Das letzte Foto - Nina Wermuth - E-Book

Das letzte Foto E-Book

Nina Wermuth

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Beschreibung

Während sie einer Freundin hilft, trifft Samantha einen alten Bekannten und gerät mitten in eine Geschichte aus der Vergangenheit, die ihr Leben und das einiger anderer verändern wird.

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Seitenzahl: 258

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Die Insel in diesem Buch ist fiktiv.

Alle Personen und Orte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit

lebenden Personen sind frei erfunden, nicht beabsichtigt und

wären rein zufällig.

Inhaltsverzeichnis

Samstag

Sonntag

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Heute

SAMSTAG

Detective Ryan Matthews musterte seinen Partner Aaron Kyle von der Seite und fragte: „Hast du für diesen Sonntag schon Pläne?“

Aaron verdrehte die Augen. Er wusste genau, auf was dieses Gespräch hinauslief. „Mit wem will mich deine Frau dieses Mal verkuppeln?“

Ryan verteidigte sich: „Lesley gibt eine Gartenparty. Irgendeine Freundin aus ihrem Yogakurs.“

„Ich gebe dir genau eine Antwort: Nein!!“

Ryan jammerte: „Ach, komm schon! Ist doch nichts dabei!“

Aaron glaubte, sich verhört zu haben. „Nichts dabei? Weisst du nicht mehr, was letztes Mal passiert ist?“

„Ja, das war nicht so toll. Aber Lesley killt mich, wenn ich dich nicht frage.“

„Nicht so toll? Das ist ja wohl die Untertreibung des Jahres. Ich bin diese Frau nach diesem einen Abend kaum mehr losgeworden. Sie hat mich Tag und Nacht angerufen und dass sie im Revier aufgetaucht ist, hat dem Ganzen die Krone aufgesetzt! Wenn Lesley sie nicht zur Vernunft gebracht hätte, wär die bei mir eingezogen. Danke, aber nein danke!“

„Ich finde, du solltest dir echt langsam eine Freundin suchen. Dann würdest du nicht die ganze Freizeit damit verbringen, irgendwelchen Sport zu treiben und im Meer mit den Haien rumzuschwimmen. Das kann nicht gesund sein.“

Aaron lachte: „Du bist ja nur neidisch. Ich halte mich gerne fit und ich schwimme nicht mit den Haien. So weit hinaus geh ich nicht. Zudem werde ich mir jetzt sicher nicht einfach eine Freundin suchen, nur damit du zufrieden bist!“ Dann fügte er hinzu: „Das ist nicht so einfach.“

„Ach, Quatsch! Egal, wo wir auftauchen, laufen dir die Frauen reihenweise hinterher und ...“ Ryans Telefon klingelte. Er nahm den Anruf entgegen, hörte einen Moment zu und sagte dann: „Okay, wir sind unterwegs. Schiesserei in der Einkaufspassage“, sagte er zu Aaron, der schon den Wagen beschleunigte.

Sam schloss die Tür zu ihrem kleinen Friseursalon „Style Bakery “. Während sie den Schlüssel im Schloss drehte, sah sie ihren letzten Kunden durchs Fenster nach. Sie hatte die letzten Wochen nahezu durchgearbeitet und freute sich auf eine Woche Urlaub.

Sie mochte alle ihre Kunden, aber die Connors waren ihr besonders ans Herz gewachsen. Ein Ehepaar mittleren Alters aus Green Bay in Wisconsin, das den Winter stets auf dieser Insel vor Florida verbrachte. Marc verdiente sein Geld mit der Inneneinrichtung teurer Yachten. Dass sie viel Geld hatten, merkte man jedoch kaum, wenn man sie traf. Ihr Sohn Colin war auf dem College kurz vor dem Abschluss und drauf und dran, von einem NFL-Team ausgewählt zu werden. Lauren Connor war eine der sympathischsten Frauen, die Sam kannte, und Marc Connor trug seine Frau auf Händen.

Sam war mittlerweile gut mit Colin befreundet. Er sah in ihr so was wie eine Schwester.

Die Connors waren sehr stolz auf ihren Sohn und hofften, dass er irgendwann bei den Green Bay Packers spielen würde. Er war einer der besten Tigh Ends der College Liga und sammelte Touchdownpunkte ohne Ende. Die Spielerbeobachter standen Schlange bei den Connors und die Chancen standen gut, dass Colin den Sprung zu den Profis schaffen konnte.

Lauren und Marc kamen gern samstags als letzte Kunden zu Sam in den Laden. Die drei stiessen dann auf das Wochenende an und redeten über Gott und die Welt. Sam bedauerte es jetzt schon, dass sie die Insel schon bald wieder verlassen und erst in ein paar Monaten zurückkommen würden. Sie hing ihren Gedanken nach und nahm das Quietschen der Reifen, das von draussen an ihr Ohr drang, gar nicht richtig wahr. Erst als der Topf der Palme vor ihrem Geschäft regelrecht explodierte, wurde sie aus ihren Gedanken gerissen.

