Das Jenseits Projekt - Gert Adameit - E-Book

Das Jenseits Projekt E-Book

Gert Adameit

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Beschreibung

Was wäre, wenn wir Gottes Existenz wissenschaftlich beweisen könnten? Was wäre, wenn wir die technischen Möglichkeiten erlangen könnten, jederzeit mit ihm zu kommunizieren? Wenn wir herausfinden würden, dass unsere bekannte Realität nicht alles, sondern nur eingebettet ist in eine höhere Dimension? Eine Dimension in der Gut und Böse, Licht und Finsternis einander bekämpfen? Mit sorgfältig recherchierten Fakten aus Teilchenphysik, Kirchenpolitik, dem Geheimdienstmilieu und den Zentren der Macht, sowie mit Fiktion und Phantasie, schildert der Autor eine spannende Auseinandersetzung, die vielleicht genau so stattfinden könnte.

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Seitenzahl: 415

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Meiner Frau Sabine gewidmet.In Dankbarkeit für ihre Geduld und Unterstützung.

Gert Adameit

Das Jenseits Projekt

In der Tiefe eurer Hoffnungen und Wünsche liegt euer stilles Wissen um das Jenseits. Und wie Samen, der unter dem Schnee träumt, träumt euer Herz vom Frühling. Traut den Träumen, denn in ihnen ist das Tor zur Ewigkeit verborgen.

Khalil Gibran

© 2017 Gert Adameit

Autor: Gert Adameit

Umschlaggestaltung/Coverbild:

Sabine Adameit - arts-of-emotions.de

Lektorat/Korrektorat: Sabine Adameit

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN:

978-3-7439-1315-8 (Paperback)

 

978-3-7439-1316-5 (Hardcover)

 

978-3-7439-1317-2 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Kapitel 1

Jerusalem - Israel

Abba Amaniel saß an dem kleinen Tisch seiner kargen Zelle im äthiopischen Kloster auf dem Dach der Grabeskirche. Er beugte sich vor zu seinem Besucher, der mit ihm am Tisch saß und gerade mit einem befriedigten Seufzen sein Teeglas absetzte. „Sie wollen was?“ stieß der Abt heftig hervor, „Sie kommen aus der Schweiz hierher zu mir nach Jerusalem, weil Sie die Bundeslade in Aksum untersuchen wollen?“ Unwillig schüttelte Amaniel den Kopf. „Was lässt Sie glauben, ausgerechnet ich könne hier, in unserem kleinen Kloster in Jerusalem, dafür sorgen, dass Sie in Äthiopien Zugang zu den heiligen Gesetzestafeln bekommen?“

Sein Besucher lächelte und legte die Hand beruhigend auf den Arm des Abtes. „Mir ist bekannt, Abba Amaniel, dass Sie eine Zeitlang Wächter der Bundeslade in Aksum in der Kirche der Heiligen Maria vom Zionsberg waren und der einzige Wächter, der dies Amt nicht lebenslang versehen hat, sondern aus nicht bekannten Gründen nach einigen Jahren wieder in den normalen Dienst der Kirche zurückgekehrt ist. Wenn also jemand weiß, ob und wie dieses Heiligtum zugänglich ist, dann doch sicher Sie.“

An Amaniels blassem Gesicht war deutlich abzulesen, wie sehr ihn die Tatsache getroffen hatte, dass sein vermeintlich perfekt verborgenes Geheimnis offensichtlich doch einen Weg aus den Reihen der wenigen hohen Würdenträger der Kirche, in andere unbefugte Ohren gefunden hatte.

„Wie kommen Sie zu dieser Information, die ich übrigens weder bestätigen, noch verneinen werde?“ fragte er in scharfem Ton. Sein Besucher lächelte mild, fast ein wenig spöttisch und legte seine sorgsam manikürten Hände auf die Tischplatte. „Auch wenn Sie es noch nicht sehen und nicht wissen,“ entgegnete er ruhig und drehte seine Hände langsam um, so dass der Abt die geöffneten leeren Hände sehen konnte, „ich weiß viel mehr und habe noch viel mehr in der Hand, was Sie bewegen könnte, mir bei meinem Anliegen behilflich zu sein oder es gar zu dem Ihren zu machen.“

Amaniel schloss seine Augen und ein leichtes Schwindelgefühl überkam ihn. Was konnte dieser geheimnisvolle Besucher noch wissen? Sollte es ihm etwa gelungen sein, auch das andere, große Geheimnis seiner Kirche und bestimmter einflussreicher Kreise in Äthiopien in Erfahrung zu bringen? Wenn es so war, dann musste dieser Fremde mit allen Mitteln daran gehindert werden, dieses Geheimnis weiterzugeben, falls das nicht schon längst geschehen war.

„Grübeln Sie nicht weiter.“ unterbrach der Besucher Amaniels Gedanken, „Mir ist bekannt, dass Ihr Name Makonnen ist. Sie sind ein Enkel und der legitime Nachfolger des Neguese Negest, des Königs der Könige, Haile Selassie und es gibt interessierte Kreise in Äthiopien, die liebend gern die föderale Republik beseitigen würden, um das abessinische Kaiserreich neu erstehen zu lassen. Ihre Abstammung soll dabei helfen, dem Volk nahezubringen, dass es vorteilhaft und richtig wäre, das Land wieder der Herrschaft eines Nachkommens Salomos zu unterstellen. Wir beide wissen, dass es Sie ihr Leben kosten könnte, wenn dies Geheimnis publik würde, aber ich habe nicht die Absicht, Ihnen zu schaden. Ich möchte mich lediglich Ihrer uneingeschränkten Mithilfe bei der Verwirklichung meiner Pläne vergewissern.“

„Was sind denn Ihre Pläne?“ fragte Amaniel brüsk und ballte seine Hände zornig zu Fäusten. Der Besucher überging die Frage um seinerseits mit einer Frage das Thema zu wechseln.

„Was wissen Sie über Quantenphysik, Abba?“ Verwirrt schüttelte Amaniel den Kopf. „Was jeder darüber weiß und vielleicht noch ein wenig darüber hinaus.“ war seine Antwort, während er seinen Gast mit einer Mischung aus Neugier und Abscheu musterte.

„Nun,“ sagte der energisch, während er den Blicken Amaniels mit diesem leicht spöttischen Lächeln standhielt, „vielleicht ist der einfachste Weg, Abba, wenn Sie mir sagen, was Sie über die Quantenverschränkung wissen, dann kann ich entscheiden, wie viele Informationen ich Ihnen geben muss, um Ihnen das Vorhaben verständlich zu machen.“

Der Abt hatte sich mittlerweile zunächst in die Gegebenheiten gefügt, war aber fest entschlossen jede Gelegenheit zu nutzen, um die Macht seines Besuchers zu brechen und sich aus dessen Griff zu befreien. Er nickte ergeben und gab eine kurze Zusammenfassung seines Kenntnisstandes.

„Die Quantenphysik ist ja seit einigen Jahren in aller Munde und wenn Sie mir eine solche Frage stellen, dann gehe ich davon aus, dass Sie mit diesem Thema vertraut sind. Lange, wissenschaftlich fundierte Erläuterungen sind sicher nicht nötig, deshalb beschränke ich mich auf die eine kurze Analogie. Verschränkte Quanten sind wie Zwillinge, gebe ich dem einen eine Ohrfeige, bekommt der andere eine rote Wange.“

Sein Besucher nickte mit einem anerkennenden Lächeln: „Das schätze ich an Euch Priestern, Propheten und Predigern, Ihr habt immer ein Beispiel parat, das komplizierte Sachverhalte auf die alltägliche Ebene vereinfacht.“

Er hielt dem Abt wortlos sein leeres Teeglas hin, worauf dieser sich erhob, die Tür öffnete und nach seinem Sekretär rief. Augenblicklich erschien ein bleicher junger Mann mit sorgfältig gescheiteltem Haar, in einer offensichtlich neuen Kutte, in der Tür.

