DAS LÄCHELN DER WITWE - Christian Dörge - E-Book

DAS LÄCHELN DER WITWE E-Book

Christian Dörge

0,0
6,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

 Frankenberg an der Eder im Jahr 1960:  Lafayette Bismarck, Privatdetektiv in der hessischen Provinz, kennt diese Stadt besser als seine Westentasche: Er weiß nur zu gut, dass sich hinter der Fassade aus freundlicher Gutbürgerlichkeit ein Sumpf aus Verbrechen jeglicher Art verbirgt. So wundert es ihn keineswegs, als eines schönen Tages im November Kirsten Hermani in seinem Büro auftaucht und ihn um Aufklärung des Mordes an ihrem Ehemann bittet, der in der Nacht zuvor tot auf der Wehrweide aufgefunden wurde. Eher widerwillig nimmt Bismarck den Auftrag an – und erste Ermittlungen deuten darauf hin, dass der Ermordete ein Erpresser gewesen ist und möglicherweise von einem seiner Opfer umgebracht wurde...    Mit  DAS LÄCHELN DER WITWE  startet Christian Dörge, Autor u. a. der Krimi-Serien  Ein Fall für Remigius Jungblut ,  Die unheimlichen Fälle des Edgar Wallace  und  Friesland , eine Reihe von Noir-Krimis um den Frankenberger Privatdetektiv Lafayette Bismarck. 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

 

 

 

CHRISTIAN DÖRGE

 

 

DAS LÄCHELN DER WITWE

 

 

 

 

Roman

 

 

 

 

Signum-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Der Autor 

 

DAS LÄCHELN DER WITWE 

Die Hauptpersonen dieses Romans 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

Zweiundzwanzigstes Kapitel 

Dreiundzwanzigstes Kapitel 

Vierundzwanzigstes Kapitel 

Fünfundzwanzigstes Kapitel 

Sechsundzwanzigstes Kapitel 

Siebenundzwanzigstes Kapitel 

Achtundzwanzigstes Kapitel 

Neunundzwanzigstes Kapitel 

Dreißigstes Kapitel 

Einunddreißigstes Kapitel 

Zweiunddreißigstes Kapitel 

Das Buch

 

 

Frankenberg an der Eder im Jahr 1960: 

Lafayette Bismarck, Privatdetektiv in der hessischen Provinz, kennt diese Stadt besser als seine Westentasche: Er weiß nur zu gut, dass sich hinter der Fassade aus freundlicher Gutbürgerlichkeit ein Sumpf aus Verbrechen jeglicher Art verbirgt. So wundert es ihn keineswegs, als eines schönen Tages im November Kirsten Hermani in seinem Büro auftaucht und ihn um Aufklärung des Mordes an ihrem Ehemann bittet, der in der Nacht zuvor tot auf der Wehrweide aufgefunden wurde.

Eher widerwillig nimmt Bismarck den Auftrag an – und erste Ermittlungen deuten darauf hin, dass der Ermordete ein Erpresser gewesen ist und möglicherweise von einem seiner Opfer umgebracht wurde...

 

Mit Das Lächeln der Witwe startetChristian Dörge, Autor u. a. der Krimi-Serien Ein Fall für Remigius Jungblut, Die unheimlichen Fälle des Edgar Wallace und Friesland, eine Reihe von Noir-Krimis um den Frankenberger Privatdetektiv Lafayette Bismarck. 

Der Autor

 

Christian Dörge, Jahrgang 1969.

Schriftsteller, Dramatiker, Musiker, Theater-Schauspieler und -Regisseur.

Erste Veröffentlichungen 1988 und 1989:  Phenomena (Roman), Opera (Texte).  

Von 1989 bis 1993 Leiter der Theatergruppe Orphée-Dramatiques und Inszenierung  

eigener Werke,  u.a. Eine Selbstspiegelung des Poeten (1990), Das Testament des Orpheus (1990), Das Gefängnis (1992) und Hamlet-Monologe (2014). 

1988 bis 2018: Diverse Veröffentlichungen in Anthologien und Literatur-Periodika.

Veröffentlichung der Textsammlungen Automatik (1991) sowie Gift und Lichter von Paris (beide 1993). 

Seit 1992 erfolgreich als Komponist und Sänger seiner Projekte Syria und Borgia Disco sowie als Spoken Words-Artist im Rahmen zahlreicher Literatur-Vertonungen; Veröffentlichung von über 60 Alben, u.a. Ozymandias Of Egypt (1994), Marrakesh Night Market (1995), Antiphon (1996), A Gift From Culture (1996), Metroland (1999), Slow Night (2003), Sixties Alien Love Story (2010), American Gothic (2011), Flower Mercy Needle Chain (2011), Analog (2010), Apotheosis (2011), Tristana 9212 (2012), On Glass (2014), The Sound Of Snow (2015), American Life (2015), Cyberpunk (2016), Ghost Of A Bad Idea – The Very Best Of Christian Dörge (2017). 

Rückkehr zur Literatur im Jahr 2013: Veröffentlichung der Theaterstücke Hamlet-Monologe und Macbeth-Monologe (beide 2015) und von Kopernikus 8818 – Eine Werkausgabe (2019), einer ersten umfangreichen Werkschau seiner experimentelleren Arbeiten.  

2021 veröffentlicht Christian Dörge mehrere Kriminal-Romane und beginnt drei Roman-Serien: Die unheimlichen Fälle des Edgar Wallace, Ein Fall für Remigius Jungblut und Friesland. 

