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Eine große Enttäuschung hatte das Herz der jungen Sarah Mulligan lange bedrückt – bis er kam. Henry – der Mann ihres Herzens. Aber ein tragischer Unfall, den er auf dem Weg zu ihr erleidet, scheint ihr das neue Glück wieder zu entreißen. Auch die junge Jessy, die die Liebe nach einer schweren Kindheit und Jugend allzu leicht genommen hat, und die mit ihrer besten Freundin Sarah leidet, wird vom Schicksal geprüft und muss sich entscheiden. Will sie mit Ben eine gemeinsame Zukunft wagen? Will sie endlich treu in einer Partnerschaft leben und ihre Unbeständigkeit überwinden? Aber just als sie sich diese Frage stellt, geschieht etwas vollkommen Unerwartetes und stellt ihr ganzes Leben in Frage ...
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Inhaltsverzeichnis
♥ Kapitel 1 ♥
♥ Kapitel 2 ♥
♥ Kapitel 3 ♥
♥ Kapitel 4 ♥
♥ Kapitel 5 ♥
♥ Kapitel 6 ♥
♥ Kapitel 7 ♥
♥ Kapitel 8 ♥
♥ Kapitel 9 ♥
♥ Kapitel 10 ♥
♥ Kapitel 11 ♥
♥ Kapitel 12 ♥
♥ Kapitel 13 ♥
Impressum
Emely S Telko
Das Herz ist ein einsamer Träumer
- Greenhill Lovers -
Dieses Buch ist reine Fiktion. Eventuelle Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Ereignissen oder Personennamen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Nachdruck und Verwendung von Buchinhalten nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin
Copyright © 2022 by Emely S. Telko
Alle Rechte vorbehalten
Über das Buch
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Eine große Enttäuschung hatte das Herz der jungen Sarah Mulligan lange bedrückt – bis er kam. Henry – der Mann ihres Herzens. Aber ein tragischer Unfall, den er auf dem Weg zu ihr erleidet, scheint ihr das neue Glück wieder zu entreißen. Auch die junge Jessy, die die Liebe nach einer schweren Kindheit und Jugend allzuleicht genommen hat, und die mit ihrer besten Freundin Sarah leidet, wird vom Schicksal geprüft und muss sich entscheiden. Will sie mit Ben eine gemeinsame Zukunft wagen? Will sie endlich treu in einer Partnerschaft leben und ihre Unbeständigkeit überwinden? Aber just als sie sich diese Frage stellt, geschieht etwas vollkommen Unerwartetes und stellt ihr ganzes Leben in Frage …
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Ein packender, spannender Liebesroman in bester Tradition über die leidenschaftlichen Wirren, die Höhen und Tiefen im Leben zweier junger Freundinnen, der zu Herzen geht. Eingebettet in das raue, doch wunderschöne Klima Irlands, umrandet von den Klippen von Slieve League in der Nähe des County Donegal liegt das idyllische Greenhill mit seinen liebenswerten Menschen. Lasst euch verzaubern. Tretet ein in die Welt der einsamen Herzen, die nach Erfüllung streben und die den Kampf nicht aufgeben, bis sie ihr Ziel erreichen. Leidet und liebt mit diesen Menschen – den Greenhill Lovers.
Emely S. Telko – ,,Liebe ist nicht nur ein Wort, sondern Sinn und Zweck unseres Lebens.“
Zu sagen, ihr Herz hüpfte vor Glück, hätte es nicht ganz getroffen. Es war mehr, weit mehr als bloßes Glück. Ihr Herz jubilierte geradezu, und es war einfach unvorstellbar schön. Bei jedem Atemzug, jeder Bewegung ihres jungen Körpers, spürte sie die Kraft und Leidenschaft, die sie wie im Rausch erfüllte.
Ja, ihr Herz schlug wild, seit sie ihn kannte, wild und immer wilder – es raste vor leidenschaftlichem Verlangen und brennender Liebe. Henry – sie hätte seinen Namen wieder und immer wieder sagen, manchmal ihn nur zärtlich flüstern und dann wieder vor überschäumender Lebenslust laut hinaus schreien können, so begeistert und verliebt war sie, so als ob der Strom unendlicher Liebe sie mit sich reißen und ihm zuführen würde. Er war das, wonach sie sich immer gesehnt hatte, die Erfüllung ihrer Träume, der Mann, mit dem sie ihr Leben verbringen würde.
Ja, ihr Herz schlug wild wie eine afrikanische Trommel.
Afrika!?
Sarah Mulligan stand furchtlos am Rande der Klippen von Slieve League. Hunderte Meter unter ihr breitete sich das silbern blau glänzende Meer fast unbewegt aus, das sie schon seit ihrer frühen Kindheit so sehr liebte, seit sie das erste mal mit Großmutter Abigal hierher gekommen war. Sie lächelte plötzlich träumend mit geschlossenen Augen, als sie an Afrika dachte. Auch das schien schon so lange her zu sein, dabei lagen diese Ereignisse nur wenige Jahre zurück. Diese schreckliche Enttäuschung wegen der sie lange nicht mehr an die Liebe mit einem treuen Partner hatte glauben können. Bis sie Henry kennenlernte. Jetzt konnte sie zurück denken ohne Herzschmerz und Verbitterung. Zwei Jahre – und doch schien es eine Ewigkeit her zu sein, als sie mit ihrer Freundin Jessica ihrer beider Jugendtraum erfüllt und endlich die lang ersehnte Reise nach Afrika unternommen hatten. Sie waren volljährig geworden und konnten sich endlich ohne elterliche Aufsicht ins Ausland wagen, konnten die faszinierende Wildnis und die unbeschreibliche Schönheit dieses märchenhaften Landes erkunden und für sich entdecken. Es waren drei unvergessliche Wochen gewesen, die leider wie im Flug vergangen waren.
Damals hatte sie es zum ersten Mal erlebt, hatte mit 18 Jahren erfahren, was es bedeutet, eine Frau zu sein und einen Mann mit der Leidenschaft einer Löwin zu begehren. Alles zuvor, die kleinen kindlichen oder pubertären Verliebtheiten, diese Schmetterlinge im Bauch – sie waren ihr damals erschienen wie eine Vorbereitung, wie eine zarte Heranführung oder Übung für die Begegnung mit ihm. Mit dem Mann ihrer Träume, der ihr schon als Kind in ihren Träumen immer nur vage erschienen war. Damals hatte sie geglaubt, ein Märchen sei wahr geworden und sie würde Afrika nie verlassen, sondern seine Frau werden.
