5,99 €
Der Serienmörder Garret Boise ist tot. Während seine Überreste als die eines unbekannten Mannes in den Wäldern Oregons geborgen werden, geht am anderen Ende des Landes ein anonymer Brief bei der Agency ein. Darin befindet sich der bizarre Gruß eines Fremden: Ein Foto des frisch ermordeten Boise. Agent Noir Hills ist überrascht und alarmiert, schließlich hatte der alte Mann vor seinem Tod etwas besessen, das nicht nur für sie von höchstem Interesse ist und das in den falschen Händen fatale Wirkung hat. Zusammen mit ihren Kollegen begibt sie sich auf die Suche nach dem Absender, dem Mörder des altgedienten Serientäters - und auf die Jagd nach etwas, das nicht nur über ihr eigenes Leben oder ihren Tod entscheiden kann.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 496
Veröffentlichungsjahr: 2020
Für D.J., durch die ich überlebte.
„Into the forest I go,
to lose my mind and find a cadaver.”
Frühjahr 2010 Südwesten Kolumbiens
Die Waffe lag neben ihrer Hand im Moos.
Das Sonnenlicht brach sich in den letzten Regentropfen, vergängliche Überbleibsel eines nachmittäglichen Schauers, und ließ das matte Schwarz der Waffe beinahe stumpf wirken. Unscheinbar. Tödlich, versunken im weichen, lebendigen Grün des Waldes.
Noir fuhr mit dem Finger über den Griff, ließ ihn an jedem Noppen kurz innehalten. Eine schöne Waffe, fand sie. Mit dem Schalldämpfer geradezu elegant, wenn auch nicht gerade klein.
Sie spannte das Bein an, fühlte, wie ihre Muskeln gegen das Halfter am Oberschenkel drückten. Im Gegensatz zur Glock wartete dort ein kleineres, handliches Modell darauf, eingesetzt zu werden. Nur zur Sicherheit.
Noir hob die Glock aus dem Moos und strich langsam über den Abzug. Die intensive Spannung jeder Jagd hatte von ihrem Körper und Geist Besitz ergriffen, hielt ihren Körper in angenehmer Spannung. Sie wusste, dass er sich in diesem Stück des Waldes aufhielt. Sie wusste, dass er heute versuchen würde, ihn zu verlassen. Und sie wusste, dass die Jagd heute beendet werden würde. So lag sie im feuchten Moos der Mulde, umgeben von dichtem, festen Gestrüpp, und beobachtete. Lauerte.
An strategisch wichtigen Punkten hatte sie unauffällig Männer stehen, sowohl am Waldrand und als auch weiter außerhalb. Falls er hinaus kommen sollte, käme er nicht weit, das war sicher.
Das war allerdings nicht der Plan.
Eine Kugel.
Ein Schuss.
Das war der Plan. Es würde heute enden.
Käfer krabbelten über die Äste und durch das Moos, erkundeten die für sie ungewöhnliche Gestalt in ihrem Territorium. Mit winzigen und doch eiligen Schritten krochen sie über die dunkle Kleidung und suchten nach Verwertbarem, bis sie schließlich weiter ihres Weges zogen. Die Überreste eines toten Hasen, der unweit von ihr lag, waren deutlich interessanter für sie.
Füchse hatten an ihm ein Mahl gefunden und nur noch Teile des Fells übrig gelassen, aus denen wenige angenagte Knochen ragten, doch das genügte ihnen; langsam eroberten sie sie und beseitigten die letzten Erinnerungen von Leben, die noch an ihnen hingen. Eine grüne Hand aus Moos und Farn hatte nach dem Rest gegriffen und schob sich unaufhaltsam darüber, verleibte dem Wald ein, was er zuvor hervorgebracht hatte.
Leben und Tod bedingten hier einander.
Noir blieb geräuschlos liegen, die Waffe in Händen, und sah zu, wie das Sonnenlicht in den Tropfen glänzte.
Sie war geduldig. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Dämmerung anbrach.
Und die Dämmerung war die Zeit der Raubtiere.
Kapitel Eins
Kapitel Zwei
Kapitel Drei
Kapitel Vier
Kapitel Fünf
Kapitel Sechs
Kapitel Sieben
Kapitel Acht
Kapitel Neun
Kapitel Zehn
Kapitel Elf
Kapitel Zwölf
Kapitel Dreizehn
Kapitel Vierzehn
Kapitel Fünfzehn
Kapitel Sechzehn
Sommer 2016 Nacht auf Sonntag Ort unbekannt
Er steckte sich eine neue Zigarette an und trommelte im Takt der Musik auf das Lenkrad. Durch das halboffene Fenster zog eine kühle Brise in den Wagen, was ihm recht gelegen kam. Dass der Wagen allgemein eher einem Aschenbecher als einem Dodge glich, störte ihn nicht, im Gegenteil: Es war praktisch, die Zigarettenstummel direkt im Wagen zu entsorgen, und die Größe der eingebauten Aschenbecher hatte er schon immer für einen katastrophalen Konstruktionsfehler gehalten. Er nahm eh nur selten jemanden mit, wer also sollte sich über die Kippen im Fußraum, auf der Rückbank, auf dem Beifahrersitz beschweren?
Die Straße war gerade und leer, nur in der Ferne leuchteten noch vereinzelt Lichter der sich verstreuenden Siedlung. Je weiter er sich davon entfernte, desto heller wurden die Sterne, und er überlegte, ob er in ein paar Meilen anhalten und ein wenig die Aussicht genießen sollte. Die Erinnerung an das feuchte Gefühl an seinem Fuß ließ ihn den Gedanken verwerfen - der Sand würde sich in der Flüssigkeit festsetzen und das würde den Rest der Reise unangenehm am Fuß reiben. Er hatte an alles gedacht - Ersatzkleidung, Handschuhe, Mundschutz. All das lag jetzt im Kofferraum in einer extra mitgebrachten Mülltüte, zusammen mit einer Menge anderen Gerümpels. Nur an die Ersatzschuhe, an die hatte er natürlich nicht gedacht. Dabei hätte er sich denken können, dass sie nicht sauber bleiben würden. Und nun saß er in seinem Auto und hatte noch eine weite Reise vor sich, und würde die ganze Zeit über mit einem Paar Schuhe rumlaufen, von denen einer fast gänzlich von Blut bedeckt war. Wie lästig.
Nun, es war nicht mehr zu ändern, und er wollte sich die Zeit nicht verderben lassen, indem er einem Paar Schuhe hinterher weinte. Die Nacht war so schön und die Zigarette so befriedigend, die Musik erinnerte ihn an sein Zuhause; er war mit sich und der Welt im Reinen. Nichts sollte ihm diese Unternehmung verderben.
Mit der freien Hand drehte er an der Kurbel und fuhr das Fenster ganz herunter. Die sanfte Stimme von Conway Twitty drang zusammen mit kleinen Rauchschwaden aus dem Wagen und hinterließ eine schmale Spur aus Geruch und Geräusch, ehe sie sich in der Weite der Nacht verflüchtigte.
Montag ein Ort nahe Washington, D.C.
Das grelle Mittagslicht fiel durch die hohen Fenster, malte kleine Kreise auf den grauen Teppichboden und spiegelte sich in den in die Haare geschobenen Sonnenbrillen. Im Raum war es angenehm kühl, die Klimaanlage lief geräuschlos und ließ die Hitze, die jenseits der massiven Wände lauerte, vergessen.
Um den Tisch herum saßen zehn Menschen; acht Männer, in dunkle Anzüge gekleidet, und zwei Frauen.
Kaffeetassen und Wassergläser sammelten sich neben unzähligen Papierstapeln, die von Aktendeckeln behelfsmäßig zusammengehalten wurden. Tablets und schmale Laptops waren vor jedem Teilnehmer der Konferenz aufgebaut, während an der Decke ein Beamer leise summte.
„In Ordnung.“ sagte Noir, schlug eine Akte zu und legte sie auf den Stapel vor sich. Sie saß an der Kopfseite des Tisches, die Fenster in ihrem Rücken, sodass das Licht ihre Umrisse überblendete. Das Jackett hatte sie als einzige ausgezogen und über die hohe Stuhllehne gelegt, und die fest in die dunkle Anzughose gesteckte weiße Bluse zeichnete ihre Konturen nach.
Sie griff nach einem schmalen Hefter, der bisher unberührt geblieben war und gemessen an der Dicke der anderen Akten geradezu lächerlich wirkte. „Dann haben wir noch eine Sache.“
Der Beamer ließ die zahlreich markierte Weltkarte an der Wand erlöschen und stattdessen das Gesicht eines alten Mannes aufleuchten. Alle Köpfe wandten sich kurz zu ihm um.
„Garret Boise.“ sagte ein Mann mit kurzen blonden Haaren überrascht. „Den hatten wir lange nicht.“
Noir lehnte sich zurück und überschlug die Beine. „Und wir werden ihn zum letzten Mal haben. Boise ist tot.“
„Keine schlechte Nachricht.“ sagte die zweite Frau im Raum. Sie war blond, sehr schlank und Ende dreißig, trug im Gegensatz zu Noir ein Kostüm in dezentem Beige und verschwand, wenn sie schwieg, in der Wahrnehmung beinahe hinter ihren männlichen Kollegen.
„Todesumstände?“ fragte ein Mann mit spanischen Akzent und hob fragend die Augenbrauen.
Noir schwieg lange genug, um die Blicke wieder auf sich zu ziehen.
