Das Lied von Glück und Sommer - Anita Burgh - E-Book
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Das Lied von Glück und Sommer E-Book

Anita Burgh

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Beschreibung

Manchmal darf man einfach glücklich sein: Der Feelgood-Roman »Das Lied von Glück und Sommer« von Anita Burgh jetzt als eBook bei dotbooks. Peggy kann ihr Glück kaum fassen: Sie hat das große Los gezogen und ist über Nacht Millionärin geworden! Ab jetzt heißt es »Adieu, liebe Alltagssorgen« und »Herzlich Willkommen im Dolce Vita«! Doch statt ihr neues Leben im Luxus genießen zu können, muss Peggy bald feststellen, dass Geld jede Menge Probleme mit sich bringt. Warum ist plötzlich jeder so unglaublich freundlich zu ihr … insbesondere diejenigen, die sie vorher nicht eines Blickes gewürdigt haben? Peggys einziger Lichtblick ist der charmante Tarquin. Doch auch, wenn er ihre Gefühle aufrichtig zu erwidern scheint, muss sich Peggy fragen: Darf sie diesem Glück wirklich trauen? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der humorvolle Liebesroman »Das Lied von Glück und Sommer« von Anita Burgh. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 616

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Über dieses Buch:

Peggy kann ihr Glück kaum fassen: Sie hat das große Los gezogen und ist über Nacht Millionärin geworden! Ab jetzt heißt es »Adieu, liebe Alltagssorgen« und »Herzlich Willkommen im Dolce Vita«! Doch statt ihr neues Leben im Luxus genießen zu können, muss Peggy bald feststellen, dass Geld jede Menge Probleme mit sich bringt. Warum ist plötzlich jeder so unglaublich freundlich zu ihr … insbesondere diejenigen, die sie vorher nicht eines Blickes gewürdigt haben? Peggys einziger Lichtblick ist der charmante Tarquin. Doch auch, wenn er ihre Gefühle aufrichtig zu erwidern scheint, muss sich Peggy fragen: Darf sie diesem Glück wirklich trauen?

Über die Autorin:

Anita Burgh wurde 1937 in Gillingham, UK geboren und verbrachte einen Großteil ihrer Kindheit in Cornwall. Ihre 24 Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und feierten international Erfolge. Mittlerweile lebt Anita Burgh mit ihrem Mann und zwei Hunden in einem kleinen Dorf in den Cotswolds, Gloucestershire.

Bei dotbooks veröffentlichte Anita Burgh ihrer Romane »Das Erbe von Respryn Hall«, »St. Edith’s: Hospital der Herzen«, »Glückssucherinnen«, »Der Weg zum Herzen einer Frau«, »Wo deine Küsse mich finden«, »Die Liebe eines Fremden«, »Wo unsere Herzen wohnen«

Außerdem veröffentlichte Anita Burgh bei dotbooks ihre Familiensaga »Die Töchter Cornwalls« mit den drei Einzelbänden: »Morgenröte«, »Sturmwind« und »Dämmerstunde«

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eBook-Neuausgabe Dezember 2020

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1995 unter dem Originaltitel »Lottery« bei Macmillan, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 1997 unter dem Titel »Was dir Geld nicht kaufen kann« bei Knaur.

Copyright © der englischen Originalausgabe 1995 by Anita Burgh

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1997 Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München

Copyright © der Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Paul Nash, Stuart Monk, the palms

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-96655-260-8

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Anita Burgh

Das Lied von Glück und Sommer

Roman

Aus dem Englischen von Traudl Weiser

dotbooks.

Für meine Tochter Rebecca,in Liebe

Teil IFEBRUAR BIS MÄRZ

Kapitel 1

An Sonntagen wachte Peggy genau zur gleichen Zeit auf wie an jedem anderen Wochentag. Das war ärgerlich, vor allem, wenn sie nicht einmal den Wecker gestellt hatte. An jedem Samstagabend nahm sie sich vor, am nächsten Morgen lange zu schlafen, doch pünktlich um sieben Uhr öffnete sie die Augen. Ihr Mann Dan hatte dieses Problem nicht, er lag da und schnarchte leise neben ihr.

Peggy drehte sich in der Hoffnung um, vielleicht wieder einzuschlafen. Doch noch während sie das tat, war ihr klar, daß das nicht geschehen würde, denn sie gehörte zu jenen Menschen, deren Geist, einmal wach, sofort aktiv wurde.

Da es nicht möglich war, mit jemandem zu reden oder das Radio anzustellen, wußte sie, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis sie etwas fand, über das sie sich Sorgen machen konnte. Worüber sie sich früher gesorgt hatte, vor langer Zeit, als die Kinder noch nicht geboren waren und sie keine Verantwortung tragen mußte, war ihr entfallen. Dan behauptete, sie stehe hinsichtlich dieser Denkungsweise unter einem Zwang, doch sie spürte in ihrem tiefsten Innern, daß sie sich nicht von anderen Frauen unterschied. Mutterschaft und Sorgen schienen miteinander verbunden. Sie wußte nie vorher, worüber sie sich den Kopf zermartern würde – über den Zustand der Welt oder des Landes oder vielleicht die Höhe der Stromrechnung oder ob der Braten zäh sein oder ob das Abnehmen der Ozonschicht Einfluß auf ihr Leben haben würde. Ihre Sorgen waren, um es gelinde auszudrücken, von vielseitiger Natur. Es ging ihr immer seelisch besser, wenn sie nur eine präzise Sorge hatte. Als sie jedoch heute erwachte, hatte sie keine einzige. Und dieser Zustand versetzte sie in Angst. Warum machte sie sich keine Sorgen? Was war los? Was hielt das Schicksal für sie in petto?

Sie hätte gern das Radio eingeschaltet, doch dann würde Dan nicht mehr schlafen können. An Wochentagen stand er immer um halb sieben auf, und da konnte sie ungestört Radio hören. Das Gerät auf dem Nachttisch war stets auf Radio 4 eingestellt, obwohl sie nur halb zuhörte. Der Sender diente ihr hauptsächlich als Hintergrundgeräusch, als Vergewisserung, daß sie nicht alleine war. Sie hörte nie richtig zu, weil die Nachrichten im allgemeinen zu deprimierend waren und somit ihre Ängste nährten. Außerdem kam sie sich dann völlig unwichtig vor, denn was die Regierung auch machte, hatte mit ihr absolut nichts zu tun – ihre Meinung war bei welchen Entscheidungen auch immer nicht gefragt. Wer würde schon auf Peggy Alder hören – fünfundvierzig Jahre alt, etwas übergewichtig, Mutter von drei Kindern, in einem Vorort lebend, Verkäuferin im Einzelhandel? Nein, sie war völlig unbedeutend, was den Ablauf wichtiger Geschehnisse betraf. Wenn sie schon keine Nachrichten hören wollte, warum hörte sie dann nicht Musik? Sie liebte Musik, doch nicht früh am Morgen. Deshalb. Sie liebte die beruhigende Wirkung, die Stimmen auf sie hatten. Vor allem gewisse Stimmen, die manchmal einen Ton besaßen, der sie in Sicherheit wiegte und die bösen Geister vertrieb.

Peggy setzte sich auf, drehte ihr Kopfkissen um und legte sich seufzend wieder hin. Sie wünschte, sie hätte nicht immer so ein Theater wegen des Rauchens im Schlafzimmer gemacht, dann hätte sie sich jetzt eine Zigarette anzünden können.

Um sich von dem Drang zu rauchen abzulenken, starrte sie die Decke an und fragte sich, ob der Riß, der vom Fenster bis zur Deckenbeleuchtung ging, länger oder breiter als gestern war. Und der Staub auf dem Lampenschirm!

Sie mußte mit dem Rauchen aufhören. Das hatte sie bereits vor Monaten beschlossen. Der Entschluß war leicht gewesen. »Ich gebe es auf«, hatte sie jedem erzählt, auch ihrem Arzt, als ob das Sagen schon das Tun einschlösse. Na ja, sie war auf dem besten Weg. Hieß es nicht, daß mit dem Entschluß schon die halbe Schlacht gewonnen sei? Jetzt sparte sie für Nikotinpflaster. »Wenn ich die erst mal habe, tue ich es«, hatte sie gesagt. Doch es dauerte endlos, bis sie genug Geld für die ganze Kur zusammen hatte. Dan hatte darauf hingewiesen, daß sie das Zigarettengeld doch für die Pflaster ausgeben könne. Anstatt es zum Tabakwarenhändler zu tragen, solle sie es dem Apotheker geben. Doch so viel Willenskraft hatte Peggy nicht. Sie glaubte außerdem nicht an die Wirkung der Pflaster, und dann bliebe ihr kein Geld für Zigaretten übrig. So sah sie die Sache. Mit anderen Worten, sie komplizierte sie. Wie alles. Warum waren die Nikotinpflaster so teuer? Besteuerte die Regierung auch das Nikotin, das darin enthalten war? »Das würde mich nicht wundern. Gemeine Hunde«, sagte sie laut, ohne es zu wollen. Dan murmelte etwas, drehte sich um, und seine rechte Hand suchte nach ihr. Peggy glitt nach unten und schmiegte sich an ihn. Doch dann seufzte sie, als seine Hand plötzlich schlaff und schwer auf sie fiel. Er glitt in einen noch tieferen Schlaf.