Wie naiv sie doch gewesen war. Sie hatte noch nicht erlebt, dass es Männer gibt, die zu allem bereit sind, um eine Frau zu erobern. Sie hatte noch nicht verstanden, dass der Drang, eine Frau wie sie zu besitzen, für manche Männer so stark ist, dass sie alles daran setzen, um die jugendliche Schönheit der begehrten Frau zu enthüllen und ihren Schoß zu ergründen. Ja, er wusste genau, wie er sie behandeln, wie er sie verführen musste, damit sie die Sehnsucht mitriss, bis sie nachgab und alles tat, was er von ihr verlangte.
Erst nur für Augenblicke und dann nach etwa einer Woche war sie ihm vollkommen verfallen gewesen. Diesem exotischen, stolzen Afrikaner mit den makellos weißen Zähnen. Dieser große, starke Mann, Sohn eines Stammesoberhaupts, der unter anderem als Reiseführer und gefragter Leiter und Ratgeber bei Fotosafaris arbeitete, hatte es ihr auf Anhieb angetan. Obwohl er fließend englisch und französisch sprach, eine gute Ausbildung hatte und über tadellose Umgangsformen verfügte, war es diese ursprüngliche Wildheit und die erhabene Aura des Kriegers, die sie schon bei ihrer ersten Begegnung mit ihm unwiderstehlich angezogen hatte.
Diese strahlenden Augen und dieses selbstbewusste Lächeln ließen sie dahin schmelzen. Er erschien die Erfüllung ihrer heimlichen Träume, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass es eben genau jene Wildheit war, die aus ihm einen unberechenbaren Mann machte. Ein Mann, der viele Frauen eroberte und dessen Jagdinstinkt stärker war, als es der Wunsch, eine Familie zu gründen und mit der einen Frau für immer zusammen zu leben, je hätte sein können. Als es Sarah endlich klar geworden war, dass er sie nicht wirklich liebte, dass er nur seinen Spaß mit ihr haben und sie als eine Art Trophäe seiner Sammlung bereits eroberter Frauen hinzufügen wollte, war es bereits zu spät, um den glühenden Schmerz der Enttäuschung nicht bis ins tiefste Innere zu verspüren.
Sie hatte sich ihm hingegeben, hatte sich das Kostbarste, was eine unberührte junge Frau besaß, leichtfertig und naiv nehmen lassen. Ein Gefühl grenzenloser Leere und Verbitterung waren der Preis, den sie für diese Erkenntnis zahlen musste, dass er es von Anfang an nicht ernst mit ihr gemeint, sondern nur mit ihr gespielt hatte, um seine Männlichkeit zu beweisen und um seinen potenten, triebhaften Drang zu befriedigen. Dazu war ihm jedes Mittel Recht gewesen. Hauptsache, er konnte sie im Fieber der Nacht nehmen, konnten sich ihrer bemächtigen und die delikaten Köstlichkeiten ihres umwerfenden Körpers gleichsam verschlingen.
Und er wusste genau, wie man das machte. Da sie noch unberührt gewesen war, versuchte sie sich zwar trotz ihrer übermächtigen Liebe zurückzuhalten, sich ihm bestimmt aber liebevoll zu verweigern, aber der Potenz dieses erfahrenen Beischläfers und der Geschicklichkeit seiner Avancen war sie einfach nicht gewachsen. Er flüsterte ihr phantasievolle Zärtlichkeiten ins Ohr, berührte sie sanft und erzählte ihr mit ausdauerndem Eifer, wie schön und einzigartig sie war. Tage- und nächtelang war sie hin- und hergerissen. Auf der einen Seite erwartete sie, dass er ihr nicht nur erklärte, dass er sie liebe. Sie dachte ja weiter, dachte an ihren Traum, wollte mit ihm zusammen sein.
Für immer. Nicht nur für einen Urlaub.
Warum machte er ihr keinen Heiratsantrag, wenn sie wirklich so wichtig für ihn war? Oder wenigstens einen Verlobungsantrag? Warum stellte er sie nicht seinen Eltern, seiner Familie vor? Vielleicht hatte es ihr Unterbewusstsein schon geahnt, denn manchmal hatte sie Zweifel und zitterte regelrecht vor Angst. Aber das dauerte nie lange. So unerfahren, naiv und verträumt wie sie eben noch war, suchte sie die ganz große Liebe. Ihren schwarzen Prinzen. Ein zärtlicher Krieger aus Afrika, wie sie es sich schon als Kind erträumt hatte. Sie konnte an nichts anderes mehr denken als an ihn.
Sein selbstsicheres Lachen, seine fröhliche, unbeschwerte Art und die vielen kleinen Geschenke und Scherze, mit denen er ihr das Gefühl gab, der Mittelpunkt der Welt zu sein. Außerdem war er ein unglaublich guter Tänzer. Er hatte den wilden afrikanischen Rhythmus im Blut. Etwas, das man nicht lernen kann. Man hat es eben, so wie Majaia, oder man hat es nicht. Wenn er mit ihr auf der Tanzfläche stand und bei heißen Rhythmen oder verträumten Klängen seine kräftigen, doch zart fühlenden Händen über ihren Rücken und ihre Arme gleiten ließ, dann verlor sie fast die Besinnung, und ihre Knie wurden schwach.
Ja, ihr Herz schlug wild wie eine afrikanische Trommel, lauter und lauter, schneller und schneller. Eine Woche, nachdem sie in Afrika angekommen waren, hatte er sie restlos erobert. Eines abends, sie hatten getanzt und köstlichen Wein getrunken, gab sie ihren letzten Widerstand auf. Ihr Verlangen nach seinem makellosen und muskulösen Körper und nach seinen starken und einfühlsamen Händen war einfach zu stark, als dass sie sich diesem noch hätte widersetzen können. Berauscht und vollkommen aufgelöst in einer heißen afrikanischen Nacht gab sie sich endlich seinen magischen Verführungskünsten hin. Auch die Tatsache, dass ihre Mutter sie gewarnt und darauf bestanden hatte, dass Afrika eine ganz andere Kultur sei und dass sie aufpassen müsse, nicht auf einen dieser ,,schönen Wilden“ hereinzufallen, denn sie solle einen Mann aus ihrem Dorf, einen Iren, heiraten, änderten nichts an ihrer Bereitschaft, Majaia ihr Heiligstes zu offenbaren. Sich ihm zu schenken in dieser wundervollen Nacht. Eine Nacht, in der ein leidenschaftliches Verlangen von ihr Besitz ergriff, wie sie es nie für möglich gehalten hätte.