„Wir gehen bisher von einem Schädeltrauma aus, Tajo. Wir wissen bisher noch nicht hundertprozentig, wo er starb, es ist nicht einmal wirklich gesichert, wann. Alles, was wir bekommen haben, ist ein Foto seines Leichnams. Das Labor ist dran, momentan lautet die vorsichtige Schätzung, dass er auf dem Bild relativ frisch verstorben ist, und dass das Bild von letzter Woche sein könnte. Er ist eindeutig identifizierbar, beim Rest müssen wir auf die Auswertung warten.“
Das Foto an der Wand wechselte. Es zeigte das Innere einer Holzhütte, einfach gebaut aus dicken, soliden Baumstämmen. Vor dem Fenster erhob sich ein Mischwald vor einem roten Abendhimmel, der Rest eines Felsen ragte in die Bäume herein.
Auf dem Boden lag ein Mann, dünn und nackt. Die Rippen zeichneten sich deutlich ab, die Haut wirkte für den in ihr steckenden Leib seltsam groß und war so weit es ging an ihm herabgeflossen. Der Kopf war, leicht überstreckt, zur Kamera gedreht worden. Unzweifelhaft war es Boises Gesicht, das ausdruckslos und mit blinden Augen dem Betrachter entgegenblickte. Der Mund war geöffnet und wie zu einem Ausdruck der Überraschung verzogen, ein stummer Laut lag in seiner Mundhöhle. Über seinen Schädel, bedeckt mit schütterem, weißen Haar, zog sich eine lange, breite Wunde. Teile des Schädeldachs waren erkennbar eingesunken, auch wenn der größte Teil der Verletzung zur Wand zeigen mochte. Das Blut, das über sein Gesicht lief, war noch nicht getrocknet.
„Ich habe mir immer gedacht, dass er einen kurzen Penis haben muss, bei dem, was er gemacht hat.“ sagte die blonde Frau und musterte nachdenklich das Bild.
„Du denkst über die Schwänze von Serienmördern nach, Ellis?“ fragte ein Mann mit kurzen braunen Haaren, und die Frau zuckte beiläufig mit den Schultern. „Ach, ich denke über so vieles nach.“
„Entwickeltes Foto oder Druck?“ fragte ein anderer.
Noir unterdrückte ein Lächeln. „Ausdruck auf einem einfachen Blatt Papier. Leider. Bisher keiner Druckercodierung zuzuordnen.“
Ein Mann mit blasser Gesichtsfarbe und wenig Haaren blickte zwischen dem Portrait und seiner Chefin hin und her. „Wenn er tot ist, wieso ist er dann noch unser Ding?“
„Weil bisher noch nichts bezüglich der Daten klar ist.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir waren damals noch nicht in der Zusammensetzung wie heute, insofern mache ich noch mal eine kurze Zusammenfassung. Wer den Fall kennt, darf sich langweilen, aber still. Für alle, die später dazugekommen sind: Hier sind die wichtigsten Fakten.
Garret Boise, Jahrgang 1954, war ein relativ erfolgreicher Auftragsmörder und hat daneben privat gern gemordet. Es fehlen, insbesondere zu seinem Privatleben, noch einige Daten, die im Laufe des Tages bei uns eintreffen sollten. Was seine, ich sage mal, ‚Berufstätigkeit‘ angeht, war er vorrangig in den USA und hin und wieder auch im Ausland tätig. Boise selbst war ziemlich frei von absolut jeder Wertung: Wer das Geld hatte, konnte seine Dienste kaufen, sofern er gerade Lust hatte zu arbeiten. Politik und Macht waren für ihn völlig uninteressant; wenn er Geld haben wollte, hat er gearbeitet, ansonsten hat er ein Privatleben völlig unter dem Radar gelebt. Oft umgezogen, selten länger als ein halbes Jahr am selben Ort, soweit nachverfolgbar. Ich habe kurz mit dem FBI gesprochen, es scheinen Lücken in der Dokumentation zu sein.“
„Da hat jemand die Hand drüber gehalten.“ Es war keine Frage, die die blonde Frau eingeworfen hatte, sondern eine nüchterne, nicht zu hinterfragende Feststellung.
„Ich befürchte,“ gestand Noir ein, „dass genau das der Fall ist. Wir wissen nicht, inwieweit er mit Behörden oder Hochrangigen Deals hatte. Es ist aber naheliegend, dass man ihm mehr als nur ein Mal aus der Lage geholfen hat.
Sei es drum, er war das Problem des FBI und nicht unseres bis 2008, als er Adam Nelson traf. Nelson war ursprünglich für den chinesischen Geheimdienst in Europa tätig, wollte Ende der 90er zu den Franzosen überlaufen und ist dann von der Bildfläche verschwunden. Die letzten Jahre hat er sich bei uns im mittleren Westen versteckt, unter verschiedenen Namen. Zunächst hat er sich mit recht unbedeutender Kleinkriminalität über Wasser gehalten, hat lokal im Drogenhandel versucht, Fuß zu fassen. Auch noch ziemlich egal für uns. Hat sich dann 2006 mit der falschen Gang angelegt, die sein Gesicht daraufhin... kosmetisch etwas umgestaltet haben. Leider war das für Nelson eine verdammt gute Sache, denn aus dem, das sein Gesicht fortan war, konnte man ihn kaum mehr erkennen. Er hat ziemlich schnell festgestellt, dass man mit Daten sehr viel Geld verdienen kann, und hat zunächst nur über die Chinesen verkauft. Ja, auch wir haben über ihn etwas bekommen. Über Umwege, aber auch wir haben den Hund gefüttert. Mit sauberer Weste gehen wir in die Sache nicht rein.“
„Ich sehe noch nicht richtig, wie Boise dazu passt.“ unterbrach der blonde Mann und strich nachdenklich über sein Kinn.
„Wenn du mich ausreden lässt, verrate ich es.“ erwiderte Noir kalt. „Er traf vermutlich im Mai 2008 auf Boise. Sie wurden gemeinsam gesehen und haben wohl auch eine Weile zusammen gewohnt. In diesen Monaten hat Nelson Geschäfte angeleiert, bei denen er von mehreren ehemals beruflichen Kontakten umfangreich sensible Daten zusammengekauft hat und an den Meistbietenden verkaufen wollte. Über eigene Kontakte wissen wir, dass es Daten über mafiöse Strukturen, Daten aus dem Zeugenschutz, von Richtern und fremden Geheimdiensten sind - und damit eventuell auch von uns. Einige seiner Ankäufe waren zwar schon abgeschlossen, aber höchstwahrscheinlich noch nicht alle. Nelson hatte seine Sammlung noch nicht vollständig, denke ich, denn ein konkretes Angebot hatte er noch niemandem gemacht, und er war niemand, der eine Gelegenheit auf schnelles Geld je in die Länge gezogen hat.
An der Stelle kann ich abkürzen, Boise hat ihn ermordet, bevor es dazu kommen konnte, die Daten sind seither verschwunden. Angeboten worden sind sie noch nicht. Wir gehen davon aus, dass Boise sie als Joker behalten hat, falls er mal gefasst werden würde. Keiner hat bisher irgendetwas davon gehört, wir gehen deshalb davon aus, dass er sie noch hat. Oder besser, hatte. Was jetzt damit passiert ist, müssen wir rausfinden, und uns darum kümmern. Das wird die Aufgabe der nächsten Tage sein. Vielleicht hatte er sie bei sich, als er starb. Vielleicht wurden sie ihm abgenommen. Vielleicht hat er sie an einem anderen Ort aufbewahrt. Die Zeit drängt.“
Tajo wandte sich endgültig von dem Bild ab. „Wie sind wir an das Foto gekommen?“ Er verschränkte die Arme vor der breiten Brust, wobei das Hemd leicht spannte.
Noir verzog unzufrieden das Gesicht. „Leider mit der Post. Laut Poststempel angeblich aufgegeben in einer Stadt namens Fort Billings, Utah. Ein falscher Hinweis, die Stadt gibt es nicht. Wir wissen bisher noch nicht, wo der Brief tatsächlich herkommt, aber wir haben Leute dran. In der Klebefläche des Umschlages sind zwei Milben gefunden worden, die bisher noch nicht zugeordnet werden konnten - momentan ist das die einzige brauchbare Spur.“
Ein dunkelhäutiger Mann in den Fünfzigern strich sich mit den Fingern über den schmalen, langsam grau werdenden Bart. „Weiteres Vorgehen?“
„Tasche packen.“ Noir lächelte verhalten. „Und zwar alle. Es wird ein großer Einsatz, wir gehen mit mehreren raus: Fünf oder sechs von uns werden aufbrechen, sobald wir wissen, wo Boise sich zuletzt aufgehalten hat. Sofern das nicht sein üblicher Aufenthaltsort war, fliegt der Rest dorthin. Bis dahin: Sucht eure Kontakte. Schaut, was ihr hört.“
Stummes Nicken, und Bewegung kam in die Körper.
„Wir sind in erhöhter Alarmbereitschaft, Freunde.“ Wenig an ihrem Tonfall ließ den Gedanken aufkommen, dass der Begriff Freunde einen tatsächlichen Umstand beschrieb. „Der Abruf kann jederzeit kommen. Bereitet eure Familien darauf vor, und vor allem: Bereitet euch darauf vor.“
Wieder allgemeines Nicken.