„Sie haben gerufen, Abba?“ fragte er mit leiser, wohltönender Stimme, während sein Blick allerdings ausschließlich dem fremden Besucher galt. Noch bevor der Abt antworten konnte, ergriff der Besucher das Wort: „Danke, junger Mann, wir brauchen nichts und deshalb ist es nicht länger notwendig, dass Sie so dicht bei der Tür stehen.“ Der Ordensbruder blickte mit leicht geröteten Wangen zu seinem Abt. „Es ist gut, Du kannst Dich entfernen.“, sagte dieser streng und auch ihm war seine plötzliche Verlegenheit anzusehen.

„Auch eines Ihrer kleinen Geheimnisse, Ihre Freundschaft mit Ihrem jungen, wohlgebauten Sekretär.“, sagte der Besucher leichthin, nachdem der Ordensbruder den Raum verlassen und die Tür vernehmlich geschlossen hatte.

Dem Abt stieg heftige Zornesröte ins Gesicht und mit gequältem Blick öffnete er den Mund um zu protestieren. Der Fremde unterband jedoch mit einer wegwischenden Handbewegung jegliche Äußerung, während er mit energischem Tonfall sagte: „Genug, wir wollen uns doch nicht mit Kleinigkeiten aufhalten, die angesichts der Bedeutung meines Vorhabens kein Gewicht haben. Nehmen Sie einfach zur Kenntnis, dass ich mehr über Sie weiß, als Ihnen lieb sein kann und verhalten sich entsprechend kooperativ.“

Der Besucher griff in die Tasche seines Jacketts, holte einige Fotografien heraus und legte sie vor Amaniel auf den Tisch. „Was sehen Sie, Abba?“ Amaniel starrte einige Sekunden wortlos auf die Bilder und schob sie dann ärgerlich beiseite.

„Was soll das? Das sind Fotos, auf denen vor rotem Hintergrund eine rote Katze mit schwarzen Umrissen zu sehen ist. Das Foto ist nicht einmal sonderlich scharf und die Auflösung lässt auch zu wünschen übrig. Sind Sie aus Genf hier nach Jerusalem gekommen, um mir diese Bilder zu zeigen? Und was bitte, könnte das wohl mit der Bundeslade und den Gesetzestafeln zu tun haben? Strapazieren Sie meine Geduld nicht zu sehr, denn sie hat Grenzen!“

„Sie haben diese Bilder noch nicht gesehen, Abba Amaniel?“ fragte der Fremde und fuhr fort, „Es handelt sich um vor einiger Zeit weltweit veröffentlichte Fotos, die mit einer speziellen Kamera aufgenommen wurden, eine Kamera, die sich das Prinzip der sogenannten Quantenteleportation zu Nutze macht. Eine Entwicklung des Forscherteams um Anton Zeilinger am Wiener Institut für Quantenoptik und Quanteninformation, die allerdings erst am Anfang der Möglichkeiten steht, die uns die Quantenphysik tatsächlich eröffnet.

Wir in Genf sind über dies Stadium längst hinaus, haben unsere Fortschritte und Entwicklungen allerdings aus guten Gründen nicht publiziert. In den falschen Händen könnten einige unserer Entwicklungen durchaus gefährlich sein.

Die Gesetze der Quantenmechanik ermöglichen uns Erkenntnisse und Entwicklungen, die geeignet sind, die Zukunft der Menschheit grundlegend zu beeinflussen.“

„Darum geht es Ihnen also?“ fragte Amaniel seinen Gast mit besorgter Stimme, „Um die Beeinflussung der Zukunft der Menschheit?“ „Nicht so wie Sie denken!“ war die harsche Antwort, „Aber wenn wir tiefgreifende, grundlegende Erkenntnisse über die Herkunft und den Sinn menschlichen Lebens, Strebens und Handelns gewinnen, wird das zwangsläufig Auswirkungen auf unser zukünftiges Denken und Handeln haben.“

Amaniel schloss die Augen und es sah aus, als wolle er einen tiefen Blick in sein Inneres tun. Sein geheimnisvoller Besucher schwieg, während der Abt seinen Gedanken nachhing.

'So hat es angefangen' dachte er bitter, 'und es wird kein Ende nehmen. Der Baum der Erkenntnis hat seinen Reiz nie verloren. Er treibt die Menschheit von einer Suche zur nächsten. Wir häufen Wissen an, hinterfragen alles, wollen den Dingen um jeden Preis auf den Grund gehen. Unser Wunsch, wie Gott sein zu wollen, hat uns großartige Fortschritte und grauenhaftes Verderben eingebracht.' Er öffnete die Augen, hob den Blick und sah seinem Gegenüber lange schweigend in die Augen. 'Was willst Du wirklich?' dachte er und sagte laut: „Ich werde dem Patriarchen von unserem Gespräch berichten. Er wird wissen und entscheiden, was zu tun ist.“

Der Besucher erhob sich achselzuckend und reichte Amaniel die Hand. „Ich setze mich wieder mit Ihnen in Verbindung. Versuchen Sie erst gar nicht herauszufinden, wie sie mich erreichen können, ich werde Sie wissen lassen, wenn es an der Zeit dafür ist.“

Amaniel brachte den Gast zur Tür und rief seinen Sekretär: „Führe meinen Besucher bitte aus dem Kloster!“ gab er Anweisung „Und anschließend möchte ich mit Dir reden.“ Er ging zurück zu seinem Stuhl, setzte sich schwerfällig und stützte seinen Kopf auf die Hände. Die Unterredung der letzten Stunde schien ihm mit einem Mal unwirklich und verschwommen, so wie ein böser Traum, aus dem man erschöpft, aber auch erleichtert aufwacht.

Als an der Tür ein zaghaftes Klopfen zu hören war, schreckte er hoch. Er sprang auf, richtete seine Kleidung und sagte forsch: „Herein!“

Mit gerötetem Gesicht trat der junge Sekretär ein. „Setz Dich, Tafari!“, sagte Amaniel streng und deutete auf einen Stuhl am Tisch. „Ich habe zwei Fragen an Dich und ich rate Dir, Deine Antworten wohl zu überlegen. Hast Du jemals mit irgend jemandem über die Art unserer privaten Freundschaft gesprochen? Außerdem wüsste ich gern, wie es dem Fremden gelungen ist, ohne Termin unangemeldet hier bei mir zu erscheinen und wieso wir nicht einmal seinen Namen wissen!“

Tafari senkte schuldbewusst den Kopf. „Ich habe nur gegenüber Bruder Benedict einmal erwähnt, dass meine neue Kutte ein Geschenk von Euch war, Abba. Wie der Fremde ins Kloster gekommen sein könnte, das weiß ich nicht. Dass er einfach in Euer Zimmer gelangen konnte, liegt wohl daran, dass ich für ein paar Minuten in der Küche war, um Euch frischen Tee zuzubereiten.“

„Bruder Benedict also.“, murmelte Amaniel nachdenklich, „Es ist gut Tafari, Du kannst gehen!“ Nachdem sein junger Sekretär den Raum verlassen hatte, griff der Abt zum Telefon. Nach kurzem Läuten meldete sich eine Stimme mit neugierigem Unterton: „Klosterpforte, Bruder Benedict, was kann ich für Euch tun, Abba?“ „Es ist schon gut, Bruder Benedict.“ war die kurze Antwort, nach der Amaniel den Hörer wieder auflegte.

Es war also beide Male Benedict! Er hatte jemandem außerhalb der Gemeinschaft von der Freundschaft zwischen Amaniel und Tafari berichtet und er war es auch, der den Besucher an der Pforte eingelassen hatte. Der Abt beschloss, Benedict im Auge zu behalten und ihm bei nächster Gelegenheit auf den Zahn zu fühlen. Vordringlich war es jedoch, nun unverzüglich den Patriarchen in Addis Abeba, Abuna Mathias, zu benachrichtigen.

In der Zeit, in der der Patriarch noch als Bischof der äthiopischen orthodoxen Kirche in Jerusalem amtierte, waren sie einander näher gekommen und dies Vertrauensverhältnis war auch nach der Wahl des Abuna Mathias zum Patriarchen erhalten geblieben. Ihm verdankte Amaniel seine Ernennung zum Abt. Der Patriarch hatte damit einen Weg gefunden, einen ehemaligen Wächter der Bundeslade, den es eigentlich gar nicht geben durfte, aus dem Blickfeld der Kirche in Äthiopien zu nehmen.

