Das Lebkuchenhaus - Carmen Schneider - E-Book

Das Lebkuchenhaus E-Book

Carmen Schneider

3,0

Beschreibung

Als Anna am Morgen des ersten Dezember aufwacht, traut sie ihren Augen kaum. Ein wunderschönes Lebkuchenhaus steht dort auf ihrem Tisch. Dabei hatte ihre Mutter vor wenigen Tagen erst noch erklärt, dass es dieses Jahr erstmals keines geben würde. Aber irgend etwas an diesem Haus ist merkwürdig. Es ist anders, als jedes Haus, das Anna jemals zuvor gesehen hat. Als sie sich stürmisch bei ihrer Mama bedanken will, weiß diese von nichts..... 24 besinnliche und warmherzige Geschichten, die nicht nur Kinder auf Weihachten einstimmen und daran erinnern wollen, was im Leben wirklich wichtig und wertvoll ist.

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Ähnliche


WIDMUNG

Für alle die, die in den kleinen Dingen des Alltags noch Wunder finden wollen.

INHALTSVERZEICHNIS

Prolog

Samstag, der 1. Dezember

Sonntag, der 2. Dezember

Montag, der 3. Dezember

Dienstag, der 4. Dezember

Mittwoch, der 5. Dezember

Donnerstag, der 6. Dezember

Freitag, der 7. Dezember

Samstag, der 8. Dezember

Sonntag, der 9. Dezember

Montag, der 10. Dezember

Dienstag, der 11. Dezember

Mittwoch, der 12. Dezember

Donnerstag, der 13. Dezember

Freitag, der 14. Dezember

Samstag, der 15. Dezember

Sonntag, der 16. Dezember

Montag, der 17. Dezember

Dienstag, der 18. Dezember

Mittwoch, der 19. Dezember

Donnerstag, der 20. Dezember

Freitag, der 21. Dezember

Samstag, der 22. Dezember

Sonntag, der 23. Dezember

Montag, der 24. Dezember

Weihnachten ist...

Bisher erschienen

Der Gezeitenwald

PROLOG

Gestern Abend hatte es angefangen zu schneien. Als ich vor dem Zubettgehen meine Vorhänge zuzog, schwebten die großen Kristalle direkt auf meine Fenster zu. Es war der erste Schnee in diesem Jahr und schnell waren die unter uns liegenden Häuser und Felder mit einer wunderschönen, weißen Schicht bedeckt.

Aus den Schornsteinen stieg grauer Rauch auf, der einen lustigen Tanz mit den Flocken zu halten schien. Einige Fenster waren hell erleuchtet und hier und da strahlten verschiedene Engel und Sterne, Lichterketten und Rentiere mit ihrem warmen Licht in die Nacht...

Ich liebe diesen Ausblick aus meinen Fenstern. Und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Unser Haus ist an einen Hang gebaut und die an der gegenüberliegenden Straßenseite stehenden Häuser liegen mit ihren Dächern schon leicht unterhalb meines Fensters. Und so setzt sich das dann Häuserreihe für Häuserreihe fort. Auf diese Weise kann ich so den ganzen Ort überblicken, wie er sich gleich einer kuscheligen Katze an den Berg schmiegt.

Als ich noch kleiner war, hatte ich dort oft in meiner Fensternische auf der eingebauten Bank mit meinem dicken Kissen und der Decke gesessen und mir vorgestellt, als Prinzessin mein ganzes Reich zu überblicken. Denn mein Zimmer gleicht einem Turmzimmer, der Erker im Dachgeschoss lässt einen über der Straße und den anderen Häusern regelrecht schweben.

So vergaß ich auch gestern Abend bei dem wundervollen Anblick völlig die Zeit. Irgendwann muss ich mich halb schlafend zu meinem Bett geschleppt haben.

Zumindest bin ich heute Morgen darin aufgewacht. Das Zimmer ist trotz der zugezogenen Vorhänge schon taghell. Eilig springe ich auf und ziehe den schweren Stoff zur Seite, um zu sehen, ob der Schnee die letzte Nacht überstanden hat. Alles liegt unter einer weißen, dicken Decke.

Es ist Samstag. Es ist Samstag der 1. Dezember und ich habe viel Zeit. Langsam drehe ich mich zu meinem Tisch herum.

