog

Wie die Gewürze nach Europa kamen

Die Banda Inseln

Die ersten Entdecker auf der Suche nach den Gewürzinseln

Die Engländer wollten handeln, die Holländer erobern und besitzen

Der holländische Generalgouverneur General

Jan Pieterszoon Coen und das

Banda-Massaker

Perkeniere

Deutsche im Dienst der VOC auf den Bandas

Der Tausch der Insel Run gegen Manhattan

Die Muskatnuss und Pierre Poivre

Fort Belgica und die Engländer

Die Abrolhos Inseln und die

Batavia

Die Banda Inseln in den Wirren des 20. Jahrhunderts und der Bandanese Des Alwi

Gunung Api

Meine Reise zu den Banda Inseln

Das Cilu Bintang Estate

Die Banda Inseln heute

Die Insel Banda Besar

Fahrt nach Pulau Ai und Pulau Run

Die Insel Ambon und das Massaker von Amboyna

Georg Eberhard Rumpf, genannt Rumphius

Rezepte

Zurück nach Bali

Epilog

Anlagen

Artikel in der Stuttgarter Zeitung vom 31. Januar 2019 von Gunter Haug

A Description of the Banda Islands, by Albert S. Bickmore, M.A.

Vortrag von Pastor Cornelis J. Böhm über Rumphius in Bahasa Indonesia (Seite 1)

Eintrag in Encyclopaedia Britannica von 1875 und Pierers Konversationslexikon von 1888

Verwendete Literatur

Besuchte Archive

Namensregister

Sachregister

Dank

Mein Dank geht zunächst an Abba Rizal Bahalwan, den Eigentümer des Cilu Bintang Estates und Leiter der ‚Banda Neira Foundation‘, einer Organisation, die sich um den Erhalt der Geschichte der Banda Inseln1 bemüht. Er ist eine unerschöpfliche Quelle bezüglich Informationen über den kleinen Archipel in der Bandasee und dessen schmerzhafter Geschichte. Schon als Junge arbeitete er als Fremdenführer. Ich wurde drei Wochen lang im Cilu Bintang Estate verwöhnt, und Abba stand mir immerzu mit Rat und Tat zur Seite. Er war stets bemüht, meine Wünsche zu erfüllen. Abba hat mir Bildmaterial und andere Unterlagen zur Auswertung überlassen.

Dank an unzählige Menschen, deren Namen ich nicht alle nennen kann – von einfachen Fischern, Beamten, Marktfrauen, Lehrern und Kindern auf allen Inseln der Bandas bis zu der Pastorin der Kirche in Banda Neira. Mit vielen habe ich ausführliche Gespräche führen können. Jeder hatte Geschichten aus seiner Familie zu erzählen, deren Puzzleteile sich letztendlich zu einem Ganzen zusammenfügten.

Meinen besonderen Dank auch an Pastor Cornelis J. Böhm MSC aus Ambon, einen Kenner der Geschichte von Rumphius. Er ist der letzte noch lebende holländische Pastor auf den Molukken. Er hat mir Unterlagen über Georg Eberhard Rumpf, genannt Rumphius, überlassen, die in dieses Buch eingeflossen sind.

Meinen beiden Lektorinnen Michaela Mattern und Barbara Bode gebührt mein besonderer Dank. Es sind nicht nur Grammatik- und Schreibfehler, die sie zutage fördern, durch sie habe ich auch viele Anregungen erhalten. Barbara Bode verdanke ich auch die Gestaltung von Landkarten und des Buchumschlages, sowie die Erstellung des Buchblocks.

Dann danke ich noch meinem Bruder Hartmut, der aus seiner Sammlung von antiquarischen Lexika immer wieder etwas Neues zu dem Thema des Buches beisteuern konnte.

Auch Dank an Margareta Krapf-Mlosch, die mir einen entscheidenden Hinweis zur Titelfindung gab.

Ich danke Herrn Prof. Dr. Meinolf Schumacher von der Universität Bielefeld, der für mich ein mittelhochdeutsches Gedicht frei übersetzt hat, und Cornelia Biegler-König und Marieke Weiß für die Vermittlung.

Und nicht zuletzt bin ich meinem Freund Torsten sehr dankbar, dass er mir bei Problemen mit meinem Computer immer mit Rat und Tat zur Seite stand.

Mein Dank gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der in Kapitel 27 genannten Archive. Überall wurde mir bereitwillig Zugang zu alten Dokumenten gewährt.

August 2019

Horst H. Geerken

1 Indonesisch: Kepulauan Banda

1. Prolog

Stefan Zweig beginnt seine Biographie über den frühen Entdecker Ferdinand Magellan2 mit den Worten: ‚Am Anfang war das Gewürz‘. Wie er explizit erwähnt, trifft dieser Satz nicht nur auf Ferdinand Magellan zu, sondern auf alle frühen Entdecker wie Christopher Columbus, Bartolomeu Dias3 oder Vasco da Gama, die alle wie in einem Rausch den wertvollen Gewürzen in bisher unbekannte Gewässer nachjagten. Die Gewürze versprachen damals einen größeren Profit als Gold und Silber.

Dies rief auch Fälscher auf den Plan. Sie stellten Muskatnüsse aus Mehl, Ton, Farbstoffen und Muskatpulver her. Das dafür verwendete Muskatpulver wurde aus wurmstichigen billigen Muskatnüssen gewonnen. Es gelang den Fälschern immer wieder, ahnungslose Kunden zu betrügen. Selbst Experten sind auf Betrügereien hereingefallen. 1860 gelangte eine ganze Schiffsladung von gefälschten Muskatnüssen aus Kanton in China nach England. Die ganze Ladung bestand aus hölzernen Nüssen.4 Oft wurden die durch Insekten und Würmer verursachten Löcher in Ausschussware mit Fett, Mehl und Kalk zugestopft und dann als erstklassige Handelsware verkauft.

Bei Muskatpulver wird bis heute gemanscht. Es werden nicht nur wurmstichige Ausschussware und minderwertige Nüsse mit wenig Aroma gemahlen, das Pulver wird auch oft noch mit billigem Kurkuma gestreckt.

Heute ist der zweite Weihnachtsfeiertag 2018. Ich sitze auf der Terrasse vor meinem Zimmer im Cilu Bintang Estate auf der Insel Banda Neira5, einer der Banda Inseln, die im südlichen Teil der Molukken im heutigen Indonesien liegen. Dies war eine der damals von den Europäern wie besessen gesuchten Gewürzinseln. Es ist die am weitesten abgelegene und gleichzeitig die faszinierendste Inselgruppe im Indonesischen Archipel. Vor mir liegt die Ruine des alten holländischen Forts Nassau und dahinter, nur durch eine schmale Wasserstraße getrennt, erhebt sich der mächtige Vulkan Gunung Api6, der Feuerberg, der sich kegelförmig wie eine Pyramide aus dem tiefen azurblauen Meer der Bandasee erhebt. Dieser Feuerberg hat schon viel Unheil über die Bandas gebracht. Wende ich meine Augen vom Vulkan Gunung Api nach rechts, erhebt sich dort auf einem Hügel das mächtige zweite Fort der Insel, das restaurierte Fort Belgica7.

Heute ist das Meer ausnahmsweise nicht azurblau, denn es regnet schon den ganzen Tag. Es ist Regenzeit, der Westmonsun. Die Angestellten des Gästehauses – alles Moslems und Muslimas – geben sich alle Mühe, aus einer einheimischen Zeder und Sternen aus Papier einen Weihnachtsbaum zu zaubern. Da kommt durch die trübe Wetterlage trotz Äquatornähe doch ein wenig Weihnachtsstimmung auf. Außer mir ist nur noch ein nettes Ehepaar aus Stuttgart da, Gunter und Karin. Wir verstanden uns prächtig. Drei Schwaben gleichzeitig auf den vergessenen Inseln, das musste natürlich begossen werden! Gunter Haug ist Bestseller-Autor8 und Journalist und hat in der Stuttgarter Zeitung einen Artikel über mich und die Bandas geschrieben.9

In den letzten Tagen habe ich schon viele Informationen über die Banda Inseln sammeln können, und ein Regentag wie heute ist eine gute Gelegenheit, ein neues Buch – das hier vorliegende über die Banda Inseln und die Muskatnuss – zu beginnen. Eine Bootsfahrt zu einer anderen Insel wäre heute wegen des hohem Seegangs ohnehin nicht möglich gewesen. Schon seit gut zwei Wochen bin ich in meiner Basis im Cilu Bintang Estate. Von hier, von Banda Neira aus, machte ich bei vorwiegend traumhaftem Wetter Tagesausflüge zu den anderen paradiesisch einsamen Inseln. Ich sammelte Informationen und führte bereits unzählige Interviews. Nun will ich meine Notizen zu Papier bringen. In meinem geräumigen Zimmer hat mir Abba, der Eigentümer meiner Bleibe, eine Schreibecke mit heller Leuchte eingerichtet und mich mit Büchern aus seiner Bibliothek versorgt.

Wer kennt heute noch die Banda Inseln, elf winzige Inseln, über 2500 Kilometer und zwei Zeitzonen von der Hauptstadt Jakarta entfernt im Osten des Archipels, so winzig, dass sie auf fast keiner Landkarte zu finden sind? Nur sechs davon sind von insgesamt etwa 14 000 Menschen bewohnt. Ich habe bis heute noch keinen Indonesier getroffen, der die vergessenen Inseln kennt und weiß, wo sie liegen, obwohl Banda Neira mit Fort Belgica und dem Vulkan Gunung Api auf einer indonesischen 1000 Rupiah Banknote abgebildet ist.