„Gut, das war’s für heute. Ich ruf euch, wenn ich weiß, wann es losgeht.“ Noir stand auf, nahm ihren Stapel der Akten und das Tablett und warf das Jackett darüber. Für einen sehr kurzen Moment ließ sie den Blick über die Gesichter der Männer und der Frau gleiten, die ihrerseits aufstanden und ihre Unterlagen zusammensuchten, das Geschirr stapelten und in die angrenzende kleine Küche trugen. Sie war zufrieden mit dem heutigen Briefing. Zwar hatte es den gesamten Vormittag in Anspruch genommen, aber die Mitarbeiter waren engagiert und die vorgebrachten Ergebnisse zufriedenstellend gewesen. In ihren Gesichtern lag jene ernsthafte Konzentration, die auch ihre eigene Mimik maßgeblich bestimmte und zu einer langsam immer deutlicher werdenden Falte zwischen ihren Augenbrauen führte.
Als sie an der Tür vorbei kam, löste sie eine Hand und betätigte einen kleinen Schalter. Der Beamer verstummte augenblicklich, das Bild an der Wand erlosch, das Totenbild verschwand.
Durch den breiten Flur waren es nur wenige Schritte bis zu Noirs Büro. Neben dem Eingang war ein gläsernes Schild angebracht, das sie nicht nur als „Dr. Noir Hills“ und „Deputy Director“ auswies, sondern auch eine dritte Zeile trug: „Head of cleaning facility“.
Sie musste jedes Mal schmunzeln, wenn sie es las. Eine ganze Weile hatten sie sich selbst mehr scherzhaft als ernst „cleaners“ genannt: Wann immer etwas beseitigt werden musste, kamen sie zum Einsatz. Unterhalb des Radars widmeten sie sich den dunklen Bereichen, brachten die Dinge in eine neue Ordnung und beseitigten die Spuren davon, dass die Welt je eine andere gewesen war. Irgendwann hatte sich der Name derart durchgesetzt, dass sie schließlich ein neues Namensschild angefordert hatte und die Bezeichnung hatte hinzufügen lassen. Firmenintern war bekannt, was es bedeutete, Gäste verstörte es bisweilen und sorgte für verunsicherte Blicke. Sie amüsierte die Irritation.
Die holzverkleidete Tür mit schwerem Metallkern schwang leichtführig und geräuschlos hinter ihr zu.
Noir schloss für einen Atemzug die Augen und ließ sich von der Stille und Ruhe des Raumes verschlucken.
Er war länglich, mit tiefblauem Teppich ausgekleidet, der penibel gepflegt wurde. Die deckenhohen Schränke an der rechten Seite aus warmem Sequoiaholz strahlten eine Beständigkeit aus, die sie genoss. Linksseitig stand ein dunkles Ledersofa mit zwei Sesseln, das mehr Obligation als tatsächlicher Nutzgegenstand war, eingerahmt von Sideboards aus dem selben roten Holz.
Noir strich beiläufig über ihre Oberflächen, während sie den Raum durchschritt, ließ im Vorbeigehen das Jackett von ihrer Schulter auf einen der Stühle fallen, die vor ihrem Schreibtisch standen, und nahm schließlich hinter ihm Platz. Auch der Schreibtisch, hinter dem sich die ganze Wand aus Fenstern emporhob, mutete im ersten Augenblick solide an, bestand wie die Schränke aus Sequoiaholz und war mit feingliedrigen Schnitzereien verziert. Auf der Oberfläche lag eine Glasplatte auf, die stoßfest und deshalb notwendig war. Zu viele Macken hatte sie bereits in einem Anflug von Verärgerung in das Holz gekratzt, dass sie letztlich deren Notwendigkeit akzeptiert hatte.
Noir schloss das Tablet an das Ladekabel an, bildete aus der Mehrheit der Akten einen ordentlichen Stapel und schob ihn an die Seite des Tisches, dann lehnte sie sich mit dem dünnen Exemplar zurück. Es war unbeschriftet, wie die meisten ihrer Akten. Sie betrachtete einen Augenblick lang das kopierte Foto auf der ersten Seite und ließ die wenigen Seiten durch ihre Finger gleiten. Schließlich blieb sie an jenem Portrait stehen, das gerade erst der Beamer verschluckt hatte.
Es war ein Mann Anfang sechzig, mit hohen Geheimratsecken, die sich anschickten, in absehbarer Zeit eine Halbglatze zu bilden. Die ursprüngliche Haarfarbe war zum Zeitpunkt der Aufnahme einem dunklen Grau gewichen, das auch die schmalen Augenbrauen durchsetzte. Kein Bartschatten, auch nicht am auffällig dominanten Adamsapfel. Die Lippen wirkten, passend zu den Augen, schmal und seltsam blutleer. Ein unangenehmes Grinsen umspielte seine Gesichtszüge, von dem der Betrachter nicht sagen konnte, ob es Amüsement oder Grausamkeit war. Es ließ seine Augen gänzlich unbewegt - emotionslos lagen sie tief in den Höhlen des Schädels, überschattet, klein und stechend. An der rechten Seite seiner Schläfe trat eine Ader hervor.
Disharmonisch., dachte Noir. Ob ihn das gestört hatte? Die schmalen Augenbrauen wirkten gezupft, vielleicht sogar gewachst. Das Fehlen jeden Ansatzes von Barthaaren ließ auf eine professionelle Entfernung schließen, die hinter den Lippen aufblitzenden Zähne waren unnatürlich weiß und standen in militärischer Ordnung gerade nebeneinander. Boise hatte viel Wert auf sein Äußeres gelegt, viel Zeit in es investiert. Und dann bestrafte ihn seine Genetik mit solch einem Gesicht.
Ja, er hatte darunter gelitten.
„Sic semper tyrannis.“ sagte sie nachdenklich zu dem Bild. Das Ende jedes Tyrannen war nicht die Entmachtung, sondern der Tod, ganz gleich, welches Grauen er zu Lebzeiten verbreitet haben mochte. Und wie so oft war auch dieser Tod ein gewaltsamer gewesen.
Die Sonne hatte ihren Tageszenit überschritten, und das erste direkte Licht fiel durch die bodentiefen Fenster. In absehbaren Stunden würde der Himmel erst golden, dann glutrot werden und schließlich in tiefe Schwärze übergehen, die sich über die Stadt in der Ferne und die Firma senken würde. Die Schatten der schweren, gewebten Fahnen, die rechts und links des Schreibtisches standen, würden wachsen und zu langen Speeren werden, die Noirs eigenen Schatten überragten.
Montagabend North Highlands, Arlington, Virginia
William sah an die Decke, an der sich ein Ventilator drehte, und blies geräuschvoll Luft durch die Nase.
„Du bist so in Gedanken.“ Ellis hatte den Kopf auf seinen Bauch gelegt und fuhr mit dem Finger seinen Torso entlang. Ihr Haar breitete sich wie ein Seidentuch auf seiner Brust aus, und William nahm ein paar Strähnen und spann sie zwischen seinen Fingern.
„Ich bin einfach nur entspannt.“ sagte er, beugte sich vor und küsste ihre Stirn. „Ich genieße die Zeit gerade sehr.“
„Ich weiß.“ Sie ließ ihre Finger über seine Bauchmuskulatur fahren, über die Rippen, seine Achselhöhle und den kräftigen Oberarm entlang. Ein zufriedenes Seufzen drang von ihr. William, der es als Kompliment entgegennahm, lächelte breit und fuhr seinerseits mit der Hand über den nackten Rücken der Frau. „Es ist so brütend heiß, und wir schwitzen freiwillig miteinander.“ lachte er und ließ seine Finger auf ihrem Gesäß kreisen.
„Das ist es wert.“ Ellis schob sich auf Kopfhöhe und legte den Arm über Williams Brust, drückte ihre Brüste an seinen Oberkörper und schob ihr Bein zwischen seine.
Erneut küsste William sie, dann ließ er sich zurückfallen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
„Meinst du, wir werden zusammen im Einsatz sein?“ fragte er schließlich.
„Gleichermaßen wahrscheinlich wie unwahrscheinlich. Wir werden es sehen.“ Ellis schmiegte sich an seine Schulter. Nach einer kurzen Pause fragte sie: „Willst du es denn überhaupt?“
„Klar.“ William hatte begonnen, wieder mit ihren Haaren zu spielen, roch daran und ließ seinen Blick über den schlanken Körper gleiten, der neben ihm auf dem zerwühlten Bett lag.
Ellis war zweifelsfrei schön. Schlank, blond, von einem sehr hellen Hautton. Lange Beine mit schmalen, aber ausdauernden Muskeln, die nicht besonders hervortraten, ein makelloser Rücken, und kleine, feste Brüste. Sah man sie zum ersten Mal, wirkte sie geradezu unschuldig - der zierliche Körper, den sie stets in sehr femininer, heller Kleidung verbarg, große Augen, eine unaufdringliche Frisur. Sie wirkte wie eine Frau, die sich ihrer Anziehungskraft nicht bewusst war und die Aufmerksamkeit ihres Gegenüber scheute.
Für einen Moment schloss er die Augen und dachte daran, wie sie gerade noch auf ihm gesessen hatte, wie der Schweiß auf ihrer Haut geglitzert hatte. Daran, wie er seine Hände in ihr Gesäß geklammert hatte, und an die Wärme und die Reibung, die er an seinem Penis gefühlt hatte, bevor er gekommen war. Ein Wohlgefühl durchströmte ihn, ließ ihn tief atmen und sich strecken.