Mama sagt ja immer, dass ich eigentlich schon zu groß für ein Lebkuchenhaus bin. Sie will mir keins mehr backen. Und doch linse ich an jedem ersten Dezember wieder vorsichtig zum Tisch um zu sehen, ob sie diesmal ihre „Drohung“ wahr gemacht hat.

Puh, ich habe wieder Glück. Da steht es in seiner ganzen Pracht. Der dicke Zuckerguss ist bis auf den Teller getropft und das Dach ist über und über mit bunten Schokolinsen, leckeren Gummibärchen und kleinen Zuckerstangen verziert. Vor der Eingangstüre steht eine wunderschöne Hexe, die bei keinem Lebkuchenhaus fehlen darf. So ein ausgefallenes Exemplar hatte ich wirklich noch nie.

‚Wunderschöne‘ Hexe? Ich schaue die Figur noch einmal kritisch an. Wie hat es Mama bloß geschafft, sie so lebensecht zu machen? Alle bisherigen Hexen waren einfach aus leckerem Teig gebacken und in den Konturen ebenfalls mit Zuckerguss verziert.

Aber diese hier trägt ein schwarzes Kleid mit der farbenprächtigsten Patchwork Schürze, die ich je gesehen habe. Sie schillert in den kräftigsten Farben des Regenbogens. Jeder Flicken ist mit goldenen, geschwungenen Ornamenten verziert, die aussehen, als wären sie mit einer feinen Nadel handbestickt worden. Die langen, roten Haare sind mit einem schwarzen Samtband, das hier und da immer wieder durch die Haare blitzt, zu einem hohen Knoten aufgetürmt. Zu einem Knoten, aus dem sich rundherum wilde Locken gelöst haben, die sie eigentlich am Hals und hinter den Ohren wie verrückt kitzeln müssten. Winzigste, goldene Glöckchen sind an das schwarze Band genäht und ich rechne jeden Moment damit, dass die Hexe sich zu mir umdreht und die Bewegung ihres Kopfes ein leises Klingeln ihrer Glöckchen bewirkt.

Die Armabschlüsse des schillernden Kleides, die schon auf Ellbogenhöhe beginnen, sind stoffreich weit gehalten. Wie Vorhänge liegen sie neben ihrem Körper auf dem Kleid auf. Sie bestehen aus den gleichen Patchwork Elementen wie die Schürze, nur dass hier die Nähte und Stickereien aus einem glänzenden, silbernen Faden bestehen, der blitzt, dass es einen fast ein wenig blendet.

In der linken Hand trägt die Figur den typischen Reisigbesen, der lässig neben ihrem Fuß auf dem Boden steht. Und mit der rechten Hand hält sie einen riesigen Sack, den sie über ihre Schulter gelegt hat. Durch das schwere Gewicht wirkt ihre Haltung leicht schief und gedrückt und... was denke ich da überhaupt?

Es wird Zeit, dass ich mich anziehe, hinuntergehe und meiner Mama erst mal einen dicken Schmatz und eine große Umarmung gebe. Mit diesem Lebkuchenhaus hat sie sich selbst übertroffen.

Während ich mir noch meinen dicken, kuscheligen Pullover über meine beiden Ohren ziehe, höre ich ein leises Klingeln. Wie beim alten Spiel „Ochs, Ochs hinterm Berg“ drehe ich mich ruckartig herum, aber ich kann keine Bewegung wahrnehmen. Mit versteinertem Blick und doch einem Lächeln auf dem porzellanartigen Gesicht, schaut mich die kleine Hexe an. Ein kleiner Schauer überläuft mich. Na, wenn es da nicht mal höchste Zeit für einen warmen Kakao ist. Ich ziehe die Türe hinter mir zu und nehme direkten Kurs auf die Küche.

SAMSTAG, DER 1. DEZEMBER

Wie immer kündigt mich mein polterndes Rennen auf der Treppe schon lange, bevor ich überhaupt in die Küche stürmen kann, bei meiner Mutter an.

Guten Morgen, du Langschläfer. Ich dachte schon, du willst heute gar nicht mehr aufstehen.“

„Selber ‚Guten Morgen‘ und vielen Dank!“ Ich lege meine Arme um die Schulter meiner Mutter und drücke sie so fest ich kann. „Pass auf, ich bekomme ja fast keine Luft mehr. Anna, was ist denn los?“

Mit meinem Gesicht an ihrem Hals ist mein Dankausbruch wohl nicht gut zu verstehen. „Na, ich hab mich nur bei dir bedankt“.