Abb. 1-1: Mein Zimmer im Cilu Bintang Estate

Abb. 1-2: Die Schreibecke in meinem Zimmer

Abb. 1-3: Blick von der Terrasse im Cilu Bintang Estate zum Vulkan Gunung Api

Abb. 1-4: Da kam sogar ein wenig Weihnachtsstimmung auf

Abb. 1-5: 1000 Rupiah Banknote10 mit dem Fort Belgica und dem Vulkan Gunung Api

Selbst das Postamt in Ubud auf Bali war total überfordert, als ich dort ein Päckchen mit einigen meiner Bücher für Abba in Banda Neira aufgeben wollte, obwohl es in Banda Neira ein Postamt mit einer Postleitzahl gibt. Noch weniger bekannt ist die kleine Gruppe der Banda Inseln im Ausland. Selbst für indonesische Verhältnisse sind die Banda Inseln am Ende der Welt. Dabei haben sie vor 350 Jahren Weltgeschichte geschrieben. Damals waren sie – wie wir noch sehen werden – in aller Munde! Eine kleine Nuss, die Muskatnuss, hat einst die Welt verändert.

Heute kann man in jedem Supermarkt alle Gewürze für ein paar Euro kaufen. Aber wer weiß schon, dass vor mehreren hundert Jahren einige europäische Staaten ein Wettrennen veranstalteten, um die Gewürzinseln zu finden? Die Gewürze waren der Anlass für Kriege, für Eroberungen und für gnadenloses Morden. Wer weiß heute noch, dass die Banda Inseln lange Zeit der einzige Platz dieser Erde waren, auf dem die Muskatnuss11 gedieh, dass damals die Muskatnuss teurer war als Gold, dass aus reiner Geldgier die Holländer hier den ersten Genozid der neueren Geschichte verübten, dass auf den Banda Inseln fast nur noch die Nachkommen der von den Holländern auf die Inseln verschleppten Sklaven und arabischer Händler leben, dass eine der Inseln, Pulau Run, einst gegen Manhattan in Amerika getauscht wurde oder dass die Banda Inseln zu einer Zeit die teuerste Immobilie der Welt waren? Es gibt noch viele weitere Geschichten über diese kleinen Eilande, alles weltbewegende Ereignisse! Wie gesagt, eine kleine Nuss veränderte die Welt, und es gibt Spannendes zu erzählen!

Auf den Banda Inseln ging es wegen des wertvollen Gewürzes Muskatnuss selten gewaltlos zu. Der Boden der Banda Inseln ist getränkt mit Blut! Und das Blut klebt an den Händen der grauenvoll agierenden niederländischen Kolonialmacht. Jedes Mittel war den Niederländern recht, um ihre Macht mit Kanonendonner durchzusetzen und zu erhalten. Die Bevölkerung wurde misshandelt und versklavt. Aber hierüber ist nur wenig berichtet worden, da die Niederländer es bis heute hervorragend verstanden haben, ihre Gräueltaten der Vergangenheit unter den Teppich zu kehren. Hier, auf den Banda Inseln, wurden dagegen die Schandtaten bis heute nicht vergessen. Jedes Kind wird bereits in der Schule über die Massaker der Niederländer aufgeklärt. Bei allen Gesprächen, die ich hier führte, wurde ich zunächst nach meiner Nationalität gefragt. Als ich sagte. ich wäre Deutscher, hellten sich ihre Mienen auf. Niederländer werden immer noch mit einer gewissen Skepsis betrachtet.

Selbst in neuerer Zeit, in den 1930er Jahren, spielten die Banda Inseln eine gewisse Rolle. Hierher, auf die abgelegenen vergessenen Inseln, wurden von den Niederländern einflussreiche indonesische Nationalisten, die für eine Unabhängigkeit Indonesiens eintraten, verbannt.

Der Blick von meiner Terrasse im Cilu Bintang Estate auf den Vulkan ist überwältigend. Schon seit meiner frühesten Kindheit träume ich von diesem Anblick, aber erst jetzt bin ich mir ganz sicher, dass es dieses Panorama war, das mich schon als Kind faszinierte. Meine Mutter war in ihrer Jugend mehrfach längere Zeit bei unserer Verwandtschaft in Amsterdam, die in der Keizergracht wohnte. Dort erlernte sie auch die holländische Sprache. Sie muss von Niederländisch-Indien fasziniert gewesen sein, denn von dort brachte sie – wie sie mir später erzählte – jedes Mal Bücher über die niederländische Kolonie mit. Diese Bücher nahmen einen großen Teil des Bücherschrankes bei uns zu Hause in Stuttgart ein. Ein Teil dieser Bücher lag bis zu der Zerstörung unserer Wohnung während des Zweiten Weltkriegs auf einem kleinen Tisch im sogenannten Herrenzimmer. Als Junge – ich ging noch nicht zur Schule und konnte noch nicht lesen – stöberte ich in diesen Büchern und bestaunte die vielen exotischen Bilder. Besonders beeindruckend fand ich alte Zeichnungen von einem Feuer speienden, steil aus dem Meer aufragenden Vulkan an einer schmalen Meerenge mit einer Insel daneben. Fast täglich blätterte ich in diesen Büchern und schaute immer wieder diese Abbildung an, weshalb sich auch diese Landschaft bis heute tief in mein Gedächtnis eingeprägt hat.

Abb. 1-6: Der Vulkan Gunung Api, der nur durch eine schmale Wasserstraße von der Insel Banda Neira (mit Fort Belgica) getrennt ist12

Abb. 1-7: Landkarte von 1820, Banda Neira, Gunung Api und Banda Besar

Abb. 1-8: Die schmale Wasserstraße zwischen dem Vulkan Gunung Api (links) und der Hauptinsel Banda Neira13

Abb. 1-9: Ein Stich von 1724 von Banda Neira mit Fort Belgica auf der Anhöhe, sowie dem Vulkan Gunung Api

Abb. 1-10: Segelschiffe auf Reede in der schmalen Wasserstraße zwischen dem Vulkan Gunung Api und der Insel Banda Neira14

Abb. 1-11: Banda Neira mit dem Vulkan Gunung Api

Als dann auch noch mein Geographielehrer in den ersten Jahren im Gymnasium in Schwäbisch Gmünd den Schwerpunkt seines Unterrichts auf die Inseln im Malaiischen Archipel legte, haben mich die dortige Inselwelt und die Muskatnuss noch mehr in ihren Bann gezogen. Ich erfuhr immer mehr Interessantes, so dass mein Wunsch, die Banda Inseln zu besuchen und die Geschichte der unscheinbaren Muskatnuss aufzuschreiben, immer intensiver wurde.

Interessant ist, dass auf allen alten Abbildungen der Niederländer der Vulkan Gunung Api aktiv ist und Feuer und Asche spuckt. Nach alten Überlieferungen gab es jedes Mal, wenn die Flotte der Holländer in Banda eintraf, eine größere Eruption. Wollte der Vulkan dadurch zeigen, dass er böse war, und das Handeln und die Herrschaft der Holländer auf diesen Gewürzinseln missbilligte? Den Niederländern war nämlich jedes Mittel recht, um ihre Macht zu erhalten und ein Monopol durchzusetzen.

Nun sitze ich hier, schaue mir die wunderschöne Natur an und ich bin mir ganz sicher, dass es sich bei den Abbildungen in dem Buch, die ich als Kind betrachtete, um die Banda Inseln gehandelt haben muss. Die Natur und die Bilder in meiner Erinnerung passen haargenau zusammen. War meine holländische Verwandtschaft mit den Banda Inseln irgendwie verbunden? War jemand aus der Familie hier tätig? Hat deshalb meine Mutter über dieses Gebiet immer Bücher aus Holland mitgebracht? Zog es mich aus diesem Grunde schon seit langer Zeit hierher? Leider kann ich meine Mutter hierüber nicht mehr befragen und die Verwandtschaft in Holland ist schon vor vielen Jahren ohne Nachkommen ausgestorben. Selbst der Name der holländischen Familie ist mir nicht mehr bekannt. Ich weiß nur noch, dass die Tante meiner Mutter, die mit ihrem holländischen Ehemann in Amsterdam lebte, eine geborene Mannhardt war. Wenn ich mehr wüsste, hätte ich hier auf den Inseln weitere Nachforschungen anstellen können, denn es gab bis zu der japanischen Besetzung im Zweiten Weltkrieg mehrere holländische Familien, die die Banda Inseln dominierten. Zum Beispiel waren dies die Familien Decmaars, Van den Broecke15, Kok oder Baadilla.

Bekannt ist mir allerdings, dass einer meiner Vorfahren mütterlicherseits, Johann Wilhelm Mannhardt16, die Tochter eines niederländischen Kaufmannes heiratete, der mit Niederländisch-Indien seine Geschäfte machte und deren Name Anna van der Smissen17 war. Van der Smissen, Annas Vater, geboren um 1730, wurde als Mennonit in Holland verfolgt. Er flüchtete nach Deutschland und baute in Hamburg sein lukratives Handelshaus auf. Da er vorwiegend mit Gewürzen handelte, vermute ich schon, dass es zwischen Van der Smissen und den Banda Inseln eine Verbindung gab. Aber auf den Banda Inseln ist mir der Name Van der Smissen, auch auf Grabsteinen, bisher nicht begegnet. Ich wünsche, ich könnte noch meine Mutter befragen. Warum beginnt man erst im Alter, nach seinen Wurzeln zu suchen?