Eine weitere Kugel traf das Fenster. Sie warf sich auf den Boden und hielt die Arme schützend über ihren Kopf, bis die Schüsse – nach einer gefühlten Ewigkeit – verstummten. Sam wartete noch einen kurzen Moment, bis sie hörte, dass das Auto wegfuhr. Sie erhob sich langsam. Der Anblick draussen vor dem Fenster liess sie erstarren.

Sie sah die Connors am Boden liegen. Lauren schien sich zu bewegen, aber Marc – etwas weiter weg von Lauren – lag regungslos da.

Ohne darüber nachzudenken, dass es noch gar nicht vorbei sein könnte, schnappte sich Sam ein paar Handtücher und rannte auf die Strasse, auf das Ehepaar zu. Ihr stockte der Atem, als sie näher kam. Sie ahnte, dass sie für Marc nichts mehr tun konnte, aber Lauren bewegte den Arm und versuchte, den Kopf zu drehen. Sam lief zu ihr und sah, dass Lauren am Bauch und am Oberschenkel getroffen worden war.

„Lauren, ... Lauren!?“ Sie versuchte, Laurens Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Lauren schaute sie an, lief aber Gefahr, ohnmächtig zu werden. „Sam, wo ist Marc?“, fragte sie mit zittriger Stimme.

„Lauren! Nicht einschlafen. Schau mich an. Bleib bitte bei mir!“

Mit beiden Händen versuchte sie, die Handtücher fest auf die Wunden zu drücken, um die Blutungen zu stillen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte sie die rettenden Sirenen immer näher kommen und war froh, dass so schnell Hilfe kam. Die meisten der umliegenden Geschäfte hatten schon geschlossen. Es waren kaum noch Leute unterwegs. Sam sah sich um, aber niemand war da, um ihr zu helfen.

,Wo sind denn alle hin?!’, dachte sie verärgert.

„Der Krankenwagen wird gleich hier sein, Lauren. Bitte versuch, wach zu bleiben!“

„Marc, ... wo ist Marc?“

Sam versuchte, nicht zu Marc zu schauen. Sie wollte Lauren die schreckliche Nachricht nicht beibringen müssen. Als die Polizei eintraf, hatte sie schon fast alle Handtücher verbraucht, aber es hörte einfach nicht auf zu bluten.

Sie achtete gar nicht auf die beiden Polizisten, die auf sie zukamen. Lauren drohte, erneut ohnmächtig zu werden.

„Lauren! Bitte nicht einschlafen! Erzähl mir von Colin.“ Dieser Satz bewirkte, Lauren wach zu halten.

„Ohhh. Colin. Ich hoffe, wir können das Spiel in zwei Wochen sehen.“ Sam verspürte einen Stich im Herzen. ‚Es wird nie mehr so sein wie vorher‘, dachte sie. „Lauren, stell dir vor, wie wir irgendwann im Lambeau Field sitzen und Colin zuschauen, wie er bei den Packers seine Punkte sammelt.“

Lauren lächelte: „Ja, das wird toll. Wir werden die besten Plätze haben. Du wirst doch auch kommen?“ Sam sah, wie der eine Polizist bei Marc den Puls suchte. Ihre Befürchtungen wurden durch seinen Blick bestätigt.

„Ja, ich werde auch kommen, Lauren.“

Sie hatte gar nicht bemerkt, wie der andere Polizist sich neben sie kniete. „Der Krankenwagen wird gleich hier sein. Drücken Sie weiter auf die Bauchwunde, ich übernehme die Wunde am Oberschenkel.“

Er legte seine Hand auf die von Sam, so dass sie ihre wegnehmen konnte und der Druck konstant blieb.

Bei der Berührung zuckte Sam ganz kurz zusammen. Erst dann schaute sie auf und dem Mann, der neben ihr kniete, direkt in die Augen. Für einen kurzen Moment war sie vollkommen abgelenkt von diesen braunen Augen.

Sie hatte sie irgendwo schon mal gesehen. Aber wo? Sie schob den Gedanken beiseite und wandte sich wieder Lauren zu.

„Reden Sie weiter mit ihr. Versuchen Sie, sie wach zu halten “, sagte er. Sam nickte und redete weiter mit Lauren: „Colin wird die Packers zum Superbowl bringen! Da bin ich mir sicher.“

Weitere Streifenwagen trafen ein und die Polizisten riegelten die Strassen mit dem typischen, gelben Absperrband ab.

„Ja, das wird er – und dann spielen wir gegen die Patriots und werden gewinnen.“ Lauren lächelte schwach.