Was wäre geschehen, wenn es sich um den Mann in dem Auto gehandelt hätte? dachte sie. Den Mann, den sie fast an jedem Arbeitstag sah. Sie zitterte bei dem Gedanken und verbannte ihn sogleich mühsam aus ihrem Kopf.

Dan drehte sich um, und sie betrachtete mit wachsendem Verlangen seinen Rücken. Sie schmiegte sich ganz eng an ihn. Sein Körper antwortete und preßte sich an ihren. Kühner geworden, glitt ihre Hand in seine Pyjamahose auf der Suche nach seinem Penis. Da lag er zwischen seinen Schenkeln wie ein kleines weiches Tier, das überwintert. Sanft begann sie ihn zu streicheln. Vielleicht braucht er bloß etwas Ermutigung, dachte sie. Warum sollte nur immer Dan den ersten Schritt tun? Seine Hand umschloß ihre. Sie merkte, daß sie vor freudiger Erwartung den Atem angehalten hatte. Beide Hände umfaßten jetzt seinen Penis. »So ist es schön«, flüsterte sie. Dann nahm er ihre Hand, hob sie über seine Hüfte und ließ sie einfach fallen. Fast wäre sie in Tränen ausgebrochen. Wie lächerlich! Er schlief doch, er wußte gar nicht, was er machte. Sie wandte sich von ihm ab und drehte ihm den Rücken zu.

Eine Frau in mittleren Jahren war beschissen dran, so viel war ihr bereits klargeworden. Als sie noch jünger war, arbeiten mußte, das Haus und die Kinder zu versorgen hatte, war sie oft viel zu erschöpft gewesen, um Dan bei seinen Annäherungsversuchen noch zu ermutigen. Und jetzt, da sie froh gewesen wäre, wenn er mehr sexuelles Interesse an ihr gezeigt hätte, schienen seine Bedürfnisse geringer zu werden. Also kam sie zu dem wohlüberlegten Schluß, daß Gott unter den sexuellen Bedürfnissen von Menschen mittleren Alters eine heillose Unordnung angerichtet hatte.

Unter der Bettdecke betastete sie ihr weiches Fleisch. Sie war auseinandergegangen, ja, das war sie. Ihr Bauch bestand aus einer Fettrolle und schien sie anzugrinsen, wenn sie einmal den Mut hatte, sich nackt vor dem Spiegel zu betrachten. Doch ihr Busen war noch immer recht ansehnlich und hing nicht wie bei einigen ihrer Freundinnen. Peggy mußte grinsen, als sie an diese Hängebusen dachte. Dan rührte sich im Schlaf und schnarchte leise.

Alles war ungerecht. Warum kümmerten sich Frauen so sehr um ihr Aussehen und Männer so selten? Warum waren sie beschämt, wenn sie keine gute Figur mehr hatten, während Männer das mit einem Achselzucken hinnahmen? Wie viele Männer gab es, die Diät hielten, wohingegen fast jede Frau es tat? Und warum hatte es Gott so eingerichtet – wieder Sein Fehler –, daß Männer Frauen schwängerten und schlank blieben, während die Hölle im Körper einer Frau los war, wenn sie nicht aufpaßte?

Sie stützte sich auf einen Ellbogen, um Dan besser betrachten zu können. Er war nicht mehr der gutaussehende junge Mann, der James Dean etwas ähnlich war, als sie ihn heiratete. Schon lange nicht mehr. An seine Stelle war ein zerfurchtes Gesicht getreten, dessen Falten es interessant machten und dessen ergrauendes Haar ihm Würde verlieh. Auf seltsame Weise war sogar sein kleiner Bauch attraktiv, fast liebenswert.

Im mittleren Lebensalter zu stehen, sollte Freude machen. Sie ließ sich in die Kissen zurücksinken. Aber was war geschehen? Gerade, wenn man glaubte, mehr Spaß haben zu können, fingen die Beschwerden an. Dan hatte Schmerzen im Knie, vor allem, wenn es regnete. Peggy litt unter Rückenbeschwerden, sie konnte nichts Schweres mehr heben. Und sie mußte zum Augenarzt gehen. Bald vermochte sie selbst mit ausgestreckter Hand nichts mehr zu lesen. Manchmal hatte sie Angst, daß die beste Zeit ihres Lebens schon vorbei sei. Aber sie hatte noch Bedürfnisse. Ja, das war es, was sie wollte – von ihrem Mann ebenso gebraucht zu werden, wie sie ihn brauchte.

Sie setzte sich wieder auf. Diese Gedanken führten zu nichts. Warum war sie so deprimiert? Hatte sie nicht genug Sex? Du meine Güte, rechne doch nur mal zusammen, wie oft wir uns in all den Jahren geliebt haben, sagte sie sich. Und wenn man Sex mit den anderen guten Dingen im Leben verglich, war er denn so bedeutend? Nein, so bedeutend war er nicht, jedenfalls nicht mehr in ihrem Alter. Plötzlich tauchte das Bild des roten Wagens vor ihr auf und löste eine Welle der Erregung in ihr aus, genau dieses Gefühl, das sie immer hatte, wenn er sich der Bushaltestelle näherte.

Geld, dachte sie flüchtig. Vielleicht hatte Dan Geldsorgen. Sie hatte gelesen, daß solche Sorgen mehr als alles andere die Libido der Männer dämpften. Zugegeben, das war ein komischer Gedanke. Bedeutete er, daß junge Männer überhaupt keine Sorgen hatten? Sie lächelte die Zimmerdecke an.

Geld? Das könnte es sein. Die letzte Stromrechnung war horrend gewesen, und das Auto hatte zwei neue Reifen gebraucht, um durch den TÜV zu kommen. Jetzt, da zwei der Kinder nicht mehr zu Hause wohnten und sie beide arbeiteten, hätte das Leben leichter sein müssen. Und warum war es das nicht? Warum hatten sie noch immer finanzielle Schwierigkeiten, fuhren ihren alten Wagen und ließen den Riß in der Schlafzimmerdecke nicht reparieren? Und warum fuhren sie nicht im Urlaub nach Italien, wie sie es schon seit Jahren geplant hatten, und machten sich noch immer Sorgen.

Die Eigenart des Geldes, so schnell dahinzuschmelzen, war für Peggy ein ständiges Geheimnis. Natürlich hatten sie Paul bei der Anzahlung für sein Haus geholfen, und sie hatten sich noch nicht von den Kosten von Carols Hochzeit vor über einem Jahr erholt. Peggy änderte ihre Position, als läge sie unbequem – doch sie litt nicht körperlich, sondern seelisch. Jedesmal, wenn sie an diese Hochzeit dachte, ballte sich Zorn in ihr zusammen. Sie setzte sich auf und zündete sich eine Zigarette an. Mist! dachte sie, als sie gegen ihre eigenen Regeln verstieß. Noch immer konnte sie sich an jede Einzelheit des ganzen Geschehens erinnern.

Weder sie noch Dan hatten Einwände gegen Carols Wunsch gehabt, eine große Hochzeit ganz in Weiß zu feiern.

»Natürlich kannst du das alles haben. Nur das Beste für meine Prinzessin«, hatte Dan mit einem rührseligen Grinsen gesagt. Peggy, die normalerweise die Gelassenheit selbst war, war oft von dem dunklen Drang besessen, ihren Mann zu schlagen, wenn er ihre Tochter »Prinzessin« nannte. Sie wußte nicht genau, warum das so war. Weil sie es für blöd hielt oder weil er sie nie anders als Peggy nannte?

Die Probleme hatten sich überstürzt, als Dans und Peggys Vorstellungen von der Hochzeit nicht mit denen von Daphne Webster, Carols künftiger Schwiegermutter, übereinstimmten. Als Peggy an Daphne dachte, schwoll der Knoten ungestillten Grolls in ihrer Brust, so daß sie unbewußt fest darüber rieb.

»Geht's dir gut, Peggy?« murmelte Dan unter der Bettdecke hervor.

»Ich habe gerade an Daphne gedacht.«

»Ach, die alte Kuh. Denk nicht mehr an sie.«

»Ich kann damit nicht aufhören.«

»Du rauchst.«

»Daran ist sie schuld.«

»Dir ist wohl jede Ausrede recht«, sagte Dan mit der Selbstgefälligkeit eines Menschen, der bereits vor zwei Jahren das Rauchen aufgegeben hatte. Dann drehte er sich wieder um und vergrub seinen Kopf in den Kissen.

Peggy inhalierte tief und genoß den Rauch noch mehr als sonst, weil sie nicht im Bett hätte rauchen dürfen – es war wie früher in der Schule, als sie heimlich hinter dem Fahrradschuppen rauchten. Damals waren Vergnügen billig, dachte sie.

Heutzutage war nichts mehr billig. Jahrelang hatten sie und Dan für die Hochzeiten ihrer beiden Töchter Geld auf die Seite gelegt. Aber Carols Hochzeit hatte auch Stephanies Anteil verschlungen, und zusätzlich hatten sie noch ihr Konto überzogen. Dieses Minus schien mit den fälligen Zinsen nie weniger zu werden. Dan war überzeugt, er würde diese Bankschulden noch mit ins Grab nehmen. Und am meisten ärgerte das die beiden, weil sie früher nie Schulden gehabt hatten – bei niemandem.