Wie ein kürzlich von mir gemachter DNA-Test ergab, kommt zu meiner großen Überraschung ein Prozent meiner DNA aus dem Malaiischen Archipel, dem heutigen Indonesien. Kein Wunder, dass ich einen kleinen Ansatz zu Schlitzaugen habe, weshalb ich in der Schule von meinen Mitschülern und später auch beim Studium von meinen Freunden Dschingis Khan gerufen wurde. Wer hat wohl diesen Prozentpunkt aus Südostasien nach Europa mitgebracht? Da ich gedanklich seit meiner Kindheit sehr eng mit den Banda Inseln verbunden bin, bin ich mir nun fast sicher, dass dieser Prozentpunkt aus den Banda Inseln kommt. Ob ich das in meinem Leben wohl noch bestätigen kann?

Vor 20 Jahren scheiterte mein erster Versuch, auf die Banda Inseln zu kommen, an den fehlenden Transportverbindungen, die damals noch unzuverlässiger waren als heute. Ich wartete mit meiner langjährigen Lebensgefährtin Annette über zwei Wochen in Ambon auf eine Möglichkeit, um auf die Bandas zu kommen. Aber leider mussten wir unverrichteter Dinge wieder zurück nach Deutschland.

Da die Geschichte der Banda Inseln so interessant und vielfältig, aber gleichzeitig auch schrecklich ist, werde ich in diesem Buch den Schwerpunkt auf diese Gruppe mit elf winzigen Inseln legen. Darüber gibt es schon genug zu berichten! Die anderen Gewürzinseln, wie Tidore oder Ternate, auf denen die Gewürznelke gedieh, haben genauso interessante Geschichten. Aber auch noch deren Geschichten zu erzählen, würde den Umfang dieses Buches sprengen.

Dies hier ist die Geschichte der Muskatnuss! Denn der Muskatnuss fiel in den vergangenen Jahrhunderten eine besondere Bedeutung zu, nicht nur beim Konservieren und Verfeinern von Gerichten, sondern besonders in der Medizin und als Aphrodisiakum. Und die Muskatnuss wuchs weltweit nur hier, auf den winzigen Banda Inseln.

Das Königreich der Niederlande hat 12 Provinzen, zwei davon sind Noord- und Zuid Holland. Von 1588 bis 1795 wurde das Gebiet die ‚Republik der sieben Vereinigten Niederlande‘ genannt. Nach der Eroberung durch französische Truppen im Jahre 1795 war das Gebiet der heutigen Niederlande die ‚Batavische Republik‘. Da das Gebiet Holland mit Abstand den größten Beitrag bei der Kolonisierung von Niederländisch-Indien und für die holländische Wirtschaft geleistet hat, sowie den größten Einfluss ausübte, verwende ich hier der Einfachheit halber durchgehend den Begriff Holland, wenn eigentlich das gesamte Königreich der Niederlande gemeint ist.

Mit Großbritannien verhält es sich ähnlich. England, Wales, Schottland und Nordirland sind eigenständige Länder. England ist nur der südliche Teil der Insel. 1707 wurde aus England, Wales und Schottland das ‚Königreich Großbritannien‘ gegründet. Im Jahre 1800 kam noch das eigenständige Irland hinzu. Nach diesem Zusammenschluss nannte man nun das Land ‚Vereinigtes Königreich‘. Durch den irischen Unabhängigkeitskampf im Jahre 1921 wurde die Insel Irland in die Republik Irland und Nordirland aufgeteilt. Nun18 bildet das ‚Vereinigte Königreich‘ bis heute mit England, Wales, Schottland und Nordirland die politische Einheit Großbritannien.

Da die Expeditionen nach Südostasien vorwiegend von England ausgingen und die ausschlaggebenden Personen fast ausschließlich aus diesem Landesteil kamen, werde ich in dem Buch anstelle von Großbritannien oder dem Vereinigten Königreich der Einfachheit halber durchgehend von England sprechen.

2 Stefan Zweig, Magellan: Der Mann und seine Tat

3 Auch Diaz

4 Elsner, Die Praxis des Chemikers, 1895, S. 496

5 Auch Bandanaira

6 Auch: Banda Api

7 Der Name Belgica ist zurückzuführen auf das Gebiet der ‚17 Provinzen der Burgundischen Niederlande‘, das damals neben den heutigen Niederlanden auch noch Belgien und Luxemburg umfasste.

8www.gunter-haug.de

9 Siehe Kapitel 25, Anlage I

10 Auf der Rückseite der Banknote ist die indonesische Freiheitskämpferin Tjut Meutia (auch Cut Nyak Meutia/Meuthia) abgebildet. Sie wurde von den Holländern festgenommen und 1906 hingerichtet. Sie wird heute als Nationalheldin verehrt.

11 Muskatnuss wird auf Bahasa Indonesia ‚Pala‘ und auf Balinesisch ‚Jebug Garum‘ genannt, lateinisch Myristica fragrans.

12 Gravur von 1655

13 Lithographie nach einem Gemälde von Josias Cornelis Rappard, 1883-1889, Wikimedia Commons

14 Atlas pittoresque, Pl. 114, Stich von 1699

15 Pieter Van den Broecke (1585-1640), Eigentümer von Muskatnuss-Plantagen auf Pulau Ai und Banda Besar.

16 1760-1831

17 1771-1843

18 Stand 2019, noch vor einem möglichen Brexit

2. Wie die Gewürze nach Europa kamen

Gewürzen wohnte schon immer ein gewisser Zauber inne. Schon auf babylonischen Keilschrifttafeln werden mehr als 30 Kochrezepte genannt, die Gewürze wie Koriander oder Kümmel enthalten. Man wollte schon damals schmackhaft und edel speisen. Auch Hildegard von Bingen19 erwähnt in ihren Rezepturen oft Muskatnuss, Gewürznelke und Zimt.

Im Mittelalter ging von dem wohlriechenden Samen der Muskatnuss und der Macis20 – wie von allen Gewürzen aus den Molukken – eine eigene Magie aus. Wer denkt bei dem Duft von Muskatnuss, Gewürznelken und Zimt nicht an die morgenländischen Märchen aus Tausendundeiner Nacht mit ‚Sindbad dem Seefahrer‘?

In Frankreich heißt ein Lebensmittelgeschäft bis heute ‚épicerie‘, ‚Gewürzladen‘. In meiner Jugend war ein deutscher Lebensmittelladen ein ‚Kolonialwarenladen‘, in dem es immer herrlich nach orientalischen Gewürzen duftete. Warum hießen diese Geschäfte bis in die 1960er Jahre immer noch Kolonialwarenläden? Deutschland hatte doch schon längst keine Kolonien mehr. Auf dem Päckchen mit Sago stand als Ursprungsland aber immer noch ‚Bismarck-Archipel‘, mit einem bunten Bild von zwei dunkelhäutigen Eingeborenen, die einen Baumstamm aushöhlten. Ich war als Kind beeindruckt! Dort konnte man sogar Baumstämme essen! Heute ist die Insel Ceram in den Molukken ein Hauptanbaugebiet der Sagopalme.

Die Muskatnuss und der Macis wurden nicht nur als Gewürz in der eintönigen Küche jener Zeit verwendet, sondern auch zur Konservierung von Speisen und als Heilmittel gegen Verdauungsstörungen, Husten und andere Krankheiten eingesetzt. Ein ganzes Füllhorn von Krankheiten wurde damals mit der Muskatnuss kuriert.

Im alten Rom war Zimtparfüm der Renner, und bis ins 18. Jahrhundert trugen wohlhabende Frauen in Deutschland eine Muskatnuss und Gewürznelken in einer porösen Silberkugel um den Hals, wenn sie sich ein Kind wünschten, aber auch um gegen schlechte Gerüche und ansteckende Krankheiten geschützt zu sein. Wer sich den seltenen Luxus dieses Gewürzes leisten konnte, nahm sogar die Muskatnuss als Aphrodisiakum ein. Die sexuelle Lust sollte dadurch gesteigert werden. Jung Verheirateten wurde ein Getränk mit Sahne, Wein, Eigelb, Muskatnuss, Zimt und Zucker gereicht, um die Hochzeitsnacht möglichst erfolgreich zu gestalten.

Von allen Gewürzen war die runde Muskatnuss das seltenste. Als Ärzte aus London die Muskatnuss neben den vielen anderen Anwendungsmöglichkeiten auch noch als einziges Heilmittel gegen die damals grassierende Pest empfahlen, stieg der Bedarf ins Unermessliche. Der Pest, die über die Seidenstraße von Zentralasien nach Europa kam, fielen von 1346 bis 1353 über 30 Prozent der europäischen Bevölkerung zum Opfer! Da die Muskatnuss eine nachgewiesene antibakterielle Wirkung hat, kann durch sie eine gewisse Besserung diverser Leiden nicht ausgeschlossen werden, aber bei der Pest war die Wirkung natürlich gleich Null.

Durch die langen und schwierigen Lieferwege war ein schneller Nachschub nicht möglich. Daher wurde die Muskatnuss in Europa immer rarer und teurer. Auf dem Höhepunkt überstieg der Gewichtswert einer Muskatnuss sogar den von Gold! Für nur zwei Nüsse bekam man damals auf den Märkten in Deutschland eine ausgewachsene Kuh!

Die Gewürzhändler aus Arabien, China und Ostasien konnten das Geheimnis der geographischen Lage der Gewürzinseln Hunderte Jahre lang hüten und ein Monopol aufrechterhalten. Niemand in Europa hatte die geheimnisvollen Inseln je gesehen. Niemand wusste, wo sie zu finden sind. Der Indische Ozean war noch nicht entdeckt. Man wusste nur, dass die Muskatnuss von sehr weit her im Osten kam und lange unterwegs war, bis sie endlich Europa erreichte.