„Ja, Rodgers und Colin werden das schon machen.“

Die Sanitäter trafen ein und Sam war froh um die Ablösung. „Lauren, der Krankenwagen ist da. Bleib bitte wach, ja.“

„Okay, bleibst du bei mir?“ Sam schluckte und wusste nicht, was sie sagen sollte. „Ich glaube nicht, dass ich im Krankenwagen mitfahren kann“, antwortete sie und machte den Helfern Platz.

Die Sanitäter übernahmen Laurens Versorgung und Sam konnte durchatmen. Sie hatte eigentlich nur funktioniert, gar nicht nachgedacht, war total erschöpft und merkte erst jetzt, dass ihre Beine und Arme voller Blut waren. Sie sah – wie in Trance – den Sanitätern bei der Arbeit zu. Marc lag immer noch da. Obwohl er unter einem weissen Tuch lag, wandte sich Sam ab. Was zum Teufel war hier passiert?

Erst als Lauren in den Krankenwagen geladen wurde, setzte sie sich vor ihrem Geschäft auf eine kleine Mauer, die den Gehweg von den Parkplätzen davor trennte. Ein Fernsehteam, bestehend aus einer Moderatorin und einem Kameramann, fing hinter der Absperrung mit einer Live-Übertragung an. Ein Wagen, der auf einem Parkplatz stand, verdeckte die Sicht auf Sam, sodass die Kamera sie nicht einfing. Die beiden Polizisten kamen auf sie zu.

„Hey, wie geht es Ihnen?“, fragte der kleinere, der sich um Marc gekümmert hatte. Er sah besorgt an ihr herunter. Der grössere musterte sie mit gerunzelter Stirn.

„Ähm, ich weiss nicht ...“, Sam wusste es wirklich nicht. „Ich kann gerade nicht glauben, was hier passiert. Aber keine Sorge, das ist nicht mein Blut. Ich bin unverletzt“, sagte sie.

„Wenn sie durchkommt, haben Sie der Frau wahrscheinlich das Leben gerettet!“, sagte jener mit den braunen Augen. „Ich bin Detective Aaron Kyle, das ist mein Partner Ryan Matthews. Wie ist Ihr Name?“

Trotz der Situation huschte Sam ein Lächeln über die Lippen und Aaron schaute sie verdutzt an.

„Ich bin Samantha – Samantha Jordan.“ Jetzt wusste auch Aaron, warum Sam ihm bekannt vorkam.

Er lächelte: „Oh, ja klar. Tut mir leid, ich habe dich nicht gleich erkannt. Wir haben uns sicher ... keine Ahnung ... zwanzig Jahre nicht gesehen?“

Ryan unterbrach ihn: „Ihr kennt euch?“

„Ja, Sam war mit meiner Schwester in der Klasse. Wir wuchsen in der gleichen Gegend auf, bis ihr weggezogen seid, stimmt’s?“

Sam nickte zustimmend: „Ja, wir zogen um, als ich zwölf war. Mein Vater hatte ein Jobangebot in der Schweiz bekommen. Er ist mit seinen Eltern schon kurz nach seiner Geburt hierher gezogen und wollte die Chance wahrnehmen, in seinem Heimatland zu arbeiten und es besser kennenzulernen.“

„Okay, Mrs. Jordan, was ist hier genau passiert?“, fragte Ryan, um wieder auf das eigentliche Thema zu kommen.

Sam sah ihn an. „Sam reicht völlig – Mrs. Jordan ist meine Mutter. Zudem bin ich nicht verheiratet.“ Wieso sie das erwähnte, war ihr nicht ganz klar, aber irgendwie war es ihr wichtig.

„Okay, Sam!“, sagte Ryan und er glaubte, einen Hauch von Schmunzeln um Aarons Lippen zu sehen. Er war ein wenig irritiert und sah Aaron mit zusammengekniffenen Augen an.

„Also, was ist passiert?“, fragte er nochmals. Sam zuckte mit den Schultern. „Ich weiss es nicht. Ich habe die beiden verabschiedet und wollte meinen Laden schliessen. Ein paar Sekunden später flogen die Kugeln durch die Gegend. Meine Palme und das Fenster sind regelrecht explodiert.“ Sie zeigte auf den zersplitterten Topf neben ihrer Tür. Die beiden folgten ihrem Finger und sahen zur Style Bakery.

„So, wie Sie mit der Frau geredet haben, kennen Sie sie?“, fuhr Ryan fort.