Kurz riss er seinen Blick von Ellis los und sah in seinen eigenen Schoß. Sein Penis schwoll langsam wieder ab, und aus einer durchaus präsentablen Erektion wurde ein schrumpeliges Etwas, das, bedeckt von trocknender Samenflüssigkeit, nicht mehr so ganz vorzeigbar wirkte. William schlief gern mit Ellis, und er wunderte sich insgeheim, warum sie es offenbar auch tat. Kam er sich schon im erregtem Zustand nicht besonders gut ausgestattet vor, so war er sich nach dem Sex sicher, dass er tatsächlich ein eher kleines und nicht besonders schönes Glied hatte.
Ellis hingegen hatte sich nie in eine solche Richtung geäußert, im Gegenteil: Sie schien den Akt mit ihm sehr zu genießen und wirkte befriedigt, sodass er recht bald aufgehört hatte, sich Gedanken darüber zu machen, ob er ihr ausreichen mochte.
„Oder möchtest du lieber mit den anderen weg?“ nahm er das Gespräch wieder auf.
„Nein, das wollte ich damit nicht sagen.“ Ellis stützte sich auf ihre Unterarme und beugte sich zu William, küsste ihn langsam und sanft. Sie strich ihm das kurze mittelblonde Haar aus der Stirn und zärtlich über seine Wange. Die Unsicherheit, die sich in Williams Augen ausbreitete, schmerzte sie.
„Aber?“
„Naja... es ist schwierig, das weißt du selbst.“ Sie konnte nicht verhindern, dass auch ihr Gesicht einen traurigen Ausdruck annahm. „Wir sind Kollegen, wir dürfen nicht...“ Etwas hilflos deutete sie mit einer ausladenden Bewegung über ihre Körper. „Es darf halt nicht herauskommen.“
William seufzte. Er kannte die Regeln genauso - keine Beziehungen untereinander, keine zu emotionalen, und keinesfalls sexuelle.
„Wir sind beide single, wir sind erwachsen.“ sagte Ellis wie zu sich selbst. „Wir sollten auch miteinander schlafen können, wenn wir das wollen.“
„Können wir ja offensichtlich... dürfen wir nur nicht.“ versuchte William mit einem Lächeln zu sagen, das Ellis mit einer Handbewegung fortwischte.
„Es ist, wie es ist.“ sagte er schließlich. Sie beide wussten, dass diese Diskussion sinnlos war.
„Meinst du, der T-Rex weiß es inzwischen?“ fragte Ellis nach einiger Zeit, in der nur der Ventilator den Raum mit einem rhythmischen Klappern gefüllt hatte.
William schwieg einen Augenblick, dachte nach. „Ich weiß es nicht.“ gestand er schließlich. „Ich wüsste nicht, woher. Niemand weiß von uns. Wir treffen uns nicht auf der Arbeit. Sind distanziert im Team. Ich habe an Noir kein Verhalten beobachtet, das nahelegen würde, dass sie es wüsste. Andererseits kann ich mir auch nicht vorstellen, dass ihr das entgangen ist. Wenn sie es weiß, dann lässt sie es sich jedenfalls nicht anmerken.“
„Gerade das macht mir Angst.“ sagte Ellis. „Wenn sie einen anschreit, ausrastet, weiß man, woran man ist. Wenn sie schweigt... macht mich das unruhig.“ Ein unangenehmes Gefühl breitete sich bei dem Gedanken daran in ihrem Bauch aus, das sie zu ignorieren versuchte.
William schwieg. Der Gedanke ließ auch ihn Unbehagen spüren. Es war nicht geplant gewesen, dass sie im Bett landeten, es war einfach passiert. Und seitdem hatten sie nicht wieder damit aufgehört, sich ein oder zwei Mal in der Woche bei einem von ihnen zu treffen und miteinander zu schlafen. Unverbindlich. Die Nächte verbrachten sie nie miteinander - irgendwann in der späten Nacht verließen sie einander, entspannt, zufrieden. Den Gedanken daran, wie sie es bezüglich der Arbeit halten wollten, hatten sie immer beiseitegeschoben.
„Es ist doch nur dieses eine Mal gewesen.“ hatten sie zuerst gesagt.
„Es ist einfach nur eine Phase, es ist nichts Ernstes.“ hatten sie danach gesagt. Doch langsam schob es sich immer mehr in ihrer beider Bewusstsein, mit jedem neuen Treffen wurde die Phase eine feste Einrichtung, mit jedem Sex verschwand die Fremdheit und wich einem Vertrauen auf und in den Körper des anderen.
Ein leichter Druck an der Penisspitze holte William aus den düsteren Gedanken. Irritiert hob er den Kopf und beobachtete Ellis’ Finger, die vorsichtig einen kleinen Tropfen verbliebene Samenflüssigkeit aus der Eichel hervordrückten. Sie nahm den Tropfen mit der Fingerspitze auf, führte ihn an die Lippen und nahm ihn achtsam mit der Zunge auf. William lächelte, auch als Ellis leicht den Mund verzog.
„Baah, was hast du denn heute gegessen?“
Zeitgleich Old Regent’s Manor, ein Anwesen außerhalb Washington, D.C.s
George hob den Blick vom Fernseher, auf dem die elf Uhr Nachrichten gerade endeten, und sah zur offenen Flügeltür. Er hatte das Platschen ihrer nassen Füße bereits auf der Treppe gehört und sah seiner Frau entgegen, die das Wohnzimmer betrat. Den Bademantel hatte sie lose um den Körper geschlungen und rieb das lange, dunkle Haar mit einem Handtuch.
Das weitläufige Wohnzimmer war von mehreren dezenten Lichtquellen erhellt, die auf die Nacht einstimmten und große Schatten warfen, die die Möbel empor krochen und sich in das dunkle Holz schmiegten.
Liebevoll sah sie im Vorbeigehen auf den Flügel, dessen Klaviatur sie im Vorbeigehen beinahe unter ihren Fingern tanzen spüren konnte. Um tatsächlich zu spielen war es zu spät und sie war zu müde, doch die sanften und durchdringenden Klänge, die der Korpus in sich barg, ließen ein Lächeln über ihr Gesicht gleiten.
George strecke den Arm aus, und sie setzte sich zu ihm und legte den Kopf an seine Schulter.
Die noch feuchten Haare fielen herab und bildeten kleine feuchte Abdrücke auf seinem Hemd. Es störte ihn nicht.
Noir atmete hörbar aus und schloss die Augen. „Ich schätze, morgen geht es los.“ sagte sie und zog die Beine an den Körper, kuschelte sich an ihn.
„Je eher, desto besser.“ Er genoss es, sie im Arm zu halten; ein zeitweise seltenes Privileg. „Wir haben bisher nicht Bescheid gegeben, dass er tot ist. Ich will nicht, dass euch jemand in den Weg kommt - sobald die anderen es wissen, geht die große Hatz los, und solange wir nicht wissen, welche Informationen genau vorhanden sind, will ich nicht, dass jemand anders sie bekommt.“
„Niemand anders wird sie bekommen. Wir kümmern uns darum.“ murmelte Noir. Sie entspannte sich, lauschte seinem regelmäßigem Atem und spürte die Wärme seines Körpers. Seine Hand hatte ihren Weg zu ihrem Nacken gefunden und kraulte ihn behutsam. Er beobachtete sie genau dabei, bereit, sie beim ersten Anzeichen von Anspannung loszulassen, doch Noir blieb gelöst.
George angelte mit dem Fuß nach der Decke und zog sie über seine Frau. „Schön, dass du da bist.“ sagte er ruhig und küsste ihre Stirn. Ein müdes, erschöpftes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Ich wünschte, es wäre öfter so.“
„Ich weiß.“ Ihre Stimme klang müde und nur noch am Rande des Wachseins.
Er zog sie ein wenig enger an sich und beobachtete ihren Brustkorb, der sich unter der Decke regelmäßig hob und senkte. Hatte sie von der Arbeit ihr übliches Maß an Anspannung und Stress mitgebracht, spürte er, wie sie langsam zur Ruhe kam. In seiner Nähe war sie bereit, etwas zu tun, das sie andernorts geradezu zwanghaft vermied: loszulassen. Es hatte gedauert, bis sie bereit gewesen war, ein Gefühl von Sicherheit in seiner Nähe zu entwickeln.
George stellte den Fernseher leiser und überflog kurz die Untertitel der Politiksendung, die sich an die Nachrichten angeschlossen hatte. Nichts von Relevanz, entschied er, aber der monotone Klang der Stimmen verbreitete in seiner Eintönigkeit eine unbedrohliche Ruhe. Bekannte Gesichter schwammen über den Bildschirm und ebenso bekannte Phrasen wurden von den Lautsprechern in die sanfte Dunkelheit geflüstert; nichts, worauf man sich konzentrieren musste.
Ihr Körper wurde schwerer, ihr Atmen tiefer. Die Hand, die sie auf seine Brust gelegt hatte, rutschte langsam herunter und blieb auf seinem Bein liegen. George legte seine auf ihre, betrachtete ihre Hände und fuhr mit dem Finger nachdenklich über ihren Ehering. Manchmal wunderte er sich noch immer, dass sie sich auf ihn eingelassen hatte. Trotz all der Jahre, die sie ein Paar waren, fürchtete er in manchem ruhigen Augenblick, dass es ein flüchtiger Traum war, aus dem er jeden Moment zu erwachen drohte.