Es wurden abenteuerliche Horrorgeschichten um die Gewürzinseln erfunden, und es wurde gelogen, was das Zeug hält, um unliebsame Konkurrenz abzuschrecken. Dort, wo die Muskatnuss wachsen würde, wären schreckliche Meeresungeheuer, große Seemonster, die jedes Schiff versinken ließen, Menschenfresser und Kopfjäger, die die Köpfe ihrer Opfer sammelten und gefährliche Riffe, die kaum ein Schiff überwinden könne. Kein arabischer oder malaiischer Kapitän, der die Route zu den Gewürzinseln befuhr, wollte die Herkunft seiner wertvollen Fracht preisgeben.

Es kursierte die Geschichte des Pausengi-Baums21. Der würde direkt aus der Tiefe des Ozeans emporwachsen und in seinen Ästen würde der Garuda leben. Es wäre ein Wesen, halb Mensch, halb Vogel. Um den Baum herum würde ein schneller Strudel jedes Schiff in die Tiefe reißen. Nur eine Handvoll Seeleute hätten den Strudel überlebt, indem sie sich an den Federn des Garudas festgehalten hätten.

Es waren grausige Gerüchte, die besonders die Araber bewusst in die Welt setzten, um westliche Forscher von einer Reise dorthin abzuschrecken. Daher blieb der Herkunftsort der Gewürze lange ein Mysterium.

Aber wie kamen die Gewürze nach Europa? Es gab mehrere Routen, über die die Gewürze und andere Güter aus Asien Europa erreichten. Schon seit der frühen Antike übten Gewürze eine große Anziehungskraft aus, da sie auch immer mit Erotik in Verbindung gebracht wurden. Hunderte Jahre lang kamen Gewürze durch die chinesischen Wüstengebiete und Arabien in den Westen. Hier fanden sich viele Abnehmer, die schon mit Sehnsucht jede nächste Lieferung erwarteten. Archäologen fanden bei Ausgrabungen in Syrien den Nachweis, dass dort schon vor 1700 v. Chr. Nelken22 als Gewürz Verwendung fanden.23 Erste Zeugnisse aus China beweisen, dass hier bereits um 300 v. Chr. Nelkengewürz gegen Zahnschmerzen und schlechten Mundgeruch eingesetzt wurde. Die antibakterielle Wirkung der Gewürznelke soll selbst gegen Fußpilz geholfen haben.

Erst später findet man eine Erwähnung der Muskatnuss. Obwohl Ptolemäus bereits Mitte des 2. Jahrhunderts Malaya und Java erwähnt, ist der Erste, der Muskat eindeutig in seinen Schriften erwähnt, Aron24, der im 7. Jahrhundert ein syrisches Kompendium der Medizin geschrieben hat: ‚est nux muskata et affertur ab India‘, ‚die Muskatnuss wird aus Indien gebracht‘.

Der erste Schriftsteller des Abendlandes, der die Muskatnuss im Jahre 1078 erwähnt, war Simoneon Seth. Der jüdisch-byzantinische Arzt aus Antiochia kombinierte die griechische mit der damals bekannten Medizin aus Arabien, Persien und Indien. Neben vielen anderen schrieb er das Buch ‚Die Byzantinische Küche‘, in dem die Muskatnuss mehrfach erwähnt wird.25 Nach dem 11. Jahrhundert mehren sich die Hinweise auf die Muskatnuss zusehends.

Der Gewürzhandel muss aber schon vor fast 4000 Jahren begonnen haben. Und zwar über viele Tausend Kilometer, denn es ist eindeutig bewiesen, dass damals die Gewürze nur von den Gewürzinseln im heutigen Indonesien kommen konnten. Nur auf den Banda Inseln, und nur dort, konnte die Muskatnuss geerntet werden. Und nur auf den Inseln der nördlichen Molukken, auf Ternate oder Tidore, wuchs die Gewürznelke. Es war der Beginn der heute so oft genannten Globalisierung. Aber ist die so neu? Ich glaube, es gab noch nie eine Welt ohne Globalisierung.

Es war ein langer Weg, bevor die Gewürze Europa erreichten. Die wichtigsten Routen trafen in Konstantinopel zusammen. Konstantinopel war im 4. Jahrhundert eine bedeutende Handelsmetropole in der westlichen Welt. Vermutlich sind schon zu jener Zeit erstmals Gewürze von den Molukken in den Westen gelangt. Der persische Gelehrte und Dichter Ibn Sina beschrieb schon um das Jahr 1000 die ‚Nuss von Banda‘.

Durch die Berichte von Marco Polo26 stieg das Interesse an Gewürzen weiter. Bereits um 1290 schrieb Marco Polo, als er durch die indonesische Inselwelt reiste: ‚Diese Inseln werden von vielen Schiffen angesteuert, von Händlern, die teure Güter kaufen und verkaufen. Die Schätze der Inseln sind so groß, dass es sich nicht ausdrücken lässt!‘

Im 13. Jahrhundert kamen schon größere Mengen Muskatnuss nach Deutschland. Dies zeigt eine Verordnung des Erzbischofs von Köln aus dem Jahr 1259, nach der Händler nicht mehr als 10 Pfund an einen Kunden verkaufen durften.27 Köln bezog die Muskatnuss von Gewürzhändlern aus Venedig. Das Zentrum verlagerte sich nämlich im Laufe der Jahre von Konstantinopel nach Venedig, das dann Jahrhunderte lang ein Monopol im westlichen Mittelmeer aufrechterhalten konnte.

Abb. 2-2: Muskatnussbaum aus Christobal Acosta, 157828

Nach den Aufzeichnungen von Marco Polo und Angaben von anderen Reisenden schuf Fra Mauro, ein Mönch des Klosters San Michele in Venedig, im Jahr 1459 im Auftrag des portugiesischen Königs Alfons V. eine Weltkarte mit einem Durchmesser von fast zwei Metern. Hier sind bereits Städte und Küstenlinien in Ostasien aufgezeichnet.

Von Venedig aus wurden Gewürze, Seide und andere Güter aus dem Osten in das restliche Europa verkauft. Es gibt bis heute das Deutsche Haus, das ‚Fondaco dei Tedeschi‘, in Venedig. Hier lebten, kauften und handelten die deutschen Kaufleute direkt am Canal Grande neben der Rialtobrücke. Viele deutsche Handelshäuser und Bankiers, wie die Fugger in Augsburg, beteiligten sich an dem Handel. Die Fugger hatten sogar eine Zeitlang das Monopol für den Gewürzhandel mit Deutschland. Sie finanzierten auch Expeditionen der Portugiesen und der Spanier, und sie lieferten ihnen das Gold, Silber und Kupfer, das für den Handel gegen Gewürze gebraucht wurde.

In Venedig trafen sich die Händler und Geldwechsler aus aller Welt. Mindestens zwei Mal pro Jahr fuhren die Venezianer mit einer Flotte, die von Kriegsschiffen begleitet wurde, nach Konstantinopel und dem antiken Antiochia in der heutigen Türkei, um Gewürze und andere Waren, die auf den Seidenstraßen dort hinkamen, einzukaufen.

Arabische Händler und Seefahrer aus dem Malaiischen Archipel nutzten die Passatwinde und Strömungen im Indischen Ozean, um entlang der Küsten von den Gewürzinseln bis nach Ostafrika zu kommen. Mit dem Nordost-Monsun von Oktober bis April segelten sie zu den Gewürzinseln, und mit dem Südwest-Monsun von Juni bis September wieder zurück. Zum Beispiel zeigen neue DNA-Tests, dass die Population von Madagaskar die größte Übereinstimmung mit den Menschen aus Kalimantan29 in Indonesien hat. Es muss also schon seit langer Zeit ein reger Austausch zwischen diesen Ländern stattgefunden haben. Es waren die Sterne, die die Araber sicher durch die Wüste und durch das Meer navigierten. Viele der alten Überlieferungen haben wir der arabischen Welt zu verdanken. Sie retteten und übersetzten die Dokumente der berühmtesten Bibliothek des Altertums, der Bibliothek in Alexandria.

Abb. 2-3: Mappa mundo von Fra Mauro, Venedig 145930

Abb. 2-4: Deutsches Haus in Venedig, Fondaco dei Tedeschi31

Am Tempel Borobudur aus dem 8. Jahrhundert bei Yogyakarta auf der Insel Java sind auf der untersten Ebene mehrere Steinreliefs zu sehen, die Handelsschiffe jener Zeit zeigen.

Abb. 2-5: Steinrelief eines Handelsschiffes am Tempel Borobudur

Im Jahre 2003 stach auf den Molukken ein Nachbau eines solchen Schiffes in See, das von der damaligen indonesischen Präsidentin Megawati Sukarnoputri32 auf den Namen Samudra Raksa, Verteidiger der Ozeane, getauft wurde. In nur 26 Tagen erreichte das Schiff unter Segeln mit einer Mannschaft von 15 Männern und Frauen die Seychellen. Nach weiteren 15 Tagen war es in Madagaskar. Es war somit bewiesen, dass Schiffe jener Zeit von den Gewürzinseln aus auf der sogenannten Zimtroute Ostafrika erreichen konnten.

Im November 1980 schickte der Sultan von Oman den Nachbau eines antiken arabischen Handelsschiffes von Muskat mit dem nordöstlichen Monsunwind auf die Reise. Nach sieben Monaten auf See erreichte das Schiff China. Auch hier ist der Beweis gelungen, dass ein Warenaustausch von arabischen Händlern mit dem Fernen Osten schon sehr früh möglich war.

Auch im Tempel der Königin Hatshepsut in Südägypten konnte ich auf Wandgemälden aus dem Jahr 1493 v. Chr. Schiffe bewundern, die gerade von einer Reise zurückkamen und entladen wurden. Laut Inschrift befanden sich unter den Waren auch Zimt und zwei weitere Gewürze33.