Amaniel griff erneut zum Telefon, um eine Nummer in Addis Abeba anzurufen. Nach wenigen Augenblicken wurde der Hörer am anderen Ende abgehoben und er hörte die sonore Stimme des Patriarchen: „Amaniel, mein Freund, Du rufst im richtigen Moment an, gerade habe ich an Dich gedacht.“

Der Abt zögerte einen kurzen Moment, als der Patriarch jedoch schwieg antwortete er leise: „Ich hoffe, Ihr seid wohlauf, Abuna. Es ist etwas geschehen, worüber ich gern persönlich mit Euch reden würde. So bald wie möglich.“ Für eine Weile blieb es still in der Leitung.

„Amaniel, uns geht es gut“ beendete der Patriarch schließlich das Schweigen, „aber Du klingst so besorgt, dass ich sicher bin, es muss sich um ein wirklich wichtiges Vorkommnis handeln.

Du weißt, dass der ökumenische Patriarch für das kommende Jahr ein panorthodoxes Konzil in Istanbul geplant hat und diesmal sieht es so aus, als ob es wirklich zustande kommen könnte. Genau deshalb dachte ich gerade an Dich. Es wäre schön, mit Dir einmal ausführlich darüber zu reden, und das kann dann auch gleich ein ausgezeichneter offizieller Grund dafür sein, dass Du herkommst, nach Äthiopien. Ich werde umgehend den Bischof von Jerusalem in Kenntnis setzen, damit er einen Vertreter für Dich als Abt bestimmen kann. Triff deine Reisevorbereitungen und stimme die Terminplanung mit meinem Sekretär ab. Gott segne Dich mein Freund!“

Noch bevor Amaniel antworten konnte, hatte der Patriarch den Hörer aufgelegt. Sorgenvoll runzelte Amaniel die Stirn. Für eine kurze Zeitspanne einen Vertreter für sein Amt als Abt des kleinen Klosters einzusetzen, würde sicher keine Probleme bereiten, aber um wirklich beruhigt seine Reise nach Äthiopien antreten zu können, würde er sich nun vordringlich mit dem Problem des schwatzhaften oder gar bestechlichen Benedict befassen müssen. Er beschloss, die Sache sofort anzugehen, öffnete die Tür und rief nach seinem Sekretär. „Begleite mich bitte zur Pforte, Tafari, ich habe mit Bruder Benedict zu reden und möchte, dass Du diesem Gespräch beiwohnst.“ Der Sekretär sah ihn fragend an, Amaniel setzte sich jedoch ohne ein weiteres Wort in Bewegung. Sie verließen den kleinen, verwinkelten Lehmbau durch die grüne Tür, die sich nur durch ein kleines Schild von den grünen Türen der anderen Mönchsunterkünfte unterschied und strebten über den Klosterhof der Eingangspforte zu.

Meyrin, Kanton Genf – Schweiz

„Professor Caldwell!“ Cal drehte sich um und sah hinüber zu dem Wachmann an der Eingangstür. „Was liegt an, Ruedi?“ fragte er den grauhaarigen Schweizer Securitymann, der schon beinahe zum Inventar des Rechenzentrums beim CERN gehörte. „Sie wurden schon mehrmals dringend gesucht, Professor!“ rief der Wachmann ihm verlegen grinsend zu. „Ihre Frau hat in den letzten 3 Tagen bestimmt ein Dutzend Mal angerufen und heute Morgen haben zwei Herren persönlich hier vorgesprochen, vom Außenministerium oder so ähnlich.“

Ruedi kramte einen Moment unter dem Tresen im Eingangsbereich und förderte eine Visitenkarte zum Vorschein.

„Diese Karte hat der eine von beiden für Sie hiergelassen.“ Der Wachmann umrundete seine Theke und hielt Cal das Visitenkärtchen hin. „Ach, bevor ich es vergesse, das Sekretariat von Direktor Heuer hat ebenfalls nach Ihnen gefragt.“ fügte er hastig hinzu.

„Wann war das?“ fragte Cal und runzelte die Stirn.

„Erst heute Morgen, so gegen halb neun.“ berichtete Ruedi, „Ich habe denen gesagt, dass Sie sicher in Kürze hier sein werden.“

Cal sah auf seine Armbanduhr. Die Leuchtziffern zeigten 09:23 Uhr und mit raschen Schritten ging er zum Aufzug. „Danke, Ruedi!“ rief er dem Wachmann über die Schulter zu, als er in den Fahrstuhl stieg, um zu seinem Büro im vierten Stockwerk zu gelangen. An seinem Schreibtisch angekommen, griff er zum Telefonhörer und wählte die interne Nummer des Direktors. „Wo stecken Sie denn?“ tönte ihm anstelle einer Begrüßung aus dem Hörer entgegen.

„Es hat sich in Jerusalem eine Verzögerung ergeben.“ antwortete er vorsichtig, „Sind Sie allein? Dann würde ich gern kurz zu Ihnen hinaufkommen um persönlich zu berichten.“

Der Direktor zögerte einen Moment, bevor er antwortete: „Das passt jetzt gerade nicht so gut, Cal. Für heute Vormittag haben sich einige Wissenschaftler aus Indien angesagt, die ihren Beobachterstatus mal wieder reichlich strapazieren wollen.

Heute Abend hätte ich Zeit für Sie, aber wir sollten uns dann außerhalb zu einem schnellen Abendessen treffen. Ich würde vorschlagen 20:00 Uhr in der Auberge Vieux Meyrin.“

Cal notierte den Termin auf seiner Schreibunterlage und bestätigte kurz: „Um 20:00 Uhr Rolf-Dieter Heuer, ist notiert. Dann wünsche ich Ihnen noch viel Freude mit den Indern.“

Cal lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloss die Augen.

Als er den Klosterbereich in Jerusalem auf dem Dach der Grabeskirche verlassen wollte, hatte sich ihm dieser kleine Mönch in den Weg gestellt. „Warten Sie, nicht so schnell.“ hatte der gerufen und versucht ihn am Ärmel seines Jacketts festzuhalten. „Was wollen Sie denn noch?“ hatte er diesen kleinen wieseligen Schleimer angeherrscht, „Haben Sie nicht genügend Geld bekommen? Sie wurden für gewisse Informationen bezahlt und dafür, mich heute hier ohne Fragen passieren zu lassen. Ich wüsste nicht, was es noch zu besprechen gäbe!“ Der kleine Mönch hatte ihn listig angelächelt und den Jackenärmel nun mit beiden Händen ergriffen. Zornig hatte er die schmierigen kleinen Wurstfinger des Ordensbruders abgeschüttelt. Er stieß ihn ärgerlich von sich weg und musste mit Entsetzen ansehen, wie dieser die wenigen Stufen an der Eingangspforte hinab stolperte, mit dem Kopf auf eine der Stufen aufschlug und mit geschlossenen Augen liegenblieb.

Cal öffnete die Augen und stützte seinen Kopf auf beide Hände. Wie hatte das nur passieren können? Ein Mensch war gestorben. Egal, wie er diesen Mönch persönlich einschätzte, das hätte nicht sein dürfen. Zudem erfüllte ihn nun die Sorge, dass Außenstehende ihm durchaus einen Vorsatz würden unterstellen können. Soweit er das beurteilen konnte, waren der Mönch und er unbeobachtet, als das Unglück geschah und dem Vorwurf, diesen Mann ermordet zu haben, würde er nur wenig entgegensetzen können. Cal schüttelte den Kopf. 'Ich werde mich wohl einer offiziellen Untersuchung dieses Todesfalles stellen müssen.' dachte er. Aber nun galt es zunächst ihr Projekt weiterzutreiben, das schon gleich zu Beginn einen solch hohen Preis gefordert hatte.

Cal sprang auf und ging zur Tür zu dem Sekretariat, das er sich mit einem Kollegen teilte.