DAS LÄCHELN DER WITWE

 

  Die Hauptpersonen dieses Romans

 

 

Lafayette Bismarck: Privatdetektiv aus Frankenberg. Besonderes Kennzeichen: das flammend-rote Haar. 

Kirsten Hermani: die Witwe eines Graphologen. 

Daniela Fleckenstein: Sekretärin und Schauspielerin. 

Jacob Bötzel: Hauptkommissar bei der Kriminalpolizei. 

Randolf Pfeiffer: Inspektor bei der Kriminalpolizei. 

Ina Euler: Bismarcks Sekretärin. 

Erich Fritsche: Bismarcks Informant. 

Paul Elsner: stellvertretender Chefredakteur der Frankenberger Zeitung.

Herbert Höllenbrandt: Börsenmakler. 

Peggy Höllenbrandt: seine Tochter. 

Thomas Goldstein: Geschäftsführer der Schlangengrube.

Andreas Hachenberg: ein ehemaliger Offizier. 

Pénélope Lannier: ein Dienstmädchen. 

Fritz Grom & Elmar Schmauß: zwei Ganoven. 

Dr. Rüdiger Ostheim: ein Arzt. 

Ralf Ruckert: Erster Offizier des Binnenschiffs Eschwege.

Rolf Witzel: väterlicher Freund Bismarcks. 

Carlo Moscati: Chauffeur. 

Charles Ortwein: ein undurchsichtiger Geschäftsmann. 

Clarissa Neuschäfer: eine Tänzerin. 

 

 

 

Dieser Roman spielt in der hessischen Kleinstadt Frankenberg im Jahre 1960.

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Als meine Sekretärin die neue Klientin hereinführte, erhob ich mich und rückte höflich den Besuchersessel zurecht. Kirsten Hermani bedachte mich mit einem inquisitorischen Blick und einem formvollendet synthetischen Lächeln. Dann setzten wir uns.

Sie war ganz und gar nicht mein Typ. Das lag keineswegs daran, dass sie die Vierzig bereits überschritten hatte. Aber der konkrete Grund dafür erschloss sich mir im Moment noch nicht. Sie schien zu jenen Frauen zu gehören, die unter allen Umständen schlank sein wollen. Schlankheit bedeutet Jugend, so glauben sie. Manche dieser Frauen aber wirken lediglich... unterernährt. Frau Hermani jedenfalls konnte man rundheraus als dürr bezeichnen. Ihr Gesicht war hager und verhärmt, und wenn sie lächelte, erinnerte sie an einen Alligator, den man um das Frühstück betrogen hat.

Gekleidet war sie auf sonderbare Weise, wie man es öfter bei Frauen ihres Typs beobachten kann: Der Rock wirkt wie eine zu eng geratene Hose und die Kostümjacke wie eine stramme Weste. Kurzum – Frau Hermani sah aus wie ein ungeschickt verpacktes Paket. Von den Augenbrauen bis zum Charme, alles an ihr schien stromlinienförmig zurechtgemacht. Selbst der letzte Rest Natürlichkeit war in eine Uniform gepresst worden.

Sie legte ihre schmale graue Handtasche auf meinen Schreibtisch, streifte einen grauen Handschuh von den Fingern und blickte auf ihre mit Brillanten besetzte Armbanduhr.

»Sie habe schon eine Menge von mir gehört«, begann sie das Gespräch. Allerdings – wer hatte sie doch gleich an mich weiterempfohlen...? War es Walter Gregori gewesen...? Den Fall seiner Frau hätte ich in der Tat auf geradezu brillante Weise gelöst. So schwatzte meine neue Klientin, klapperte mit den Armbändern und bedachte mich zwischendurch mit ihrem Saurierlächeln.

»Ihr Vorname lässt vermuten, dass Ihre Eltern gewisse frankophile Neigungen hatten«, bemerkte sie. »Aber Sie wirken so deutsch wie das Arminius-Denkmal.«

Gelangweilt klärte ich sie darüber auf, dass mein Vater Deutscher, meine Mutter Französin war und ich selbst das Licht der Welt in Frankfurt am Main erblickte. Während ich sprach, musterte sie mich scharf. Natürlich konnte es ihr nicht entgangen sein, dass sie mir nicht sonderlich sympathisch war. Allerdings wusste ich immer noch nicht genau, warum ich ihr so wenig Sympathie entgegenbringen konnte.

Ich blickte ostentativ auf meine Uhr. Augenblicklich kam sie zur Sache.

»Ich verstehe. Sie haben viel zu tun. Es handelt sich um meinen Mann. Ich möchte, dass Sie sich des Falles annehmen...«

Sie hielt inne, als ich den Kopf schüttelte. Derartige Aufträge interessieren mich nicht.

»Tut mir leid, Frau Hermani. Wenn es sich um eine Scheidungsangelegenheit handeln sollte...«

»Scheidung!« Ihre kleinen dunklen Augen blitzten mich empört an. »Es handelt sich um einen Mord! In den Zeitungen steht wahrscheinlich noch nichts davon. Heute Nacht hat man meinen Mann ermordet. Gewiss...«, sie hob die Augenbrauen, »...man könnte das auch eine Scheidung nennen!«

Ihr Lachen klang schrill, beinahe hysterisch. Ich stand auf und öffnete den wichtigsten Schrank im Büro.

»Ihr Gatte wurde also ermordet, Frau Hermani? Hat sich denn die Polizei des Falles noch nicht angenommen? Darf ich Ihnen einen Cognac anbieten?«

Meine letzte Frage beantwortete sie mit einem Nicken. Ich nahm die Flasche Montaubert, Sodawasser und zwei Gläser, schenkte ihr einen Drink ein und mixte mir einen Cinzano-Campari.