Als ich Anfang der 1980er Jahre die Felsenhöhle von Ajanta im südlichen Zentralindien besuchte, konnte ich auch dort eine Felszeichnung mit einem Schiff entdecken, das mit Gewürzen beladen war. Es war das Abbild eines der antiken Handelsschiffe, die damals aus Sumatra und Java nach Indien kamen.

Die Lingua Franca entlang der langen Küstenlinie von den Gewürzinseln bis Ostafrika war das sogenannte Küstenmalaiisch34, eine stark vereinfachten Form des Malaiischen ohne Grammatik. Besonders im Südjemen, im Hadramaut, war die Sprache seit Generationen durch einen engen Kontakt mit Java weit verbreitet. Bei meiner Ausreise nach Indonesien im Jahre 1963 hatte ich die Gelegenheit, den Westen des Hardamauts im Südjemen zu besuchen. Hier konnte ich zu meiner großen Überraschung bereits meine ersten in Deutschland angeeigneten Kenntnisse der Bahasa Indonesia anwenden.

Was wir heute die Seidenstraße nennen, war eigentlich ein Netz von teilweise parallel verlaufenden Karawanenwegen, die Ostasien mit dem Mittelmeerraum verbanden. Der Geologe und Geograph Ferdinand von Richthofen gab erstmals 1877 diesen Handelswegen durch unwegsame Wüsten in seinen Veröffentlichungen den Namen ‚Seidenstraße‘. Mit einer Delegation der Preußischen Regierung reiste er 1860 nach China, um Handelsverträge abzuschließen. Er bereiste viele Provinzen Chinas und kam erst 12 Jahre später wieder nach Deutschland zurück.

Es gelangte natürlich nicht nur Seide über diese Routen nach Europa, auch Gewürze waren ein wichtiges Handelsgut. Die bekanntesten Routen hatten ihren Ausgangspunkt in Xian. Hier, wo 1974 das berühmte 2000 Jahre alte Grab mit achttausend überlebensgroßen Terrakotta-Soldaten entdeckt wurde, begann die Reise der Gewürze nach Westen. Hier wurden die Karawanen beladen. Es gab Routen, die nur auf dem Landwege Xian mit Konstantinopel verbanden, andere nutzten zwischendurch immer wieder Seewege. Eine wichtige Umschlagstation war die Karawanserei in Kashgar, ganz im Westen Chinas, wo einige Routen wieder zusammentrafen. Hier fand man alles auf dem Markt. Mensch und Tier konnten sich vor Antritt der nächsten Etappe erholen.

Schon Marco Polo besuchte Kashgar. Er bezeichnete die Oase in seinen Aufzeichnungen als schönen Garten mit viel Obst und Gemüse. Als ich 1998 Kashgar besuchte, war der Sonntagsmarkt immer noch der bedeutendste Markt in weitem Umkreis, wie in alten Zeiten.35

Abb. 2-6: Gewürzmarkt in Kashgar, 1998

Eine Nebenroute führte damals von dem Knotenpunkt Kashgar im heutigen westlichen China durch das Hunza- und Industal36 bis zum Indischen Ozean. Der Endpunkt traf hier mit der Gewürzroute zusammen, die direkt von den Gewürzinseln über das Rote Meer oder die Wüste bis in den Mittelmeerraum führte. Damals war es eine abenteuerliche Route, die an manchen Stellen im Hunzatal nur mit Trägern auf schmalen Pfaden entlang steiler Felsen in schwindelerregender Höhe bewältigt werden konnte. Heute führt hier der von China finanzierte Karakorum Highway entlang, an dem immer noch gebaut wird. Er soll eine Seitenroute der ‚Neuen Seidenstraße‘ werden.

Abb. 2-7: Abenteuerliche Wege im Hunzatal37

Kublai Khan, der ‚König der Könige‘38, übernahm im Laufe der Zeit einen großen Teil des Gewürzhandels aus dem Malaiischen Archipel von den Arabern. Die Chinesen hatten wesentlich größere Schiffe mit 200 Mann Besatzung, die 120 Tonnen Fracht befördern konnten. Im Jahr 1293 segelte die erste chinesische Flotte nach Sumatra und durch die Straße von Malakka. Mit Beginn des Monsuns segelte sie weiter an die Malabarküste im Westen Indiens und weiter in den Jemen. Von hier gingen ihre Waren nach Alexandria an der Mittelmeerküste.

Die Zimtroute ging direkt über den Indischen Ozean bis nach Ostafrika. Von dort aus führte die Route nach Norden und verband sich vor dem Roten Meer mit der Gewürzroute. Im 14. und 15. Jahrhundert ging die Zimtroute meist auf dem Nil stromabwärts weiter bis nach Alexandria, und von dort wurde die Ware nach Konstantinopel oder Venedig verschifft. Als Alexandria die Zölle drastisch erhöht hatte, wurde für die Gewürze meist der Weg über Bagdad und Syrien gewählt.

Dies war eine wichtige Route. Sie führte durch die syrische Wüste nach Antiochia, das 30 Kilometer vom Meer entfernt liegt und ein Schnittpunkt verschiedener Handelswege war. Die Stadt erlebte dadurch einen Aufschwung und war neben Konstantinopel eine der bedeutendsten Städte im östlichen Mittelmeerraum. In der Geschichte des Christentums nahm die Stadt einen wichtigen Platz ein. In einer Höhlenkirche im Nordosten der Stadt soll der Legende nach der Apostel Paulus gepredigt haben.

Abb. 2-8: Die antike Felsenkirche in Antiochia39

Die Spanier und Portugiesen schauten mit Neid auf den immer weiter wachsenden Einfluss der Venezianer. Nun wollten sie selbst die Gewürzinseln finden. Bis 1444 hatten die Portugiesen bereits Madeira und die Azoren im Atlantik entdeckt. Auch die Kanarischen Inseln wollte sich Portugal einverleiben, aber der Papst sprach diese Spanien zu.

Als die Türken 1529 und nochmals 1683 nach Westen vordrangen und Wien belagerten, versiegten die alten Handelsrouten und die westlichen Seemächte machten sich nun selbst auf die Suche nach den legendären Gewürzinseln.

Heute, 350 Jahre später, ist die Seidenstraße wieder in aller Munde. Doch nun geht es um eine ‚Neue Seidenstraße‘ von China nach Europa. Auf ihr sollen nun nicht mehr Gewürze, sondern Massenwaren aus dem Reich der Mitte in den Westen gelangen. Es ist ein Megaprojekt der chinesischen Außenpolitik, das die globale Ordnung stärker auf China zuschneidet. China will mit Hunderten von Milliarden Dollar die Welt erobern!

19 1098-1179

20 Macis (englisch Mace), eingedeutscht auch Mazis. Es ist der rote Samenmantel der Muskatnuss. Dieser Samenmantel wird fälschlicherweise oft Muskatblüte genannt. Macis hat einen aromatischen Geschmack wie die Muskatnuss, ist aber milder.

21 Auch Rumphius (Kapitel 21) befasste sich mit dem mysteriösen Baum.

22 Syzygim aromaticum, auch Eugenia caryophyllata

23 Quelle: International Institut for Mesopotamien Studies

24 Auch Ahroun

25 Otheniel, Simeon Seth, Englisch 2013

26 Vermutlich 1254-1324

27 Ennen, Geschichte der Stadt Köln (1863), II, S. 315

28 Wikipedia, Public Domain

29 Früher Borneo

30 Wikipedia gemeinfrei

31 Wikimedia Commons

32 Einer Tochter des ersten Präsidenten Indonesiens, Sukarno

33 Incense

34 Manchmal sieht man auch das Wort ‘Küchenmalaiisch’

35 Siehe Horst H. Geerken, Der Karakorum Highway und das Hunzatal

36 ibid.

37 Aufnahme des Autors von 1998

38 Wie er sich selbst nannte

39 Aufnahme des Autors von 1957

3. Die Banda Inseln

Die Banda Inseln waren gesegnet, nicht nur gemäß alten Mythen, nach denen sie den Mittelpunkt der Welt bildeten, sie waren auch unermesslich reich. Die Inseln waren bis zu den Bergspitzen mit Muskatnussbäumen bewaldet, sie waren – und sind es immer noch – umgeben von über alle Maßen reichen Fischgründen, in denen sich Thunfische, Makrelen, Papageienfische, Schildkröten und unzählige andere Meerestiere tummeln. Was aber sofort ins Auge fällt, sind die häufigen Erd- und Seebeben und die Eruptionen des Vulkans Gunung Api.

Der Portugiese de Barros beschreibt vielleicht als Erster in seinem berühmten Werk ‚Del Asia‘ Mitte des 16. Jahrhunderts schwärmerisch die Banda Inseln wie folgt:40

Die Insel Banda gleicht einem Garten von Muskatbäumen, und da diese mit einer Menge wohlriechender Kräuter und Blumen zu gleicher Jahreszeit blühen, so füllt sich die Luft um diese Zeit mit Wohlgerüchen, mit welchen keine anderen zu vergleichen sind. Wenn die Früchte des Muskatbaumes anfangen zu reifen, kommen Scharen von Papageien und andere Vögel, von dem mannigfachsten Gefieder und Gesang, um sie zu genießen, und erfreuen das Auge und Ohr des Menschen. In der Mitte der Insel erhebt sich ein Berg, der ziemlich steil ist. Wenn man ihn aber bestiegen hat, befindet man sich oben in einer Ebene, die nicht minder anmutig ist, als die Gegend am Fuß des Berges.