Wenn seine Hände ihre Haut berührten und über ihrer Brüste streichelten, hatte sie das Gefühl, von Kopf bis Fuß auf so lustvolle Weise elektrisiert zu werden, dass sie sich kaum vorstellen konnte, dass dieses Gefühle noch steigerungsfähig sein würden. Aber sie waren es. Mit geschickten Händen entkleidete er die blutjunge Frau, die unter dem strahlendem Mond eines fernen Kontinents durch seine zärtlich fordernden Küsse die Besinnung zu verlieren schien. Er ließ sich Zeit, denn er wusste, er hatte sie gewonnen. Sarah versank im Zauber dieser exotischen Pracht, und sie spürte keinen Schmerz, nur unendliche Lust, als er endlich in sie eindrang. Im Rhythmus der Trommel erlebte sie ihren ersten, unvergesslichen Höhepunkt zusammen mit einem Mann. Einem Wilden, der ihrer Liebe nicht würdig war.
Aber das wusste sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Unerschöpflich und voller Leidenschaft gab sie sich ihm immer wieder hin in jener Nacht, bis sie beide voller Glück ermattet und erschöpft in einen tiefen Schlaf versanken. Und am nächsten Morgen erwachte sie allein. Keine Spur von Majaia. Was sie auch versuchte, niemand konnte oder wollte ihr helfen, ihn wiederzusehen. Zwei Wochen bis zu ihrer Abreise hatte sie gefleht und gehofft, hatte sich bange die Frage gestellt, warum er einfach spurlos verschwunden war. Und langsam, ganz langsam, wurde ihr bewusst, was geschehen war, dass sie nur geträumt hatte von einem Prinzen, den es in Wirklichkeit nicht gab. Von einem Mann aus ihren Träumen. Exotisch, abenteuerlich, stark und geheimnisvoll.
Zwei Jahre war das jetzt her. Und obwohl sie durch ihre Mutter, ihre beste Freundin Jessica und auch durch die anderen Bewohner von Greenhill reichlich Trost und Beistand gefunden hatte, so hatte sie dieses Erlebnis verändert. Die bittere Enttäuschung hatte ihr Herz versteinert, hatte sie verschlossen und für ihre Jugend unpassend ernst und verschlossen werden lassen. Dann starb auch noch ihr Vater völlig unerwartet keine sechs Monate später an einem Schlaganfall. Er war nicht auf der Stelle Tod, sondern er wurde noch in das Nahe gelegene St. Helen Medical Center gebracht, wo er nach vier Tagen trotz intensiver Bemühungen verstarb.
Das Leid ihrer Mutter war herzzerreißend. Tag und Nacht wachten Mutter und Tochter fast ununterbrochen an seinem Bett, hielten seine Hand und sprachen mit ihm. Zweimal war er kurz zur Besinnung gekommen, hatte mit von Schmerz verzerrtem Gesicht versucht zu lächeln und ihnen zu zeigen, wie sehr er sie liebte. Doch trotz des intensiven Beistands und der aufopfernd rührenden Pflege der Ärzte und Schwestern mussten sie akzeptieren, dass er von ihnen ging und dass es ihr künftiges Schicksal war, ohne den über alles geliebten Vater und Ehemann zu leben, der keine 47 Jahre alt geworden war.
Sarahs Mutter Miriam verarbeitete diesen unbarmherzigen Schlag nach einer verhältnismäßig kurzen Trauerzeit bemerkenswert gut. Sie wahrte Haltung und wandte sich wie früher auch ihrem Beruf als Apothekerin des Ortes mit der gleichen Hingabe zu wie auch ihrem sozialen Engagement. So war sie beispielsweise in dem von ihr mit gegründeten Waisenhaus “Heim der Geborgenheit“ Angehörige des Vorstands, und sie erschien immer wieder vor Ort, um den Erzieherinnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Als außerdem auch gelernte Hebamme und Geburtshelferin stand sie zudem als Betreuerin und Ansprechpartnerin für schwangere Frauen zur Verfügung und für die therapeutische Versorgung von Ehepaaren in Krisen, die diese nicht alleine bewältigen konnten. Nebenbei, wenn man es so nennen wollte, war sie Mitgründerin des Folklorechors von Greenhill und betrieb zusammen mit drei Freundinnen eine kleinen Ökohof, der nicht nur wegen seiner Blumengärten und seines Gemüseanbaus in der weiteren Umgebung bekannt war, sondern auch wegen der Rinder, Schweine und Hühner, die dort auf artgerechte Weise gehalten wurden. Zwar war sie aus Zeitknappheit nur nebenbei tätig – im Gegensatz zu den drei anderen –, aber sie ließ sich auch diesen Freundschaftsdienst nicht nehmen.
Sarah bewunderte ihre Mutter, die genau so wie ihr Vater schon immer ihr Vorbild gewesen war. Ihre Eltern hatten nicht nur eine Ehe wie im Bilderbuch geführt. Viel wichtiger war, dass sie einander liebten und dass sie sich all die Jahre über treu beistanden, auch in schweren Zeiten. Man konnte, auch als Außenstehender, die Liebe förmlich spüren, die beide miteinander verband. Sie gaben ihren Mitmenschen Kraft, waren überall gerne gesehen und hatten zahlreiche Freunde. Ihr Vater Charles war als Polizeichef des County Donegal, zu dem Greenhill gehörte, ein sehr angesehener Mann, der viel für die Ausbildung der jungen Polizisten und für ein gutes Verhältnis zwischen den Behörden und der Bevölkerung getan hatte. Um so mehr, das wusste Sarah, musste es ihre Mutter schmerzen, jetzt ohne ihren geliebten Mann als Witwe weiterleben zu müssen. Doch so wie es ihre Art war, ließ sie sich nach außen hin nichts anmerken. Nur für etwa eine Woche nach seinem Tod hatte sie sich etwa zurückgezogen, um alles neu zu ordnen und sich auf die Zukunft ohne ihn vorzubereiten.
Sarah schämte sich gelegentlich fast, wenn sie an ihre starke, wundervolle Mutter dachte. Im Vergleich zu ihr kam sie sich manchmal unscheinbar, klein und schwach vor, obwohl sie ohne den geringsten Zweifel wusste, dass sie als einiges Kind von ihrer Mutter sehr geliebt wurde, die in allem, was sie betraf, zu ihrer einzigen Tochter stand. Obwohl sie nach dem bitteren Erlebnis mit Majaia in Afrika und nach dem Tode des Vaters eine andere geworden war. Eine stille, nachdenkliche Traurigkeit spiegelte sich in ihren Gesichtszügen und in ihren wunderschönen blauen Augen wieder, die sie nie ganz überwunden hatte. Erst Henry hatte es vermocht, sie von dem Joch der Trauer und der bitteren Verzweiflung spürbar zu befreien – doch selbst seine Liebe hatte diese nachdenkliche Traurigkeit anfangs nicht restlos vertreiben können, die ihrer blühenden Jugend eine unerwartete und erstaunliche Reife verlieh.