»Prosit!«, sagte sie. »Ja, selbstverständlich weiß die Polizei Bescheid. Von diesen Leuten erfuhr ich schließlich von diesem Schlamassel. Heute früh, zu einer ganz unmöglichen Stunde, tauchten sie plötzlich auf und überbrachten mir die Nachricht. Die schienen doch tatsächlich der Meinung zu sein, ich müsse Rudolfs Abwesenheit bemerkt haben. Als ob das bei uns etwas zu sagen gehabt hätte, wenn er mal eine Nacht nicht nach Hause kam. Seit Jahren schon schlafen wir getrennt. Zwei Betten sind besser als eins – finden Sie nicht auch? Aber vielleicht sind Sie in diesem Punkt anderer Ansicht...?«

Sie warf mir einen abschätzenden Blick zu, trank einen Schluck und lachte. Dann öffnete sie die schmale graue Handtasche, und der Duft eines französischen Parfüms wehte mir entgegen. Ich erspähte ein Bündel Geldscheine, eine Puderdose und mehrere Schlüssel. Sie angelte sich ein Päckchen billige Zigaretten heraus, und ich reichte ihr Feuer.

»Der Hauptkommissar heißt übrigens Bötzel. Ein kompletter Narr, dieser Mensch. Obendrein auch noch unverschämt. Er schien sich doch tatsächlich einzubilden, er könne mich einschüchtern. Mich und mein Dienstmädchen. Hat vermutlich zu viele schlechte Kriminalfilme gesehen. Wieso ich nicht bemerkt hätte, dass mein Mann nicht nach Hause kam! So was! Polizisten gehen wohl abends immer sofort nach Hause zu ihren Frauen? In den Kopf dieser vorbildlichen Ehemänner geht es wohl nicht hinein, dass es auch noch exklusive Clubs gibt, wo die Herren der Schöpfung hin und wieder zu übernachten die Möglichkeit haben. Dieser Bötzel ließ deutlich durchblicken, dass er mir nicht glaubt. Warum außerhalb übernachten, wenn man am Illersteg wohnt und vom Ortenberg in zehn Minuten zu Hause sein kann? Warum? Das wollte diesem engstirnigen Hauptkommissar absolut nicht einleuchten.«

Ich setzte mich wieder hinter den Schreibtisch. »Aber so unrecht hat er doch gar nicht«, warf ich ein.

»Natürlich nicht«, erwiderte sie und nickte heftig. Sie rauchte viel zu hastig und klopfte fortwährend nicht vorhandene Asche von ihrer Zigarette. Inzwischen hatte sie auch den linken Handschuh heruntergestreift, und ich bemerkte die Nikotinflecken an ihren klauenartigen Fingern. Blutrot leuchteten die lackierten Nägel.

»Natürlich nicht«, wiederholte sie. »Aber – Herrgott, Sie müssten doch eigentlich wissen, was ich meine. Rudolf und ich – wir haben jeder unser eigenes Leben gelebt. Er hatte eine Sekretärin, Daniela Fleckenstein heißt sie. Ich kenne sie nicht einmal persönlich, aber diese Sache ging von mir aus in Ordnung. Und nun kommt dieser Bötzel daher! Hatte er vielleicht im Ernst erwartet, dass ich mit der Geschichte meiner Ehe hausieren gehe?«

Ich nippte an meinem Drink und zündete mir eine Zigarette an.

»Hören Sie, Frau Hermani. Ich bin nur ein Privatdetektiv. Meine Person stellt praktisch die ganze Streitmacht dar, die mir zur Verfügung steht. Ich fragte Sie nur deshalb nach der Polizei, weil sie die einzig richte Institution ist, um einen Mord aufzuklären.«

»Und?«, fragte sie. »Betreiben Sie etwa nur deshalb ein Geschäft, um Geschäfte abzulehnen?«

»Vielleicht«, erwiderte ich.

»Seien Sie doch nicht albern!« Sie schenkte mir ein Lächeln, das mich beinahe vom Stuhl warf. »Ich habe Ihnen doch bereits erklärt – dieser Bötzel ist dumm, arrogant und unverschämt.«

»Bötzel ist ein ausgesprochen kompetenter Polizeibeamter«, widersprach ich. »Ich kenne ihn.«

»So. Sie kennen ihn! Kennen Sie ihn schon länger? Ich bin ihm heute Morgen das erste Mal begegnet, und das hat mir genügt. Ich brauche einen ideenreichen Mann, einen Mann mit Bildung, mit rascher Auffassungsgabe. Sie sind genau der Richtige. Die Polizei wird diesen Fall niemals lösen!«

Ich schüttelte den Kopf. »Hören Sie«, sagte ich ablehnend. »In Kriminalromanen ist der Privatdetektiv immer schlauer als die Polizei. Natürlich steckt darin ein Körnchen Wahrheit. Letzten Endes beruht Detektivarbeit auf Scharfsinn und Phantasie. Aber heute gilt diese Tatsache weit weniger als in den Tagen eines Edgar Allan Poe oder eines Sherlock Holmes. Heute ist die Aufklärung eines Verbrechens eher eine Frage der Organisation und der wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden.«

»Schön und gut!«, winkte sie ab. »Ich bin im Bilde. Sie verfügen über kein Laboratorium, Sie können eine Spur nicht wissenschaftlich untersuchen. Aber zunächst muss diese Spur überhaupt erst mal gefunden werden. Und Bötzel hat bis jetzt keine einzige gefunden.«