Schon 1545 berichtete nach portugiesischen Quellen Antonius Musa Brasavola, dass die Portugiesen auf ihren Segelschiffen bereits von Ferne den Wohlgeruch der Inseln in der Luft wahrnahmen, bevor sie zu sehen waren.

Der deutsche Naturforscher, Botaniker und Zoologe Georg Eberhard Rumpf, genannt Rumphius, hat in der zweiten Hälfte des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts alleine in den Gewässern der Bandasee über 500 verschiedene Fischarten spezifiziert und noch mehr Pflanzen.41

Hier, und nur hier, konnten die auf der ganzen Welt begehrten Muskatnüsse wachsen und gedeihen. Neben der Muskatnuss konnte auf den Banda Inseln auch noch die beliebte Baumrinde Kayu manis,Zimt, geerntet werden. Auch Kokospalmen, Bananen und Mangos wuchsen hier. Die rund 15 000 Ureinwohner der Banda Inseln mussten keinen Hunger leiden. Die Menschen waren wohlhabend. Es gab alles im Überfluss! Was nicht auf den Inseln wachsen konnte, wie zum Beispiel Reis und Gemüse, wurde aus Java oder Ambon importiert und gegen Gewürze getauscht. Stoffe kamen aus Indien oder Arabien.

Die ersten Zeugnisse menschlichen Lebens fand man auf den Banda Inseln unter einem Felsüberhang auf der Insel Ai. Hier lebten bereits vor 8000 Jahren Menschen. Der erste schriftliche Nachweis stammt von dem portugiesischen Apotheker Tomé Pires,42 der von 1512 bis 1515 in Malakka auf der malaiischen Halbinsel lebte und von dort aus mehrmals die Banda Inseln besuchte. Nach seiner Schätzung wohnten damals nur rund 3000 Menschen43 auf den Inseln. 1516 eröffnete er als Botschafter die erste Diplomatische Vertretung einer europäischen Nation in China.

Die Banda Inseln sind eine kleine Ansammlung einer Handvoll winziger Inseln vulkanischen Ursprungs inmitten der bis zu 7440 Meter tiefen Bandasee, nur vier Grad südlich des Äquators. Die Gruppe der Banda Inseln ist so klein, dass man sie fast nur auf Spezialkarten finden kann. Sie sind nur ein Teil der sogenannten Gewürzinseln in den Molukken. Die Provinz der Molukken ist ein Gebiet im heutigen Indonesien, das halb so groß ist wie Europa. Weit im Norden, rund 1000 Kilometer von den Banda Inseln entfernt, liegen noch die Gewürzinseln Ternate, Tidore und Makian. 200 Kilometer nördlich der Banda Inseln liegt die nächste Insel, Amboyna44. Auf diesen vier letztgenannten Inseln, und weltweit nur auf diesen, wurden Gewürznelken geerntet. Aber die begehrte Muskatnuss wuchs nur auf den Bandas. Jede einzelne Muskatnuss und die Macis, die über die verschiedenen Routen Europa erreichten, kamen ausschließlich von hier. Nirgendwo sonst gediehen diese Gewürze. Vermutlich ist dies einem einzigartigen Mikroklima durch die tiefe Bandasee und der Beschaffenheit des vulkanischen Bodens geschuldet, den es durch die regelmäßig wiederkehrenden Eruptionen des Gunung Api45 nur hier gab. Besonders reich gesegnet war die kleine Insel Run, die von der Küste bis zu den Berggipfeln wie ein Park dicht mit Muskatbäumen bewachsen war. Heute wächst die Muskatnuss auch an einigen anderen Stellen der Erde, in Madagaskar, in Südamerika und in der Karibik.

Abb. 3-2: Die Gewürzinseln in den Molukken. Die Inseln Ternate, Tidore, Makian und Ambon produzieren Gewürznelken, die Banda Inseln Muskatnuss und Macis.

Auch den Baum der Kenarinuss gab es nur auf den Banda Inseln. Nur im Schatten dieser bis zu 40 Meter hohen Bäume gediehen die bis zu 20 Meter hohen Muskatnussbäume. Die Kenari ist eine sehr fetthaltige Nuss, ähnlich der Mandel. Heute sind Kenaribäume auch auf Papua46 heimisch. Die Kenarinuss findet schon seit Urzeiten Verwendung in den Gerichten der bandanesischen Küche.

Abb. 3-3: Die Banda Inseln47

Damals wie heute leben auf den Banda Inseln etwa 14 000 Menschen. Die bewohnten Inseln sind:

die Hauptinsel Banda Neira. Sie ist etwa 3 Kilometer lang und an der breitesten Stelle etwa 1,3 Kilometer breit;

direkt daneben, nur durch eine 100 Meter breite Wasserstraße

48

getrennt, liegt die Vulkaninsel Pulau

49

Gunung Api. Hier leben nur einige Dutzend Menschen, an der Küste gegenüber von Banda Neira;

die größte Insel ist Pulau Banda Besar

50

mit einer Länge von 12 und einer maximalen Breite von 3 Kilometern;

Pulau Ai

51

;

die von weißen Stränden umgebene Pulau Hatta

52

, auf der nur rund 50 Menschen leben;

Pulau Run

53

, die 1667 gegen Manhattan getauscht wurde, und

Pulau Syahrir

54

, bis Ende der 19. Jahrhunderts war dies die Insel der Leprakranken.

Winzige unbewohnte Eilande sind:

Pulau Nailakka, die winzige Insel ist bei Ebbe fast mit Pulau Run verbunden. Sie spielte aber in der Geschichte der Bandas durch die Besetzung seitens der Engländer eine Zeitlang eine wichtige Rolle;

Pulau Kapal,

Pulau Karaka und

Pulau Manuk.

Um 1500 gab es auf den Banda Inseln noch vier Könige. Mit Beginn des 16. Jahrhunderts verloren sie ihre Macht. An ihre Stelle trat die ‚Versammlung der Orang Kaya‘. Die ehemaligen Könige und ihre Nachkommen hatten aber immer noch einen Ehrenplatz in den Versammlungen. Die Orang Kaya waren die ‚Reichen‘ oder ‚Alten‘ oder ‚Einflussreichen Herren‘ eines jeden Dorfes. Jedes Dorf stellte somit eine kleine Republik dar. Es waren meist um die 44 Herren, ein ‚Rat der Alten‘, der die Oberhoheit und die Gerichtsbarkeit ausübte. Auch der Handel mit der Muskatnuss wurde von dieser Gruppe organisiert. Es war eine Händler-Oligarchie innerhalb der bandanesischen Gesellschaft. Die Orang Kaya bildeten eine eigene gehobene gesellschaftliche Klasse, die sich gerne unter seidenen Sonnenschirmen zeigten, die von ihren Dienern gehalten wurden. Ein wichtiges Zeichen ihrer hohen Kultur war zweifellos, wie sie sich gemeinsam gegen äußere Feinde wehrten.

Es wurde auf den Banda Inseln nicht nur mit der Muskatnuss und Macis Handel getrieben, die Bandanesen waren auch einflussreiche Zwischenhändler von Gewürznelken aus Ternate und Tidore, sowie der Federn des Paradiesvogels von den Aru Inseln und aus Neuguinea. Im Gegenzug tauschten die Bandanesen dafür Reis aus Java oder Stoffe ein. Der Handel mit den Arabern, Malayen und mit China florierte und lief immer friedlich ab. Bis zum Eintreffen der ersten Holländer wurden die Banda Inseln von den Orang Kaya regiert. Mit Eintritt der Holländer in das Rennen um die Muskatnuss änderte sich das Leben der Bandanesen dramatisch!

Abb. 3-4: Orang Kayas, Gemälde aus dem Museum von Banda Neira

Abb. 3-5: Orang Kaya, Gemälde im Museum von Banda Neira

Interessant ist, was frühere Lexika über die Banda Inseln schreiben. Zum Beispiel wird in der ‚Encyclopaedia Britannica‘ von 1875 in Band III, Seiten 309/ 310, noch sehr ausführlich über die Inselgruppe berichtet:

Abb. 3-6: Die Banda Inseln in der Encyclopaedia Britannica von 1875

Im deutschen ‚Pierers Konversations-Lexikon‘ von 1889 wird in Band II., Seite 378, auch über die Bandas berichtet, wenn auch nicht so ausführlich wie in der ‚Encyclopaedia Britannica‘:

Abb. 3-7: Die Banda Inseln in ‚Pierers Konversations-Lexikon‘ von 1889

Obwohl in der Ausgabe der ‚Encyclopaedia Britannica‘ von 1965 im Band 3, Seite 78, immer noch ausführlich über die Banda Inseln berichtet wird, sind sie dem ‚Großen Brockhaus‘ von 1953 gerade mal noch vier magere Zeilen wert.

Abb. 3-8: Die Banda Inseln in der Encyclopaedia Britannica von 1965

40 Übersetzung von Soltau aus Geschichte und Entdeckung der Portugiesen im Orient, 1415-1539

41 Siehe hierzu Kapitel 21

42 In seinem Buch Suma Oriental

43 Kurz vor der Besitzergreifung der Banda Inseln durch die Niederländer schätzte man 15 000 Bewohner.

44 Wie heute üblich werde ich nachfolgend diese Insel Ambon nennen.

45 Auch Banda Api (Feuer der Bandas) genannt

46 Neuguinea

47 ©Abba, Cilu Bintang Estate

48 In früheren Jahrhunderten ‚Strait of the Sun‘, von den Holländern ‚Zonnegat‘, Sonnenstraße genannt

50 Früher, während der niederländischen Kolonialzeit Pulau Lonthoir, auch Lontar und Lonthor

51 Auch Pulau Ay

52 Früher, während der niederländischen Kolonialzeit Pulau Rozengain, auch Rosengain, in Pulau Hatta 1955 geändert.

53 Auch Rhun

54 Auch Pulau Sjahrir. Früher, während der niederländischen Kolonialzeit Pulau Pisang. Der Name wurde 1955 in Pulau Syahrir geändert.