„Guten Tag Marion!“ rief er, während er die Tür öffnete und in das Büro trat. „Können Sie bitte versuchen, die Leute der besonderen Arbeitsgruppe zu erreichen und klären, ob eine gemeinsame Besprechung in zwei Stunden hier bei mir möglich wäre? Und, Marion, wenn Sie mich für den Rest des Tages glücklich sehen wollen, dann könnten Sie das leicht bewerkstelligen...“ Seine Sekretärin unterbrach ihn lachend „Indem ich Ihnen eine große Kanne Kaffee besorge, weil der Kaffeeautomat einen Physiker überfordert, ich weiß schon Chef!“

Cal schmunzelte und ging zurück in sein Büro. Er öffnete einen Aktenschrank, schob die Rückwand eines Regalabschnitts im Schrank zur Seite und tippte eine Zahl in das Eingabefeld auf der Vorderseite eines Tresors ein. Nach ein paar Sekunden erfolgte ein Summen und Cal legte den Daumen seiner linken Hand auf das kleine Fenster eines Scanners neben dem Nummernfeld.

Ein blaues Lichtfeld wanderte langsam über den Ballen seines Daumens und gleich nach der Beendigung des Scanvorgangs leuchtete das grüne Licht neben der Tresortür auf. Er öffnete die Tür und entnahm dem Tresorfach ein unscheinbares metallenes Gehäuse von der Größe einer Toastscheibe. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und verband diese kleine, externe Festplatte mit der erstaunlichen Speicherkapazität von mehreren Terabyte mit einem USB Anschluss seines Tower PCs unter dem Schreibtisch. Rasch gab er seinen Sicherheitscode ein und öffnete die Datei, die das letzte Versuchsprotokoll enthielt. Aufmerksam las er die Ablaufbeschreibung, studierte sorgfältig Diagramme und klickte durch die angehängte Fotostrecke. Dieser letzte Versuch, der in seiner Abwesenheit durchgeführt worden war, bestätigte die vorherigen Ergebnisse ein weiteres Mal.

Mit einem zufriedenen Lächeln schloss er die Datei. Er würde die Ergebnisse später mit seiner Arbeitsgruppe noch einmal sorgfältig durchgehen, aber es bestand kein Zweifel, dass nun alles bereit war für den Abschluss ihres Projektes, an dem sie seit mehreren Jahren mit Hochdruck gearbeitet hatten. Das JP (Jenseits Projekt) würde funktionieren und die letzte große Frage der Menschheit würde vielleicht beantwortet.

Addis Abeba – Äthiopien

„Ermordet?“ Der Patriarch sah Amaniel mit einer Mischung aus Zweifel und Entsetzen im Gesicht fragend an. „Bist Du ganz sicher, dass Bruder Benedict eines gewaltsamen Todes gestorben ist und es sich nicht vielleicht doch um einen bedauernswerten Unfall handelte?“

„Ganz sicher können wir wohl nicht sein, Abuna.“ sagte der Abt leise, „Aber es wäre doch ein gar zu großer Zufall, wenn Benedict ausgerechnet Minuten bevor ich ihn zur Rede stellen wollte, durch einen Unfall zu Tode gekommen sein sollte.“ Der Patriarch schwieg einen Moment um dann Amaniel mit einer Handbewegung aufzufordern, sich in den Sessel an seiner Seite zu setzen. „Nimm erst einmal Platz, mein lieber Freund und berichte mir genau über die Vorkommnisse, derentwegen Du mich so dringend besuchen wolltest und die offensichtlich zu dem tragischen Tod eines unserer Brüder geführt haben.“

Erwartungsvoll sah er den Abt an, während er gleichzeitig seinem Sekretär läutete, um Tee bringen zu lassen. Nachdem der Tee serviert und eingeschenkt war, begann Amaniel zu erzählen. Er versuchte sich an jede Kleinigkeit des geheimnisvollen Besuchs zu erinnern und beobachtete dabei genau den Patriarchen, der mit halb geschlossenen Augen ein wenig zurückgelehnt seinen Worten lauschte.

Es entging ihm keineswegs, wie das Gesicht des Abuna Mathias sich verzog, als er stockend auch davon berichtete, wie der Besucher mit einer Anspielung auf das Verhältnis zwischen ihm und seinem jungen Sekretär versucht hatte, ihn unter Druck zu setzen.

Als Amaniel seine Schilderung beendet hatte, öffnete der Patriarch seine Augen und sah den Abt eine Zeit lang prüfend an. „Wir werden noch einmal darüber reden müssen,“ sagte er dann mit ruhiger Stimme, „was genau zwischen Dir und diesem jungen Bruder stattfindet, Amaniel, aber das ist jetzt nicht vordringlich. Ich frage mich, wie dieser Fremde in Besitz der Information kommen konnte, dass Du einmal Wächter des Tabot warst, der einzige, der diesen Dienst nicht sein ganzes Leben lang wahrgenommen hat und woher er wissen konnte, dass Du unter den Enkeln des Kaisers der nächstliegende, legitime Nachfolger bist.

Das lässt nur den Schluss zu, dass auch hier, in meiner Nähe, ein Informant tätig sein muss, der unsere verborgensten Geheimnisse weitergegeben hat. Das macht mir große Sorge, mein Freund. Ich werde dieses Loch rasch stopfen müssen, aber das soll nicht deine Sorge sein. Du solltest ein wenig ruhen, ich werde Dir eine Unterkunft hier in meiner Residenz zuweisen lassen. Ich werde nach Dir schicken, wenn ich über die nächstliegenden Schritte entschieden habe.“

Amaniel erhob sich aus dem Sessel, kniete sich vor seinen Patriarchen um diesem die Hand zu küssen. Abuna Mathias wehrte diese Unterwerfungsgeste mit einer raschen Handbewegung ab, erhob sich und umarmte den Abt. „Du hast ein schweres Kreuz zu tragen, mein Bruder und ich brauche Dich als meinen Freund, Berater und Verbündeten. Über deine Schwachheit wollen wir vorerst kein weiteres Wort verlieren. Die Zeit wird Gelegenheit geben, auch das in Ordnung zu bringen.“

Nachdem der Sekretär Amaniel hinausbegleitet hatte, griff der Patriarch zum Telefon. Nach ein paar Augenblicken sprach er kurz in den Apparat: „Kommt bitte gleich zu mir, Bischof, wir müssen dringend reden.“

Er legte auf und ging zum Fenster. Gedankenverloren starrte er hinaus und winkte ganz automatisch ein paar Touristen zu, die vor der Residenz darauf warteten, ihn vielleicht zu Gesicht zu bekommen. „Wir müssen jetzt sehr klug und entschlossen handeln.“, sagte er nachdenklich, während er den Menschen auf der Straße zulächelte. Ein leises Klopfen an der Tür brachte ihn wieder zurück in die Gegenwart.

„Kommen Sie herein, Bischof!“ rief er zur Tür gewandt und ging die paar Schritte zurück zu seinem Sessel.

Bischof Mekarios trat durch die Tür und ging ohne Umschweife auf den zweiten Sessel neben dem Patriarchen zu. „Wollten wir nicht erst morgen weiter beraten, Abuna?“ fragte er mit erhobenen Augenbrauen. Der Patriarch nickte „Das ist richtig lieber Bruder, aber es hat sich etwas ergeben, über das wir sofort reden müssen, um schnellstmöglich angemessen zu handeln.“

Der große, hagere Mekarios beugte sich gespannt vor und fragte: „Hat unser Austausch mit Eurem Besuch zu tun, Abuna? Zu meinem Erstaunen wähnte ich vorhin Amaniel, den Abt aus Jerusalem, beim Betreten Eurer Räumlichkeiten gesehen zu haben.“

„So ist es, Mekarios, ich habe Amaniel zur Berichterstattung über beunruhigende Vorgänge in Jerusalem herkommen lassen. Genau darüber müssen wir uns unterhalten. Ein Bruder des Klosters auf der Grabeskirche ist zu Tode gekommen und Amaniel vermutet einen Mord. Außerdem hatte er einen geheimnisvollen Besucher aus der Schweiz zu Gast, der versucht hat, den Abt unter Druck zu setzen, um durch ihn Zugang zum Heiligsten unserer Kirche zu bekommen.