„Ja, Lauren Connor. Sie und ihr Mann Marc waren kurz zuvor bei mir im Laden, wie fast jeden Monat, wenn sie den Winter auf der Insel verbringen. Sie wohnen in Green Bay und haben ein Haus hier.“

„Das Opfer war ihr Mann?“, fragte Aaron. „Ja“, Sam stockte, „sie waren seit etwa 25 Jahren verheiratet. Ihr Sohn Colin ist an der Michigan State. Er hat gute Chancen nächste Saison in der NFL zu spielen.“

Sam berichtete, was nach dem Besuch bei ihr passiert war und was sie sonst über die Connors wusste. „Ist dir bei ihrem Besuch etwas Ungewöhnliches aufgefallen?“, fragte Aaron und Sam überlegte laut: „Na ja, das einzige Ungewöhnliche war, dass Lauren nach draussen ging, um zu telefonieren. Anscheinend eine Verwandte, die krank ist. Sonst hat sie den Laden nie verlassen, um einen Anruf entgegenzunehmen. Meistens hat sie das Telefon ignoriert, wenn sie bei mir waren. Sie war danach ein wenig durch den Wind.“

Sam betrachtete erneut ihre blutverschmierten Hände, dann wanderte ihr Blick zu ihrem Fenster. „Ich kann den Laden doch über Nacht nicht so lassen!?“ Sie hielt erschrocken inne. „Mein Gott, Marc ist tot, Lauren schwer verletzt und ich mach mir Sorgen um meinen Laden.“

Aaron legte ihr die Hand auf dem Arm. „Keine Sorge, wir kümmern uns darum. Wie kommst du nach Hause?“ Sam drehte ihren Kopf in die Richtung, in der ihr Auto stand.

„Ich denke, es ist keine gute Idee, nach all dem, alleine nach Hause zu fahren, oder?“

„Wir bringen dich nach Hause“, erwiderte Aaron umgehend. „Du fährst mit mir und Ryan fährt mit deinem Auto hinterher.“

„Vielen Dank, aber ich kann auch ein Taxi rufen. Ihr müsst euch keine Umstände machen“, wehrte Sam ab.

„Das ist doch kein Problem. Nicht wahr, Aaron?“, meinte Ryan und grinste.

Sam holte ihre Tasche aus dem Laden und übergab dem Detective ihre Schlüssel.

Nachdem sie losgefahren waren, sah Sam gedankenverloren aus dem Fenster und Aaron versuchte, sie ein wenig abzulenken: „Die Packers also?“ Sam lächelte. Sie wusste von Jasmin, dass bei den Kyles zu Hause alle für die Miami Dolphins waren.

„Ja, tut mir leid, mein Bruder hat mich da reingezogen“, sagte sie entschuldigend. „Er ist schon lange ein Fan. Bei uns zu Hause war zuerst eher Fussball ein Thema. Ich habe mir 2011 den Super Bowl angeschaut, es war das einzige Spiel der Saison, das in die Schweiz übertragen wurde. Der Rest erklärt sich von selbst.“

„Alles klar. Da wurde Green Bay das letzte Mal Meister“, sagte Aaron. „Und seit wann bist du wieder hier? Jasmin hat gar nichts gesagt. Ihr hattet doch immer noch Kontakt, oder?“

„Na ja, irgendwann nur noch sporadisch – dank Facebook, aber wir haben uns schon eine Weile nicht mehr geschrieben“, fügte Sam hinzu.

Sie bogen in Sams Strasse ein. Kaum waren sie vorgefahren und ausgestiegen, kam ihnen auch schon ihre Mitbewohnerin, Nora Adams, aufgeregt entgegen.

„Was um Himmels willen ist passiert? In den Nachrichten berichten sie von einer Schiesserei. Ich habe den Laden im Hintergrund gesehen. Ich habe mir Sorgen gemacht und versucht, dich anzurufen. Mein Gott, ist das Blut? Bist du in Ordnung?“

Sam versuchte, ihre Freundin zu beruhigen: „Mir ist nichts passiert, keine Sorge. Ich werde dir alles erklären.“ Ryan, der Sams Auto in der Auffahrt parkiert hatte, gab ihr ihre Autoschlüssel zurück.

„Der fährt sich echt klasse“, sagte er anerkennend.

„Danke. Fürs nach Hause bringen natürlich auch. Ich bin zwar keine Verwandte, aber wäre es möglich, dass du mich über Laurens Zustand informierst?“, fragte sie Aaron.

„Sobald wir mehr wissen, werde ich dir Bescheid geben. Falls dir noch irgendetwas einfällt, ruf mich bitte an.“ Aaron gab ihr seine Visitenkarte und Sam nahm sie nickend entgegen. Nora, die daneben stand, fand, dass er die Karte noch einen Moment zu lange fest hielt.

Sam und Nora gingen auf das Haus zu, das sie gemeinsam bewohnten. Es war in einem hellen grau gestrichen, die Fenster und der Dachgiebel waren weiss. Ein paar Stufen führten zu einer kleinen Veranda, auf der ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen stand. Es sah gemütlich aus. Kurz bevor Sam durch die Tür ging, warf sie einen Blick zurück. Aaron stieg gerade in den Wagen und sah ihr über das Auto hinweg nach.