„Ja, das hab ich schon verstanden. Aber wofür denn? Deinen Kakao hab ich ja noch nicht mal warm gemacht. Ich wusste ja nicht, wann du jetzt wirklich aufstehst.“

„Aber Mama, du hast doch gestern Abend noch das Lebkuchenhaus...“

Der Ausdruck in ihrem Gesicht verändert sich auf einmal. Warum sieht sie nur so traurig aus.

„Oh Anna, das tut mir wirklich leid, ich hatte lange überlegt, ob ich es diesmal tatsächlich wahr mache und dir kein Haus backe. Aber irgendwann muss es ja einmal sein. Und die letzten Tage war an der Arbeit so viel los und ich war jeden Abend so müde und bitte versteh‘ mich. Du bist doch jetzt auch schon so groß!“

Ja, gewachsen bin ich schon im letzten Jahr. Es fehlen nur noch ein paar Zentimeter und ich werde bald mit meiner Mutter „auf gleicher Höhe“ sein, aber konnte man wirklich für ein Lebkuchenhaus zu groß werden? Und überhaupt, …was ist denn dann das Ding in meinem Zimmer und noch wichtiger, …wer hatte es dort hin gestellt?

Aber diese Fragen behalte ich lieber erst mal für mich.

„Ach so. Ja, das stimmt. Du hast es ja schon vorher gesagt.“ Schnell drehe ich mich um und wende mich dem Müsli zu. Meine Mutter kann in meinem Gesicht lesen wie in einem Buch. Manchmal ist das schon ziemlich unheimlich. „Ich werde wohl auch ganz gut ohne das Haus auskommen. Ein Hexenkleid hast du auch nicht genäht oder?“

„Nein, warum sollte ich ein Hexenkleid genäht haben? Brauchst du denn eins?“ Sie lächelt mich an und freut sich vermutlich, dass meine Enttäuschung nicht zu groß ist.

„Nein, natürlich nicht. Wir haben ja schließlich Advent und nicht Fasching.“

„Anna, weißt du was? Ich glaube ich kann schon gut ein zweites Frühstück vertragen. Für mich Kaffee und dich Kakao und dann erzählst du mir, wie du darauf kommst, dass ich dir ein Hexenkleid genäht habe.“

Ich schaffe es ganz gut, unser Geplapper beim Frühstück von Hexen und Kleidern frei zu halten. Am besten kann man immer noch von sich ablenken, wenn man sich einfach sehr interessiert nach dem anderen erkundigt. Hoffentlich merkt Mama mir meine Ungeduld nicht an. Ich kann es kaum erwarten, wieder nach oben zu gehen und in aller Ruhe mein Knusperhaus zu untersuchen.

Wieder zurück in meinem Zimmer, schließe ich leise die Tür hinter mir ab. Die ersten Kinder sind schon draußen im Schnee und bauen Schneemänner, liefern sich große Schlachten und haben lautstark Spaß. Aber ich habe nicht wirklich Ohren für sie. Langsam schleiche ich um den Tisch herum und habe dabei immer die Hexe im Blick. Das Lebkuchenhaus sieht von allen vier Seiten sehr ähnlich aus. Nur die vordere Seite, an der auch die Hexe steht, hat neben den sechs Fenstern noch eine große Eingangstür, die leicht geöffnet ist. Wie an den vergangenen ersten Dezembertagen überlege ich mir, welches Stück das Beste ist und die große Ehre erlangt, als Nascherei zum ersten Dezember in meinem Mund zu verschwinden. Aber kaum berührt mein Finger die leckere Tür, höre ich eine zarte Stimme:

„Ich habe dich nicht eingeladen! Also warum greifst du nach meiner Tür!“

Erschrocken ziehe ich die Hand zurück. Ich drehe mich um. Niemand ist in meinem Zimmer.

„Wo schaust du denn hin? Es ist schon wahr. Ihr Menschen könnt manchmal nicht sehen, was ihr direkt vor eurer Nase habt! Ich frage mich wirklich, woran das wohl liegt.“

Ich halte die Luft an und drehe mich langsam wieder zum Lebkuchenhaus um. Aber auch dort ist niemand.