4. Die ersten Entdecker auf der Suche nach den Gewürzinseln

Der Zwang, die bis dahin unbekannte Welt im Osten zu erforschen, wurde durch den Wunsch nach Gewürzen und den großen Profit mit deren Handel ausgelöst. Dabei spielten die bereits seit langem eingeführten Gewürze wie Pfeffer oder Vanille keine so große Rolle, es waren die Muskatnuss und die Gewürznelke, die den größten Profit versprachen. Und von denen wusste man nur, dass sie von sehr weit her, aus dem unbekannten Osten, kamen.

Die vier wichtigsten großen Entdecker des 15. und 16. Jahrhunderts, Christopher Columbus, Vasco da Gama, Bartolomeu Dias55 und Ferdinand Magellan, segelten mit ihren Booten auf der Suche nach Gewürzen in bisher unbekannte Ozeane, in eine bisher unbekannte Welt. Da Spanien noch bis 1492 mit der Rückeroberung seiner von den arabischen Muslimen besetzten Gebiete beschäftigt war, konnten die Portugiesen im 15. Jahrhundert einen Vorsprung bei der Eroberung der Meere erringen. Portugal, das am weitesten nach Südwesten vorspringende Land Europas, war an der Erschließung eines Seeweges zu den Gewürzinseln in Richtung Osten interessiert, Spanien dagegen nach Westen. Bereits 1419 besetzte Portugal Madeira und 1431 die Azoren. Um zu vermeiden, dass man sich in die Quere kam, wurde 1479 im Vertrag von Alcáçova festgelegt, dass die Kanarischen Inseln Spanien zufallen und die Portugiesen den restlichen Atlantik und die Gebiete südlich der Kanaren erhalten sollen.

Als Christopher Columbus 1493 von seiner ersten Reise gen Westen zurückkam, hatte er nicht Asien, aber eine ganze Reihe von bisher unbekannten Inseln in der Karibik entdeckt. Er brachte auch keine Gewürze aus dem Westen nach Spanien zurück, sondern das geraubte Gold und Silber der Ureinwohner. Spanien wollte sich nun die Rechte über das neu entdeckte Gebiet sichern. Papst Alexander VI. legte daraufhin 1494 eine Linie von Pol zu Pol fest, die den spanischen und portugiesischen Herrschaftsbereich trennte. Diese Longitude56 verlief etwa 320 Meilen57 westlich der Kapverdischen Inseln.

Die Portugiesen waren mit dieser Aufteilung nicht zufrieden, der portugiesische König Fernando von Aragon legte bei der spanischen Königin Isabella von Kastilien Einspruch ein. Es folgten harte Verhandlungen in der nordspanischen Kleinstadt Tordesillas am Ufer des Flusses Duero. Eigentlich sieht Tordesillas wie jeder andere Ort in der Region aus, mit einem Marktplatz, einer Altstadt und einigen alten Kirchen, aber 1494 wurden hier Entscheidungen getroffen, die die Welt veränderten.

Am 7. Juni 1494 wurde der Vertrag von Tordesillas abgeschlossen, der die Trennlinie weiter nach Westen verschob, so dass diese nun etwa 1185 Meilen58 westlich der Kapverden verlief. Die Welt war nun zwischen den beiden Seemächten Portugal und Spanien aufgeteilt. Die Ureinwohner der betroffenen Gebiete wurden bei den Vertragsverhandlungen nicht mit einbezogen. Es wurde einfach über das ihnen gehörende Land entschieden. Südamerika war zu jener Zeit noch nicht entdeckt.

Abb. 4-1: Aufteilung der Welt durch den Vertrag von Tordesillas59

Die Portugiesen hatten – wie wir noch sehen werden – mit der Verschiebung der Trennlinie nach Westen Glück. Prinz Heinrich von Portugal, der vierte Sohn von König Johann I., gründete eine Schule für Navigation in Sagres im Süden Portugals. Er wurde bekannt als Heinrich der Seefahrer60, obwohl er selbst nie an einer Entdeckungsreise teilnahm. Er war ein Förderer der Seefahrt und initiierte ein Programm zur Erschließung eines Seeweges nach Osten, in unbekannte Ozeane rund um Afrika. Mit Hilfe von ausländischen Astronomen und arabischen Navigatoren wurden hier neue Geräte für die Navigation entwickelt, wie das Astrolab, der Sextant, der Quadrant und der Kompass. Nun konnte, um die Latitude61 zu bestimmen, der Winkel zur Sonne genauer gemessen werden.

Abb. 4-2: Erste Seite des Vertrags von Tordesillas62

Abb. 4-3: Monument für Heinrich den Seefahrer in Lissabon63

Die Portugiesen segelten nun nach Süden, entlang der afrikanischen Küste. 1482 begannen sie an der Goldküste64 eine erste Siedlung und das ‚Fort São Jorge da Mina‘65 zu errichten. Es war menschliches Gold, das die Portugiesen dort fanden, Tausende schwarze Sklaven, die auf den Zuckerrohrfeldern von Madeira arbeiten mussten oder verkauft wurden. Nach vielen blutigen und verlustreichen Angriffen fiel das Fort 1637 an die Niederländer, die es dann 1872 an die Briten verkauften.

Das Fort war unter portugiesischer wie niederländischer Herrschaft der wichtigste Ausgangspunkt des späteren Sklavenhandels über den Atlantik. Die Sklaven, meist aus dem Inneren Afrikas, wurden zunächst im Fort festgehalten, bevor sie durch das berüchtigte ‚Tor ohne Wiederkehr‘66 auf die Schiffe nach Brasilien und zu anderen portugiesischen und niederländischen Kolonien gebracht wurden. Die ‚Lieferungen‘ der Niederländer gingen in die eroberten Gebiete von Surinam, zu den Antillen und anderen niederländischen Kolonien. Der Sklavenhandel wurde 1814 offiziell verboten, aber im Untergrund blühte er noch einige Jahrzehnte weiter. Insgesamt wurden zwischen 1560 und 1866 von England, Frankreich, Portugal und den Niederlanden über 10 Millionen Menschen aus Afrika in die Sklaverei verschleppt. Nach niederländischen Angaben hatten sie daran einen Anteil von 5 Prozent. Als eines der letzten Länder gab die niederländische Regierung den Sklaven in ihren Kolonien 1863 die Freiheit.

Aber zunächst war ja Brasilien noch nicht entdeckt. Vom Fort São Jorge da Mina aus wollten die Portugiesen einen Weg entlang der Küsten nach Indien finden. Bartolomeu Dias war der erste Portugiese, der 1487 das Kap der Guten Hoffnung umrundete. Nach seiner Rückkehr kamen seine Aufzeichnungen in die Hände des deutschen Kartographen Henricus Martellus Germanus, der nach diesen Unterlagen eine neue Landkarte anfertigte. Auf dieser Karte wird erstmals Ostafrika und der Indische Ozean gezeigt. Es war die erste Landkarte mit dem Kap der Guten Hoffnung. Die Karte zeigt allerdings noch große Verzerrungen durch Fehler in der Berechnung der Längengrade. Trotzdem diente sie nachfolgenden Weltkarten, wie der Weltkarte des Deutschen Martin Waldseemüller von 1507 oder dem ersten Globus von Martin von Buchheim67 von 1492 als Inspiration und Vorlage. Aufgrund der Angaben von Amerigo Vespucci wurde auf der Karte von Waldseemüller erstmals Amerika als neuer Kontinent dargestellt, allerdings stark verzerrt, da man die Westküste Amerikas noch nicht kannte.

Abb. 4-4: Weltkarte des Henricus Martellus Germanus von 149068

Nachdem das Kap der Guten Hoffnung von Bartolomeu Dias bereits umrundet worden war, wollte sich Vasco da Gama weiter vorwagen. Mit vier Schiffen69 verließ er am 8. Juli 1497 Lissabon. Er fuhr zunächst die bekannte Route bis zum Kap der Guten Hoffnung, dann tastete er sich entlang der Ostküste Afrikas nach Norden vor und hatte an mehreren Stellen die Gelegenheit, seine Vorräte für die Weiterreise in unbekannte Regionen aufzufrischen. Für die Portugiesen war der Indische Ozean ein neues, bisher unerforschtes Meer. Im Hafen von Malindi70 hatte Vasco da Gama das Glück, einen arabischen Kapitän zu finden, der bereits mehrfach den Indischen Ozean überquert hatte. Zu seiner großen Überraschung besaß dieser bereits eine genaue Seekarte des Indischen Ozeans. Im Sommermonsun, mit kräftigem Wind aus Südwest, wurden sie in knapp vier Wochen bis nach Indien getrieben. Zehn Monate nach seiner Abreise aus Lissabon war Vasco da Gama der erste Europäer, der am 18. Mai 1498 die Westküste Indiens erreichte.

In Kalikut71 sandten sie zunächst einen ‚Degredado‘ an Land. Dies war die übliche Taktik, um herauszufinden, ob man freundlich oder feindlich gesinnten Eingeborenen begegnen würde. Meist war ein Degredado ein konvertierter Jude oder ein Krimineller, dessen Leben in den Augen des Kapitäns nicht viel wert war. Die gesamte Mannschaft blieb in der Zwischenzeit in Sicherheit an Bord des Schiffes. Der Degredado kam unversehrt auf das Schiff zurück. Er hatte zwei tunesische Kaufleute angetroffen, mit denen er sich auf Katalanisch unterhalten konnte. Er berichtete Vasco da Gama, dass Kalikut der wichtigste Umschlagplatz des Gewürzhandels der damaligen Zeit in Indien war. Händler aus dem Osten brachten ihre Waren von den Gewürzinseln nach hier her. Außerdem war die Malabarküste das Zentrum für Pfeffer72, der direkt hier angepflanzt wurde. Aus diesem Grund wird die Malabarküste auch Pfefferküste genannt.