Es hatte viel gegeben, das gegen ein gemeinsames Leben gesprochen hatte: dass sie mit ihren siebenunddreißig Jahren über zwanzig Jahre jünger war als er. Dass es Wellen aus Gerüchten und Rederei in der Firma gegeben hatte, als sie die Ehe öffentlich gemacht hatten. Persönlich angesprochen hatte ihn niemand, doch das Gerede hinter vorgehaltenen Händen blieb, erhielt sich und trug sich selbst stetig fort, existierte nach wie vor. Dass es ihren Ruf und ihre Integrität deutlich mehr bedrohte als seinen, war sie schließlich seine Mitarbeiterin und ihm unmittelbar unterstellt. Dass er Kinder hatte, die älter waren als sie, und dass sie Kinder hatte, die noch Teenager waren und ihren Vater brauchten und einforderten, welcher er nicht war.
All das waren Argumente, die es unwahrscheinlich gemacht hatten, dass sie sich je aufeinander einlassen würden. Und doch, sie waren ein Paar geworden. Hatten Liebe zueinander entdeckt und schließlich geheiratet. Nicht seine erste Ehe, nicht ihre erste.
Und nun lag sie in seinem Arm, keine halbe Stunde daheim, und schlief tief und fest. Er wusste, dass sie das dringend brauchte. Als in der vergangenen Nacht das Telefon geklingelt und sie beide aus dem Schlaf gerissen hatte, war sie nach ein paar kurzen Sätzen sofort aus dem Bett gesprungen, hatte ihn über die maßgeblichen Fakten informiert und war dann ins Büro gefahren, um sich selbst ein Bild zu machen. Dienst auf Abruf, selbst wenn die eigentliche Dienstzeit vorbei war. Wie so oft.
Die letzten einundzwanzig Stunden hatte sie bei der Arbeit verbracht, den Einsatz vorbereitet, Briefings abgehalten und Telefonate geführt, Akten durchgearbeitet und ihm zur Entscheidung vorlegt, was ihre alleinigen Kompetenzen überschritt. Zum Mittag hatten sie einen Kaffee zusammen getrunken - zehn Minuten, die ihnen gemeinsam gehört hatten, wenn die Zeit schon nicht zum Essen reichte. Dann war es weitergegangen, in nebeneinanderliegenden Büros. Sie hatten früher einmal überlegt, ein gemeinsames zu beziehen, doch es gab Dinge, die der andere nicht wissen durfte. Die Firmenführung lebte von der Kenntnis des schmalen Grades, was besprochen werden musste und welche Dinge im Dunkeln blieben.
George wob seine Finger zwischen ihre, streckte sich auf der Couch aus und zog sie neben sich. Noir wurde nur halb wach dabei. Sie spürte, dass er bei ihr war, roch seinen Geruch, fühlte seine Nähe, und ließ sich zurückfallen in die Schwere des Schlafes. Solange er bei ihr war, fühlte sie sich sicher.
Nur unterbewusst nahm sie wahr, dass er auch ihren Körper ausstreckte und er ihren Kopf wieder auf seiner Brust bettete, bevor er den Arm um sie legte und die Augen schloss. Diese Nacht hatten sie zusammen - hoffentlich. Beide Handys lagen in Hörweite, bereit, zu unterbrechen und einzufordern, wozu sie beide verpflichtet waren. Doch diese Nacht schwiegen sie.
Dienstagvormittag Luftraum über dem mittleren Westen der USA
Der Jet lag ruhig in der Luft. Der Start war etwas holprig gewesen, doch sobald sie die nötige Höhe erreicht hatten, war der Flug angenehm und erschütterungslos. Durch die Fenster sah man auf eine Wolkendecke herab, die Kühle und Feuchtigkeit erahnen ließ, während der Himmel sich unendlich weit um sie herum erstreckte.
Von den Vierersitzgruppen war nur die zweite belegt. Vier Männer saßen einander gegenüber, auf dem Tisch zwischen ihnen standen Tassen und Wasserflaschen. Der Geruch von Leder lag dezent in der Luft, vermischte sich mit dem von starkem Kaffee, der aus einer Thermoskanne geschüttet wurde. Matthew fragte sich, wann der unvermeidliche Unfall passieren würde und jemand sein Getränk über die hellen Sitzbezüge verschüttete. Wie auch immer sie es geschafft hatten, war es bisher noch auf keinem Flug geschehen, und eine gewisse Anspannung befiel ihn jedes Mal von neuem bei dem Gedanken, dass er derjenige welcher sein könnte.
Noir stand im Gang, an den Tisch der benachbarten Sitzgruppe gelehnt, und verteilte einen Stapel Akten.
„Perez.“
Cooper ließ sich seine Akte ans Fenster reichen und schlug sie auf. Auf der ersten Seite des von flachsfarbener Pappe zusammengehaltenen Stapels war das bereits bekannte Portrait von Boise abgebildet, das ihm kalt und stierend entgegenblickte.
„Davis.“ Noir reichte die nächste Akte an Matthew, ohne den Blick zu heben.
„Scott.“ William richtete sich auf und nahm seine Akte an.
„Und Moore.“ Die vorletzte Akte ging an Quentin. Der stämmige und grauhaarige Mann wirkte etwas blass, wie jedes Mal, wenn er in der Luft war. Sein robustes Aussehen ließ den schwachen Magen nicht erahnen, und Noir empfand es als berührend menschlich, den Navyveteran zumindest phasenweise angreifbar zu erleben.
Die letzte Akte behielt sie selbst, hielt sie jedoch geschlossen und gab den Männern ein paar Augenblicke Zeit, die neuen Unterlagen durchzusehen.
Schließlich räusperte sie sich verhalten und zog damit die Aufmerksamkeit wieder auf sich.
„Garret Boise, ist nach allem, was wir wissen, seit Freitagabend oder dem frühen Samstag tot. Das Bild - ihr habt’s auf Seite zwei - macht die Frage, ob es ein natürlicher Tod war, ja relativ überflüssig. Hatten wir gestern ja schon in der Besprechung, es ist wenig neues dazu gekommen. Mehr als Spekulationen über Täter und Zusender haben wir gegenwärtig nicht.“ Sie machte eine Pause, entschied sich jedoch dagegen, eine persönliche Einschätzung abzugeben.
„Wenn ihr auf Seite elf blättert, seht ihr da eine Liste der Opfer, von denen das FBI davon ausgeht, dass sie auf ihn zurückzuführen sind. Einige sind unzweifelhaft, einige werden ihm nur über den modus operandi zugerechnet.“
„Uns hilft jemand beim FBI?“ William hob zweifelnd die Augenbrauen, während er die Liste überflog.
„Nicht offiziell, nein. Ich habe mit meinem Kontaktmann lange verhandeln müssen, aber was die Opfer angeht, war er diskussionsbereit. Ich rechne auch nicht damit, dass die Liste vollständig ist - was für uns wiederum nicht besonders wichtig ist. Sein erster Mord, der als Auftrag anzunehmen ist, war im Alter von sechsundzwanzig Jahren. Das wäre spät für jemanden wie ihn. Seine ,Arbeitsliste‘ umfasst insgesamt dreiundvierzig Tote, mit einer deutlichen Häufung zwischen 1989 und 1996. Danach wurde es ruhig, die letzten vier Toten verteilen sich im Zeitraum von 1997 bis 2006.“
„Und sein privates Wirken?“ Cooper Perez strich sich eine dunkelblonde Locke aus der Stirn und musterte Noirs Gesicht. Er meinte, einen Anflug von Missbilligung zu sehen, während sie ihre eigene Akte aufschlug und ihren Blick flüchtig über einige Seiten gleiten ließ.
„Ab Seite siebzehn.“ fuhr sie fort. „Offenbar war es für ihn naheliegend, Auftragsmöder zu werden; so hat er sein Hobby zum Beruf gemacht. Der erste auf ihn zurückführbare private Mord fand statt, als Boise gerademal sechzehn war. Ob es allerdings wirklich der erste war oder nicht - ich weiß es nicht. Als sicher würde ich allerdings annehmen, dass wir nicht alle seiner Frauenmorde kennen - ein paar werden unentdeckt geblieben sein, zumal er auch im Ausland unterwegs war. Sein letztes gesichertes Opfer ist von 2009. Es ist nicht naheliegend, dass er danach wirklich aufgehört hat.“
Quentin überflog eine eingeheftete Landkarte, übersät mit zahlreichen Punkten. „Der ist ganz schön rumgekommen.“ stellte er mit seiner tiefen, brummigen Stimme fest. „Nette Übereinstimmung der Orte der Auftragsmorde mit den der privaten Leichen.“
„Ja, er hat keine Zeit verschwendet; außer mit Nelson. Bilder dieser moralischen wie ästhetischen Schönheit sind vorsichtshalber auch beigefügt.“
Allgemeines Blättern bis zu den Seiten, auf denen ein mittelalter Mann mit Bauchansatz und halblangem Haar abgebildet war. Adam Nelson war nicht schön genug, um sich an ihn zu erinnern, allerdings auch keine derartige Merkwürdigkeit der Natur, dass man ihn deshalb gesondert wahrnahm; ein Durchschnittsmensch. Auf einem Bild, das offenbar aus großer Distanz aufgenommen worden war, saß er in einem Tretboot inmitten eines Sees, eine alberne Mütze auf dem Kopf, und bewarf Enten mit etwas Unerkennbarem. Ein anderes zeigte ihn an einer Hauswand lehnend, auf einem dritten war er gemeinsam mit Boise vor ländlicher Kulisse zu sehen.