Peggy hatte alles geplant. Die Trauung sollte in der örtlichen Kirche stattfinden, und anschließend sollten die Hochzeitsgäste zum Essen ins Central Hotel eingeladen werden, das auch gehobenen Ansprüchen genügte. Falsch gedacht – Daphne Websters Ansprüchen genügte es nicht. »Ich weiß, daß Sie es gut meinen, Margaret. Ich darf Sie doch beim Vornamen nennen?« Daphne hatte Peggy über ihre Teetasse hinweg angelächelt, die die Mutter ihres zukünftigen Schwiegersohns eingeladen hatte, um mit ihr die Hochzeitsvorbereitungen zu besprechen.

»Ich verstehe nicht, was Sie am Central Hotel auszusetzen haben. Dans Firma veranstaltet dort immer ihre Weihnachtsfeiern, und die sind sehr schön.« Peggy hatte Entschlossenheit demonstrieren wollen, doch sie merkte, daß sie sich kläglich anhörte.

»Aber finden Sie es da nicht etwas unpersönlich? Ich denke, wir sollten in einem großen Zelt im Garten feiern«, entgegnete Daphne. »Natürlich haben Sie nicht genügend Platz dafür, nicht wahr?« Die kleinen blaßblauen Augen – Peggy mußte während der Unterhaltung immer mehr an Schweinsäugelchen denken – schauten verächtlich durch das Verandafenster. »Dafür ist Ihr Garten bei weitem zu klein.« Peggy maß ihn mit Blicken ab. Bisher hatte sie ihn immer für groß genug gehalten.

»Ein Zelt? Sie machen wohl Witze«, sagte Peggy indigniert. Vor lauter Ärger saß sie kerzengerade in ihrem Sessel. Sie lachte kurz auf und fragte sich, warum sie Schweine so ungerecht behandelte; sie waren doch nette Geschöpfe. Nein, Daphnes Augen glichen mehr denen eines Frettchens.

»Haben Sie bereits an ein adäquates Gefährt gedacht?«

»Wir wollen einen weißen Rolls-Royce mieten.«

»Finden Sie das nicht recht gewöhnlich? Jeder fährt in einem weißen Rolls. Ich meine, daß eine Kutsche um etliches stilvoller für unseren Sean und unsere Carol wäre.«

»Aber die Kirche ist doch gleich um die Ecke! Das lohnt sich ja überhaupt nicht.«

»Das ist noch ein Punkt, meine liebe Margaret. Die Kirche.« Peggy saß jetzt ganz steif da, während Daphne ihrer Mißbilligung Ausdruck verlieh. »Ihre Kirche ... ich meine, diese modernen Kirchen, alles roter Ziegelstein und keine bunten Fenster.« Daphne machte eine Pause, nahm ihre Teetasse und starrte Peggy an, die sich einen verrückten Augenblick lang fast dafür entschuldigt hätte, so als hätte sie die Kirche gebaut. »Natürlich ist dagegen nichts einzuwenden, wenn man solche Kirchen mag aber wenn Sie mich fragen« – was Peggy nicht getan hatte – »nichts geht über eine alte Kirche, mit einem überdachten Kirchhofseingang. Was mich zu dem vorherigen Punkt zurückbringt. Wir haben natürlich einen wundervollen Garten.«

»Natürlich.«

»Da ist genug Platz für ein großes Zelt. Und in der Nähe gibt es eine schöne, alte Kirche. Das glückliche Paar könnte durch den überdachten Kirchhofseingang schreiten – welch zauberhafter Anblick. Wenn es aber an den Kosten liegen sollte, wären Cyril und ich nur zu glücklich, Ihnen auszuhelfen und ...« So plauderte Daphne mit der Sensibilität eines Panzers ausgerüstet weiter und walzte jedes Argument nieder. Schließlich nahm Peggy Daphnes Gegeneinladung zum Tee bei sich zu Hause an. Ihre Neugier hatte über ihren Stolz gesiegt. Doch kaum war Daphne in ihren Rover gestiegen, als Peggy in die Garage lief, das Maßband holte und ihren Garten ausmaß.

Wenn sie das Gemüsebeet in diesem Jahr opferten und das Gartenhäuschen vorläufig abbauten und das Zelt sich zur Terrasse hin öffnete, konnten sie es gerade in den Garten quetschen. Dann wäre zwar der Teich mitten im Zelt, aber das könnte ganz hübsch aussehen – und mit etwas Glück würde das alte Frettchenauge hineinfallen.

Carol hatte ihrer Mutter erzählt, daß der Architekt von Seans Eltern voller Zorn seine Arbeit niedergelegt habe. Als Peggy aus dem Wagen stieg und den Neubau betrachtete, konnte sie sich vorstellen, warum. Es war fast unmöglich, den ursprünglichen Plan zu erahnen, denn das Haus war mit Zinnen, Erkern und Türmchen ausgestattet und hatte vergitterte Fenster. Es herrschte ein solches Durcheinander von Stilen, daß das ursprüngliche Konzept des Architekten nicht mehr zu erkennen war.

»Ich frage mich, wie sie um alles in der Welt dafür eine Baugenehmigung bekommen haben?« rief Peggy aus.

»Oh, ich weiß nicht, mir gefällt es ganz gut«, entgegnete Dan. Peggy sah ihren Mann entsetzt an, und sie überkam eine dieser heftigen Anwandlungen – die nur eine Sekunde dauerte –, ihn in den Zierbrunnen im Vorgarten zu stoßen, der von wasserspeienden Cherubinen gespeist wurde. Statt dessen drückte sie auf den Klingelknopf, und Dan nickte beifällig beim gedämpften Ton des Glockenspiels, das die beiden durch die schwere Eichentür hören konnten.

»Oh, Margaret und Daniel!« begrüßte Daphne sie überschwenglich. Dan zwinkerte, denn so hatte ihn niemand mehr seit seiner Taufe vor achtundvierzig Jahren genannt. »Bitte kommen Sie rein.« Wenn man das Äußere des Hauses keiner bestimmten Stilrichtung zuordnen konnte, so gelang das im Innern noch weniger. In der Eingangshalle prunkte ein Black-Watch-Schottenteppich und ein so großer Kamin, daß man in ihm bequem stehen konnte, der aber von einem Feuer aus künstlichen Kohlen gespeist wurde – offensichtlich ein Resultat von Daphnes erlesenem Geschmack hinsichtlich der Imitation schottischer Landsitze. Das Wohnzimmer hingegen war französisch eingerichtet, 19. Jahrhundert, Schnörkel und Blattgold. Peggy wußte das, weil sie den Stil aus einem ihrer Bücher kannte. Sie interessierte sich für Antiquitäten, auch wenn sie wahrscheinlich nie welche besitzen würde.

Die Einrichtung ist teuer gewesen, dachte Peggy, als sie in dem überladenen Raum Platz nahmen. Überall standen kleine Tische mit allerlei Schnickschnack herum, vor allem Fotografien, hauptsächlich von Sean, und natürlich in silbernen Rahmen.

»Er hat's weit gebracht«, flüsterte Dan Peggy zu, als Daphne aus dem Zimmer ging, um die Getränke zu holen.

»Für meinen Geschmack ist das alles etwas überkandidelt. Zu viele Staubfänger«, entgegnete Peggy pragmatisch. »Sieh dir doch nur mal diese ganzen vergoldeten Bilderrahmen an.« Sie deutete auf die Bilder an der Wand.

Doch Dan war sichtlich beeindruckt, was Peggy Sorgen machte. Sie fürchtete, daß er sich von der Umgebung einschüchtern ließ und Daphne ihn dazu bringen könnte, allem möglichen zuzustimmen. Sie straffte die Schultern, stemmte ihre Füße fest auf den handgeknüpften chinesischen Teppich – er hätte besser in ein Schlafzimmer als in einen Wohnraum gepaßt, dachte sie – und bereitete sich innerlich auf einen Kampf vor, falls nötig.

Peggy hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Daphne überreizte ihr Spiel, weil sie das Haus und den Garten der beiden zu klein fand. Das gefiel Dan überhaupt nicht. Welchem Mann würde das gefallen? Er hatte hart dafür gearbeitet. Ihr Domizil in einer guten Wohnlage mit angesehenen Nachbarn war meilenweit von den viktorianischen Reihenhäusern entfernt, in denen sie beide aufgewachsen waren und wo sie nur die Straße zum Spielen gehabt hatten.

»Das wird nicht nötig sein«, sagte Dan steif und lehnte Daphnes Angebot, in ihrem Haus und Garten die Hochzeit zu feiern, ab. »Ein Mädchen muß in seinem Elternhaus heiraten. Alles andere würde seltsam aussehen.«

»Ich wollte Ihnen doch nur entgegenkommen«, flötete Daphne.

»Dafür sind Peggy und ich Ihnen auch dankbar, aber das können wir nicht akzeptieren.« Dan erhob sich abrupt.

»Kann ich vielleicht sonst noch etwas tun?« Daphne sprang auf, und Angst klang in ihrer Stimme durch, da sie ihren Traum, allein über den Ablauf der Hochzeitsfeier zu bestimmen, schnell schwinden sah.

»Sicherlich wird Peggy Ihre Hilfe zu schätzen wissen«, erwiderte er vage, da ihm diese Thematik überhaupt nicht vertraut war.

»Was für eine herrische Kuh!« stieß er fünf Minuten später aus, als sie beide winkend und lächelnd davonfuhren.

»Und Sean ist so ein angenehmer und umgänglicher Mensch«, sagte Peggy zu ihrem Mann.