»Soll das heißen, dass Sie mehr wissen als er?«

Sie verneinte. »Vielleicht kommt mir aber noch eine Idee. Dann werde ich sie Ihnen herzlich gern verraten. Ihnen und nicht diesem Hauptkommissar. Vertrauen gegen Vertrauen! Ich werde es Ihnen sagen, wenn mir etwas einfällt, und Sie werden mir sagen, was Sie herausgefunden haben. Ein Mann wie Bötzel... würde niemals mit offenen Karten spielen. Er ist verschlossen wie eine Auster. Außerdem sind Sie ihm gegenüber im Vorteil. Sie haben keine festen Dienststunden. Und Sie sind ein richtiger Herr. Sie können sich besser und unauffälliger an die Leute heranmachen als ein Polizeibeamter – selbst wenn er ein Genie wäre.«

Sie zündete sich eine frische Zigarette an und fischte ein Bündel Geldscheine aus ihrer Handtasche.

»Da«, sagte sie und schob zweihundert Mark vor mich hin. »Wenn es aufgebraucht ist, gibt es mehr. Herrgott, was ist mit Ihnen los? Stellen Sie sich nicht so an. Sind Sie nun Detektiv, oder sind Sie es nicht? Na also! Ich will ja nur, dass Sie Ihren Job machen, nichts weiter.«

Über ihr Gesicht glitt der Schatten eines echten Gefühls, ihre Stimme klang plötzlich seltsam brüchig. »Zum Teufel, so begreifen Sie doch endlich! Trotz allem habe ich Rudolf geliebt. Wir kamen gut miteinander aus... trotz allem. Und nun hat ihm irgendein... irgendein Lump den Schädel eingeschlagen. Begreifen Sie denn nicht, dass ich wissen will, wer es war?«

Ich zog zwei Fünfzig-Mark-Scheine aus dem vor mir liegenden Bündel und schob das übrige Geld wieder hin.

»Okay! Ich werde ein paar Tage dafür opfern.«

»Zwei Tage! Aber...«

»Moment, Frau Hermani. Die Kriminalpolizei hat den Fall bereits in Händen. Sie sind offensichtlich voreingenommen, sonst würden Sie zugeben, dass ein Privatdetektiv kaum mit der Polizei konkurrieren kann. Und – wie gesagt – Hauptkommissar Bötzel ist wirklich kompetent.«

»Viel zu kompetent, wie mir scheint. Dieser Mensch verfolgt eine völlig falsche Spur. Er will mir doch allen Ernstes weismachen, dass Rudolf ein Erpresser war und von einem seiner Opfer umgebracht wurde.«

Ich nahm das Glas und nippte bedächtig an meinem Drink.

Unsere Blicke trafen sich. In ihren dunklen Augen stand ein Ausdruck, den ich nicht zu deuten vermochte.

»Und das entspricht nicht der Wahrheit?«, fragte ich langsam.

»Selbstverständlich nicht! Rudolf ist... Rudolf war Graphologe. Handschriften-Experte. Er war sehr angesehen und bekam Aufträge von großen und bedeutenden Unternehmen. Von Banken zum Beispiel. Bei Neueinstellungen oder bei Kreditanträgen fragten sie ihn oft um Rat.«

»Ich verstehe. Könnten Sie mir nun bitte Einzelheiten über die Ermordung Ihres Gatten geben? Letzte Nacht geschah es, sagten Sie?«

Sie zündete sich an der erst halb gerauchten Zigarette eine andere an und ließ die alte auf den Boden fallen.

»Ich kann Ihnen nur das sagen, was ich von der Polizei erfahren habe. Leider war ich ziemlich aufgeregt... Möglicherweise habe ich nicht alles richtig verstanden. Aber vielleicht können Sie die Einzelheiten von Bötzel erfahren, da er doch – wenn ich Sie richtig verstanden habe – ein guter Freund von Ihnen ist...«

»Sicherlich. Aber ich hätte gern beide Versionen gehört.«

»Also schön. Rudolf wurde auf der Wehrweide ermordet. Zwischen elf Uhr abends und ein Uhr morgens. Die Zeit lässt sich nicht genauer bestimmen. Nun, davon verstehen Sie vielleicht mehr als ich. Rudolf wurde zunächst bewusstlos geschlagen, wahrscheinlich mit einem schweren Stock, und anschließend wurde er unter die Bäume geschleift. Dort hat man ihn erstickt. Mit einem Schal oder mit einem Taschentuch oder mit Erde – ich weiß das nicht genau. Seine Leiche wurde bei Morgengrauen von einem Angler gefunden, der über die Wiesen ging.«

»Wurde Ihr Gatte beraubt?«

»Er persönlich nicht. Er trug ungefähr hundert Mark bei sich und eine kostbare Armbanduhr. Aus seinen Taschen hat man ihm nichts entwendet.«

»Aber?«

»Sein Büro wurde ausgeraubt. Es ist in der Ritterstraße. Heute in den frühen Morgenstunden wurde der Tresor geknackt...« Sie brach ab und drückte hastig ihre Zigarette im Aschenbecher aus.