„Na, hier unten bin ich doch. Hier direkt vor der Türe. Huhuuuu!“

Tatsächlich. Die kleine Hexe vor der Türe schaut frech zu mir hinauf. Den Sack hat sie auf dem Boden neben ihren Füßen abgestellt und der Besen lehnt nun an der Hexenhaus Wand neben der großen Zuckerstange. Mit zur Seite geneigtem Kopf schaut sie mich lächelnd an. Ihre grünen Augen funkeln.

„Kannst du sprechen? Verstehst du meine Sprache? Hast du vielleicht auch einen Namen? Ich könnte mir natürlich auch einen für dich ausdenken. Vielleicht ‚Du-kriegst-den-Mund-nicht-zu‘ oder ‚Rollgardina‘, nein warte, so heißt schon jemand oder...“

„Warte, ich habe schon einen Namen. Gib dir keine Mühe. Ich möchte meinen gerne behalten.“ Ich muss zu viel gefrühstückt haben. Aber kann man davon Wahnvorstellungen bekommen? Vielleicht bin ich auch im Stehen nochmal eingeschlafen und träume gerade ganz süß. Für alle Fälle zwicke ich mich in den Arm. Aua, nein, ich bin eindeutig wach. Ich muss mich konzentrieren. Was muss ich als erstes wissen? Ach ja.

„Viel wichtiger ist,... wer bist du denn überhaupt und wie konntest du samt Haus hier in mein Zimmer kommen. Also, wie heißt du?“

„Oh, natürlich. Du hast ja Recht. Das war sehr unhöflich von mir. Ich hätte mich zuerst vorstellen sollen.“ Sie deutet eine leichte Verbeugung an, wobei sie ihre linke Hand etwas nach außen führt. „Mein Name ist Einoel Nimsaj Befana. Ich bin die Ur-Ur-Ur-Urusw.-Enkelin von Befana. Aber die kennst du ja sicher schon und ich bin hier bei dir, um...

„Warte mal kurz“ unterbreche ich sie. „Bevor du weiter erzählst, muss ich dir sagen, dass ich niemanden kenne der Befana heißt. Wer soll das sein? Es tut mir sehr leid, aber... also wer ist das, … Einos Nimba?“

„Ei-no-el Nim-saj. So schwer ist mein Name doch gar nicht. Und du kennst meine Großmutter nicht? Wie kann denn das sein? Na, da werde ich wohl ganz vorne mit meiner Geschichte anfangen müssen.“

„Ja, das glaube ich allerdings auch. Das dort ist nicht mein erstes Lebkuchenhaus, aber du bist definitiv die erste sprechende Hexe, die mich aus meinem, äh Moment, ...einem Lebkuchenhaus heraus anspricht. So, wie die Sache aussieht, ist es ja wohl eher dein Haus. Trotzdem hoffe ich, dass du eine überzeugende Erklärung für alles hast.“

Ich überlege noch kurz, ob ich nicht einfach lauthals nach meiner Mutter rufen sollte. Aber was soll‘s. Einoel sieht wirklich nicht gefährlich aus. Und außerdem bin ich viel zu neugierig.

„Komm, ich nehme dich auf meine Hand und dann setzen wir uns auf mein Bett. Ich liebe es, Geschichten erzählt zu bekommen.“

Einoel Nimsaj setzt sich mir gegenüber auf mein Kissen, richtet erst ihre wunderschöne Schürze und nimmt dann einen tiiiiiiefen Luftzug.

„Vor mehr als 2000 Jahren lebte meine Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-usw.-Großmutter in einem fernen Land. Es war auch ungefähr um diese Jahreszeit, da ging die Kunde von einem ganz besonderen Kind durch das ganze Reich. Als es geboren war, erschien am Himmel der hellste und schönste Stern, den die Menschen je gesehen hatten. Als erste erblickten ihn Hirten auf dem Felde, die die frohe Botschaft allen anderen Menschen erzählten. So hörte auch meine Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-usw.-Großmutter Befana von dem Gotteskind. Der Stern sollte sie zur Krippe führen. Aber irgendwie brauchte sie wohl zu lange, um ihre Taschen zu packen, denn sie wollte viele Geschenke mitbringen.