Ihre Freunde und Verwandten bemerkten es natürlich, doch sie hofften unverdrossen, dass sie diese Krise meistern und wieder ganz zu ihrer frohen, lebensbejahenden Art zurückfinden würde. Aber Sarahs Herz war zunächst unnahbar und hart geblieben. Sie begann eine Ausbildung als Krankenschwester im St. Helen Medical Center, das in der Nachbargemeinde von Greenhill keine Viertelstunde mit dem Auto entfernt lag. Zu Beginn schien das eine gute Wahl gewesen zu sein. Sie hatte ausgezeichnete Noten, weil sie sich wirklich anstrengte und ein plötzlicher Ehrgeiz durch die Enttäuschung mit Majaia sie nur um so mehr beflügelte.
Die unbeschwerte Leichtigkeit ihres Lebens, ihr natürlicher Optimismus und ihr ansteckender humorvoller Frohsinn waren jedoch vorerst kaum noch spürbar gewesen. Dafür aber wirkte sie plötzlich um Jahre gereift. Sie wirkte konzentriert, ernsthaft und ausgesprochen erwachsen. Ihr selbst fiel gar nicht auf, wie sehr sie dadurch ihrer Mutter glich, die trotz der Liebe zu ihrem Mann schon zu dessen Lebzeiten auch immer auf diese Weise in Erscheinung getreten war, die aber im Gegensatz zu ihrer Tochter die spürbare Liebe und Freude zum Leben nie unterdrückt hatte und die ihre Umgebung damit anzustecken wusste.
Miriam spürte natürlich, dass ihre Tochter durch die Enttäuschung einer verratenen Liebe zu kämpfen hatte. Sie war stolz darauf, dass sich ihr Mädchen so sehr zusammen riss und statt Tränen zu vergießen sich ernsthaft und beharrlich ins Leben stürzte, um irgendwann wieder neuen Lebensmut zu schöpfen. Sie wusste aber auch, dass sie ihr dabei kaum helfen konnte. Das musste sie alleine durchstehen. Auch wenn sie versuchte, Sarah zu sagen, wie sehr sie sie liebte und ihr aufmunternden Worte mit auf den Weg gab, so bemerkte sie doch, dass ihr einziges Kind abblockte. So als würde sie sagen ,,Ich schaffe das schon. Ich komme da alleine durch. Ich mag es nicht, wenn ihr mich bemitleidet oder trösten wollte. Das ist allen meine Sache.“ Miriam respektierte das selbstverständlich. Ehrlicherweise musste sie zugeben, dass sie ja genau so war. Alles, was half, war die Zeit, bis Gras über die Sache gewachsen war. Miriam hatte also alle Geduld der Welt und war guter Dinge, bis plötzlich das Schicksal völlig unerwartet ein zweites Mal zuschlug. Charles Tod war wirklich wie ein Schlag, der einem im ersten Augenblick den Boden unter den Füßen wegzog.
Doch Miriam war bereits zu erfahren, zu engagiert in ihrer Gemeinde, als dass sie sich dadurch aus der Bahn werfen ließ. Sie hatte ihre Aufgaben, wurde vom Leben selbst geführt, und ihre eisernen Disziplin und die Unterstützung durch die vielen liebevollen Menschen um sie herum gaben ihr den Halt und die Kraft, die sie brauchte, um damit fertig zu werden. Nach der Beerdigung, als sie alleine waren, fielen sich Mutter und Tochter ein einziges Mal in die Arme und weinten bittere Tränen der Verzweiflung und des Kummers. Für kurze Zeit glaubte sie, dass dieser erneute Schicksalsschlag, der nun sie beide betraf, auch eine Chance für Sarah sein würde, ihr Liebesleid zu verarbeiten und darüber hinweg zu kommen, weil sie jetzt erst recht zusammen halten und sich gegenseitig unterstützen mussten. Sie hatte sich getäuscht.
Vollkommen getäuscht.
Sarah legte den gleichen beharrlichen Ernst und diese traurige Pflichtbesessenheit an den Tag wie bisher, so als ob sie ein zweites Mal in ihrem Leben von einer großen Liebe verraten worden sei. Würde sie denn nie darüber hinwegkommen?, fragten sich ihre Freunde und Verwandten, ihre Kollegen und Nachbarn. Würde sie für immer so hart und ernst bleiben?Und wie würde sie dann als Krankenschwester ihren Patienten gegenüber die Herzlichkeit undden unbekümmerten Frohsinn an den Tag legen können, der für diesen Beruf ja so unendlich wichtig ist und der gerade im St. Helen Medical Center erwartet, ja geradezu als wichtigste Eigenschaft vorausgesetzt wird?
Doch bevor man diese Fragen allzu lange und ernsthaft bedenken konnte, war plötzlich alles ganz anders gekommen. Es war Sarah selbst, die für alle überraschend die Entscheidung traf, nach der erfolgreich beendeten Ausbildung ihre Anstellung als medizinische Fachkraft aufzugeben. Ausgerechnet sie, die schon als Kind den Wunsch geäußert hatte, später einmal Krankenschwester werden zu wollen, um für andere da zu sein und sie auch in den schweren Phasen ihres Lebens zu begleiten. Da ähnelte sie sehr ihrer Mutter, deren beide Ausbildungen zur Hebamme und zur Apothekerin auf gleichen Motiven beruhten.
Doch plötzlich galt das alles nicht mehr. durch den geplatzten Traum in Afrika und durch den unerwarteten Tod des geliebten Vaters hatte sie ihre ursprüngliche Begeisterung verloren und fühlte sich angesichts ihrer Jugend unpassend lustlos, einsam und unglücklich. Selbst das Verhältnis zu ihrer Mutter litt darunter. Und dann tauchte der einzige Mensch auf, den sie noch ganz an sich heran ließ und von dem sie sich noch etwas sagen ließ. Ihre beste Freundin Jessica. Sie war vor einem Jahr nach Dublin gezogen, um dort endlich ihren Traum wahr zu machen und mit Unterstützung ihres vermögenden <<Lieblingsonkels>> mit zwei Freunden ihr eigenes Restaurant zu eröffnen, denn eine von Jessicas vielen Leidenschaften war wie bie Sarah das Kochen, was man ihr angesichts ihrer Erscheinung wohl kaum zugetraut hätte.