»Man hat Geld oder Wertsachen mitgenommen?«

»Das kann ich nicht sagen. Wahrscheinlich wird das niemand sagen können. Man hat Papiere im Ofen verbrannt. Briefe und dergleichen. Darum Bötzels brillante Theorie, dass mein Mann ein Erpresser war, der von einem oder mehreren seiner Opfer umgebracht worden ist. Anschließend wurde der Tresor aufgebrochen und die kompromittierenden Papiere verbrannt – das zumindest behauptet Bötzel.«

»Sieh an! Die verkohlten Überreste wird die Polizei sichergestellt haben. Wissen Sie, ob es bereits gelungen ist, irgendwelche Schriften zu entziffern?«

»Ist so was denn möglich?«

»Gewiss.«

»Nun, dann wird es wohl der Fall sein. Wer weiß, was da zum Vorschein gekommen ist. Auf jeden Fall haben sie es völlig missverstanden, sonst könnten sie kaum auf die Idee gekommen sein, dass Rudolf ein Erpresser war. Es sei denn, der Lump, der meinen Mann umgebracht hat, begnügte sich nicht mit dem Mord, sondern versuchte auch noch obendrein Rudolfs guten Ruf und sein geschäftliches Ansehen zu vernichten.«

»Das wäre möglich«, gab ich zu. »Aber können Sie mir sagen, wer Ihren Gatten derartig gehasst hätte?«

»Mein Gott, woher soll ich das wissen!«

»Jemand hasst Ihren Gatten so sehr, dass er ihn umbringt. Damit setzt er sein eigenes Leben und seine eigene Sicherheit aufs Spiel. Nicht genug damit, fährt er von der Wehrweide zur Ritterstraße, bricht in das Büro ein und hinterlässt sorgfältig und raffiniert vorbereitetes Beweismaterial, das Ihren Gatten als Erpresser ausweist. Könnte ein solcher Hass Ihrem Gatten oder Ihnen verborgen geblieben sein? Das glaube ich kaum. Wie lange waren Sie eigentlich verheiratet, Frau Hermani?«

»Wir heirateten kurz nach dem Krieg. Aber ich kann mir beim besten Willen niemanden vorstellen, der zu einer solchen Feindschaft fähig gewesen wäre. Vor allem wüsste ich keinen Grund dafür. Ihre Worte klingen natürlich sehr einleuchtend, aber ich kann Ihnen wirklich keine entsprechenden Erklärungen geben. Allerdings war Rudolf nie sehr mitteilsam. Über geschäftliche Dinge hat mein Mann überhaupt nicht mit mir gesprochen.«

»Trotzdem sind Sie felsenfest davon überzeugt, dass er niemanden erpresst hat?«

»Aber ich bitte Sie! Natürlich hat er das nicht getan. Er war Graphologe – ein sehr bekannter Graphologe!«

Sie blickte auf die Uhr, stieß einen spitzen Schrei aus und sprang auf. »Ich bin in der Stadt verabredet. Nun... Sie finden mich im Telefonbuch, und hier ist meine Karte. Sie werden Ihr Bestes tun, Herr Bismarck? Der Gedanke ist einfach schrecklich für mich, dass man Rudolf nicht nur ermordete, sondern auch noch seinen Namen in den Schmutz zieht. Und das ausgerechnet von Seiten der Polizei! Legen Sie sich kräftig ins Zeug und halten Sie mich auf dem Laufenden. Ich muss alles wissen, ganz gleich, wie unwichtig es auch scheinen mag. Vielleicht finden wir gerade über scheinbar nebensächlichen Dingen die entscheidende Spur.«

»Das wäre möglich«, erwiderte ich.

Sie nahm Handtasche und Pelz, und ich begleitete sie zur Tür.

Als sie gegangen war, tauchte Ina Euler, meine Sekretärin, auf. Auf ihrem eckigen, leicht jungenhaft wirkenden Gesicht spielte ein spöttisches Lächeln.

»Wir haben eine neue Klientin, oder?«, fragte sie sanft.

»Vielleicht«, brummte ich. »Wenigstens für die nächsten zwei Tage.«

»Wer oder was ist sie eigentlich? Sie sieht einfach phantastisch aus!«

»Eine sehr kluge Dame. Sie hält die Polizei für lauter Narren und anscheinend nicht nur die Polizei. Ihr Mann ist heute Nacht auf der Wehrweide erschlagen worden. Haben Sie in den Zeitungen etwas darüber gelesen?«

Ina verneinte. »Aber ich sehe mir ja ohnehin nur noch die Bilder an. Das Lesen von Zeitungen habe ich mir längst abgewöhnt. Und warum hat man die bessere Hälfte dieser Person erschlagen?«

»Tja, das scheint mir eine ganz seltsame Geschichte zu sein. Zumal sie steif und fest behauptet, er sei kein Erpresser gewesen.«

»Nun... Und hat sie Ihnen verraten, was er in Wirklichkeit war?«

»Graphologe.«

»Lieber Himmel! Ist mit so was Geld zu verdienen? Und zu welchem Zweck?«

»Die Leute wollen mitunter so mancherlei wissen. Zum Beispiel – kann ich meiner Sekretärin Vertrauen entgegenbringen? Der Handschriftenexperte wird mir diese Frage sofort beantworten können. Er analysiert ihren Charakter, gibt Auskunft über ihr liebenswürdiges oder abstoßendes Wesen, ihre angeborene Bescheidenheit, erkennt vielleicht sogar ihre Geschlechtszugehörigkeit.«

»Großer Gott!« Ina grinste und ging zur Tür. »Wenn der Gute übrigens auf der Wehrweide ermordet wurde, wird sich die Polizei um den Fall kümmern. Kaum zu verstehen, was sie von Ihnen will. Was verspricht sie sich davon, Sie zu engagieren?«

»Bötzel bearbeitet den Fall. Er glaubt, dass Hermani ein Erpresser war, der von einem seiner Opfer umgebracht wurde.«

»Und?« Ina zog die Brauen hoch. »Sie denken doch wohl nicht, dass er sich irrt? Jacob Bötzel mag wohl schon mal den einen oder anderen Fehler machen, aber einen derart kapitalen doch wohl kaum.«

»Irgendwas ist faul an der Geschichte, meine Liebe. Jedenfalls werde ich ein paar Tage dafür opfern. Zur Wehrweide zu fahren, dürfte wenig Sinn haben. Ich werde wohl besser versuchen, einen Blick in Hermanis Büro zu werfen. Irgendwo muss ich ja schließlich anfangen...«

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Es war bereits November, aber die Sonne schien warm, und die klassenlose Gesellschaft von Mayfair erging sich müßig in den Straßen. Es würde sich kaum lohnen, den Wagen aus der Garage zu holen, um dann im Schneckentempo die Kanton-Brou-Straße entlangzuschleichen. Mir schien es angenehmer, und vermutlich war es auch weniger umständlicher, zu Fuß zu gehen.