Nora löcherte Sam mit Fragen: „Also, was ist passiert und wieso duzt dich der Polizist? Kennst du den etwa?“

„Nora, ich werde dir alles erklären, aber bitte lass mich zuerst duschen – ich brauche ein paar Minuten für mich, okay?“

„Klar, Süsse. Tut mir leid. Das muss alles sehr schlimm für dich sein. Ich werde uns ein Glas Wein einschenken und dann reden wir in Ruhe, okay?“

Sam nickte und ging die Treppe nach oben in ihr Zimmer und direkt ins Bad. Sie stellte die Dusche an und zog die mit Laurens Blut getränkte Jeans und das Oberteil aus. Sie betrachtete die Sachen einen Moment und beschloss, sie wegzuwerfen. Sie wollte keine Kleidung, die sie an den wahrscheinlich schlimmsten Tag ihres bisherigen Lebens erinnerte. Sie stellte sich unter die Dusche und liess das angenehm warme Wasser über ihren Körper laufen. Nun konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie sank auf ihre Knie und liess alles raus, was sich in den letzten Stunden angestaut hatte.

„Was meinst du, ist da passiert? Waren die Connors nur zufällig betroffen oder das Ziel?“, fragte Ryan, als sie zum Revier zurückfuhren.

„Ich habe keine Ahnung. Es sah schon ziemlich gezielt aus. Ich hoffe, wir finden den Wagen. Die wenigen Zeugen, die wir haben, reden zwar alle von einem schwarzen SUV, aber von denen gibt es Hunderte auf der Insel“, erwiderte Aaron.

„Mein Gefühl sagt mir, dass das eine Abrechnung war. Mafia? Drogenhandel? Ich meine, dieser Connor hatte sich ein Geschäft mit der Innenausstattung von Booten aufgebaut. Das riecht förmlich nach Drogenschmuggel“, gab Ryan zu bedenken.

„Wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen. Aber du hast recht und irgendwo müssen wir ja beginnen. Sehen wir mal nach, ob die anderen schon was haben.“

Auf dem Revier wurden sie bereits vom Rest des Teams erwartet. Benjamin Bryant, genannt Ben, das Superhirn, und Natalie Wilson, das Computergenie und Jahrgangsbeste bei ihrem Abschluss auf der Academy, die meisten nannten sie Nat.

„Habt ihr schon was zum Fahrzeug?“, fragte Aaron, als sie ihre Abteilung betraten.

„Die Aussagen sind zwar alle gleich, aber das ist schon alles. Ein schwarzer SUV mit dunklen Scheiben, mehr hat keiner gesehen“, antwortete Ben.

„Wie immer – und geholfen hat auch niemand sonst“, murmelte Aaron mehr zu sich selber. Ben und Natalie sahen Ryan fragend an, der nur ein Kopfschütteln erwiderte. „Die Patrouillen und Strassensperren haben auch nichts ergeben?“, fragte Ryan.

„Bis jetzt nichts Auffälliges. Wir checken die Verkehrskameras, haben aber noch keinen Treffer. Die sind wie vom Erdboden verschluckt.“

„Okay, Nat, finde bitte alles über die Familie Connor raus. Kontoauszüge, Nachbarn, hier und in Green Bay, über das Geschäft von Marc Connor, einfach alles. Fahr zu ihrem Haus, vielleicht gibt’s dort was Brauchbares“, wies Aaron Natalie an. Als Teamchef war es an ihm, die Sache ins Rollen zu bringen.

„Ben, versuch, bei unseren Informanten rauszufinden, was im Moment in Sachen Drogen und Schmuggel auf der Insel läuft, und kontrollier bitte die Passagierlisten des Flughafens und des Hafens – wer hat die Insel letzte Woche betreten, der uns interessieren könnte? Zudem die Abfluglisten der letzten, sagen wir, drei Stunden. Vielleicht finden wir eine interessante Übereinstimmung. Wenn der oder die Täter extra für die Tat angereist sind, werden sie die Insel so schnell wie möglich wieder verlassen wollen.“ Aaron machte eine Pause, bevor er fragte: „Wurde Colin Connor schon informiert?“

„Nein“, antwortete Ben.

„Dann werde ich unterwegs die Kollegen in Michigan informieren. Die sollen zu ihm fahren – ist vielleicht besser, wenn er es nicht am Telefon erfährt. Ryan, wir fahren ins Krankenhaus zu Lauren Connor. Vielleicht gibt’s schon was Neues.“

„Verdammt, was habt ihr euch dabei gedacht, die halbe Stadt zusammen zu schiessen!? Und wer hatte die glorreiche Idee, auf die Connors zu zielen? Ihr solltet ihnen nur Angst machen!“, brüllte der Boss, „Das bringt den ganzen Plan durcheinander und die Bullen sind uns sicher schon auf den Fersen!“

Frank Montgomery und Martin James wechselten einen kurzen Blick.