Jessy, wie ihre Freunde sie nannten, war eigentlich ein Freak. Sie war eine begeisterte Bikerin und fuhr ein ,,Monster von einer Maschine“, wie Sarah sich auszudrücken beliebte. Sie war außerdem Gitarristin in einer Gothikband und stand auf Tattoos. Einer ihrer Träume war es eine Zeitlang gewesen, ein Tattoostudio zu eröffnen, aber schließlich hatten sie dann zu dritt die Idee von einem schrägen Szenelokal für alle Gothik- Metall und Bikerenthusiasten mit einer internationalen Küche und ziemlich ausgefallenen Gerichten. Sie hatten sogar ein kleines Tattoostudio in einem der Hinterzimmer für besondere Gäste und gute Freunde, indem sie inzwischen auch offiziell angemeldet zahlende Kunden nach Terminvereinbarung empfingen. Ja, Jessy war ein Hansdampf in allen Gassen, Sie hatte Sarah auf den Einfall gebracht, alles für eine Weile hinter sich zu lassen, Abstand zu gewinnen und irgendwo anders neu anzufangen. Das war vor einem Dreivierteljahr gewesen. Dublin lag nicht so schrecklich weit entfernt vom County Donegal.
Nach Greenhill, wo Sarah wohnte, waren es nur rund 200 KM, weshalb Jessy sich mindestens einmal alle vier bis acht Wochen auf ihre Kiste schwang und ihre Freundin besuchte, sofern es ihre vielen Verpflichtungen zuließen. Manchmal kam sie morgens und verschwand am Abend wieder, doch meistens kam sie Samstags oder sehr selten schon am Freitagabend und machte sich wieder am Sonntag auf den Rückweg. Doch das war egal. Ihre Freundschaft war unverwüstlich. Ein Fels in der Brandung. Und die Hauptsache war, dass sie sich überhaupt regelmäßig trafen. Auch wenn es manchmal nur zehn Stunden waren, die sie für sich hatten. Wenn Jessy nicht gewesen wäre, musste Sarah plötzlich denken, als sie auf den hohen Klippen von Slieve League stand und die Arme überglücklich ausbreitete.
Der Wind verfing sich in ihren langen blonden Haaren und schien mit ihnen zu spielen. So wie mit ihrem langen weißen Kleid, das um ihre Beine flatterte Wie unterschiedlich sie doch waren. Und trotzdem gehörten sie untrennbar zusammen. Eine echte Frauenfreundschaft. Für immer. Für immer und ewig. Was auch geschah. Und Jessy war es auch, die sie überredet hatte, nach Dublin zu ziehen. Zwar nicht in eine gemeinsame Wohnung, aber dafür nicht weit von einander entfernt, so dass sie sich öfters auch mal zwischendurch zu einem Einkaufsbummel oder zu einem gemeinsamen Essen oder zu einem ihrer geliebten Spaziergänge treffen konnten. Im Royal Medical Hospital fand Sarah dann auch eine neue Anstellung als Krankenschwester, und obwohl ihre nachdenkliche Traurigkeit nicht ganz verschwinden wollte, so fasste sie doch neuen Lebensmut.
Sie war bei ihren Kolleginnen, den Ärzten und den Patienten gleichermaßen beliebt, denn die Nähe zur ihrer besten Freundin und der Tapetenwechsel bekamen ihr wirklich ausgezeichnet. Sie hatte anfangs praktisch kein Heimweh nach ihrem verehrten Greenhill, auch wenn sie mindestens einmal täglich mit ihrer geliebten Mutter telefonierte, die mehr, als es ihr lieb war, unter dem Wegzug ihrer einzigen Tochter litt. Sie vermisste sie einfach. Sie war es gewohnt, das Kind um sich zu haben, sie zu sehen und ihre Stimme zu hören. Jetzt war sie plötzlich in dem großen Haus an den Klippen von Slieve League alleine. Charles Stimme war für immer verstummt. Und auch ihre Tochter schien sich von ihr verabschiedet zu haben, was ihr um so schmerzlicher bewusst wurde, wenn sie sich zu Hause aufhielt und die Stille nur durch die Schreie der in großer Menge nistenden und lebenden Vögel der Umgegend unterbrochen wurde.
Sarah hingegen blühte unerwartet auf. Die Verhältnisse im Royal Medical Hospital waren optimal. Sie verdiente gut und kam prächtig zurecht. Allmählich nahm sie auch wieder die Menschen um sich herum wahr, von denen sie sich so lange abgeschottet hatte. Sie hatte gar nicht mehr gemerkt, was für eine attraktive und begehrenswerte Frau sie war. Im Strudel der Verzweiflung und der Verbitterung hatte sie auch ihr Selbstvertrauen und ihren Kontakt zur Außenwelt verloren. Jetzt war sie wie die Überlebende eines Schiffsunglücks, die aus dem Wasser auftaucht und ein neues Leben beginnt, in dem sie auf ein neues Ufer zu schwimmt. Ihr entgingen auch nicht mehr die Blicke der Männer um sie herum, die bei weitem nicht alle aus echtem Interesse an ihr als Mensch und Frau zu erklären waren.
Es gab eine ganze Reihe von Ärzten und männlichen Pflegern, aber natürlich auch Patienten, deren angebliche Sympathie und Verliebtheit eigentlich nichts anderes waren als ein triebgesteuertes Verlangen und die lüstern die atemberaubenden Kurven der auffallend gut aussehenden jungen Frau hinter ihrem Rücken aufmerksam studierten. Das stieß sie ab. Als ob sie das nicht merken würde. Sie hasste es regelrecht, insbesondere nach den schmerzlichen Verlusten und der Liebesenttäuschung, die hinter ihr lag. Nie wieder würde sie sich, so schwor sich Sarah, einem Mann hingeben, der nur daran interessiert war, seine rohe Begierde zu befriedigen und sie wie einen Gegenstand zu benutzen. Erst musste er ihr beweisen, dass er sie wirklich liebte, dass sie die einzige Frau in seinem Leben war, der er treu für immer und ewig beistehen würde.
Erst wenn sie dieses echte Liebesglück mit einem geliebten Mann kennenlernen würde, dann wäre sie zur Verlobung bereit. Und eine prachtvolle Traumhochzeit in weiß, mit Kutsche und all den lieben Menschen, den Freunden und Verwandten, würde ihr Glück für alle Zeit besiegeln. Langsam begann sie wieder, von einem solchen Glück zu träumen, als sie hörte, dass ihre Kollegin Terry (die alle wegen ihrer fröhlich mädchenhaften Art und wegen ihrer großen strahlenden Augen nur Sweetie oder Babsi nannten) mit ihrem Mann auf die Seychellen gereist war, um in dieser unbeschreiblich traumhaften Kulisse von einem namhaften Fotografen ganz wunderbare und entzückende Fotos für ihr Hochzeitsalbum zusammen mit ihrer neunjährigen Tochter Emely und seinem elfjährigen Sohn Tobi zu machen. Es war die dritte Ehe für beide – aber diesmal endgültig die letzte, da waren sich die beiden sicher. Zusammen mit den Fotos, die bei der kirchlichen Trauung gemacht worden waren, ergab das ein richtig dickes, edles Fotoalbum, und man merkte den frisch Vermählten an, wie glücklich sie darüber waren und wie stolz es sie machte. Das einzige, was Sarah daran störte, war die Tatsache, dass es eben nicht die erste Ehe von beiden war und dass sie vorher bereits mit anderen verheiratet gewesen waren. Das sollte ihr auf keinen Fall passieren. Die erste Ehe musste auch die letzte sein. Sie musste für immer bestehen und die Erfüllung all ihrer Träume sein. Das konnte man ihr nicht ausreden.