Ohne Mühe fand ich das Haus Nr. 18 in der Ritterstraße. Es machte einen heruntergekommenen Eindruck. Rudolf Hermani schien demnach wenig Wert auf Äußerlichkeiten gelegt zu haben. Nun, wenn man sich seines persönlichen Wertes bewusst ist, kann man auf jegliche Reklame verzichten. Oder blieb seinen Kunden ohnehin keine Wahl? Mussten sie nicht zwangsläufig bei ihm vorsprechen, ob sie wollten oder nicht...?

Im Hausflur schlug mir ein undefinierbares Gemisch der verschiedensten Gerüche entgegen, dazu der Staub eines Jahrhunderts. Auf einem Namensschild, das einmal weiß gewesen sein musste, prangte in schwarzen Buchstaben der Name Rudolf Hermani. Allerdings waren drei Buchstaben irgendwann einmal abgefallen. Als ich mir dieses Schild näher besah, fühlte ich mich beobachtet. Ein stämmiger Mann im grauen Trenchcoat stand da und musterte mich. Ein Kriminalbeamter in unauffälligstem Zivil – noch unauffälliger ging es nun wirklich nicht.

Ich nickte ihm zu. »Kalt heute, wie?«

Er brummte etwas Unverständliches und verschwand.

Ich stieg die Treppe hinauf zum dritten Stock. Als ich höher kam, wurde es um eine Kleinigkeit heller, aber der Geruch blieb der gleiche. Oben angekommen, fand ich mich gleich zurecht. An der Bürotür stand sein Name und darunter in kleineren Lettern Schriftsachverständiger.

Auf mein Klopfen bekam ich keine Antwort. Ich drehte am Türknopf, und als die Tür nachgab, spazierte ich ungeniert hinein.

Das Zimmer war denkbar schlicht möbliert. Die ganze Einrichtung sah aus, als hätte Hermani sie billig bei einem Trödler erstanden. Auf einem wackligen Tisch stand eine uralte Schreibmaschine, ansonsten befanden sich in dem Raum zwei Korbstühle und ein paar Stahlregale – das war alles. Eine Tür führte in ein angrenzendes Zimmer. Als ich darauf zuging, öffnete sie sich und eine junge Frau kam heraus.

Schlagartig veränderte sich die Szene. Das triste Haus, die graue Ritterstraße, ja, vielleicht die ganze Frankenberger Altstadt erschien mir plötzlich hell und licht, und das nur, weil mich eine berückend schöne Frau charmant anlächelte.

»Oh... entschuldigen Sie. Ich hatte Sie gar nicht gehört. Ich dachte, Sie wären hier inzwischen fertig.«

»Das tut mir leid«, stotterte ich. »Ich wollte nur einen kurzen Blick auf den Tresor werfen. Wenn ich Sie allerdings...«

»Durchaus nicht«, erwiderte sie. »Aber... wird es noch lange dauern? Ich wollte gerade zum Essen gehen.«

Ich schüttelte den Kopf. Ihr plötzliches Auftauchen hatte mich völlig aus dem Konzept gebracht. Das wäre jedem so gegangen. Sie musste knapp über Dreißig sein. Schlank, geschmackvoll angezogen und eben nicht wie ein ungeschickt verpacktes Paket. Sie sah keineswegs naiv aus, sondern machte einen recht erfahrenen Eindruck.

»Es dauert keine Minute«, versprach ich. »Sie müssen Daniela Fleckenstein sein.«

»Mir bleibt nichts anderes übrig, als es zuzugeben«, meinte sie lachend. »Aber ich habe keine Ahnung, wer Sie sind. Zuerst dachte ich, dass Sie von der Polizei sind, aber wenn ich Sie mir genauer betrachte...«

»Ich bin Privatdetektiv. Mein Name ist Bismarck.«

»Oh, in diesem Fall...«

»Ich arbeite für Frau Hermani«, fuhr ich hastig fort.

»Tatsächlich? Sind Sie auch ganz sicher, dass Sie kein Reporter sind? Ich hätte eigentlich schon vor einer halben Stunde gehen sollen, und ich habe Hauptkommissar Bötzel versprochen...«

»Das geht schon in Ordnung«, winkte ich ab. »Ich bin mit Jacob Bötzel befreundet. Wenn ich nicht gerade Blumen gieße, bringe ich ihm Französisch bei.«

Inzwischen hatte ich das Chefbüro betreten. Es war auf andere Weise eingerichtet als das schäbige Vorzimmer – nämlich genau so, wie sich das gehört: ein schöner Teppich, zwei bequeme Clubsessel, ein Barockschreibtisch mit dazugehörigem Sessel, drei alte Kupferstiche. In einer Ecke lag der umgestürzte Tresor mit aufgeschweißter Rückwand. Daneben stand ein eiserner Ofen, vor dem verkohlte Papierreste und eine schmutzige Wasserlache ein makabres Stillleben abgaben.