»Jetzt weißt du auch, warum. Andernfalls hat er in diesem Haus keine Ruhe.«

»Wie kann sie es nur wagen, sich derart in Carols Pläne einzumischen?«

»Hältst du die Idee mit dem Zelt nicht für absolut übertrieben?«

»An den Gedanken habe ich mich bereits gewöhnt«, antwortete Peggy schnell, weil er ihr inzwischen gefiel.

»Das ist aber sehr teuer.«

»Ja, doch sie will für den Sekt aufkommen.«

»Das ist großzügig. Was ist ihr Mann eigentlich von Beruf?«

»Finanzberater, hat sie gesagt.«

»Früher hießen diese Leute Versicherungsvertreter«, entgegnete Dan verächtlich schnaubend.

Das alles war vor über einem Jahr geschehen, und es wurmte sie noch immer. Für den Sekt aufkommen – ein Witz! dachte Peggy, als sie ihre Beine über die Bettkante gleiten ließ. O ja, sie hatten den Sekt besorgt – achtzehn Flaschen für neunzig Gäste. Elende Knauserer! Peggy tastete mit den Füßen nach ihren Hausschuhen. Sie hatte Paul mit einem Scheck, von dem sie hoffte, daß die Bank ihn nicht platzen lassen würde, zum Weinhändler schicken müssen, was ihre finanziellen Belastungen noch vergrößert hatte.

Doch es hatte keinen Sinn, sich weiterhin darüber zu ärgern. »Was geschehen ist, ist geschehen«, wie ihre Mutter immer gerne verkündete. Sie ging ins Badezimmer und wusch sich. Dann schlüpfte sie in die Kleider von gestern. Umziehen würde sie sich später.

In der Küche fütterte sie die Katze, stellte den Wasserkessel auf, holte den Braten aus der Speisekammer und schaute in den winterlichen Garten.

Hazel, ihre beste Freundin, wurde jeden Sonntag von ihrem Mann zum Lunch in ein Restaurant eingeladen. Das hätte Peggy auch gefallen. Schließlich kostete eine anständige Mahlzeit im Lion and Lamb im Dorf nicht die Welt.

»Wenn ich erst mal verheiratet bin und wir uns richtig eingerichtet haben, wechseln wir uns ab – ihr kommt die eine Woche zu uns und wir die nächste zu euch.« Das hatte Carol gesagt. Sie brauchte verdammt lange, um sich einzurichten – Peggy und Dan waren erst einmal zum Lunch bei ihnen gewesen. Doch worüber beklagte sie sich eigentlich? Sie sollte dankbar sein, daß sie eine Tochter hatte, die noch immer jede Woche ihre Eltern besuchte, selbst wenn ihr Vater darauf bestand, sie weiterhin Prinzessin zu nennen.

Da pfiff der Kessel, und Peggy brühte sich eine Tasse Tee auf – die beste des Tages.

Kapitel 2

Zwei Stunden später, nach dem Frühstück und dem Spülen des Geschirrs, war Peggy in ihren Vorbereitungen zum Mittagessen schon weit vorangekommen. Während sie den Teig für den Apfelkuchen ausrollte, fragte sie sich, wie viele Kilo oder Zentner Teig sie über die Jahre hin hergestellt hatte. Wenn sie auch von sonntäglichen Essen in Pubs träumte, wollte sie es denn anders haben? Sie lächelte. Wahrscheinlich nicht. Im Fernsehen hatte sie einen italienischen Koch sagen hören, daß Essen mit Liebe zubereitet werden müsse und daß allein die Liebe es köstlich mache. Und das tat sie, jeden Sonntag, jedes Weihnachten, und zeigte ihrer Familie, wie sie sie umsorgte.

»Hallo, Mum!«

»Paul! Was für eine nette Überraschung«, sagte Peggy, als ihr Sohn den Kopf zur Hintertür hereinsteckte. »Wir sehen dich so selten. Komm rein. Dein Vater ist nur kurz zum Tanken gefahren. Er ist gleich zurück.«

»Ich wollte sowieso mit dir sprechen.«

»Möchtest du Kaffee? Ich mache mir gerade welchen«, erklärte sie, als der Kessel zu pfeifen anfing.

»Gerne. Riecht gut.« Er nickte in Richtung des Herds.

»Schweinebraten. Rindfleisch ist zu teuer«, meinte sie und tat jeweils einen Löffel Nescafé in zwei Becher. »Bleib doch zum Essen. Es ist genug da.«

»Danke, aber das geht nicht. Candice brät ein Hähnchen.«

»Wie schön«, sagte Peggy. In Wahrheit hätte sie lieber gesagt: Was für eine Überraschung! Candice war zwar ein nettes Mädchen, aber faul. Sie und Paul gaben viel zuviel Geld für Essen zum Mitnehmen aus, jedenfalls war das Peggys Meinung. »Also, über was willst du mit mir reden?« fragte sie und stellte beide Kaffeebecher auf den Küchentisch. »Setz dich.«

Paul schien sich in seiner Haut nicht wohl zu fühlen. Er vermied es, seine Mutter anzuschauen.

»Nun?« Sie sah, wie er tief einatmete. Schnell gab sie Zucker in ihren Kaffee, denn ihr Instinkt sagte ihr, daß Paul keine guten Nachrichten für sie hatte.

»Ich habe mich gefragt, ob ich nicht wieder hier wohnen könnte.«

»Hier wohnen?« wiederholte Peggy dümmlich.

»Ja. Einen Monat oder so, bis ich meine Probleme gelöst habe. Es geht um Candice und mich. Unser Zusammenleben klappt nicht«, erklärte er und sah seine Mutter noch immer nicht an.

»Für ein Kind und für eine weitere Schwangerschaft hat es aber geklappt«, entgegnete Peggy scharf.

»Ich weiß, ich weiß. Versteh mich nicht falsch. Ich habe lange darüber nachgedacht. Ich habe einen Fehler gemacht, Mum. Erst einmal hätte ich sie überhaupt nicht heiraten sollen.«

»Aber das hast du getan, oder? Es ist geschehen. Du kannst Candice nicht einfach verlassen, weil du glaubst, einen Fehler gemacht zu haben.«

»Das tue ich ja nicht. Candice ist mit der Trennung einverstanden. Auch sie will, daß ich gehe.«

»Warum denn, um Himmels willen?«

»Wir haben nichts gemeinsam. Wir haben uns überhaupt nichts zu sagen.«

»Zu dumm, daß du das nicht eher herausgefunden hast.« Mit einer abrupten Bewegung schaufelte sie noch mehr Zucker in ihren Becher.

»Und wir haben kein Geld, um unsere Situation zu ändern.«

»Das tut mir leid, doch wer hat schon Geld?«

»Es ist nun einmal so, daß ich glücklicher wäre, wenn wir uns trennten.«

»Red nicht so dummes Zeug daher. Eine Scheidung können sich nur reiche Leute leisten.«

»Hör zu, Mum. Wenn ich einfach abhauen würde, könnte sie Sozialhilfe kriegen. Und ich könnte ihr zusätzlich Geld schicken.«

»Ach ja? Und wie lange? So lange, bis du jemand anders kennenlernst und mit dieser Person zusammenziehen willst? Und was soll dann werden, wenn du Candice nicht mehr unterstützen kannst? Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen derartigen Blödsinn gehört, Paul. Wenn du hier in derselben Stadt lebst und arbeitest, glaubst du im Ernst, daß die Sozialhilfe Candice unterstützt? Denk mal logisch, mein Sohn!« Sie rührte so heftig in ihrem Becher, daß der Kaffee über den Rand schwappte und Flecken auf der hellen Tischdecke hinterließ.

»Ich arbeite nicht mehr.« Er blickte auf seine langen, schlanken Hände.

»Sie haben dich rausgeschmissen?« Peggy rührte nicht mehr in ihrem Becher. Wie erstarrt saß sie mit dem Löffel in der Hand da.

»Nein, John hat gestern den Laden geschlossen. Die Leute haben kein Geld für die Art Computer, die wir verkaufen.«

»Dann bekommst du Arbeitslosengeld.«

»Er hat pleite gemacht, Mum.«

»Pleite gemacht? Was soll das heißen?«

»Er ist bankrott. Da gibt's kein Arbeitslosengeld.«

»O mein Gott! Das tut mir leid, Paul. Die Arbeit gefiel dir doch so.« Geistesabwesend legte Peggy ein Küchenhandtuch, das sich auf dem Tisch befand, zusammen und wieder auseinander. »Noch letztes Jahr hofftest du doch, Geschäftsführer in dem neu zu eröffnenden Laden zu werden. Das ist so ungerecht. Warum hat er dir diese Hoffnungen gemacht? Das muß er doch gewußt haben. Er muß doch gesehen haben, daß es so kommt.«

»Genau. Und ich habe ihm wie ein Idiot geglaubt. Ich habe mit dem höheren Einkommen, das ich dann gehabt hätte, gerechnet. Deshalb habe ich mir auch ein anderes Auto gekauft. Jetzt kann ich die Raten nicht mehr zahlen. Und der Himmel weiß, wie ich die Hypothek aufbringen soll.«

»Beruhige dich erst einmal, Paul. Es gibt immer Mittel und Wege. Wenn man den Arbeitsplatz verloren hat, ist das noch kein Grund, eine Ehe zu zerstören. Was für ein Haufen Mist!« Fast hätte sie gelacht, aber nur fast.