„Sieht ein wenig aus wie der klassische Nuttenpreller, findet ihr nicht?“ Cooper sah in die Runde.
„Du musst es wissen, Coop. Ist jetzt mehr dein Metier als meins.“ tat Noir es ab, aber er erntete ein unterdrücktes Lächeln. Mit Unbehagen stellte er fest, dass ihm eine leichte Röte ins Gesicht stieg, und eilig vertiefte er sich wieder in seine Akte.
„Jedenfalls verbrachten Nelson und Boise etwa ein Jahr miteinander. In dieser Zeit wurde es verdächtig ruhig um Boise, was mir insgesamt untypisch für ihn scheint; er hat zeitlebens darauf geachtet, menschliche Bande zu vermeiden, war selten länger als ein paar Monate am selben Ort. Mit Nelson blieb er allerdings konstant in einer Stadt namens Fairview Lake in North Dakota.
Dann - und das beunruhigt mich wirklich - wich Boise von seinem Muster ab und tötete das erste Mal in seiner Laufbahn einen Mann. Tatortbilder sind auch dabei; wer die Schlachtung sehen will, bitte sehr, ich brauche es nicht noch mal.“
„Wir gehen nach wie vor davon aus, dass es kein Auftrag war?“ fragte William und schlug angewidert die Akte zu, nachdem er die Tatortfotos gefunden hatte.
„Ja. Er tötete anders, wenn er beauftragt wird. Clean. Effizient. Schnell. So wenig Dreck wie möglich. Wenn er für sich tötete, dann ist es... eine Sauerei. Er lässt sich Zeit. Er genießt, würde ich sagen. Und die Handschrift an Nelson passt zu seinen anderen privaten Opfern.“
„‚Sauerei‘ trifft es.“ murmelte Quentin. Seit einiger Zeit hielt er einen Becher Kaffee in der Hand, der langsam abkühlte, ohne dass er auch nur seine Lippen an ihn gelegt hatte. Ihm war übel. Wegen des Fliegens, wegen der Bilder, wegen der Widerlichkeiten, die hinter jedem Umblättern neu auf ihn warteten. Die erwärmte Wand des Bechers in seiner Hand beruhigte ihn. Je mehr er erkaltete, umso unwohler fühlte Quentin sich wieder, und umso mehr krampfte sich sein Magen in sein Inneres.
„Und man hat inzwischen die Leiche gefunden?“ Matthew blätterte an das Ende der Akte und las die Informationen nach, die Noir ihnen parallel erzählte.
„Boises Reste sind am Sonntagnachmittag in den Wäldern von Oregon, zwischen zwei Orten namens Lexington und Milford, gefunden worden. Offiziell gilt er als noch nicht identifiziert, aber er ist es; wir haben vorab einen kleinen Abstrich bekommen und konnten seine Identität bestätigen. Zur Todesursache kann man nichts mehr sagen - sie vermuten, dass ein Bär dran war. Der Bericht des Rechtsmediziners wird frühestens morgen Spätnachmittag bei uns eintreffen, Tendenz eher später. In den Wäldern kommen immer mal wieder Menschen weg und tauchen dann später stückchenweise wieder auf, da hat so etwas nicht wirklich Priorität. Dort geht man einfach von einem verunglückten Wanderer aus.“
Quentin studierte aufmerksam ein Foto der Auffindesituation des Leichnams. „Vom Erscheinungsbild her kann das erst mal passen, würde ich sagen.“ brummte er. „Ein typisches, beinahe mustergültiges Beispiel für einen Bären, der gestört wurde.“ Er schwieg einen Augenblick. „Vielleicht zu perfekt.“
„Genau deswegen habe ich dich dabei.“ Noir nickte ihm dankbar zu, und er erwiderte das Lächeln gequält.
„Hat sonst noch jemand so ein Foto bekommen wie wir?“ fragte Matthew.
Sie schüttelte den Kopf. „Bisher ist jedenfalls nichts bekannt geworden, aber das muss nicht unbedingt etwas heißen. Pressetechnisch halte ich es für ausgeschlossen, aber halten wir weiter die Ohren auf. Allerdings gab es einen Tipp, na, eher eine Vermutung, der wir nachgehen. Boise scheint sich in einer Hütte nahe dem Wald aufgehalten zu haben, die halbwegs in Reichweite von Lexington liegt. Würde gut zum Ablageort passen, und auch zu den auf dem Umschlag gefundenen Milben. Ist wohl eine ganz besondere Mutation, die vor einigen Jahren nur ein bestimmtes Gebiet in Oregon geradezu überfallen hat. Wegen der hohen Schäden, die sie angerichtet haben, ist ihnen ordentlich zu Leibe gerückt worden, und vereinzelte Exemplare leben noch in dem Wald, in dem auch die Leiche lag. Wir schauen einfach mal. Quentin, Cooper und ich werden in einem Hotel in Lexington einchecken, offiziell gehören wir zu einer überregionalen Wandergruppe, die sich am Wochenende dort treffen und die Waldwege erobern will, wir werden nicht auffallen. Matthew, William, ihr werden die Hütte im Auge behalten.“ Matthew knirschte leicht mit den Zähnen. Hütte im Wald beobachten hieß Zelten. Wenn er hätte wählen dürfen zwischen einem klimatisierten Hotelzimmer mit funktionierender Dusche und Toilette, mit Essen, das man bestellte und nicht selbst zubereitete, und einem kleinen Zelt im Wald, dann wusste er, dass er nicht das Zelt wählen würde.
„Zelten wir zusammen oder getrennt?“ fragte er mit einem Seitenblick auf William.
„Beurteilt es nach den Gegebenheiten. Habt nur im Kopf, dass es Bären gibt, für die wir nicht mehr als ein kleiner Snack nebenbei sind. Ich mag euch gern in einem Stück wieder mit nach Hause nehmen.“
Matthew nickte Williams zu. Also gemeinsames Zelten. Immerhin.
„In ca. vier Stunden landen wir nördlich von Cannon Beach, von dort aus geht es getrennt mit den Autos weiter nach Lexington. Um neunzehn Uhr werden wir an der Hütte sein, es wäre gut, wenn ihr bis dahin fertig aufgebaut habt. Zelt und alles wartet in eurem Auto. Die Hütte ist hinten in der Karte eingezeichnet.“ Noir sah in die Runde. „Noch Fragen?“
„Ich komme mir für eine Wandergruppe etwas... overdressed vor.“ Cooper zog an seinem mattschwarzen Jackett, ließ die Uhr dabei unter seinem Hemd hervorrutschen. Neu, makellos und teuer.
„Unser Beau hier hat leider recht, wir werden uns umziehen müssen.“ antwortete Noir, und Cooper konnte nicht sagen, ob sie einen Scherz machte oder es tatsächlich bedauerte. „Es reicht aber, wenn wir das am Flughafen tun. Genießen wir den Luxus noch, solange wir ihn haben.“ Sie zwinkerte ihm zu, nahm dann ihre Akte und ging zur vordersten Sitzgruppe zurück.
Der Platz der Führung. Ihr Platz. Optisch unterschied sich der Bereich kaum von den anderen vier Sitzgruppen oder der langen Bank im hinteren Bereich der Maschine; helles Leder, gespannt über einen Korpus aus dunklem Nussbaum an den Sesseln. Nur die leicht Erhöhung, auf der die Sitzgruppe installiert war, gab einen Hinweis darauf, dass es sich um einen besonderen Bereich handelte.
Unausgesprochen und dennoch unangefochten war die Regel, dass der vordere Bereich von anderen nicht betreten wurde. Von hier aus hatte Noir die Maschine vollständig im Blick - und ihre Mitarbeiter. Sie sah zu, wie sie lasen, Karten spielten, schliefen, schwiegen. Wie sie sich vorbereiteten, wenn sie auf dem Hinflug waren, und wie sie verarbeiteten, wenn sie den Heimflug antraten. Sie las in ihren Gesichtern, beobachtete ihr Zusammenspiel. Sie sah, wer mehr damit zu kämpfen hatte, sich von dem zu distanzieren, was sie gesehen und getan hatten und wen es nicht mehr berührte.
Und sie war sich bewusst, dass sie an diesem Platz für alle zu sehen war, was nicht minder wichtig war. Sie gingen gemeinsam in den Einsatz, sie kamen gemeinsam daraus zurück. Noir war sich ihrer Verantwortung bewusst: Sie trug nicht nur Sorge dafür, dass sie die richtigen Entscheidungen traf, damit alle lebend zurückkehrten. Es ging auch darum, das Erlebte bewältigbar zu machen. Kontrolle, Kraft, das Gefühl, es verkraften zu können - all das musste sie ausstrahlen, gleichgültig, wie verzweifelt und belastet sie selbst empfand. Gleichgültig, für wie unwahrscheinlich sie es hielt, dass es gut endete, oder ob sie selbst es würde überwinden können. Sie musste der Ruhepol des Teams sein, erkennen, wer Hilfe brauchte, und wer in der Lage war, weitgehend allein die Bilder, Gerüche und Geräusche zu verarbeiten, die ihnen entgegenschlugen, sie manchmal überrollten und in einen Sog aus Schmerz und Furcht herabzogen, noch lange, nachdem der Letzte das Feld verlassen hatte.
Kein Blick zurück, predigte sie ihnen. Habt das Herz eines Serienmörders - was hinter euch liegt, ist irrelevant.