„Keine Sorge, Boss, Mike sagte, es waren so gut wie keine Zeugen unterwegs. Nur eine war am Schluss noch da, der gehört der Salon, in welchem die Connors waren. Sie versuchte, der Frau zu helfen, ist aber erst aus dem Laden gekommen, als wir schon weg waren.“

Frank sah, dass der Boss mit dieser Antwort nicht wirklich zufrieden war, und war überrascht, dass er es für den Moment dabei beliess. Er streckte seinen Arm mit offener Hand aus und meinte: „Na, dann gebt mir jetzt den Stick von Marc Connor.“

„Er hatte ihn nicht dabei“, sagte Martin kleinlaut. „Wie bitte? Ich dachte, dass er ihn immer bei sich trägt?“

„Ja, so war es auch, nur heute anscheinend nicht. Wir haben auch die Handtasche der Frau mitgenommen und durchsucht. Da ist nichts“, entgegnete Frank.

„Meine Güte, kann es denn nicht ein Mal einfach gehen?“

Der Boss überlegte kurz. „Also, wenn er ihn nicht hatte und die Jungs im Haus nichts gefunden haben, wo ist dann dieses verdammte Ding?“

Alle sahen sich schulterzuckend an.

„Das ist vielleicht eine blöde Idee ...“, meinte Martin zurückhaltend.

„Nur raus damit, Junge“, sagte der Boss und Martin fasste Mut: „Na ja, hätte er ihn irgendwo verstecken können? Im Restaurant, in dem sie zu Mittag gegessen haben, vielleicht?“

Der Boss horchte auf und sagte dann mit einem Lächeln: „ Kein schlechter Gedanke. Ich mag es, wenn die Leute mitdenken. Ich glaube, das Restaurant wäre ein zu grosses Risiko gewesen, du bringst mich damit aber auf einen anderen Ort, an dem sich Marc und Lauren aufhielten.“

Frank und Martin nickten und erwiderten das Lächeln wissend.

Als Sam aus dem Badezimmer kam, sass Nora, mit einem Glas ihres Lieblingsweissweins in der Hand, auf dem Sofa. Sie hatte Sam auch ein Glas eingeschenkt und ein paar Sandwiches gemacht. Diese realisierte, dass sie seit dem Morgen nichts mehr gegessen hatte und ihr Magen knurrte.

„Wie geht es dir? Du warst echt lang da drin“, sagte Nora besorgt.

Sam setzte sich zu ihr und nahm einen grossen Schluck Wein. „Danke, es geht schon besser. Aber ich bin immer noch fassungslos über das, was heute geschehen ist.“

„Was genau ist denn überhaupt passiert?“

Sam biss in ein Sandwich und erzählte ihrer Freundin, was genau vorgefallen war. Als sie fertig war, sassen die beiden einen Moment lang schweigend da.

Nora war die Erste, die das Wort ergriff: „Das ist einfach nur schrecklich. Es tut mir leid, dass du das miterleben musstest. Sag mir, wenn du meine Hilfe brauchst.“ Sie strich ihrer Freundin über den Arm, dann fragte sie: „Weiss Colin schon Bescheid?“ Sam sah sie mit erschrockenem Blick an. „Oh nein! Ich weiss nicht!“ Sie überlegte laut: „Ich denke, die Polizei wird das übernehmen. Er wird am Boden zerstört sein!“

Nora nickte. „Das denke ich auch. Was machst du wegen dem Laden?“

„Keine Ahnung. Zum Glück habe ich Urlaub und ich nehme an, die Versicherung kommt für den Schaden auf. Für den Moment kümmert sich die Polizei darum, dass niemand rein kann.“

Nora grinste: „Oh ja, das glaub ich gerne“, sagte sie leise.

Sam runzelte die Stirn. „Was meinst du?“

„Ach komm, dieser Detektive Kyle hat ja fast darum gebettelt, dass du ihn anrufst.“ Sam winkte ab, „Ach was, er wollte nur höflich sein. Und ausserdem kenne ich ihn von früher. Ich bin mit seiner Schwester zur Schule. Ich hab dir von Jasmin – glaube ich – mal erzählt.“

„Nein, er wollte die Visitenkarte gar nicht mehr loslassen. Und weisst du was, meine Liebe? Ich glaube, er gefällt dir auch. Ich weiss doch, dass er haargenau dein Typ ist!“ Nora lehnte sich schmunzelnd zurück.

Sam stand auf. „Du spinnst doch“, sagte sie erschöpft. „Ich bin müde und werde jetzt ins Bett gehen. Danke fürs Zuhören.“ Sam beugte sich vor, gab Nora einen Kuss auf die Wange und ging die Treppe rauf, die zu ihrem Schlafzimmer führte.

„Oh doch, du magst ihn!“, sagte Nora zu sich selbst. Sie wünschte sich für Sam, dass auch sie endlich jemanden fand. Im Gegensatz zu Nora, die schon lange vergeben war, hatte es bei Sam bisher nie richtig gepasst.