Daniela Fleckenstein folgte meinem Blick.

»Ich fürchte, Sie kommen zu spät. Die Polizei hat schon alles mitgenommen. Offen gestanden wundere ich mich, was Kirsten Hermani sich eigentlich von Ihnen erhofft. Sie nehmen mir meine Skepsis hoffentlich nicht übel?«

»Durchaus nicht. Ich frage mich nämlich dasselbe. Die Polizei hat einen Teil der verbrannten Papiere mitgenommen?«

»Ja, ich möchte nur wissen, warum. Es war ja alles vollständig verbrannt. Der Ofen war bis obenhin vollgestopft.«

Ich betrachtete das Mädchen. Ihre braunen Augen passten wunderbar zu dem goldbraunen Haar.

»Wenn man verbrannte Schriftsachen sorgfältig einsammelt und mit einem Fixativ aus Schellack und Alkohol behandelt, würden Sie überrascht sein, was da alles wieder zum Vorschein kommt. Oder wären Sie gar nicht überrascht, Fräulein Fleckenstein?«

»Bestimmt sogar. Ich weiß nicht einmal, was ein Fixativ ist.«

Ich nickte. »Und genauso überrascht sind Sie von der Tatsache, dass hier eingebrochen wurde, nur um ein paar Schriftproben zu vernichten, die man einem Graphologen zur Begutachtung übergeben hat, nicht wahr?«

»Gewiss. Das Ganze ist eine reichlich merkwürdige Angelegenheit.«

»Aber eine Angelegenheit, die sich nicht leugnen lässt. Es waren doch handgeschriebene Briefe, die verbrannt wurden? Und diese hatten sich im Tresor befunden?«

»Ja, soviel ich weiß.«

»Und wenn es anders wäre, würden Sie es dann auch wissen? Hatten Sie Zugang zum Tresor?«

»Nein. Es gab nur einen Schlüssel, und den verwahrte Herr Hermani. Aber vielleicht ist das Ganze doch nicht so absurd, wie es scheint. Auch Briefe können einen gewissen Wert besitzen, nicht wahr? Ich meine, für den Schreiber selbst.«

»Das wäre denkbar«, erwiderte ich.

Wieder trafen sich unsere Blicke, und sie errötete. »Ich bekleidete hier eine etwas ungewöhnliche Stellung«, bekannte sie. »Wenigstens fanden das die meisten Leute. Ich habe nämlich...« Sie zögerte. Dann fuhr sie hastig fort: »Ich habe eine übernatürliche, oder sagen wir lieber – eigenartige – Gabe. Es gibt Tage, da brauche ich einen handgeschriebenen Brief nur anzusehen, um gewisse Dinge zu fühlen... Ich kann Einzelheiten über den Schreiber aussagen, über seine Gesundheit, über seine geistige Verfassung, manchmal sogar über zukünftige Ereignisse.«

»Von einer solchen Begabung habe ich schon gehört«, erwiderte ich. »Auf diese Weise arbeiteten Sie also mit Hermani zusammen? Sie ergänzten durch Ihre Intuition seine wissenschaftlich fundierte Schriftanalyse?«

»So ist es.« Sie nickte erleichtert. »Besser hätte man unsere Zusammenarbeit gar nicht definieren können. Aber ich war nicht besonders glücklich dabei. Diese Arbeit war ziemlich exzentrisch, und mir war jedes Mal sehr sonderbar zumute.«

»Nun, jetzt werden Sie wahrscheinlich damit Schluss machen?«

»Ja, ich denke schon. Ich spiele mit dem Gedanken, zur Bühne zurückzugehen. Ich habe mich aber noch nicht endgültig entschlossen.«

»Ich verstehe«, erwiderte ich. Und dann, völlig zusammenhanglos: »Mögen Sie die französische Küche?«

Sie starrte mich verblüfft an, dann lachte sie.

»Ich habe sie bisher noch nicht versucht. Außerdem kommt diese Frage... sehr plötzlich.«

»Sie sollten sie aber einmal versuchen. Ich bin gerade auf dem Weg zum La Cuisine. Das ist ein Lokal am Obermarkt. Wollen Sie nicht mitkommen? Dann haben Sie gleich Gelegenheit, festzustellen, ob Sie französische Gerichte und französische Weine mögen.«

»Das klingt wirklich verführerisch! Ich muss hier nur noch abschließen. Eigentlich war ich nur hergekommen, um mir ein paar Sachen zu holen, die mein persönliches Eigentum sind. Den Schlüssel muss ich unten dem Polizisten geben.«

»Gut!« Ich lächelte sie an. »Übrigens gar keine schlechte Idee, wenn dieser Mann den Eindruck gewinnen würde, dass ich nur hierhergekommen bin, um Sie abzuholen.«

»Ach, nun ja...«

»Eigentlich ist das sogar der Fall. Als ich herkam, wusste ich nur noch nichts davon. Das Schicksal geht oft seltsame Wege...«

 

Mit einem Taxi fuhren wir zum La Cuisine. Ich führte Daniela die Treppe hinauf in den ersten Stock. Die gutgemeinte Unterhaltungsmusik des Gitarristen im Erdgeschoss war mir zu laut und verursachte mir stets ein beklemmendes Gefühl.

Pierre, der Besitzer des Lokals, begrüßte mich liebenswürdig. Als ich ihn mit meiner Begleiterin bekannt machte, strahlte er über das ganze Gesicht und beauftragte sofort einen Kellner, als Aperitif einen ganz besonderen Portwein zu holen.