Ich war mehrfach an der Malabarküste bei Kalikut. Bis heute hat sich an dem Pfefferanbau und dem Gewürzhandel nichts geändert. Besonders im Dezember, der Erntezeit der Pfefferkörner, sieht man heute noch an jeder freien Stelle, wie die Körner zum Trocknen auf Tüchern in der Sonne ausgelegt werden. Aber vom alten Kalikut ist nach wechselvollen Zeiten und vielen Kriegen nicht mehr viel übriggeblieben.

Abb. 4-5: Kalikut im Jahre 157273

Bei Grabungen hat man hier schon viele griechische und römische Münzen, die bis 123 v. Chr. zurückreichen, gefunden. Es herrschte dort somit seit langer Zeit ein reger Handelsverkehr mit dem Westen.

Die Gespräche von Vasco da Gama mit dem Zamorin, dem König von Kalikut, verliefen nicht wie erhofft. Vasco da Gama erwartete, dass er hier, wie an der Westküste Afrikas, mit wertlosen Glasperlen und anderem Krimskrams handeln könne. Er war überrascht, dass hier gebildete Inder und Araber ihre Waren nur gegen Gold und Silber abgaben. Händler aus Arabien, China und dem Malaiischen Archipel machten sich über die wertlosen Geschenke der Portugiesen lustig, die Vasco da Gama dem König überreichte. Zwischen den beiden herrschte daraufhin eine angespannte Stimmung.

Vasco da Gama konnte trotzdem noch einen Teil seiner Schiffe mit wertvollen Gewürzen beladen, bevor er Kalikut am 5. Oktober 1498 wieder verließ. Das erste Schiff seiner Flotte traf am 10. Juli 1499 wieder in Lissabon ein. Er selbst erreichte Lissabon erst am 9. September desselben Jahres, da er zunächst noch seinem tödlich erkrankten Bruder Paulo auf den Azoren beistand. Paulo war Kapitän eines der Schiffe seiner Flotte. Von den 170 Mann, die bei der Ausfahrt der Flotte im Jahr 1497 an Bord waren, kamen nur 50 lebend nach Lissabon zurück, die meisten waren an Skorbut gestorben. Schon zu Beginn der Reise starben viele der Seeleute an dieser Krankheit. Vasco da Gama vermerkte in seinen Aufzeichnungen, dass sie von den Eingeborenen in Ostafrika Orangen bekommen hätten, nach deren Verzehr die Kranken schnell geheilt wurden. Es dauerte aber noch viele Jahrzehnte, bis das Problem gelöst wurde.

Von den vier Schiffen der ursprünglichen Flotte kamen zwei nach Lissabon zurück. Obwohl Vasco da Gama mit relativ wenig Gewürzen nach Portugal zurückkehrte, war der Gewinn ein Mehrfaches von dem, was die ganze Expedition gekostet hatte.

Der Verlust an Material und Menschenleben war bei diesen ersten Expeditionen extrem hoch. Es war hauptsächlich der Skorbut, der seine Opfer forderte. Skorbut ist eine Vitaminmangelkrankheit durch Fehlen von Vitamin C. Bereits wenige Tage nach Abfahrt der Schiffe waren Gemüse und frisches Obst ohne Kühlung verdorben. Dann gab es manchmal Monate lang nur noch geselchtes74 Rind- und Schweinefleisch als Eiweißquelle mit Schiffszwieback. Die Haltbarmachung half nur in eingeschränktem Maße. Wenn die Fleischstücke lange genug gelagert hatten, waren sie auch noch von Würmern durchfressen. Auch das in Fässern mitgebrachte Wasser war bald vergammelt und nur noch gemischt mit Wein zu genießen. Schon nach wenigen Wochen gab es die ersten Krankheitsfälle, das Zahnfleisch wurde wund, die Zähne fielen aus, die erkrankten Männer bekamen Atemnot und wurden kraftlos. Es dauerte nicht lange, dann gab es die ersten Todesfälle.

Der deutsche Soldat Johann Jacob Saar – der viele Jahrzehnte später als Söldner in Niederländisch-Indien diente – beschreibt, wie er das eintönige Essen an Bord bei seiner Rückfahrt aufgebessert hat und dabei auch gesund blieb. In einen großen Topf legte er immer eine Schicht von scharfen roten Chilischoten zwischen in Butter gebratene Fische. Das Ganze übergoss er mit Essig und Olivenöl. Durch diese Methode der Konservierung – schrieb er – blieben die Fische mindestens vier Monate haltbar. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen litt er auch nicht an Skorbut, vermutlich, weil die Chilischoten sehr viel Vitamin C enthalten. Aber das wusste natürlich damals noch niemand.

James Cook75 hatte von dem schottischen Schiffsarzt und Wissenschaftler James Lind76 gehört, dass deutsches Sauerkraut und Zitronensaft gegen die Krankheit eine positive Wirkung zeigten. Lind hatte seine Erkenntnisse 1753 in dem Buch ‚Treaties of the Scurvy‘77 veröffentlicht. Cook war der Erste, der bei seinen Weltumseglungen Sauerkraut und Zitronensaft gegen den Widerstand seines Schiffsarztes und der Mannschaft als Pflicht in den Speiseplan aufnahm. Matrosen, die sich weigerten, das Sauerkraut zu essen, wurden sogar ausgepeitscht. Zitronensaft fand allerdings nicht als Prophylaxe Verwendung, der Saft wurde vom Schiffsarzt bei den ersten Anzeichen der Krankheit als Medizin verabreicht. Der Erfolg konnte nicht eindeutiger sein. Auf Cooks Weltumseglungen starb kein einziger Mann an Skorbut. Allerdings sind noch Tausende Seeleute bei den folgenden Expeditionen zu den Gewürzinseln an Skorbut gestorben, denn es mussten noch fast 200 Jahre vergehen, bis sich diese Erkenntnis zur Bekämpfung der Krankheit allgemein durchgesetzt hatte.

König Manuel I. war sicherlich der bedeutendste König Portugals. Während seiner Regierungszeit gelang es, den Seeweg nach Indien sowie Brasilien zu entdecken und Stützpunkte im Indischen Ozean und ein erstes Kolonialreich aufzubauen.

Nach der Rückkehr von Vasco da Gama richtete König Manuel I. sofort eine neue und größere Expedition aus, diesmal mit 13 Schiffen und 1300 Mann Besatzung und Soldaten unter dem Kommando von Pedro Alvares Cabral. Die Flotte verließ am 8. März 1500 Lissabon. Zunächst folgte sie der Route, wie sie Vasco da Gama nahm, nach Süden, entlang der afrikanischen Westküste. Aber dann folgte Cabral auf der Höhe der Kapverdischen Inseln den Passatwinden und segelte weit nach Westen. Dabei entdeckte er den bisher unbekannten Kontinent Südamerika. Ein Schiff wurde mit wertvollen Hölzern beladen und zurück nach Lissabon geschickt, um den König über die Entdeckung zu informieren.

Nun machte sich die Verschiebung der Trennlinie nach Westen durch den Vertrag von Tordesillas bezahlt. Da der Bauch Brasiliens weit nach Osten in den Südatlantik hinausragt, lag dieses Gebiet laut dem Vertrag von Tordesillas nun in der portugiesischen Hälfte der Welt. Das ist auch der Grund dafür, weshalb heute in Brasilien Portugiesisch und im Rest von Südamerika Spanisch gesprochen wird. Durch die spätere Entdeckung von Gold und Diamanten in Brasilien kam Portugal in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu größtem Reichtum. Auch Anfang des 19. Jahrhunderts spielte Brasilien für Portugal nochmals eine wichtige Rolle. Als die napoleonischen Kriege die iberische Insel erreichten, floh 1807 die portugiesische Königsfamilie nach Brasilien. Rio de Janeiro wurde Hauptstadt des Königreichs Portugal. 1822 kehrte König Johann VI. nach Lissabon zurück. Kurz danach erklärte Brasilien seine Unabhängigkeit.

Im Süden von Südamerika folgte die Flotte den ständig zwischen dem 40. und 50. Grad südlicher Breite nach Osten wehenden Winden der ‚Roaring Fourties‘. Bei einem Sturm am Kap der Guten Hoffnung gingen mehrere Schiffe verloren. Die sieben Schiffe, die die Reise bis nach Indien geschafft hatten, ankerten am 13. September 1500 in Kalikut. Diesmal bedachten sie König Zamorin mit wertvolleren Geschenken, um ihn milde zu stimmen. Aber dies half wenig. Als der König dem Wunsch der Portugiesen, nur noch Handel mit ihnen zu tätigen und alle Moslems auszuweisen, nicht nachkommen wollte, zerstörten die Portugiesen die Stadt, kaperten in einem Akt von Piraterie arabische Schiffe und übernahmen die Ladungen. Unruhen brachen aus, bei denen 53 Portugiesen getötet und 17 gefangen genommen wurden.

Nur sechs der dreizehn ausgelaufenen Schiffe erreichten am 21. Juli 1501 wieder Lissabon. König Manuel I. drohte jedem mit der Todesstrafe, der die neue und schnellere Route der Schiffe über die ‚Roaring Fourties‘ oder Seekarten der neu entdeckten Gebiete in Südamerika an die Konkurrenten in Venedig oder