Sam lag in ihrem Bett, fand aber keinen Schlaf, obwohl sie hundemüde war. Die Gedanken an das Geschehene liessen sie nicht los und sie ärgerte sich über Nora. Sie konnte selbst nicht genau sagen, wieso sie die Aussage von Nora so störte. Zudem kannte sie Aaron ja nicht mehr wirklich und wusste eigentlich nichts über ihn.

Nach einer Weile fiel Sam in einen unruhigen Schlaf. Die Bilder, wie Lauren und Marc am Boden lagen, und die Geräusche der Kugeln, die einschlugen, tauchten immer wieder in ihren Träumen auf und jedes Mal schreckte sie hoch und konnte kaum wieder einschlafen.

Natalie kam an diesem Abend, mit zwei Kollegen als Unterstützung, beim Haus der Connors an. Sie hatte ein komisches Gefühl, als sie aus dem Auto stieg und wusste warum, als sie zur Haustür kamen. Die Tür stand halb offen und es brannte Licht.

„Sollen wir reingehen?“, flüsterte einer der Beamten. Natalie nickte und zog ihre Waffe aus dem Holster an ihrem Gurt. Sie stiess die Haustüre ganz auf und der Kollege betrat als Erster den Eingangsbereich. Es war ein moderner Bau im Bungalowstil. Links der Haustüre befand sich ein Badezimmer.

Ein paar Stufen führten runter in den offenen Wohnbereich. Eine riesige, gemütliche, hellgraue Couch stand in der Mitte des Raumes, vor einer langen Fensterfront, die den Blick auf den Garten mit Pool und das Meer dahinter preisgab. Links der Couch war der Essbereich, mit einem Tisch, an dem gut zehn Personen Platz hatten. Gleich anschliessend befand sich eine offene Küche, die durch eine Kochinsel vom Ess- und Wohnbereich abgetrennt war. Es war geschmackvoll eingerichtet, mit hellen Stoffen und weichen Teppichen auf dem dunklen Parkett, die die einzelnen Bereiche voneinander trennten. Man merkte auch, dass Fans des American Football hier wohnten. Auf Regalen und in Vitrinen befanden sich Memorabilien – Original-Spielbälle und -Trikots, zum Teil mit Unterschrift, aus verschiedenen Epochen der National Football League. Wahrscheinlich waren sie ein Vermögen wert.

Natalie und ihre Begleiter verständigten sich mit Blicken, woraufhin sie sich aufteilten, um den Rest des Anwesens zu durchsuchen, der rechts durch einen langen Flur, vom Wohnbereich wegführte. Die Fensterfront erstreckte sich über die ganze Länge des Hauses und man hatte von jedem der Schlafzimmer auf der linken Seite des Flurs Zugang zum Garten. Neben dem grossen Hauptschlafzimmer am Ende gab es zwei weitere, wovon eines, der Einrichtung nach, vom Sohn der Connors bewohnt wurde. Jedes der Schlafzimmer hatte ein eigenes Bad und einen begehbaren Kleiderschrank.

Auf der rechten Seite des Flurs befand sich ein Büro, das durch eine Tür mit dem Hauptschlafzimmer verbunden war. Zudem gab es einen Fitnessraum und einen Haushaltsraum mit Waschturm. Alles war durcheinander, Schubladen waren herausgerissen und vor den Schränken und Kommoden lag deren Inhalt.

Natalie nahm ihr Telefon und rief Aaron an. „Aaron, es war schon jemand vor uns da. Das Haus ist durchwühlt worden. Ich gehe aber nicht davon aus, dass es ein Einbruch mit Raub war. Die elektronischen Geräte und teure Football-Memorabilien sind noch da. Es sieht eher so aus, als ob jemand etwas gesucht hätte.“

„Das darf doch nicht wahr sein!“ Aaron fluchte vor sich hin und lief im Wartezimmer der Notfallstation auf und ab. „Ich schick dir die Spurensicherung“, sagte er und Natalie antwortete: „ Danke. Hast du mit Michigan telefoniert? Der Sohn der Connors könnte uns bestimmt sagen, ob etwas aus dem Haus gestohlen wurde.“

„Ja, die Polizei dort wird mich informieren, sobald sie mit Colin gesprochen haben. Der Direktor der Schule wird ihn sicher freistellen, damit er hierher fliegen kann. Lauren Connor ist immer noch im OP, aber die Ärzte werden uns ihre persönlichen Sachen übergeben. Vielleicht finden wir da was.“

Aaron legte auf, als ein Arzt mit einem Assistenzarzt im Schlepptau auf ihn und Ryan zukam. „Mrs. Connor ist im Moment stabil, aber ich möchte mich noch auf keine Diagnose festlegen. Sie hat viel Blut verloren und wir müssen abwarten, wie sie die Nacht übersteht. Wir werden Bescheid geben, falls es irgendetwas Neues gibt, oder sie aufwacht.“ Sein Pieper vibrierte und er warf einen kurzen Blick darauf. „Tut mir leid, aber ich muss wieder weiter. Seit dem Zeitungsartikel über den Einbruch in unser Materiallager drehen hier alle am Rad“, sagte der Arzt entschuldigend und ging wieder in die Notaufnahme zurück. Der Assistenzarzt stand teilnahmslos daneben und übergab Aaron schliesslich eine Tüte mit Laurens persönlichen Sachen. „Das war alles, was sie dabei hatte?“, fragte ihn Aaron nachdem er einen Blick in die Tüte geworfen hatte. „Ja, was sollte da denn noch drin sein?“, antwortete dieser etwas zu arrogant.