Sie wusste, dass es Quatsch war. Und sie wusste, dass ihre Mitarbeiter es wussten. Es war eine grobe Erinnerung daran, die Welt nicht zu nah an sich heranzulassen, keine Bande zu knüpfen, bereit zu sein, um loslassen zu müssen. Eine Bewältigung war dadurch freilich nicht zustande zu bringen; dafür gab es Supervisionen und Krisenmanagementteams nach dem Einsatz. Doch in den ersten Stunden danach, da war nur sie da. Und in dieser Zeit musste sie diese Menschen auffangen, ganz gleich, was die anderen oder sie selbst empfand.
Dienstagmittag Nordwesten Oregons
Der dunkelgraue Range Rover Sports arbeitete sich unermüdlich über die hügelige Straße. Die größeren Städte lagen bereits hinter ihnen, die Landschaft wurde bergiger und waldiger, verströmte einen harzigen und von ätherischen Ölen geschwängerten Duft.
Cooper saß am Steuer und lenkte mit einer Hand. Den anderen Arm hatte er entspannt gegen das geschlossene Fenster gestützt, die Finger der Hand leicht an die Schläfe gelehnt. Er war für seine Bräune dankbar; verschwand sein Körper sonst unter den Anzügen, zeigte er in dem Poloshirt ungewohnt viel Haut. Die kurzen Ärmel schmeichelten seinen Armen, die sehnig und mit ausgeblichenem Haar bedeckt waren, der V-Ausschnitt ließ die haarlose Brustmuskulatur erahnen. Er war zufrieden mit seinem Körper und fand Gefallen an dem Gedanken, ihn zumindest die nächsten Tage offener zeigen zu können.
Am Flughafen hatten sie die zwei Wagen abgeholt und in ihnen bereitgestellte Taschen gefunden, gefüllt mit legerer Kleidung, wandergeeignete Alltagskleidung. Nach einer kurzen Durchsicht hatte Cooper sich für die hellbraune Funktionshose und ein schlichtes dunkles Shirt entschieden - nicht sein bevorzugter Kleidungsstil, aber das geringere Übel der dargebotenen Kleidung.
Quentin hatte entweder Pech bei der Zusammenstellung seiner Sachen gehabt oder er hatte sich entschieden, die Gunst der Stunde zu nutzen, um sich so bunt wie möglich zu kleiden: Blaue Wanderstiefel, eine rote Hose und ein grün gemustertes T-Shirt, das die Blässe seines Gesichts unangenehm unterstrich. Cooper überlegte, ob es ihm ein inneres Bedürfnis war, aus der Welt der Unauffälligkeit auszubrechen. Erst die Navy, dann die Welt der dunklen Anzüge und weißen Hemden - es mochte für manchen ein Befreiungsschlag sein, aus diesem Schwarzweiß auszubrechen, und sei es auch noch so kurzfristig. Ihm selbst wäre es nicht angenehm gewesen.
Cooper mochte Quentin auf eine sonderbare Art. Der gedrungene, kräftige Mann, der beinahe quadratisch wirkte, strahlte eine Autorität aus, die er sympathisch fand. In den letzten Jahren hatte Quentin sich intensiv in die Bereiche der Anthropologie eingearbeitet, hatte sechs Monate auf einer Body Farm arbeiten können und kannte sich besser mit der Verwesung aus als jeder andere im Team. Cooper hörte ihm gern zu, wenn sie zusammensaßen. Die ruhige, kräftige Stimme war angenehm in seinen Ohren. Den Gedanken, ob Quentin etwas Väterliches für ihn hatte, schob er weit von sich.
Dass Noir dunkle Sachen bevorzugt hatte, hatte ihn nicht überrascht: eine schwarze Hose mit unzähligen Taschen, die ungewohnt weit ihre Beine umspielte, ein schwarzes Poloshirt, das leicht über ihren Brüsten spannte. Ihr Basecap hatte sie direkt in den Kofferraum geworfen, ehe sie auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte und dort seit Beginn der Fahrt zwischen Papier und Tablet wechselte. Hin und wieder führte sie kurze Telefonate, die maßgeblich aus „Ja.“, „Nein.“, „Verstanden.“ und „Danke.“ bestanden, was Cooper vermuten ließ, dass es Anrufe aus dem Labor waren. Quentin und er hatten sich auf der ersten Strecke durch die Stadt noch unterhalten, ehe auch der Veteran sich erst in die Akte vertieft hatte und seitdem tief in Gedanken aus dem Fenster starrte.
Die Stille im Wagen, nur selten durchbrochen mit dem leisen Rascheln von Papier oder den kurzen Telefonaten, hatte etwas entspannendes. Cooper war zufrieden damit, zu denen zu gehören, die im Hotel wohnen durften - selbst wenn er mit Quentin ein Zimmer würde teilen müssen, wäre es unproblematisch. Allemal luxuriöser als ein Zelt.
In Sichtweite tauchte eine kleine Wegabzweigung auf, und er warf einen kurzen Blick auf das Navigationsgerät. Die Abzweigung war uninteressant für sie, ihr Weg folgte noch etliche Meilen der Straße. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass Noir ihre Unterlagen inzwischen zusammengeschoben hatte. Ein Ausdruck des Leichnams lag oben auf, den sie durch die Sonnenbrille intensiv studierte. Sie alle kannten es und hatten sich ihre Gedanken darüber gemacht. Nun lag es dort, auf ihrem Schoß.
Coopers Blick wanderte von dem Bild kurz über ihre Beine, und er war bereits dabei, ihn wieder der Straße zuzuwenden, als er an dem Fleck heller Haut auf ihrer Brust hängen blieb. Das Shirt lag eng an, der Ausschnitt war nicht vollständig zugeknöpft; weit genug, um nicht provokant zu sein, nicht weit genug, um den Ansatz der Busen gänzlich zu verdecken. Er fragte sich, ob sie einen Push-Up trug oder ob sie wirklich so volle Brüste hatte.
Noir, die registriert hatte, dass Cooper sie ansah, wies ohne aufzusehen mit dem Finger nach vorn durch die Scheibe. Er war sich nicht sicher, ob sie ihm damit bedeuten wollte, dass er die Weggabelung ignorieren und geradeaus weiterfahren sollte, oder ob es eine Anweisung war, ihr nicht weiter auf die Brüste zu starren. Gleich, was es war, er nahm peinlich berührt den Blick von ihr und richtete ihn wieder auf die Straße.
„In etwa einer Stunde sind wir am Hotel.“ sagte er mit fester Stimme. „Wie groß ist Lexington eigentlich?“
„Geht.“ sagte Noir. Cooper wartete noch einen Augenblick in der Annahme, dass sie es näher ausführen würde, doch ,Geht.‘ schien für Noir alles zu sagen, was über Lexington gesagt werden musste. Ihre Aufmerksamkeit galt nach wie vor dem Foto.
„So klein ist es wirklich nicht.“ nahm Quentin den Faden auf. „Etwa 200.000 Einwohner, recht große Fläche. Seit es dort ein Kongresszentrum gibt, ist es gewachsen, durch die Nähe zum Mount Hood National Forest und dem Gillford Pinchot National Forest herrscht aber das ganze Jahr über ein recht stabiler Tourismus. Ich schätze, wir haben es schon schlimmer getroffen.“
Cooper gab einen zustimmenden Laut von sich.
„Ist ja eher sehr ungewöhnlich, dass wir diesmal inländisch unterwegs sind.“ murmelte Noir.
„Macht es das mehr oder weniger gefährlich?“
„Hier wie dort werden Leute auf uns schießen wollen.“ Noir drehte sich unvermittelt zur Quentin um. „Ob es die Sache besser macht oder nicht, dass wir dieses Mal mit Menschen zu tun haben, die das professionell tun, überlasse ich deiner Bewertung.“
Cooper grinste verschmitzt. „Das tun wir auch.“ sagte er leise genug, dass nur Noir es hören konnte. Sie wandte sich ihm zu und lächelte ebenfalls. „Wir sind einfach nur Menschen, denen die Umwelt am Herzen liegt.“ erwiderte sie mit ironisch hochgezogenen Augenbrauen. „Ein Schelm, wer Böses über uns denkt.“
Sie zwinkerte Cooper zu, legte dann den Kopf gegen die Nackenstütze und schloss die Augen. „Wir haben nachher nicht wirklich Zeit, uns frisch zu machen, wir werden heute noch zu der Hütte wandern. Beeilt euch mit dem einchecken.“
Dienstagnachmittag Oregon
Wald.
Tiefer, dunkler, lebendiger und alles verschluckender Wald. Die Bäume ragten wie dunkle Giganten in den Himmel, ihre Äste weit von sich gestreckt und ineinander verwoben, überspannten den unwegsamen Boden mit einem undurchdringlichen Dach aus Nadeln und Blattwerk. Nur hier und dort bot es der Sonne kleine Einfallstore und stellte goldene Säulen aus Licht in das schattige Dickicht.
„Kack! Mücken!“ fluchte Cooper laut und schlug kraftvoll auf das Insekt auf seinem Unterarm. „Die Viecher kommen auch nur zu mir, oder?“
„Wir jammern einfach nicht so viel wie du.“ brummte Quentin und kämpfte damit, seinen Fuß aus Efeuranken zu befreien. Den Wanderweg hatten sie längst hinter sich gelassen, seit etwa einer Stunde ging es querfeldein. Äste hingen tief und angelten nach der Kleidung, manche Bäume standen so eng beieinander, dass sie die Rucksäcke und Gewehre abnehmen mussten, um sich durch die schmalen Lücken zu quetschen. Der Boden war uneben und von dicken, alten Wurzeln durchsetzt, die sich unter Ranken und niedrigen Büschen verloren. Stolperfallen durch und durch.