Du hast mir von deinen Erfahrungen in der Schweiz berichtet und der Begegnung, die Du als zweiter Bischof für Europa bei deinem Besuch dort in Genf hattest. Ich bin sicher, dass dahinter dieselbe Interessengruppe steht, die versucht auf allen nur möglichen Wegen ihre Ziele zu erreichen. Darüber werden wir ausführlich reden müssen, was jetzt jedoch sofortiger Handlungen bedarf ist die Tatsache, dass es eine undichte Stelle hier in meiner Residenz geben muss. Der Besucher in Jerusalem konnte mit Detailwissen aufwarten, das nur von diesem Ort hier gekommen sein kann. Was schlägst Du vor, Bischof, was ist zu tun?“

Mekarios lehnte sich zurück und fragte wie beiläufig: „Ihr habt keine Vermutung, Abuna, wer der Informant aus Eurer engeren Umgebung sein könnte?“

Aufmerksam sah ihm der Patriarch in die Augen und sagte dann zögerlich: „Ich habe einen Verdacht, Mekarios, aber lass doch zunächst einmal hören, wie Du darüber denkst. Auf welchem Weg könnte der Schweizer Besucher vertrauliche Informationen über unseren Abt und seine Verbindung zur Bundeslade erfahren haben?“

„Wen verdächtigt Ihr denn, Abuna?“ fragte Mekarios und war sich im gleichen Moment darüber klar, wie unangemessen es war, die Frage seines Patriarchen mit einer Gegenfrage zu beantworten. Unter dem prüfenden Blick seines Gegenüber stieg ihm eine leichte Verlegenheitsröte ins Gesicht. Zu seiner Erleichterung ging der Patriarch nicht auf seine Frage ein, sondern wechselte mit einer ärgerlichen Handbewegung das Thema.

„Ich weiß nicht, mein lieber Mekarios, was dies verstärkte Interesse an der in unserem Besitz befindlichen Bundeslade in der letzten Zeit hervorgerufen hat. Gleichwohl müssen wir eine klare Linie finden, wie wir mit den hartnäckigen Versuchen, dem heiligsten Schatz unserer Kirche näherzukommen, umgehen wollen.

Vielleicht wäre es ja tatsächlich an der Zeit, diesen Schatz der Welt zugänglich zu machen.“

Bischof Mekarios nickte heftig zustimmend. „Der Meinung bin ich schon länger, Abuna, wie ihr ja wisst. Was ist falsch oder gefährlich daran, die Welt und vor allem die Christen dieser Welt, das Gesetz Gottes sehen zu lassen, geschrieben von Seiner eigener Hand?“

Gebannt sah der Patriarch ihm lange schweigend in die Augen. „Wie weit würdest Du gehen, mein lieber Mekarios, um diesen Deinen Wunsch verwirklicht zu sehen?“ fragte er schließlich, wandte sich zum Fenster und sah hinaus. Der Bischof erhob sich verlegen, um an ein anderes Fenster zu treten. Nachdem eine Weile Schweigen zwischen beiden geherrscht hatte, strich Mekarios sich über sein schütteres Haar und sagte leise: „Ihr wisst, Abuna, dass ich, wie wir alle, mein Leben ganz und gar unserer Kirche gewidmet und verschrieben habe. Ich denke aber, dass wir uns in mancher Hinsicht öffnen sollten, um endlich unseren legitimen Führungsanspruch in der Christenheit geltend zu machen.“

Der Patriarch seufzte und ging zurück zu seinem Sessel. „Hast Du vergessen, mein lieber Mekarios, was der Apostel in seinem Epistel an die Römer schrieb? 'So sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, als einzelne aber sind wir Glieder, die zueinander gehören.' Es geht nicht um Führungsansprüche, sondern darum, dass wir einander als Glieder an einem Leib, dem Leib Christi dienen. Du dienst Ihm nicht, mein Bruder, wenn Du Informationen aus unserer Mitte weitergibst an außenstehende Personen mit fragwürdigen Interessen.“

Meyrin, Kanton Genf – Schweiz

Pünktlich zur vereinbarten Zeit trafen die Mitglieder seiner speziellen Arbeitsgruppe in Cals Büro ein. Sie standen noch ein wenig beieinander und plauderten, während dieser rasch ein Telefonat erledigte. Als er den Hörer auflegte, setzten sich jedoch sofort alle an den Konferenztisch und sahen ihn erwartungsvoll an. Cal wartete einen Moment, bis Kaffee eingeschenkt und Getränkeflaschen geöffnet waren und gab dann einen kurzen Bericht über seine Reise zur Grabeskirche in Jerusalem.

„Es hat dort einen Zwischenfall gegeben, der mich in Schwierigkeiten bringen könnte, weitere Kontakte zu dem Abt des äthiopischen Klosters müsste deshalb jemand anders übernehmen. Allerdings bin ich nicht sehr sicher, dass wir auf diesem Weg zum Erfolg kommen werden. Der Abt hat auf meinen Versuch, ihm ein wenig auf den Zahn zu fühlen, mit der Ankündigung reagiert, seinen Patriarchen verständigen zu wollen. Ich weiß nicht, ob das eine Drohung war, oder ob er es ernst gemeint hat. Schließlich würde er Gefahr laufen, dass dadurch seine Kirchenoberen von seinem homosexuellen Kontakt mit dem jungen Sekretär erfahren. Wenn er allerdings tatsächlich über unser Gespräch Bericht erstattet, könnte es sein, dass unser hochrangiger Kontakt der äthiopischen Kirche hier in Europa in Schwierigkeiten kommen könnte. Wir werden abwarten müssen, wie sich das alles weiterentwickelt.“

Einer der Gesprächsteilnehmer unterbrach ihn: „Abwarten? Wie lange können wir uns denn noch leisten zu warten? Unsere Gruppe im Rechenzentrum wird täglich ungeduldiger, sie wollen nun endlich mit ihrer bahnbrechenden Entwicklung an die Öffentlichkeit, um die entsprechende Würdigung ihrer Leistung zu bekommen.“

„Darüber mache ich mir im Moment keine großen Sorgen.“ beschwichtigte Cal. „Es wird die Aufgabe des Generaldirektors sein, für Ruhe an dieser Stelle zu sorgen. Was mich im Moment mehr bewegt, ist die Frage, wie weit wir denn mit unserer Suche nach einem echten Medium oder Geistheiler gekommen sind? Gibt es da Neues, Gabriele?“

Die angesprochene, attraktive Mitvierzigerin schob ihre immer etwas zerzausten Haare aus der Stirn und sah verheißungsvoll in die Runde.

„Ich glaube,“ sagte sie triumphierend, „wir haben den geeigneten Kandidaten gefunden. Ein Heiler aus Norddeutschland, Thor Emerald. Die wichtigsten Details über ihn habe ich in diesem Dossier zusammengestellt.“ Sie verteilte rasch ein paar zusammengeheftete Blätter an die Teilnehmer der Besprechung und fuhr dann fort. „Das Besondere an diesem Mann ist, dass er nicht nur angebliche oder auch nachweisliche Fernheilungen bei Menschen und Tieren aufweisen kann, sondern auch elektrische und elektronische Geräte beeinflussen kann. Es scheint also so, als ob dieser Kandidat über eine besonders stark ausgeprägte Art der Fähigkeiten verfügt, die wir vielleicht für unsere Zwecke brauchen.“

Die Anwesenden schwiegen zunächst, außer dem Rascheln der Papiere des kurzen Dossiers war kein Laut zu hören. Die gespannte Hoffnung aller Beteiligten, nun vielleicht doch endlich den richtigen Kandidaten gefunden zu haben, lag greifbar in der Luft. Cal war der erste, der wieder das Wort ergriff: „Gibt es irgendwelche Besonderheiten, die eventuell dazu angetan sein könnten, diesen Kandidaten mit Vorsicht zu genießen?“ Gabriele verzog ein wenig beleidigt ihr Gesicht: „Nein, Cal, ich habe den Mann, soweit das auf Distanz möglich ist, genauestens durchleuchtet und bin sicher, wir sollten umgehend Kontakt mit ihm aufnehmen.“ Cal nickte besänftigend. „Schon gut Gabriele, ich vertraue Deinem Urteil, aber wir können nicht vorsichtig genug sein, wenn es um Personen geht, die wir in unser Projekt einweihen.“

Armand Bredouille, ein leitender Mitarbeiter des Rechenzentrums, hob den Kopf und blickte von seinem Smartphone auf, das er in den letzten Minuten emsig bearbeitet hatte. „Das kann nicht dein Ernst sein, Gabriele!“ unterbrach er Cal, „Schau Dir mal diese Fotos an, da präsentiert sich Dein Kandidat in Frauenkleidern, mit Netzstrümpfen und Perücke!“

„Wenn wir alle Menschen mit dieser Begabung, die unter der Bettdecke onanieren, in der Nase bohren, gegen gängige Moralvorstellungen, Bekleidungsvorschriften oder Rechtschreibregeln aus dem Hause Duden verstoßen, von vornherein ausschließen, dann wird niemand mehr übrig bleiben. Du, mein lieber Armand, dürftest dann vielleicht auch nicht hier arbeiten.“ entgegnete Gabriele zornig.