Manchmal erzählte sie Jessy davon, wenn sie wieder einmal einen von diesen Widerlingen dabei ertappt hatte, wie er vor ihr stand und auf ihren Busen starrte, während er mit ihr sprach oder wenn wieder einmal einer ihren wohlgeformten Hintern von hinten in Augenschein genommen hatte, nachdem sie sich umgedreht und gebückt hatte, um etwa das Bett zu beziehen. Jessy musste über diese empörten Geständnisse lauthals lachen, was Sarah manchmal regelrecht wütend werden ließ, aber das dauerte nie lange. Sie waren eben trotz ihrer tollen Freundschaft völlig gegensätzlich. Sarah war zurückhaltend, altmodisch, beinahe schon aristokratisch vornehm, und statt ihren atemberaubenden Körper reizvoll zu betonen, liebte sie es eher, zwar geschmackvoll, jedoch dezent bekleidet zu sein. Für sie bedeutete eine modische Orientierung nicht, dass man durch besonders enge oder knappe, ja sogar hüllenlose Bekleidung auffiel, die den Drang potenter, doch hirnloser Männer nur um so mehr verstärkte, bis es einfach nur abstoßend und widerlich war. Diese verdammten Grapscher und Spanner, diese feigen, hinterhältigen Lüstlinge, die sich an ihr aufgeilten und sich dann heimlich entluden.
Echt abartig.
Jessy pruste sich vor Lachen, wenn ihre Freundin wieder einmal im Ton höchster Empörung die Missetaten des männlichen Geschlechts angeprangert und sich darüber beklagt hatte. Sie nannte Sarah deshalb auch oft <<Miss Prüde“>, denn sie selbst sah das etwas anders. Sie war durch und durch auf die Welt der Männer eingestellt und im wahrsten Sinne eine moderne, selbstbewusste und selbstständige Frau, die sich von niemandem etwas sagen ließ, sondern die ihr eigener Chef war. Schon als kleines Mädchen hatte sie lieber mit den Jungs gespielt und alle Streiche mitgemacht. Sie betrachtete Männer als Kumpels, Freunde oder auch Konkurrenten. Was die konnten, konnte sie schon lange. Es gab nicht sehr viele Mädchen oder Frauen, die eine Lehre als Kfz-Schlosserin erfolgreich bestanden, alle Führerscheinklassen erworben und sich selbst durch eigene Anstrengung und Begabung den Lebensweg so geebnet hatten wie sie. Obwohl sie oft aneckte. Sie schraubte gerne an ihrer <<Höllenkiste>>, trank Bier wie ein Mann, fluchte lauthals und alles andere als jugendfrei, wenn ihr mal danach war, und es gab wohl keinen Mann, der nicht zusammen zuckte oder wenigstens beeindruckt war, sobald sie in Fahrt kam ...
Wieder lächelte Sarah, und beinahe hätte sie vor Glück getanzt und laut gelacht oder auch vor lauter Glück geweint. Es war unbeschreiblich schön. Sie hatte jetzt nicht nur endlich den Mann ihrer Träume mit Henry gefunden. Ihren Mr. Right, mit dem sie auf Wolke sieben schwebte. Nein, sie hatte auch noch die besten Freundin der Welt, die zu ihr stand und die ihr in der schwersten Phase ihres Lebens mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte. Dabei waren sie wirklich so unterschiedlich, dass es sie erstaunte, wie daraus schon in ihrer Kindheit eine so enge Beziehung hatte entstehen können. Es war nicht zu fassen und doch waren ihre Freundschaftsbande so stark, dass nichts sie hätte erschüttern könne.
Sie waren trotz oder vielleicht gerade wegen dieser Gegensätze ein Herz und eine Seele. Beide standen gewöhnlich nicht so sehr auf dieser Vertraulichkeiten und Umarmungen wie sie heutzutage vielfach üblich sind. Aber wenn sie sich trafen und miteinander alleine waren, dann nahmen sie sich in besonderen Augenblicken zärtlich und einvernehmlich in den Arm, um sich zu trösten oder auch nur um ihre Verbundenheit auszudrücken. Es war alles so selbstverständlich und ungezwungen, dass sie es beide kaum glauben konnte. Und doch war es so. Sie waren wie Schwestern und noch viel mehr als das. Das änderte nichts an der Tatsache, dass Jessy ihre Freundin oft als Miss Prüde aufzog, wenn sie unter sich waren.
Denn für Jessy war Sex ein super Vergnügen, für das man keinen Eheschein braucht und das man auch in vollen Zügen genießen kann mit einem sexy Typen, der ,,einen herrlichen Pöter“ hat und ,,ordentlich was in der Hose“, ohne mit ihm befreundet zu sein. Sie nahm sich, was sie wollte und kannte diesbezüglich keine Hemmungen. Es gab ja genug, die Auswahl war groß, denn Jessy war heiß, atemberaubend heiß. Wenn sie sich nicht gerade alleine in ihrer Wohnung einen Lenz machte und herum lümmelte oder in der Werkstatt ihre zerschlissene Jeans trug, dann machte sie in ihren engen Lederhosen und mit ihren extravaganten Lederstiefeln ordentlich was her. Sie stand ihrer Freundin, was ihre sexy Kurven betraf, in nichts nach, auch wenn ihr Körper deutlich muskulöser und athletischer war.
Sie war nur viel aggressiver und unangepasster und konnte manchmal ein echt unangenehmer, extrem dominanter Rüpel sein, der schnell in den Kampfmodus umschaltete ohne Rücksicht auf Verluste. Selbst vor Schlägereien während ihrer Besäufnisse als junge Frau hatte sie nicht zurückgeschreckt, aber trotzdem hatte Sarah immer zu ihr gehalten. Sie liebte ihre Freundin einfach, denn sie wusste, in ihrem Inneren steckte ein guter Kern, eine wahre Perle, denn wenn Jessy jemand als Freund betrachtete, dann konnte man mit ihr alle Arten von Pferden stehlen. Sie stand einem immer treu und selbstlos zur Seite und hatte in Wahrheit ein Herz aus Gold. Nur ihre Sicht auf Umgangsformen, ihre eigene Weiblichkeit und auf Sex mit Männern waren denen von Sarah extrem entgegengesetzt.