»Du verstehst mich nicht, Mum. Candice will nichts mehr von mir wissen. Sie hat die Nase voll. Das Haus ist zu klein, sie wird mit Lance nicht fertig, und ihr ist die ganze Zeit schlecht.«

»So? Das verschwindet wieder. Als sie das letztemal schwanger war, ging es ihr genauso.«

»Sie will nichts mehr von mir wissen.«

»Sie kocht für dich.«

»Wir lieben uns nicht mehr – aus.« Er stützte den Kopf in die Hände. Instinktiv wollte sie zu ihm gehen und ihn trösten, alles für ihn wieder ins Lot bringen und ihm sagen, daß sie ihn liebe.

»Reiß dich jetzt endlich zusammen!« fuhr sie ihn statt dessen an. »Natürlich liebt ihr euch nicht mehr so wie am Anfang. Das hast du wohl auch nicht erwartet, oder? Wie naiv bist du eigentlich? Liebe ändert sich. Diese anfängliche Leidenschaft vergeht allmählich. Dafür sorgt schon der tägliche Trott. Jeden Morgen beim Aufstehen etwas, jeder Rülpser, jeder Furz, jedesmal, wenn du sie auf dem Klo hörst. Aber Liebe, echte Liebe, die bleibt. Sie ändert sich, sie wird ruhiger, doch sie dauert.«

Paul sah seine Mutter an. »Ist das so?«

»Natürlich ist das so. Dan und ich haben seit Jahren nicht mehr geturtelt, das heißt aber nicht, daß wir uns nicht lieben. Du meine Güte, wenn sich jedes Paar nach den ersten Problemen scheiden lassen würde, gäbe es keine verheirateten Leute mehr auf der Welt.«

»Und ich will dieses Kind nicht.«

»Dafür ist es wohl etwas zu spät.«

»Sie hat mich ausgetrickst. Sie behauptete, sie nähme die Pille, hat es aber nicht getan.«

Peggy seufzte verärgert. »Warum sollte sie dich austricksen, wenn sie nicht länger mit dir leben will? Sag mir endlich mal etwas Vernünftiges.«

»Daß ich meinen Job verloren habe, hat das Faß zum Überlaufen gebracht. Wir haben fürchterlich gestritten.«

»Das ist schließlich nicht deine Schuld.«

»Erklär ihr das mal!« erwiderte er mit einem bitteren Lachen.

»Schau mal, Paul.« Peggy beugte sich über den Tisch und nahm seine Hand. »Du findest eine neue Arbeit. Du mußt dir nur Mühe geben. Die allgemeine Wirtschaftskrise ist daran schuld, nichts anderes. Warte mal ...« Sie stand auf, ging ins Eßzimmer, wo ihre Handtasche auf der Anrichte lag, nahm ihr Scheckheft heraus und schrieb ihm einen Scheck über hundert Pfund aus. Morgen früh mußte sie die Bank anrufen und erklären, was sie getan hatte. Zum Glück hatte sie ein eigenes Konto, so daß Dan nichts davon erfuhr. Sie ging in die Küche zurück, und ihr wurde beim Anblick der zusammengesunkenen Gestalt am Tisch das Herz schwer. Vor noch nicht allzu langer Zeit war er ein Kind gewesen und voller Stolz in die Küche gerannt, weil man ihn in die Schülermannschaft aufgenommen hatte. Und welchen Anblick bot er jetzt.

»Paul, nimm das – damit du etwas besser über die Runden kommst. Und hier ...« Sie gab ihm eine Fünfpfundnote. »Auf dem Nachhauseweg kaufst du eine Flasche Wein zu dem Brathähnchen. Mag Candice nicht Weißwein? Wie heißt er noch?«

»Liebfrauenmilch.«

»Ja, genau. Kauf eine Flasche. Sperr Lance in seinem Kinderzimmer ein, oder bring ihn her, wenn dir das lieber ist. Dann macht ihr euch einen schönen Nachmittag, damit sie wieder vernünftig wird. Bums sie!«

»Mum!« sagte Paul schockiert. Er war entsetzt, weil sie ein solches Wort kannte und, noch schlimmer, wohl auch wußte, was es bedeutete. Sie hörten, wie eine Autotür zugeschlagen wurde. »Mum, ich ...«, fing er an, brach aber ab, als er die Stimme seiner Schwester im Flur hörte. »Ich verschwinde jetzt. Ich möchte sie lieber nicht sehen. Sean geht mir auf den Geist. Er ist immer so selbstgefällig. Vielen Dank, Mum.« Er küßte sie schnell auf die Wange. »Kannst du dir das auch leisten?« Er wedelte mit dem Scheck in der Luft herum.

»Natürlich«, log sie.

Die Hintertür wurde zugeschlagen, als die Küchentür geöffnet wurde.

»War das nicht Paul?« fragte Carol.

»Er hatte es eilig. Candice wartet auf ihn.«

»Charmant. Er hätte uns wenigstens begrüßen können.«

»Das riecht gut, Mum.« Sean schnüffelte anerkennend.

Peggy drehte den Kopf, damit die beiden sie küssen konnten. Manchmal wünschte sie, Sean würde sie nicht Mum nennen; schließlich war sie nicht seine Mutter. Aber mit einer Mutter wie Daphne – konnte er sich da nicht eine andere wünschen? »Wie geht's deiner Mutter?« fragte sie zu seinem und auch ihrem Erstaunen.

»Danke, gut. Jedenfalls ging es ihr gut, als ich sie zum letztenmal sah.«

Peggy spürte sofort, daß zwischen ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn etwas nicht stimmte, und fragte sich, ob sie die beiden darauf ansprechen sollte. Besser, ich gebe keinen Kommentar ab, beschloß sie.

»Und was soll das heißen?« fuhr Carol ihren Mann an, wie um Peggys Befürchtungen zu bestätigen.

»Steht dir gut, was du da anhast, Carol«, sagte Peggy fröhlich und wechselte geschickt das Thema.

»Gefällt's dir? Miss Selfridge«, erklärte Carol und strich über ihren Rock. Peggy wußte nicht, wem sie ähnelte, ihr gewiß nicht. Als Peggy jung war, hatte sie nie wie aus dem Ei gepellt ausgesehen. Jetzt zwang sie sich zu mehr Gepflegtheit in ihrer äußeren Erscheinung. Das hatte sie tun müssen, sonst wäre sie keine so erfolgreiche Fachverkäuferin geworden.

»Sehr hübsch. Mach mal Platz, Sean. Ich muß nach dem Braten sehen.«

»Seans Mum bereitet den Lammbraten mit Knoblauch und Rosmarin zu«, sagte Carol.

»Wirklich? Deinem Dad würde das nicht schmecken. Er kann Knoblauch nicht ausstehen.« Peggy versah den Apfelkuchen mit einer Glasur.

»Wird es dir nicht langweilig, immer dasselbe zu kochen?« fragte Carol unschuldig.

»Ob langweilig oder nicht, ich muß nun mal kochen«, antwortete Peggy mit ungewöhnlicher Schärfe in der Stimme, die sie sofort bedauerte.

Carol sah ihre Mutter überrascht an. »Du brauchst mich nicht so anzublaffen.« Ihre Unterlippe zitterte, und Tränen rannen aus ihren großen blauen Augen. »Ich habe doch nur Konversation gemacht.«

»Sei nicht albern, Carol. Ich habe dich nicht angeblafft.«

Peggy blickte von ihrer Arbeit auf und merkte, daß Carol wirklich weinte, während Sean schmollte. »Was ist denn nur mit euch los?« fragte sie. Offensichtlich gab es heute außer Pauls noch mehr Miseren.

»Es geht um Sean. Er war richtig eklig zu mir, und jetzt bist du mir auch noch böse«, sagte Carol und schlüpfte wieder in die Rolle eines Kindes. Bei ihrem Vater wirkte Glas immer Wunder, aber Peggy irritierte dieses Benehmen.

»Was ist los?«

»Ich mußte Carol ein paar Dinge klarmachen, Mum. Und das hat ihr überhaupt nicht gefallen.«

»Was für Dinge?« fragte Peggy, die nichts Gutes ahnte.

»Daß wir eventuell unser Haus in Highwinds aufgeben müssen. Daß es für ein Kind noch zu früh ist. Daß sich sein Vater große Sorgen ums Geschäft macht. Und daß ich mein beschissenes Auto behalten ... und weiterhin arbeiten muß«, antwortete Carol

»Sonst noch was?« fragte Peggy. Sie merkte nicht, wie sarkastisch sie geklungen hatte.

»Du verstehst mich auch nicht. Das ist nicht fair«, schluchzte sie. »Nicht fair.«

»Das Leben ist selten fair«, sagte Peggy geduldig.

»Alles, was wir geplant haben, scheint sich in Luft aufzulösen. Und ich kapiere nicht, warum das so ist.« Sie schneuzte sich geräuschvoll in das Taschentuch, das Sean ihr gegeben hatte.

»Es tut mir leid, ich habe alles versucht«, sagte er und sah gleichzeitig schuldbewußt und hilflos aus.

»Das wissen wir doch, Sean. Niemand hat härter als du gearbeitet.«

»Danke, Mum«, erwiderte er mit belegter Stimme.

O mein Gott, dachte Peggy, hoffentlich fängt er nicht auch noch zu heulen an. Peggy war immer hilflos, wenn Männer weinten.

»Die Zeiten sind schlecht, Mum. Wirklich schlecht.«

»Im Fernsehen sagen sie doch, daß die Rezession vorüber sei«, meinte Carol mürrisch.