Daniela amüsierte sich köstlich, als ich mit dem alten Herrn ausgiebig über die Speisenfolge diskutierte. Als er verschwunden war, hob sie fröhlich ihr Glas.

»Sie machen mich ja schrecklich neugierig! In meinem ganzen Leben habe ich noch nicht ein solches Getue um das Essen erlebt.«

»Das gehört einfach zum guten Tun.« Ich prostete ihr zu. »Wenn man auf die kleinen Annehmlichkeiten verzichten soll, hat das ganze Leben keinen Reiz mehr.«

Daniela stützte ihre Ellbogen auf und blickte mich prüfend an. »Sie sind wirklich ein seltsamer Detektiv.«

»Wollen Sie vielleicht meine Handschrift sehen?«

»Später einmal...« Sie wurde ernst. »Sind Sie Franzose?«

»Nur zur Hälfte. Warum sehen Sie mich so ernst an?«

»Ich frage mich, weshalb Kirsten Hermani ausgerechnet Sie mit Nachforschungen beauftragt hat.«

»Und was glauben Sie – warum hat sie es getan?«

»Ich weiß nicht. Ich kenne sie kaum. Ich habe sie nur zwei- oder dreimal flüchtig gesehen.«

»Und sie hat mir erzählt, dass sie Sie überhaupt nicht persönlich, sondern nur vom Hörensagen kennt.«

Daniela zuckte die Achseln. »Ich habe den Eindruck, dass sie eine krankhafte Lügnerin ist. Eine ziemlich eigenartige Frau...«

»Und wie war ihr Manu?«

»Ein übler Zeitgenosse.«

»In welcher Beziehung?«

»In vielerlei Beziehung.«

»Ein Erpresser...?«

Daniela führte ihr Glas an die Lippen, trank bedächtig einen Schluck und ließ die letzten Tropfen genießerisch auf der Zunge zergehen. »Das weiß ich nicht«, erwiderte sie schließlich. »Versuchen Sie nicht, etwas Falsches in meine Worte hinein zu interpretieren. Rudolf Hermani beschäftigte sich mit Graphologie. Das ist alles, was ich über seine Geschäfte weiß.«

»Trotzdem bezeichnen Sie ihn als üblen Zeitgenossen?«

Sie errötete. »Für einen Mann gibt es die verschiedensten Möglichkeiten, sich als übler Zeitgenosse zu erweisen. Die Polizei interessiert sich für den einen, als Frau sieht man den anderen.«

»Haben Sie ein Foto von ihm?«

»Um Himmels willen! Wie kommen Sie bloß auf diese Idee?«

Das Essen wurde serviert, und Daniela zeigte sich deutlich entzückt.

Ich musterte sie abwägend und wunderte mich. Im Allgemeinen weiß ich ziemlich schnell, in welche Kategorie ich ein Mädchen einzustufen habe. Nicht so bei Daniela Fleckenstein. Ihr Verhältnis zu Rudolf Hermani hätte eigentlich ziemlich eindeutig sein müssen, war es aber nicht. Zweifellos hatte sie für den Toten nur Verachtung übrig. Ihre Gabe, aus der Schrift eines Menschen die unheimlichsten Dinge herauslesen zu können, schien sie durchaus ernst zu nehmen. Während ich sie so beobachtete, vertiefte sich mein erster Eindruck. Sie war ein bezauberndes Wesen. Sie war nicht nur hübsch, sondern hatte auch Haltung und Selbstsicherheit. Ihre schlanken Hände verrieten die Sensibilität einer Künstlerin. Sie gab sich natürlich und unbeschwert, nur in ihren braunen, goldgefleckten Augen schien mir ein Widerspruch zu lauern. Sie hatte etwas zu verbergen, und ich würde mir alle Mühe geben, um herauszufinden, um was es sich dabei handelte. Eins allerdings stand fest: Sie war viel zu anziehend, um die Geliebte dieses Rudolf Hermani gewesen sein zu können! Dieses ekelhaften kleinen Gauners, der in einem schmutzigen Büro schmutzigen Geschäften nachgegangen war. Daniela hatte von der Bühne gesprochen, und dort schien sie mir eher hinzupassen.

Als wir beim Nachtisch angelangt waren, entschuldigte ich mich kurz.

Zunächst verschwand ich in einer Telefonzelle. Daniela Fleckensteins Anschrift stand nicht im Telefonbuch. Ich gab es auf und wählte die Nummer von Erich Fritsche.

»Herr Bismarck?« vernahm ich wenige Sekunden später seine atemlose Stimme. »Was gibt's? Haben Sie einen Job für mich?«

»Einen, der Ihnen bestimmt Spaß machen wird, Erich. Sie sollen eine hübsche junge Dame beschatten. Vom La Cuisine aus, wo ich gerade mit ihr esse. Folgen Sie ihr zu ihrer Wohnung oder wohin sie sonst gehen mag. Es interessiert mich, mit wem sie sich trifft und was sie tut. Aber Sie müssen in einer halben Stunde hier sein...«

Als ich ihm Daniela näher beschrieb, unterbrach er mich immer wieder mit entzückten Zwischenrufen, die ich reichlich albern fand.

Immerhin ist er schon an die Sechzig. Ich bat ihn, mir telefonisch Bericht zu erstatten; erreichbar wäre ich im Drachenclub. Er versprach, ein Taxi zu nehmen und in zwanzig Minuten in der Obermarkt zu sein.

Anschließend kaufte ich zwei Zeitungen und kehrte zu Daniela Fleckenstein zurück.