Manche nannten sie eine hemmungslose Schlampe, die nicht genug bekommen kann und ein versoffenes Flittchen, aber das war ihr egal. Sie lebte ihr Leben gemäß der Devise ihres Bikerklubs “The Eagels“ ,,Free like an Eagle“ (Frei wie ein Adler), komme da, was wolle. Noch einen Tag, bevor Sarah zu diesem Kurzbesuch ihrer Mutter nach Greenhill aufgebrochen war, hatte sie Jessy im Bikers Kittchen – ihrer Stammkneipe – zur Seite genommen und ihr nochmals ihre Sicht der Dinge klar gemacht. Jetzt, als sie an den majestätischen Klippen von Slieve League stand und furchtlos hinunter auf das inzwischen leicht bewegte Meer schaute, musste sie mit einem Schmunzeln daran denken. Es war merkwürdig. Jessy war immer noch misstrauisch, obwohl ihre beste Freundin Sarah doch mit Henry ihren Traummann gefunden hatte, der von seiner Geschäftsreise übermorgen zurückkehren und sie hier in Greenhill besuchen würde, um endlich auch einmal Sarahs Heimat zu sehen und ihre Mutter kennenzulernen.
,,Ich weiß nicht, warum Du so misstrauisch bist. Du kennst ihn doch auch gut genug.“, hatte Sarah gesagt. ,,Er ist als Arzt bei allen in der Klinik beliebt, aber er hat sich für mich entschieden und mir vor dem ganzen Personal einen Verlobungsantrag gemacht. Reicht das denn immer noch nicht.“
,,Das ist es ja gerade.“, hatte Jessy erwidert.
,,Du glaubst an das große Glück und meinst, das wäre für immer. Ich sehe das ein bisschen anders. Fuck!“, fluchte sie wieder. ,,Auch wenn Dir meine Aussprache nicht gefällt, Schätzchen, das Leben is manchmal ein Haufen Scheiße, und manchmal stehst Du mitten drinn‘.“
Sie nahm einen kräftigen Schluck aus der Bierflasche, denn sie waren in Jessys Garage, die sie zu einer Werkstatt umgebaut hatte, und gab einige nicht sehr anständige Rülpslaute von sich, bevor sie sich eine Zigarette anzündete. Sie drehte die Schraube vor sich fest und wippte im Takt der Musik aus dem Radio mit ihrem Oberkörper.
,,Was meinst Du mit … Schei-ße?“, wollte Sarah wissen, indem sie gerade dieses Wort besonders betonte, das sonst nicht unbedingt zu ihrem Sprachschatz gehörte.
,,Fuck, fuck, fuck.“, fluchte Jessy wieder. Sie hatte schon einiges intus, und es schien, dass sie selbst Probleme hatte, aber obwohl Sarah durch ihr Liebesglück mit Henry wie verzaubert erschien und im Moment gerade keinen Blick für die Schattenseiten des Lebens hatte, bemerkte sie doch die Übellaunigkeit ihrer Freundin und den Ernst, der sich in ihren Gesichtszügen widerspiegelte.
,,Fuck. Verdammt und zugenäht. Diese ganze Scheiße ....“ Jessy atmete tief durch, legte den Schlüssel zur Seite und nahm wieder einen kräftigen Schlick aus der Flasche. Mit ihrer Jeans, die zerschlissen, dreckig und mindestens zwei Nummern zu groß war – so wie ihr ölverschmiertes T-Shirt –, sah sie fast aus wie ein Lehrjunge, wäre da nicht ihr hübsches Gesicht und ihre zwar zerzausten, doch leicht gewellten, mittellangen schwarzen Haare gewesen, die sie heute an ihrem freien Tag nicht mal gekämmt hatte. Sie saß auf dem Boden und Sarah hatte auf dem Stuhl ihr gegenüber Platz genommen.
,,Mensch Sarah, ich freue mich ja wirklich für Dich. Mann bin ich glücklich, dass Du endlich Deinen Superlover gefunden hast. Er ist ja auch wirklich ein Goldschatz und ein ganz süßer Junge. Sein Hintern ist echt geil.“
,,Sei still, Ich will nicht, dass Du ...“
,,Schon gut, schon gut.“, Jessy zwinkerte ihrer Freundin zu und lächelte sie schelmisch an. Sie konnte es einfach nicht lassen, ihre Freundin hin und wieder ein bisschen aufzuziehen oder zu reizen.
,,Im Ernst,“, fuhr sie fort, ,,alle die Dich kennen, sind absolut glücklich darüber, dass ihr zueinander gefunden habt. Ich meine, ich kann ja nichts sagen über Deine Leute aus der Klinik, aber ich bin sicher, die sehen das genau so, wie wir hier unter uns Bikern und wie die Leute, die im Heels Kitchen verkehren. Ist überhaupt `n Ding, dass sich Dein Herr Doktor hier bei uns blicken ließ. Der Kerl ist ja wirklich absolut in Ordnung. Verträgt eine ordentliche Menge, wenn‘s sein muss, ist ein fabelhafter Tänzer, sieht verdammt gut aus und geht bei seiner großen, kräftigen Statur glatt als Biker durch, wenn er sich die richtigen Klamotten anzieht. Cindy war ganz hin und weg, als er mit ihr ne heiße Sohle auf‘s Parkett gelegt hat. Ich glaube, die würde ihn ohne zu mucken heiraten, wenn er ihr einen Antrag machen würde und wenn es Dich nicht gäbe. Er ist wirklich ein feiner Junge, muss ich schon sagen. Kommt selten vor, dass sich so einer aus den höheren Kreisen zu uns verirrt und so toll aufschlägt.“
,,Habe ich Dir doch gesagt.“, bemerkte Sarah. ,,Ich würde mich nie mit einem einlassen, der nicht auch meine beste Freundin gern hat und all die anderen, die zu mir gehören.“
Sie stand auf und setzte sich zu Jessy auf den Boden. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren nahmen sich beide zärtlich in den Arm. Es waren das ihre heiligen Momente, die mehr sagten als tausend Worte und die ihre Verbundenheit für beide spürbar zum Ausdruck brachten mit einer Innigkeit, die unbeschreiblich war. Gefühlte fünf Minuten später lösten sie sich wieder voneinander und Sarah nahm selbst ausnahmsweise einen kräftigen Schluck aus der Bierflasche, was bei ihr selten vorkam, da sie sich nicht allzu viel aus Alkohol machte – von gelegentlichen heißen Partys und besonderen Veranstaltungen einmal abgesehen.