Cal hob beschwichtigend seinen Arm. „Nur die Ruhe, Kinder!

Wir werden uns deinen Kandidaten genauestens anschauen. Gabriele, nach deinem Dossier zu urteilen ist er jedenfalls ein vielversprechender Anwärter. Armand, ich verstehe deine Vorbehalte, bin aber ebenfalls der Ansicht, dass private Vorlieben oder Obsessionen zunächst einmal keine Rolle spielen sollten.“

Ken Namuri, der sich für die Mitarbeit an diesem Projekt von der Ryukyu Universität Tokio hatte auf unbestimmte Zeit beurlauben lassen und dafür die Aussicht auf den Lehrstuhl für Technik und Ethik aufgegeben hatte, erhob sich nachdenklich. Immer ein wenig in den fernöstlichen Höflichkeitsformen gefangen, sagte er mit einer leichten Verbeugung: „Was halten Sie davon, Cal, wenn ich den Kontakt zu diesem Kandidaten aufnehme und ihn mir einmal genau anschaue?“

„Genau das wollte ich vorschlagen! Wann können Sie abreisen, Ken?“ Zögerlich antwortete Ken „Grundsätzlich sofort, allerdings müsste ich natürlich noch einen entsprechenden Antrag an die Verwaltung richten.“

„Das werde ich für Sie klären, Ken! Mir wäre sehr lieb, wenn Sie morgen schon reisen könnten.“ An alle Teilnehmer gewandt fragte Cal: „Gibt es sonst noch etwas Dringendes zu besprechen, sonst schlage ich vor, wir gehen wieder an unsere Arbeit?“ Mit zustimmendem Gemurmel und Nicken löste sich die Runde auf und einer nach dem anderen verließ Cals Büro.

Stade, Niedersachsen – Deutschland

Thor sah verdutzt auf sein Handy! Dieser Anruf erschien ihm sehr mysteriös, aber er würde ja bald erfahren, was dahinter steckt.

„Namuri“, das klang so japanisch, aber was der Mann dieses Namens am Telefon gesagt hatte, das erschien Thor eher spanisch. Sehr verklausuliert war von einem großen, wichtigen Projekt die Rede gewesen, für dessen Gelingen seine Mitarbeit nützlich sein könnte. Projekt? So etwas gehörte nicht zu Thors Lebenswirklichkeit. Wenn er überhaupt etwas plante, dann allenfalls den nächsten Einkauf.

Er stand auf, griff nach der Hundeleine und rief seinen vierbeinigen Freund. „Karmi komm, wir machen einen Spaziergang. Heute Nachmittag lernen wir einen seltsamen Menschen kennen, den kannst Du dann gründlich beschnuppern!“ Schwanzwedelnd ließ Karmi sich die Leine anlegen und folgte seinem Herrchen fröhlich kläffend durch den Hausflur ins Freie.

Einen Moment blieben die beiden vor der Haustür stehen, lang genug für Thor, um gerade noch den weißen Mittelklassewagen mit dem Kennzeichen eines Mietwagenverleihers verschwinden zu sehen, dessen Fahrer sich sehr bemüht abwandte, um sein Gesicht nicht sehen zu lassen. Er konnte sich augenblicklich nicht des Gefühls erwehren, beobachtet zu werden. Vielleicht hatte der Anrufer sogar im Wagen vor seiner Haustür gestanden, als sie miteinander sprachen. Die Sache wurde immer mysteriöser! Der Mann hätte doch einfach an der Tür klingeln und ihn direkt persönlich mit seinen Wünschen konfrontieren können. Langsam setzten Thor und der aufgeregt hier und da schnuppernde Karmi sich in Bewegung.

Die Hauptstraße entlang, vorbei an der alten Bäckerei, dem Supermarkt und der Apotheke. Vor einer Eckkneipe band er den Hund an einem Fahrradständer fest und öffnete die Tür. „Doris!“ rief er in den Schankraum, „Kannst Du mir und Karmi unser Bier rausbringen?“ Von drinnen war ein zustimmendes helles Lachen zu hören und nicht lange darauf trat die Kellnerin, eine hübsche Frau mittleren Alters vor die Gaststättentür, in jeder Hand einen vollen Bierkrug.

„Anschreiben, Thor?“ fragte sie mit einem spöttischen Lachen, „Oder willst Du doch endlich mal wieder bar bezahlen?“ Thor schüttelte halb verlegen, halb ärgerlich den Kopf. „Du weißt doch genau, Doris, dass Undank der Welt Lohn ist und meine Klienten zahlen nun mal sehr zögerlich. Aber bisher habe ich ja wohl immer noch alles bezahlt, oder?“

„Kein Problem, war nur eine Frage.“ Mit diesen Worten verschwand die Frau wieder in der Kneipe und Thor ließ sich neben seinem Hund auf dem Gehsteig nieder.

„Prost Karmi!“ mit diesen Worten setzte er seinen Bierkrug an und nahm seufzend einen ordentlichen Schluck.

Der Hund schlabberte währenddessen mit seiner Zunge genüsslich Bier aus seinem Krug und sah dabei sehr zufrieden aus.

Thor warf einen Blick auf seine Armbanduhr; eine von diesen alten mechanischen Uhren, denn elektronische Geräte jeglicher Art pflegten in seiner Nähe nicht immer sehr zuverlässig zu arbeiten. Längst hatte der Heiler sich daran gewöhnt. Nur die Notwendigkeit, eine mechanische Uhr regelmäßig aufzuziehen, war ihm immer noch nicht ganz vertraut. So zeigte sie denn auch genau die Uhrzeit an, die sie ihm schon vor einigen Stunden gezeigt hatte. Eine Zeit die irgendwann in den frühen Morgenstunden gelegen hatte und nun nicht mehr aktuell war. Thor erhob sich, nahm auf dem Weg zur Kneipentür einen letzten großen Schluck und sah lächelnd zu Karmi, der seinen ebenfalls bereits geleerten Krug am Henkel im Maul haltend, hinter ihm her trottete.

„Ich denke, Karmi,“ sprach Thor mit seinem tierischen Begleiter, als sie den Spaziergang wieder aufgenommen hatten, „wir sollten heute eine etwas kleinere Runde drehen, um rechtzeitig wieder zuhaus zu sein, wenn unser Besucher eintrifft.“ Der Heiler seinen Hund fragend an. Ein zustimmendes Schwanzwedeln war Karmis Antwort. Als Thor den Blick wieder nach vorn richtete, sah er gerade noch die verschwindende Silhouette des weißen Mittelklassewagens.

Der Fahrer musste ihnen unbemerkt gefolgt sein, vielleicht, um ein wenig mehr über ihn herauszufinden. Plötzlich spürte Thor ein unangenehmes Kribbeln im Nacken und fuhr sich nervös durch die Haare. „Wir gehen am Besten direkt nach Haus, Karmi“ sagte er halblaut zu seinem Begleiter, „und bereiten uns ein wenig auf diese Begegnung vor.“

Zuhause angekommen, holte Thor eine große weiße Kerze aus dem Schrank und schrieb auf einen Zettel den Namen seines baldigen Besuchers. „Nakamuri“ stand dort nun mit schwungvollen Lettern. Er legte das Papier in eine Schale, stellte die Kerze darauf und zündete sie an. Das würde ihn, da war er ganz sicher, vor allen eventuellen bösen Absichten des Gastes schützen.