»Das behaupten sie schon seit Jahren. Es braucht aber Zeit, bis auch die kleinen Leute davon profitieren. Man muß sich nur mal ... die Läden ansehen.« Peggy hatte gerade noch verhindern können zu sagen, Pauls Firma. »Die Dinge entwickeln sich nicht so schnell zum Besseren, wie immer erklärt wird.«

»Paul und Candice bekommen noch ein Kind, und es geht ihnen finanziell nicht so gut wie uns.«

»Nur, weil Candice die Pille vergessen hat«, entgegnete Sean.

»Typisch Mann! Gib der Frau nur die Schuld!«

»Das stimmt doch. Paul hat es mir erzählt. Er ist zweimal reingelegt worden.«

»Solches Gerede führt zu nichts. Was geschehen ist, ist geschehen«, sagte Peggy und dachte, wie oft sie in Klischees redete, aber wie nützlich doch diese kleinen Sätze waren. »Und dein Vater macht sich Sorgen ums Geschäft?« fragte sie Sean, als sie den Kuchen in den Herd stellte.

»Er hat jahrelang geschuftet, um das alles aufzubauen. Er hatte genug Rücklagen, um die Rezession durchstehen zu können. Aber das neue Haus und all die anderen Belastungen ... na ja, die Geschäfte müssen einfach schnell besser gehen.«

»Oh, das tut mir wirklich leid«, sagte Peggy und hörte, wie falsch ihre Stimme klang. »Du mußt dich eben einschränken, Carol, und etwas Geduld haben. Das ist doch nicht so schwierig, oder?«

Ein schwächerer Charakter wäre vor dem giftigen Blick zurückgeschreckt, doch Peggy war solche Blicke von ihrer Tochter gewohnt und reagierte nicht.

»Da ist dein Vater«, sagte sie erleichtert, als sie Dans Wagen vor die Garage fahren hörte.

»Dad!« Carol riß die Tür auf, und die kalte Februarluft strömte in die Küche. »Oh, Daddy!« Sie klammerte sich an ihn.

»Wie geht es meiner Prinzessin?« Dan küßte seine Tochter liebevoll. Peggy schaute zu Sean, um zu sehen, wie er reagierte, ob er Dans Verhalten seiner Tochter gegenüber ebenso ärgerlich wie sie fand. Aber Seans Blick war ausdruckslos – das war er oft. »Was ist denn das? Wer hat meine Prinzessin zum Weinen gebracht?«

»Es ist nichts, Daddy«, sagte Carol tapfer.

»Möchtest du etwas mit mir besprechen?« fragte er und sah seinen Schwiegersohn wütend an.

»Nein. Sean und ich hatten nur einen dummen Streit.«

»Ach, das ist es also.« Dan lachte.

»Bewegt euch. Ich will den Tisch decken«, sagte Peggy mit wachsender Verärgerung. Das war typisch für Carol. Ihre Mutter belastete sie mit ihren Problemen, doch ihren Vater verschonte sie damit. Peggy war sich wohl bewußt, daß Carol sie deswegen nicht mehr liebte – das Gegenteil war wahrscheinlich der Fall. Sie hatten sich nie wirklich nahegestanden, obwohl Peggy es versucht hatte. Sie hatte nie begriffen, warum das so war. Sie liebte ihre Tochter, ohne Zweifel, aber sie verstand sie nicht und würde sie auch niemals verstehen.

»Wo ist Steph?« fragte Dan.

»Oben. Sie macht Hausaufgaben«, antwortete Peggy.

»Sie drückt sich doch nur vor der Arbeit«, meinte Carol.

»Das ist nicht fair, Carol. Das arme Mädchen ertrinkt förmlich in Hausaufgaben. Sie hat nur noch ein paar Wochen bis zu den Prüfungen. Und trotzdem beklagt sie sich nie.«

»Ich kann den Sinn der ganzen Sache nicht begreifen. Eines Tages wird sie heiraten und Kinder bekommen. Wie alle anderen auch«, erklärte Carol zuckersüß und lächelte dabei ihren Vater an.

»Da hast du was Wahres gesagt.« Dan schaute auf seine Uhr. »Haben wir noch Zeit für ein Glas Bier, Peggy?« fragte er wie jeden Sonntag.

»Nur eins«, antwortete auch sie wie jeden Sonntag.

»Ich komme mit. Ich hätte gern ein Bitter Lemon, wenn du nichts dagegen hast, Mum«, sagte Carol ebenfalls wie jeden Sonntag.

»Nun geht schon. Allein komme ich sowieso besser zurecht.«

»Soll ich eine von den Großmüttern abholen?« fragte Dan. »Keine. Meine Mutter geht mit Freunden zum Lunch, und Jean macht einen Ausflug mit den Rentnern. Diesmal sind wir unter uns.«

»Wie schön«, sagte Dan und warf die Tür hinter ihnen ins Schloß.

Peggy lehnte sich an den Küchentisch, zündete sich eine Zigarette an und starrte ins Leere. Sie wollte nicht über Carol und deren Probleme nachdenken, jedenfalls jetzt nicht. Noch waren ihre Gedanken bei Paul. Sie hatte diese Neuigkeiten noch nicht verkraftet. Das alles war so dumm, so egoistisch. Sie schüttelte mißbilligend den Kopf. Sie würde an etwas anderes denken.

Dan war so streng zu Steph. Warum? Steph hatte ihnen nie Sorgen gemacht – nicht wie Carol, die mit sechzehn eine ziemlich ungestüme Phase hatte und einen fürchterlichen Freund, einen Motorradfan. Vielleicht war das so, weil Steph nicht so hübsch wie Carol war. Vielleicht mochte Dan sie deswegen nicht so sehr wie seine ältere Tochter. Aber Steph hatte Charme, einen ganz spezifischen Charme, der Peggy gefiel. Ihr Haar war dunkler als Carols blonde Locken, und sie hatte nicht wie Carol Dans blaue Augen geerbt, sondern die haselnußbraunen ihrer Mutter. Die Leute sagten, Steph ähnle ihr, obwohl Peggy das nicht fand, aber in Carol steckte eine Menge von Dan. Das allein war der banale Grund, warum er sie bevorzugte. Nein, es war komplizierter als das. Manchmal fragte sich Peggy – obwohl sie bei diesem Gedanken nicht glücklich war –, ob Dan nicht auf Stephs intellektuelle Fähigkeiten eifersüchtig war.

Armer Dan. Peggy war sich sicher, daß er immer etwas Minderwertigkeitsgefühle hatte, auch, weil sie in der Schule besser als er gewesen war. Bei ihr hatte es nur am Geldmangel gelegen, daß sie nicht aufs College hatte gehen können. Anfangs hatte es ihr weh getan, in einem Geschäft arbeiten zu müssen. Aber dann hatte sie Dan kennengelernt, der damals eine Ausbildung als technischer Zeichner in einem Ingenieurbüro absolvierte. Die beiden hatten sich ineinander verliebt, und diese Liebe hatte sie mit ihrem Schicksal, das sie bis dahin als ungerecht betrachtet hatte, versöhnt. Seitdem hatte sie immer ihr Licht unter den Scheffel gestellt. Wie ihre Mutter ständig zu predigen pflegte, mochte es kein Mann, wenn seine Frau intelligenter als er war – eine strittige Einstellung, aber Peggy hatte gelernt, sie zu akzeptieren. Sie las sehr viel. In der Familie hieß es oft: »Jetzt kannst du mit Mum nicht reden, sie hat ihre Nase in ein Buch gesteckt.« Das stimmte – wenn man Peggy ein Buch gab, war sie für die Welt verloren. Ihre Interessen waren weit gestreut, und wenn sie es sich auch nicht leisten konnte, viele Bücher zu kaufen, so ging sie oft in die Stadtbücherei.

Ein paarmal hatte sie sich während ihrer Ehe zu Abendkursen eingeschrieben, einmal, um in Englisch den Abschluß der Sekundarstufe zu machen, und einmal in Geschichte. Doch ihre noch jungen Kinder und ein Halbtagsjob hatten ihr nicht genügend Zeit zum Lernen gelassen. Sie hatte sich vorgenommen, sich wieder einzuschreiben, wenn die Kinder älter waren, aber dann mußte sie wegen des Geldes ganztags arbeiten. Das hatte ihr nichts ausgemacht, denn zuerst kam immer ihre Familie. Aber ganz hatte sie das Lernen nicht aufgegeben. Jetzt lernte sie Italienisch für den Traumurlaub, den sie seit Jahren planten – oder vielmehr, den sie seit Jahren plante. Sie wollte nach Rom und Venedig reisen und die Gemälde in den Uffizien sehen, auch wenn sie den Verdacht hatte, daß er, sollte dieser Urlaub jemals Wirklichkeit werden, sich auf Sonnenbaden am Strand und jede Menge Partys beschränken würde. Doch selbst das wäre egal, wenigstens wäre sie dann im Ausland. Und – wie Hazel so treffend bemerkt hatte – die Italiener haben die knackigsten Ärsche.

»Was gibt's da zu grinsen? Ich will auch lachen«, sagte Steph, als sie in die Küche kam.

»Nichts für deine Ohren«, antwortete Peggy, noch immer amüsiert über ihren letzten Gedanken. »Geht's voran?«

»Ja. Aber ich glaube nicht, daß George Bernard Shaw und ich je miteinander auskommen werden. Sobald die Prüfungen vorüber sind, trennen wir uns. Ich will ihn nie wieder sehen.«

»Schäm dich. Mir gefiel Mensch und Übermensch ganz gut«, sagte Peggy.