„William kommt uns gleich entgegen.“ sagte Noir und sah auf das GPS Gerät. „Es kann nicht mehr weit sein.“
„Jedenfalls liegt die Hütte weit genug weg vom Schuss, dass Boise seine Ruhe gehabt haben dürfte.“ Cooper kratze die Überreste der Mücke von seinem Arm und sah sich kurz um. „Schätze, einer wie er braucht aber auch die Abgelegenheit für seine Hobbys.“
„Sollte man meinen. Tatsächlich ist es so, dass er den Großteil seiner Taten eher in bewohnten, öffentlichen Gebieten begangen hat. Mehrparteienhäuser. Eine sogar im Kino, glaube ich. Ein gewisses Maß an Öffentlichkeit ist ihm offenbar nicht unrecht gewesen.“ Sie strauchelte und fing sich an einem Stamm ab. „Oder die anderen hat einfach keiner gefunden, weil sie absolut im Nirgendwo liegen.“ fügte sie hinzu.
„Freak.“ konstatierte Quentin schlicht. Diese Feststellung bedurfte keiner Korrektur, und so kämpften sie sich schweigend weiter durch das inzwischen stetig ansteigende Gelände, bis in Hörweite trockene Äste brachen.
Alle drei legten die Gewehre an, während sie die unübersichtliche Umgebung absuchten.
„Ich bin’s!“ rief eine Stimme, während die Geräusche näher kamen. „Nach Möglichkeit bitte nicht erschießen!“ William hatte beide Arme schützend über den Kopf gelegt und schlug sich durch die tiefhängenden Tannenzweige. „Hölle.“ kommentierte er und fegte sich die herabgefallenen Nadeln aus dem Haar.
„Fertig aufgebaut?“ fragte Noir und zog sich ein paar abgebrochene Zweige aus den Wanderschuhen. Wusste der Teufel, was für Getier schon alles seinen Weg unter ihre Kleidung gefunden hatte; sie hoffte, dass das Zeckenspray seine Wirkung tat.
Mit jovialer Miene breitete William seine Arme aus. „Besucht uns in unserer großzügigen Lodge! Keine Küche, kein Bad, aber dafür kuschelige eineinhalb Quadratmeter, die keinen Luxus missen lassen!“ Er schnaubte. „Scherz beiseite, ja, wir sind eingerichtet. Folgt mir, es ist nicht mehr weit. Matt sichert den Platz gegen Wildtiere.“
So dicht, wie der Wald war, so unvermittelt endete er und öffnete sich in einen sonnengefluteten Platz. Von einer Mischung aus Erde und Lehm bedeckt, war er leicht abschüssig gelegen und gänzlich von Pflanzen befreit. Ein kleiner Bach floss am Rand entlang und stürzte sich über eine kleine felsige Klippe, bildete unter ihr einen See und fand von dort aus seinen Weg in den Wald. Das sanfte, gleichmäßige Gurgeln des Wassers mischte sich in den Wind.
Abgesehen vom Bach war der Großteil des Areals vollkommen leer; ein unregelmäßiger Kreis, umrandet von hohen Bäumen, den nicht einmal das Moos erobert hatte. Am hinteren Ende wuchs ein Fels empor, steil und kaum zu erklimmen, der bereits am frühen Abend einen langen Schatten warf. In diesem Schatten, als sei sie an den Fels geschmiegt, stand eine quadratische Hütte aus Holz.
Jemand hatte sich mit der Konstruktion Mühe gegeben: Gebaut aus sorgfältig bearbeiteten und ineinander gefügten Baumstämmen hatte die Hütte den Witterungen standgehalten, ihnen gar getrotzt. Trotz der Jahre, die sie erkennbar schon stand, verströmte sie immer noch einen dezenten Geruch nach Harz und Nadelholz. Sie war eingeschossig und nicht besonders groß, das angeschrägte Dach konnte jedoch einen Kriechspeicher beinhalten.
Bis auf den Eingang verfügte jede Hausseite über ein Fenster, das von hölzernen Läden größtenteils verdeckt wurde. Vor der Tür, verschlossen mit einer dicken, metallenen Kette, die im Gegenteil zur Hütte neu und fehl am Platz wirkte, waren einige Holzbretter zu einer Veranda improvisiert worden. Sie war erkennbar nachträglich angelegt worden und aus nur behelfsmäßig bearbeitetem Holz. In ihrer unmittelbaren Nähe befand sich ein runder Fleck aus unsorgfältig verscharrter Asche.
„Hinter dem Haus steht ein Dieselgenerator.“ sagte William. „Er hatte hier Strom.“
„Wir nehmen unseren eigenen.“ Cooper zog eine Taschenlampe aus der Gürtelhalterung und ließ demonstrativ das Licht aufleuchten. „Wer weiß, was an den Leitungen auf uns wartet.“
„Den Platz hier hat er penibel sauber gehalten.“ sagte Noir und betrachtete den pflanzenlosen Boden kritisch. Von der Tür der Hütte führten schlecht verwischte Spuren in das Dickicht, ansonsten war der Boden gänzlich unberührt. „Ich frage mich, warum.“
„Die Fußspuren da hinten werden nicht von ihm sein.“ schloss William sich an und deutete auf die Tür. „Boise hätte sie nicht hinterlassen, wenn es seine gewesen wären.“
„Wie weit sind sie verfolgbar?“ fragte Quentin, der inzwischen neben ihnen am Rand des Waldes stand und skeptisch über das Areal blickte.
„Nur bis zu den Bäumen, danach ist nichts mehr erkennbar. Matthew und ich haben weiträumig gesucht, aber es gibt nicht mal auffällig abgebrochene Äste. Und die, die da sind, können auch gut und gerne von den Bären oder Wildschweinen der Gegend hier sein.“ antwortete William, und setzte hastig hinzu: „Matthew sichert gerade. Wir werden hier nicht überrascht.“ Er deutete in den Felsen, der hinter der Hütte in den Himmel wuchs. „Wir haben das Zelt dort aufgeschlagen. Wir sehen, was sich hier bewegt.“
„Dann wollen wir mal!“ sagte Noir und bewegte sich dennoch nicht. Ihr Blick galt immer noch dem unberührt wirkenden Boden, während sie einen kleinen, durchsichtigen Kopfhörer in ihr Ohr einsetzte; so gut wie keine Tannennadeln und kaum Blätter, die der Wind hergetrieben hatte. Keine Fußspuren abgesehen von denen an der Tür, keine Spuren von Besen oder Haken. Noir ging in die Hocke und neigte den Kopf, um den Bodenverlauf näher zu betrachten
„Zu plan.“ murmelte sie. Der Kopfhörer in ihrem Ohr piepte leise, als sie darauf drückte. „Kannst du mich hören, Matthew?“
„Kann ich, hier ist alles in Ordnung. Vorhin ist ein Wildschwein in der Nähe aufgetaucht, ich warne euch vor, wenn weitere kommen.“ drang Matthews Stimme klar und störungsfrei in ihr Ohr.
„Auf dem Platz sind keine Tierspuren.“ stellte sie fest, ohne es an jemand speziellen zu richten. „Entweder hat es intensiv geregnet, oder selbst die Tiere meiden den Ort hier.“
„Überprüfe ich.“ sagte Quentin.
„Wenn selbst die Tiere fortbleiben... nicht gut.“ sagte sie wie zu sich selbst, während die Besorgnis in ihr wuchs. „Ich denke, wir sind am richtigen Ort.“
„Die letzten zwei Nächte hat es schon Regen gegeben.“ informierte Quentin nach kurzer Recherche. „Aber ob das genügt, um Spuren so vollständig zu verwischen - schwer zu sagen. Ich will es nicht völlig ausschließen, aber ich denke nicht, dass das möglich wäre.“
Noir nickte langsam. „Wir meiden den Platz und beschränken uns auf Waldrand und Hütte.“ entschied sie. „Morgen können wir ihn untersuchen. Für heute - nein.“
„Du rechnest mit Sprengfallen?“ fragte William und folgte nachdenklich ihrem Blick.
„Wenn es wirklich seine Hütte war, schließe ich es erst mal nicht aus. Wir nutzen die Bretter, um uns einen Weg um das Haus zu legen. Vamos!“ Mit schnellen Schritten bewegte sie sich am Waldrand auf die Hütte zu, ließ sich dabei das Gewehr von der Schulter rutschen und legte es an.
„Ich mach mal den Straßenbauer.“ sagte Cooper und schob sich an Noir vorbei. Eng an die Felswand gedrückt bewegte er sich auf die Hütte zu und machte sich ein Bild von der Konstruktion vor ihrem Eingang. Schließlich hebelte er die einzelnen Bretter auseinander. Es brauchte nicht viel Kraft, die Nägel war dünn und kurz.
„Wenn was ist, wird’s jetzt laut.“ sagte er schlicht und warf das erste Brett auf seine Kollegen zu. Mit einem dumpfen Knall schlug es auf den Boden und wirbelte eine Wolke aus Staub und Dreck auf, noch bevor sie sich ducken konnten.
Stille folgte. Nichts geschah.
„Wäre nett gewesen, wenn du gewartet hättest, bis wir uns in Sicherheit gebracht haben.“ stellte William betont kühl fest.