,,Weißt Du, ich bin schon verdammt froh, dass ich so eine kleine Dame wie Dich zur Freundin habe.“, sagte Jessy. ,,Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie toll das für mich ist zu wissen, dass Du mit so einem oberaffengeilen Typen verlobt bist und ihr beide heiraten werdet. Wir hier vom Heels Kitchen werden natürlich mit der ganzen Mannschaft antreten und als Garde neben eurer Kutsche herfahren. Das ist Ehrensache. Lass‘ Dich überraschen, was wir sonst noch so alles für euch vorbereitet haben. Ja, Du und Henry – ihr passt irgendwie zu uns. Und da Dein Lover selbst zwei Bikes hat und begeisterter Hobbybiker ist, konntest Du Dir eigentlich gar keinen besseren aussuchen. Verdammt ist das toll, aber ….“
Sie machte ein Pause und wirkte nachdenklich.
,,Ich weiß,“, sagte sie und zog ihre Beine an, bis die Knie fast ihre Brust berührten, ,,Du wolltest mich auch immer verkuppeln. Kann ich ja verstehen. Ist auch irgendwie in Ordnung für mich, dass Du Dir das gleiche wünschst für mich. Aber Du musst wissen, dass ich anders bin. Ich habe es Dir ja schon oft gesagt. Versuch‘ einfach zu verstehen, dass Freiheit und Unabhängigkeit für mich das Wichtigste ist.“
Sie nahm die Flasche und leerte sie in einem Zug. Sie wirkte tough und vital wie immer, aber die Ringe unter ihren Augen verrieten eine gewisse Müdigkeit und Erschöpfung, die darauf zurückzuführen waren, dass sie gerade in den letzten Tagen und Wochen ziemlich viel und hart gearbeitet hatte. Jessy war wie gesagt ein Hansdampf in allen Gassen. Sie schlief wenig, und wenn es nicht gerade nach einem der wilden Bikertreffen war, dann stand sie früh auf und arbeitete den ganzen Tag bis zum späten Abend. Entweder sie war im Bikers Kitchen, ihrer Kneipe, die ihre Idee gewesen war und die sie zum Laufen gebracht hatte, oder sie war im Tattoostudio nebenan, wo sie immer wieder aushalf. Ansonsten war sie mit ihrer Kiste unterwegs oder schraubte daran in ihrer kleinen Werkstatt in der Garage.
Von der kostenlosen ehrenamtlichen Vereinsarbeit und den vielen privaten Kontakten gar nicht zu reden. Tatsächlich aber war ihre geliebte Sarah der wichtigste Mensch in ihrem Leben. Aufgewachsen in einem Waisenhaus, hatte sie ein ziemlich schweres Schicksal gehabt, auch durch ihre aufmüpfige, widerborstige Art. Sie konnte einfach nicht stillhalten oder Ungerechtigkeiten akzeptieren. Sie ließ sich nichts gefallen und ging Konflikten grundsätzlich nie aus dem Weg. Ihre ,,vorlaute Schnauze“, wie es der frühere Pfarrer Hanson ausgedrückt hatte, hatte ihr so manche Schwierigkeiten in ihrem jungen Leben bereitet und es ihr alles andere als leicht gemacht. Dass sie es doch geschafft hatte und allen Unkenrufen zum Trotz eine unabhängige, starke und freie Frau geworden war, hatte alle verwundert, die sie als Kind und Jugendliche besser kannten.
Alle bis auf eine. Sarah hatte nie an ihr gezweifelt und immer treu zu ihr gehalten. Auch als sie nach einer jugendlichen Dummheit unter Alkoholeinfluss in eine handgreifliche Auseinandersetzung verwickelt und später bei einem illegalen Rennen mit Motorrädern nach einem zum Glück glimpflichen Unfall mit der Polizei in Konflikt gekommen war. Gott, hatte Sarah geschimpft. Und auch all die wenigen anderen Freunde, auf die sie sich bis heute verlassen konnte und die alle zum Bikerclub gehörten. Jetzt saß sie also hier und hatte ihr Leben im Griff, aber irgend etwas rumorte in ihr, worüber sie mit niemandem reden wollte. Diese Sache mit Ben. Ausgerechnet Ben, der fast wie ihr Bruder war und den sie schon als Kind im Heim kennengelernt hatte. Sie waren echte Freunde und standen zusammen. Fast so wie Sarah und sie. Nur gab es da diese kleine Dummheit, diese Party, die Flasche Wein zu viel und diese heiße Musik, bei der sie plötzlich aufdrehte und alle Hemmungen verlor. Klar, Ben sah verdammt gut aus.
Ein echter Mann und Biker. Knallhart, aber ein Freund, wie man sich einen besseren nicht wünschen kann, und sie Dumme Kuh hatte … Oh Gott, ihr wurde fast schlecht, wenn sie daran dachte. Sie hatte sich geschworen, nie mit ihm etwas anzufangen, und sie hatte immer geglaubt, er würde es genau so sehen. Aber dann … ja dann lag sie plötzlich in seinen Armen und sie spürte, wie sich diese kräftigen Arme um sie legten und sie hochhoben, bis ihre Lippen sich berührten. Ihr Körper hatte plötzlich und unerwartet Feuer gefangen. Seine Hände glitten über ihren Rücken, tasteten sich weiter nach unten, berührten ihren Po über der knallengen Lederhose, die sie so sexy machte. Er krallte seine Finger fest, doch zugleich nicht zu fest in ihren Hintern, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Nein, er hatte keine Schuld. Er hatte sie nicht genötigt, auch keine günstige Gelegenheit schamlos ausgenutzt. Das war auch gar nicht seine Art. Er hatte es nicht nötig, auf diese Weise eine Frau rumzukriegen. So ehrlich musste sie zu sich sein. Sie hatten es beide gewollt.
Beide!
Seine Männlichkeit presste sich an ihren Schoß und entfesselten eine atemberaubende Lust, die sie nie vorher in ihrem jungen Leben bei einem Mann gespürt hatte. Eine gefühlte Ewigkeit hielt er sie, drückte sie, bedeckte sie mit seinen Küssen, und auf einmal war sie nur noch eine vor Leidenschaft sich windende und ihn mit der Gewalt eine Löwin an sich ziehende Frau, die ihn fühlen und in sich spüren wollte. Dabei bewegten sie sich in diesen Augenblicken auf der Tanzfläche zu den heißen Rhythmen, und es war, als ob sie miteinander verschmelzen, als ob ihrer beider Herzen sich für immer vereinen und ein Glück erfahren würden, eine Erfüllung, die sie nie zuvor geahnt und für möglich gehalten hätten.