»Wirklich, Mum! Verschone mich mit dem Zeug. Sind die anderen alle im Pub?« fragte Steph und nahm sich eine Karotte aus dem Kochtopf. »Soll ich den Tisch decken? Was gibt's zum Nachtisch?«

»Apfelkuchen und Vanillepudding.«

»Langweilt es dich nicht, immer dasselbe zu kochen?«

»Das werde ich heute schon zum zweitenmal gefragt. Es ist langweilig, und außerdem ist es bequem. Diese Routine gibt einem Sicherheit«, antwortete sie, wußte aber nicht genau, was sie meinte.

»Das hört sich an, als wolltest du dich selbst überzeugen«, entgegnete Steph, und ehe Peggy ihre Tochter fragen konnte, was sie damit meinte, sprach Steph weiter. »Übrigens, Mum, wenn alles vorbei ist, habe ich die Gelegenheit, in Frankreich als Erntehelferin zu arbeiten. Würdest du das erlauben?« Steph wechselte oft abrupt das Thema.

»Warum sollte ich etwas dagegen haben?«

»Ich dachte, ich brauche dort nicht viel und könnte Geld fürs College sparen und helfen ... wenn ich aufgenommen werde.« Sie klopfte dreimal auf den Tisch, um ihr Glück zu beschwören.

»Du wirst aufgenommen. Jedes College wird sich glücklich schätzen, dich zu seinen Studentinnen zählen zu dürfen.«

»Mum, es ist noch nicht zu spät.« Steph sah plötzlich ernst aus. »Ich muß nicht studieren. Das wird für euch in finanzieller Hinsicht sehr schwierig, sogar mit der Beihilfe. Wenn du willst, könnte ich in den Staatsdienst eintreten.«

»Rede nicht solchen Unsinn. Was habe ich immer gesagt? Du gehst auf die Universität. Du gehst auch für mich hin. Dann kann ich von dir lernen. Wir schaffen das schon.«

»Bist du dir da sicher?«

»Natürlich«, antwortete Peggy, ohne den leisesten Schimmer zu haben, wie sie das schaffen sollten.

Schließlich stand das Essen auf dem Tisch. Peggy war erschöpft, und ihr war heiß. Sie saß an dem Ende, das der Tür und der Anrichte am nächsten war, und sie schaute über den Tisch auf ihre schwatzende und lachende Familie. Sie war glücklich. Ihre Kinder lebten alle in der Nähe; sie waren eine Einheit. Natürlich hatte es Krisen gegeben, meistens war es um Geld gegangen, vielmehr um das Fehlen von Geld, wie bei Paul heute. Und manchmal konnten sie einander weniger gut leiden, dann wieder mehr – doch leiden können war eine Sache, lieben eine andere. Peggy zweifelte nicht daran, daß ihre Liebe füreinander stark genug war, um allem standhalten zu können – und das galt für sämtliche Familienmitglieder.

Kapitel 3

Wenn es Peggy schon irritierte, daß sie an Sonntagen immer früh aufwachte, so war das kein Vergleich zu den Dienstagen. Dienstag war der schlimmste Tag in der Woche. Dienstags arbeitete sie wieder, und an diesem Morgen kam sie nie richtig in Schwung. Da war sie stets müder als an anderen Tagen, und schuld daran war der Montag. Montags war das Geschäft geschlossen, damit die Angestellten so etwas wie ein Wochenende hatten. Und was für ein Wochenende! Wie die meisten ihrer Kolleginnen erledigte Peggy dann alle während der Woche liegengebliebenen Arbeiten. Doch sie hatte einen Trost: Wenn sie Dienstagmorgen das Haus verließ, wußte sie, daß Ordnung herrschte. Jedes Zimmer war geputzt, der Wäschekorb leer und die Wäsche gebügelt und in den Schränken verstaut.

»Du arbeitest zuviel«, sagte Dan oft. Aber das war auch schon alles. Seine Hilfe im Haushalt beschränkte sich auf gelegentliches Abtrocknen des Geschirrs. Sie hatte schon oft gedacht, daß er vor einem gefüllten Kühlschrank eher vor Hunger sterben als die Tür öffnen würde, um sich etwas zu essen herauszunehmen. Sollte sie eines Tages von einem Bus angefahren und tödlich verletzt werden, würde er vielleicht lernen, ein Ei zu kochen. Doch wahrscheinlich würde er zu seiner Prinzessin ziehen, die dann die Rolle des Kindermädchens übernehmen würde. Peggy schalt sich immer, wenn sie diesen Gedanken hatte; er war so boshaft und kleinlich.

Doch was sie nie verstehen konnte, war die Tatsache, daß Dan auf seine Unfähigkeit auch noch stolz war. Wie oft hatte sie ihn prahlen hören, daß er im Haus nichts tue. Männer, die ihren Frauen bei der Arbeit halfen, strafte er mit höhnischer Verachtung. Diese Haltung fand Peggy unfair, denn schließlich verdiente sie einen wesentlichen Teil ihres Budgets. Nicht, daß sie sich jemals darüber beklagt hätte; zum einen bezweifelte sie, daß ihre Klagen eine Änderung herbeiführen würden, und zum anderen würde er sie nur der Nörgelei bezichtigen. Sie gehörte noch einer Generation an, die diese Bürde akzeptierte, während ihre Töchter das nicht mehr taten.

Zwar lag ihr Haus in dem Dorf Marton, doch das Dorf hatte seinen Charakter verloren und gehörte nun zum städtischen Randgebiet. Das kleine Zentrum mit seinem Pub, dem Dorfladen und ein paar Cottages war alles, was davon übriggeblieben war. Der Rest waren Neubauten. Dort lebten Leute, die sich die hohen Mieten in der City nicht leisten konnten.

Glücklicherweise war der Weg zur Bushaltestelle für Peggy kurz und von der Haltestelle in der Stadt zum Kaufhaus sogar noch kürzer. Besonders heute an diesem naßkalten Februarmorgen war sie darüber froh.

Sie stand frierend unter dem Wartehäuschen aus Acrylglas inmitten der anderen Pendler, die sich zwar alle vom Sehen her kannten, aber nie miteinander redeten. Früher einmal hatte Peggy, um sich die Zeit zu vertreiben, Geschichten über diese Leute erfunden, ihnen Lebensläufe angedichtet, doch das tat sie schon lange nicht mehr. Sie alle sahen so langweilig aus, und wahrscheinlich war ihr Leben genauso langweilig.

Sie stellte den Kragen ihres Mantels hoch und versuchte sich einzureden, daß sie nicht nach einem bestimmten Auto Ausschau hielt. Sie schämte sich, weil der rote Wagen und sein Fahrer ein so großes Interesse in ihr erregten. Schuldgefühle deswegen hatte sie von Anfang an gehabt, doch die wurden noch größer, wenn sie in schlaflosen Nächten Geschichten über »ihn« erfand, die zu Geschichten über »sie beide« geworden waren. Durch Dan, der neben ihr lag, verstärkte sich das Gefühl der Scham, und sie empfand, was sie da tat, als eine verbale Masturbation. Immer wenn sie sich diesen Gedanken hingab, schwor sie, es nie wieder zu tun.

Dann sah sie den Wagen über die Byron Road auf sich zukommen. Sie wandte schnell den Blick ab, doch nur, um gleich darauf wieder hinzuschauen. Jetzt hielt er vor der Ampel, die auf Rot stand. Sie seufzte fast erleichtert, denn es bedeutete, daß er gleich weiterfahren würde. Am aufregendsten war es, wenn er direkt neben ihr halten mußte. Dann tauschten die beiden Blicke aus – und vor kurzem hatte er ihr zugelächelt.

Die Ampel schaltete auf Grün, und der Wagen fuhr weiter, und die Aufregung war für diesen Tag vorbei.

Der Bus kam, und sie stieg mit den anderen Leuten ein. Für den mürrischen Fahrer ging das nie schnell genug. Peggy sehnte sich nach den guten alten Zeiten, als die Fahrer noch freundlicher waren. Entschlossen verbannte sie die Gedanken an den Mann im Peugeot aus ihrem Kopf und überlegte während der Fahrt, was sie heute abend kochen könnte. Außerdem quälte sie die Frage, wie sie die offenen Rechnungen begleichen sollten.

Mit einer Bewegung, die jahrelange Routine verriet, steckte sie ihre Karte in die Zeituhr, gab ihre Einkaufstasche ab, bekam dafür eine Nummer und reihte sich in den Strom der Angestellten ein, die zum Personaleingang gingen. Sie sah sich nicht nach Hazel um, die für eine Kosmetikfirma im Kaufhaus arbeitete. Für Hazel galt das strikte Reglement, dem die Angestellten unterworfen waren, nicht. Sie konnte kommen und gehen, wie es ihr beliebte. Peggy begrüßte Phyllis, die in der Abteilung für Damenschuhe arbeitete und die glaubte, daß ihr Mann eine Affäre mit einem Mädchen aus der Kurzwarenabteilung eines anderen Kaufhauses in der Stadt habe.