Eine halbe Stunde später meldete sich scheppernd die Türklingel und Thor öffnete schwungvoll die Wohnungstür. Vor ihm stand ein ungewöhnlich kleiner, fast zierlicher Mann asiatischer Abstammung, der sich mit einem blütenweißen Taschentuch gerade den Schweiß von der Stirn wischte. „Herr Emerald?“ fragend sah der kleine Mann ihn an. „Natürlich, Herr Nakamuri, Sie haben mich doch beobachtet und bei meinem Spaziergang sind Sie mir gefolgt. Sie wissen also sehr genau, wer ich bin!“ Der Asiate errötete und machte zögernd einen Schritt auf die Türschwelle zu.

„Können wir bitte drinnen weiter reden?“, fragte der Besucher mit einem schüchternen Lächeln.

Thor trat aus dem Weg und wies seinem Gast mit einer einladenden Geste den Weg ins Wohnzimmer. Nachdem beide auf einer kleinen Sitzgruppe Platz genommen hatten, breitete Thor beide Arme einladend aus und sagte spöttisch: „Ich warte, Herr Nakamuri!“

Ken zuckte regelrecht zusammen, selten zuvor hatte er sich so unwohl gefühlt. Er schwitzte aus allen Poren und hatte das unangenehme Gefühl, sich auf einem Seziertisch zu befinden. Er lockerte mit nervösen Bewegungen seine Krawatte und begann stockend zu erzählen.

„Wissen Sie, Herr Emerald..“ Der Heiler unterbrach ihn. „Nennen Sie mich ruhig Thor, das ist mein Name. Ob es auch eine Beschreibung meiner Persönlichkeit sein kann, das steht in Ihrem Belieben.“

Ken lachte befreit und fuhr fort: „Thor, ein sehr außergewöhnlicher Name für einen sehr außergewöhnlichen Menschen. Wir, das ist eine Gruppe von Wissenschaftlern aus der Umgebung von Genf, haben Erkundigungen über Sie eingezogen. Sie werden das verstehen, wenn Sie erst einmal wissen, worum es geht. Bevor ich Ihnen jedoch Näheres über unser Vorhaben, das Projekt, an dem wir nun schon länger arbeiten, erzähle, bitte ich Sie, mir Stillschweigen über alles, was sie jetzt hören werden, zuzusichern.“

Thor nickte gelassen „Das ist ein wichtiger Teil meiner Tätigkeit.“ Er sah auf das Visitenkärtchen, das Ken vor ihn auf den Tisch gelegt hatte, „Ich darf Sie doch Ken nennen? Stillschweigen ist den meisten Menschen, die meine Hilfe suchen, sehr wichtig!“

Ken hob zustimmend eine Hand. „Ich gehe davon aus, Thor, dass ich mich auf Ihre Zusicherung verlassen kann, also erzähle ich Ihnen jetzt erst einmal in groben Zügen, womit wir uns beschäftigen.

Ein großer Teil unserer Arbeit hat direkt oder indirekt mit der Quantenmechanik zu tun, allerdings ist sie nur ein Mittel zum Zweck.

Im Grunde geht es uns um die ältesten Fragen der Menschheit, nämlich die Fragen, woher wir kommen, wohin wir gehen und wozu wir hier sind. Natürlich sind uns als Wissenschaftlern die Erkenntnisse und Theorien zur Entstehung des Universums, zum Urknall und zur Evolution auf unserem Planeten detailliert vertraut. Dennoch bewegt uns die Frage nach einem möglichen Urheber all dessen, was ist. Nennen Sie es ruhig Schöpfer, höheres Wesen oder auch Gott, ganz wie es Ihnen beliebt.

Sie beschäftigen sich ja, so haben wir bei unseren Erkundigungen erfahren, mit dem transzendenten Bereich unserer menschlichen Existenz, mit dem, was unsere normalen Wahrnehmungsmöglichkeiten scheitern lässt. Vielleicht kann man sagen, mit einer Dimension, die außerhalb unserer dreidimensionalen Welt liegt, diese übersteigt oder besser gesagt, sie umschließt. Um die Erkundung, bzw. den Zugang zu dieser Dimension geht es uns.“

Ken legte eine Pause ein und sah sein Gegenüber fragend an, doch Thor nickte nur, stand auf, löschte die Flamme einer großen weißen Kerze, die auf einem kleinen Ecktisch flackernd gebrannt hatte und setzte sich schweigend wieder auf seinen Sessel.

Eine seltsame Erleichterung überkam Ken, die ihn unwillkürlich aufatmen ließ. Schlagartig wurde ihm klar, dass sein seltsames Unwohlsein, mit dem er seit seinem Eintreffen in diesem Haus zu kämpfen hatte, wohl irgendwie mit dieser Kerze zusammenhängen musste.

Entspannt lehnte er sich zurück und fuhr fort: „Wie Sie jetzt vielleicht schon erraten haben, arbeitet unsere Gruppe am CERN, in der Nähe der schönen Stadt Genf.

„Obwohl wir dort eigentlich andere Aufgaben haben, arbeiten wir, von der Öffentlichkeit und den meisten anderen Mitarbeitern am CERN unbemerkt und durch den Generaldirektor gut abgeschirmt an diesem Ziel, das wir intern das Jenseits-Projekt genannt haben. Wir befinden uns jetzt in einem entscheidenden Stadium, in dem es uns bald möglich sein wird, einen ersten Schritt zur Erkundung dieser anderen, höheren Dimension zu tun.

Für die Vorbereitung und Durchführung dieses Versuchs wünschen wir uns Ihre Mitarbeit.“

Während Ken sprach, war Thor in seinem Sessel unbewusst immer weiter vorgerückt und hatte sich schließlich gespannt vorgebeugt. „Ich hoffe,“ brach er nun sein Schweigen, „dass es Ihnen nicht einfach nur darum geht, in mir ein Medium zu sehen, das Ihnen einen Blick in Verborgenes ermöglicht. Das haben schon andere vor Ihnen gewünscht und alle derartigen Versuche sind gescheitert. Ich kann nicht erklären, auf welche Weise ich tue, was ich tue, wie es funktioniert und warum es funktioniert. Genauso wenig, wie ich andere an meinen Möglichkeiten teilhaben lassen kann. Diese Gabe, so nenne ich meine Fähigkeiten, ist nicht übertragbar und sie lässt sich nicht für egoistische Ziele, wie etwa Macht- oder Gewinnstreben einsetzen.“

Ken, der immer mehr zu seinem gewohnten Selbstbewusstsein zurückfand, sah Thor lange in die Augen. „Diesen Satz wollte ich von Ihnen hören, Thor! Unser Ziel ist so wichtig und kann so grundsätzliche Erkenntnisse für die gesamte Menschheit einbringen, dass bei unserer Arbeit absolut kein Platz ist, für Selbstverwirklichungstrips, egozentrisches Streben jeglicher Art oder gar Machtgewinn. Genau aus diesen Gründen tun wir unsere Arbeit mehr oder weniger im Verborgenen.

Die Möglichkeiten, die sich uns technisch eröffnet haben, würden sicher sehr schnell eine Reihe von Schmeißfliegen anlocken, die versuchen würden, all das in die Hand zu bekommen.“

Thor nickte und erhob sich aus seinem Sessel. „Ich nehme an,“ sagte er im Vorbeigehen zu Ken, „dass Sie von mir erwarten, mit Ihnen in die Schweiz zu kommen.“ und griff zum Telefon. Ken wehrte ab: „Bis es soweit ist, dass unser Versuch erfolgreich gestartet werden kann, werden schon noch ein paar Wochen vergehen, Sie müssen deshalb nicht unbedingt sofort mit mir kommen. Je eher Sie allerdings zu unserem Team stoßen, um so besser wird es für die Vorbereitung und ein gegenseitiges Kennenlernen sein.“

Thor hatte unterdessen eine Telefonnummer gewählt und wartete schweigend darauf, dass der Teilnehmer am anderen Ende der Leitung abheben würde.