Aaron schaute ihn unbeeindruckt an, ging aber nicht auf die Frage ein und sagte stattdessen: „Mrs. Connors Sohn sollte bald hier sein. Ich hoffe, wir haben dann gute Neuigkeiten für ihn.“

„Ja, hoffen wir es“, sagte der angehende Arzt und liess Aaron ohne weitere Worte stehen und machte sich ebenfalls auf in den für Aussenstehende gesperrten Bereich der Station.

Aaron sah kopfschüttelnd zu Ryan, der sich mit dem Telefon am Ohr ein wenig abseits gestellt hatte, und jetzt auf ihn zukam. „Stimmt was nicht?“, fragte Ryan, nachdem er aufgelegt hatte. „ Ja, der Assistenzarzt hätte mal ein Sympathie- und Empathie-Training nötig! Wer war am Telefon?“

„Das war Mason, der Neue in der Gerichtsmedizin. Sehr sympathisch übrigens. Er wird sich gleich an Marc Connors Autopsie machen“, antwortete Ryan. „Er hat dessen persönlichen Sachen für die Spurensicherung bereitgelegt und etwas Interessantes erwähnt: Als er am Tatort eintraf, ist ihm aufgefallen, dass Connors Hosentaschen nach aussen gekehrt waren, als ob sie jemand durchsucht hätte. Er meinte, das könnte vielleicht wichtig für uns sein.“

Aaron hatte dasselbe Gefühl und öffnete die Tüte in seiner Hand.

„Das Haus wurde durchsucht und Connor anscheinend auch. Kannst du dich erinnern, ob Lauren Connor eine Handtasche dabei hatte?“ Ryan wurde hellhörig. „Du meinst, die Täter sind hinter irgendetwas her?“

„Ja, genau das denke ich“, antwortete Aaron. Ryan überlegte: „Ich kann mich an keine Handtasche erinnern.

„Ich auch nicht und hier ist auch keine drin.“ Aaron hielt Ryan die Plastiktüte hin. Während sie das Krankenhaus verliessen, schaute Ryan seinen Partner von der Seite an und meinte schmunzelnd: „Du könntest ja auch Samantha Jordan anrufen. Wegen der Handtasche, meine ich. Sie kann uns sicher sagen, ob Lauren eine dabei hatte.“

„Warum grinst du so. Willst du mir vielleicht irgendetwas mitteilen?“, fragte Aaron.

„Nein, nein, ich sag’s nur. Aber so wüssten wir wenigstens Bescheid.“

Ryans Telefon klingelte erneut. Er meldete sich und nach einem kurzen Moment blieb er plötzlich stehen. „Was ist los?“, fragte Aaron, aber Ryan gab ihm mit einer Geste zu verstehen, dass er warten solle.

Er hörte dem Anrufer stirnrunzelnd zu, bedankte sich und legte dann auf. „Das war die Polizei in Michigan. Der Direktor von Colins Schule hatte interessante Neuigkeiten. Colin war einen Tag weder im Unterricht noch im Training. Er hatte seinem Coach eine WhatsApp-Nachricht geschrieben, dass er sich nicht wohl fühle und er sich für das Spiel nächste Woche schonen wolle. Der Coach vertraut seinen Spielern anscheinend so fest, dass er das nicht gleich kontrolliert hat. Erst heute Morgen hat er einen von Colins Teamkollegen darum gebeten, nach ihm zu sehen, weil er nichts mehr von ihm gehört hatte. Der Teamkollege hat dann gemerkt, dass Colin gar nicht auf seinem Zimmer war. Sie haben überall nach ihm gesucht, bis er heute Abend plötzlich, noch völlig weggetreten, vor der Schule auf einer Bank lag. Er kann sich an nichts erinnern. Ihm fehlt nichts, aber er hat Reste eines Betäubungsmittels im Blut. Die Polizei hat mit ihm geredet und sie werden ihn herschicken, sobald er dazu in der Lage ist.“

Aaron traute seinen Ohren nicht. „Dann hat ihn jemand entführt und einfach wieder frei gelassen?“

„Ja, scheint so, und zeitlich müsste er etwa eine Stunde nach dem Angriff auf seine Eltern freigelassen worden sein.“

„Da muss irgendetwas schief gegangen sein. Das ist nicht normal“, schlussfolgerte Aaron.