»Ich könnte ihn ja noch verstehen, wenn sie hübsch wäre, aber sie hat ein richtiges Mopsgesicht«, klagte Phyllis, als sie ihre Mäntel im Personalraum aufhängten. Während sie zum Lift gingen, vertraute sich Phyllis Peggy weiter an. Arme Phyllis, dachte Peggy, besonders attraktiv ist sie wirklich nicht. Wie verwirrt sie sein muß, wenn sie sich dauernd fragt, warum ihr Mann sie betrogen hat und was sie falsch gemacht haben könnte.

Phyllis stieg in der ersten Etage aus, und als der Lift ins Erdgeschoß glitt, wo Peggys Abteilung lag, versuchte sie sich vorzustellen, wie sie reagieren würde, wenn Dan eine Affäre hätte. Oft hatte sie scherzhaft gesagt, daß sie ihm dann seine Eier abschneiden würde. Aber im Ernst, würde sie eine Szene machen und ihn vor die Tür setzen? Wahrscheinlich würde sie leiden – wie Phyllis – und sich mit der Situation arrangieren, aus Angst, alleine zu sein. Doch darüber brauche ich mir eigentlich nicht zu viele Gedanken zu machen, überlegte sie. Wo sollte Dan die Energie für einen Seitensprung hernehmen? Und wenn sie an seine kürzliche Reaktion dachte – war er überhaupt noch an so etwas interessiert?

Sie grüßte die anderen Verkäuferinnen in ihrer Abteilung, die bereits die Regale und die Waren abstaubten, und ging dann zu dem winzigen Büro, das hinter dem Bereich, wo Handschuhe und Schals verkauft wurden, versteckt lag.

»Guten Morgen, Viv«, sagte sie zu der Abteilungsleiterin.

»Was soll schon gut an diesem Morgen sein?« entgegnete Viv. Sie saß hinter einem kleinen Schreibtisch und öffnete die Post. Ihre Augen waren rot und ihr Gesicht verquollen. O mein Gott, dachte Peggy, sie hat schon wieder einen Kater.

»Hatten Sie ein schönes Wochenende?« fragte sie.

»Nicht besonders. Und Sie?«

»Das übliche.« Peggy zuckte mit den Schultern.

»Ich habe hier einen Beschwerdebrief. Karen scheint zu einer Mrs. Fox nicht nett gewesen zu sein. Die Kundin hat ein Konto bei uns.« Viv schnitt eine Grimasse. Sie konnte Kunden mit Konten aus Prinzip nicht leiden. Ihrer Meinung nach waren das hochnäsige Leute, die viel anspruchsvoller als Barzahler waren. »Kümmern Sie sich darum?«

»Kann das nicht die Personalabteilung übernehmen?«

»Damit Jenkins, dieser Fettarsch, davon erfahrt? Nein, nein, das erledigen wir allein«, sagte Viv bestimmt. Ihre Abneigung gegen John Jenkins dauerte nun schon über vierzig Jahre. Damals hatten die Angestellten ein Fest gefeiert, und beide waren noch Lehrlinge. John hatte an Viv herumgefummelt, sie jedoch am nächsten Tag und für immer total ignoriert. Und jetzt war er der elegante Manager des gesamten Kaufhauses, und Viv haßte ihn noch mehr.

Zögernd nahm Peggy den Brief entgegen. Die Regeln besagten, daß Beschwerden direkt an den Personalmanager weitergeleitet wurden, der sie bearbeitete. Es sei denn, sie waren derart schlimm, daß sie Mr. Jenkins vorgelegt werden mußten. Und dieser Fall war schlimm. Peggy kannte Mrs. Fox, die Frau eines reichen Mannes. Sie gehörte zu den Ehefrauen, die glaubten, daß die Position ihres Mannes sie dazu ermächtigte, ekelhaft zu den Leuten zu sein, vor allem zu Verkäuferinnen. Peggy hatte viel mit solchen Typen zu tun.

Arme Viv, dachte sie, als sie das Schaufenster aufschloß. Sie sollte mal mit den Dekorateuren sprechen. Die Auslagen mußten frühlingshafter gestaltet werden. Die Leute lachten hinter Vivs Rücken, vor allem die jungen, doch Peggy wußte, warum Viv zur Trinkerin geworden war. Sie tat ihr leid. Viv arbeitete seit ihrem sechzehnten Lebensjahr bei Sadler's. Einmal hatte sie Peggy auf einem Betriebsfest anvertraut, daß sie gern geheiratet und Kinder gehabt hätte. Doch statt um einen Ehemann mußte sie sich um ihre alte, pflegebedürftige Mutter kümmern und statt um Kinder um einen kläffenden Pekinesen, auf den ihre Mutter derart eifersüchtig war, daß sie sich jeden Tag um das Wohlergehen ihres »Babys« Sorgen machte. Vivs Leben war deprimierend und ohne Hoffnung. In zwei Jahren würde sie in Rente gehen, und als Abschiedsgeschenk würde man ihr eine Standuhr schenken – die erhielt jeder Abteilungsleiter. Nein, bei einem solchen Leben hätte Peggy längst eine Entziehungskur gemacht oder sich aufgehängt.

Peggy war bereit – ihre luxuriösen Handtaschen glänzten, ihr Wechselgeld war gezählt in der Kasse, ihre verschiedenen Quittungs- und Rechnungsblocks lagen aufgereiht vor ihr. Es war eine Minute vor neun. Sie beobachtete die Portiers, die die großen Glastüren so zeremoniell öffneten, als wartete draußen eine beutegierige Menge, um sich in den Winterschlußverkauf zu stürzen. Statt dessen kamen nur ein paar müßige Rentner und zwei mitgenommen aussehende junge Mütter, die gerade ihre Kinder zur Schule gefahren hatten – keine betuchten Kunden, die würden später kommen. Manchmal malte sich Peggy das Leben ihrer reichen Kundinnen aus: Sie frühstückten in aller Muße von kostbarem Geschirr und gaben der Putzfrau Anweisungen, ehe sie Toilette machten. Dann telefonierten sie mit einer Freundin und verabredeten sich mit ihr zum Lunch. Anschließend stiegen sie in einen neuen Wagen, das Geburtstagsgeschenk des sie anbetenden Mannes. Sie wußte nicht genau, ob das die Wirklichkeit war, denn sie kannte niemanden aus diesen Kreisen, bloß Daphne, und die zählte nicht, denn Daphne war nur zwei Straßen von ihr entfernt geboren worden und hatte dieselbe Volksschule besucht – eine Tatsache, die sie lieber vergessen wollte.

Gerade als die ersten Kunden durch ihren Bereich schlenderten, kam Hazel. Sie sah sehr schick in ihrer roten und marineblauen Uniform mit der gestärkten weißen Bluse aus, die von der Firma Pompadour gestellt wurde, für die sie arbeitete. Pompadour gehörte einem großen amerikanischen Pharmakonzern an, was die Kunden natürlich nicht wußten, denn die teuer verpackten Parfüms und Kosmetika strahlten Pariser Flair aus, und Hazel war sehr geschickt darin, sie an die Frau zu bringen.

Peggy bewunderte Hazel. Ihre Freundin war kürzlich vierzig geworden, doch das sah man ihr nicht an. Sie hätte ohne weiteres für eine elegante Dreißigjährige durchgehen können. Sie war immer sehr gepflegt und außerordentlich schlank. Da Hazel keine Kinder hatte, war die Figur wohl nicht so sehr ihr Verdienst, redete Peggy sich gern ein. Die beiden kannten sich schon seit fünfzehn Jahren, seit Hazel in der Parfümerieabteilung arbeitete, zuerst als Verkäuferin, doch jetzt war sie zur Managerin des Verkaufstandes des Hauses Pompadour aufgestiegen und brillierte mit dem höchsten Umsatz im Land.

Hazel und Bruce, ihr Mann, waren Dans und Peggys beste Freunde. Von außen gesehen, besaßen sie wenig Gemeinsames. Bruce war Bauunternehmer und hatte viel Geld, während Dan für eine große Maschinenbaufirma arbeitete und nie genug Geld hatte, doch beide Männer begeisterten sich für Autos. Hazel liebte ihr Heim und putzte gern, während Peggy Hausarbeit haßte und sie nur aus Pflichtgefühl erledigte. Peggy rauchte, Hazel hatte nie geraucht. Peggy las gern und liebte die Kunst, während Hazel nie ein Buch öffnete oder sich ein Gemälde betrachtete. Dan war treu, während Bruce ständig fremdging. Sie waren völlig gegensätzlich – und trotzdem klappte die Freundschaft.

Peggy winkte Hazel über den Gang zu. Hazel winkte zurück und deutete auf ihre Armbanduhr. Peggy machte ihr das Zeichen, daß sie sich zum Kaffee in dem gegenüberliegenden Café treffen würden. Beide zogen dessen Atmosphäre derjenigen der Kantine vor.

Peggy verließ das Kaufhaus fünf Minuten früher als Hazel, denn nur Abteilungsleiterinnen durften die Eingangstüren benutzen, alle anderen mußten zur allgemeinen Verärgerung durch die Hintertür gehen.

Peggy hatte bereits den Kaffee bestellt und ihre Zigarette halb geraucht, als Hazel kam.

»Probier das mal«, sagte Hazel und ließ eine Tüte auf den Tisch fallen. Mühelos glitt sie auf die Sitzbank. Peggy saß nicht gern auf Sitzbänken; ihr Hintern schien darauf zu kleben, und sie quetschte sich nicht gern zwischen Tisch und Bank. Hazel machte das nichts aus.

»Was ist das?« fragte sie neugierig und spähte in die vertraute grün-gelb gestreifte Tüte.