„Ja Hallo, Claudia? Grüß Dich. Du, ich habe eine Bitte an Dich. Kannst Du ab sofort für ein paar Wochen Karmi zu Dir nehmen? … Gut, das hab ich mir gedacht. Ich kann noch nicht ganz genau sagen, wie lange ich nicht zuhaus sein werde, aber wir können ja telefonisch in Verbindung bleiben, dann halte ich Dich auf dem Laufenden. Ich bringe Dir Karmi in, sagen wir..“

Thor blickte fragend zu Ken „in zwei Stunden?“ Als Ken bestätigend nickte, verabschiedete sich Thor: „Also gut, bis in ungefähr zwei Stunden dann. Du bist ein Schatz, Claudi!“

Als er den Hörer aufgelegt hatte, fragte Ken: „Warum nehmen Sie ihren Hund nicht einfach mit, Thor?“

„Die Schweiz schreibt für Tiere, die ins Land sollen, verschiedene Impfungen vor, die ich Karmi nicht antun will.“

„Verstehe!“ nickte Ken und erhob sich. „Ich nehme an, Sie wollen jetzt packen, Thor? Ich werde Sie also in anderthalb Stunden abholen. In der Zwischenzeit hole ich meine Sachen aus dem Hotel und arrangiere einen Flug für Sie.“

Als Ken die Wohnung verlassen hatte, ging Thor in die Küche um eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank zu holen. Mit der geöffneten Flasche in der Hand setzte er sich noch einmal in seinen Sessel, nahm einen Schluck und ließ das vergangene Gespräch Revue passieren. Irgendwie war alles so schnell gegangen und er staunte darüber, wie schnell er selbst bereit gewesen war, sich auf diese Sache einzulassen. Aber obwohl er nun immer noch keine Einzelheiten über dieses Jenseits-Projekt wusste, war er von dem Gedanken, daran mitzuarbeiten, vollkommen fasziniert.

Addis Abeba – Äthiopien

Patriarch Mathias saß an seinem Schreibtisch und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Bischof Mekarios hatte ihm unter Tränen gestanden, dass es bei seinem Besuch in der Schweiz zu einem längeren Gespräch mit einem Wissenschaftler vom CERN gekommen war, der ihm angedeutet hatte, dass es nunmehr eine wissenschaftlich gesicherte Methode geben würde, Verbindung zu der Dimension Gottes, in das Jenseits des Schöpfers und Erhalters des gesamten Universums aufnehmen. Alles was man für einen ersten Versuch brauche, sei der Zugang zum Allerheiligsten der äthiopischen Kirche.

Zunächst hatte Mekarios das Ansinnen des Wissenschaftlers weit von sich gewiesen, war dann aber, im Verlauf des Gespräches, immer zugänglicher geworden. Der Gedanke, nicht nur der Welt endlich Zugang zu dem Allerheiligsten, den von Gottes eigener Hand geschriebenen Gesetzestafeln zu gewähren, sondern mit diesen Tafeln auch noch gleichzeitig einen wissenschaftlichen, unwiderlegbaren Beweis für die Existenz Gottes führen zu können, hatte ihn fasziniert.

Er hatte begonnen, sich zu öffnen, mehr und mehr erzählt und schließlich diesem Wissenschaftler von Dingen berichtet, die ihm nun als Verrat an seiner Kirche, seinem Gelübde und seinem Patriarchen erschienen.

Schließlich hatte er reumütig sein Bischofsamt niederlegen wollen, aber Patriarch Mathias war kein Mann der schnellen Verurteilungen. Ihm war klar, dass der Leib Christi, seine geliebte Kirche die Jahrhunderte nur hatte überdauern können, weil Barmherzigkeit einer ihrer wichtigsten Werte war. Die Kirche lebte durch die Barmherzigkeit Gottes mit der Kirche und durch die Barmherzigkeit der Kirche mit den ihr anvertrauten Menschen.

Jetzt, so entschied der Patriarch, ist es wohl an der Zeit, ein paar wichtige Entscheidungen zu treffen. Er beschloss, eine Konferenz aller Bischöfe einzuberufen, die sich zur Zeit in Äthiopien aufhielten und denen eine schnelle Anreise möglich sein würde. Er rief nach seinem Sekretär, um mit ihm die Vorbereitungen abzusprechen.

Es würde eine geheime Konferenz sein müssen, denn nicht alle Bischöfe seiner Kirche waren in alle Aktivitäten und Zukunftspläne eingeweiht und die kleine Zahl der eingeladenen Amtsträger würde mit ihm die Entscheidung treffen müssen, wie weit alle anderen künftig eingeweiht würden. Nachdem alles besprochen war, bat er seinen Sekretär, ihm doch bitte noch den Jerusalemer Abt direkt in sein Arbeitszimmer zu schicken.

Als Amaniel etwas später die Räume des Patriarchen betrat, fand er diesen auf seiner Gebetsbank kniend und sein silbernes Handkreuz mit beiden Händen umklammernd, inbrünstig im Gebet vertieft. Ehrfürchtig verharrte er an der Tür, doch der Patriarch rief ihm leise zu: „Komm zu mir mein Bruder und lass uns gemeinsam um Klarheit und Weisheit bitten.“

Nachdem die beiden wohl eine Stunde nebeneinander kniend im Gebet verbracht hatten, erhob sich der Patriarch und deutete auf eine Sitzgruppe in der Nähe des Fensters. „Ich habe Dich so spät noch einmal herbitten lassen, mein lieber Abt, weil ich Dich in ein paar Dinge einweihen möchte, die unser weiteres Vorgehen maßgeblich bestimmen werden. Als ich Dich vor einigen Jahren von deinem Amt als Wächter unseres Heiligtums entbunden habe, da geschah das, weil Du unter den Enkeln unseres seligen Kaisers derjenige bist, mit dem einzig legitimen Anspruch auf die Thronfolge. Wir haben ja damals miteinander darüber gesprochen, dass es interessierte Kreise in unserem Land gibt, die unsere Monarchie wiedererrichten wollen und zwar mit einem Regenten, der ein Nachkomme Salomos ist. Seither hat sich viel verändert, aber diesem Ziel sind wir nicht sehr viel näher gekommen.“

Der Abt nickte und sagte dann leise: „Um offen zu sein, Abuna, ich glaube schon länger nicht mehr daran, dass eine solche Entwicklung in unserem heutigen Äthiopien möglich ist, auch wenn ein großer Teil des Volkes sie sicher begrüßen würde.“

Patriarch Mathias sah für einige Minuten aus dem Fenster, durch das die Lichter Addis Abebas einen schwachen Schimmer auf den Nachthimmel legten.

„Auch mir, Amaniel, ist im Laufe der Jahre ein wenig die Hoffnung entfahren, aber nun könnten wir an einem Punkt sein, wo unsere Wünsche sich vielleicht ganz plötzlich verwirklichen lassen. Das ist eng verknüpft mit dem geheimnisvollen Besucher, der Dich in Jerusalem aufgesucht hat.

Erst vor wenigen Stunden hat mir Bischof Mekarios von einem Gespräch berichtet, das er vor kurzem mit einem Mitglied der Gruppe hatte, der wohl auch dein Besucher angehört.

Es handelt sich um Wissenschaftler, die sich die Gesetzmäßigkeiten der Quantenmechanik zu Nutze gemacht haben, um eine Möglichkeit zu entwickeln, in diese andere Dimension, die Wirklichkeit Gottes zu schauen und vielleicht sogar Kontakt mit dieser Sphäre zu knüpfen. Das alles unter wissenschaftlichen, nachweislichen und reproduzierbaren Bedingungen. Allerdings brauchen sie dafür den Zugang zu unserem Heiligsten, der Bundeslade mit den Gesetzestafeln.“

Der Patriarch strich sich erschöpft durch das Haar und rief nach seinem Sekretär. „Bring uns doch bitte zwei Tassen Kaffee, lieber Bruder, wir werden noch eine Weile zu reden haben.“

Als der Sekretär kurz darauf den Kaffee brachte, wusste er zu berichten, dass bereits in zwei Tagen die Zusammenkunft der Bischöfe würde stattfinden können. „Die Dinge nehmen Fahrt auf!“ stellte der Patriarch zufrieden fest, „Gott helfe mir, die richtigen Entscheidungen zu treffen.“

Er nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse um dann fortzufahren. „Wenn das Vorhaben dieser Wissenschaftler zum Erfolg führen würde, hätten wir die einmalige Gelegenheit, die Bundeslade der Welt zu zeigen und Dich als ihren künftigen Hüter zu präsentieren. Es wäre dann um vieles leichter, den Weg zurück in eine Monarchie zu beschreiten.