Das Märchen - Johann Wolfgang von Goethe - E-Book

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Johann Wolfgang von Goethe

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Beschreibung

Goethes Märchen ist ein Kunstmärchen. Es erschien erstmals 1795 in der von Friedrich Schiller herausgegebenen Zeitschrift Die Horen als letzter Beitrag zu Goethes Novellenzyklus Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. Schauplatz ist eine erst allmählich erkennbare antike Landschaft, die durch einen Fluss geteilt ist. Überquert werden kann dieser nur durch den Fährmann, die Schlange, wenn sie sich am Mittag in eine Brücke verwandelt und den abendlichen Schatten eines gewaltigen Riesen. Unterirdisch befindet sich nahe dem Fluss in einer gebirgigen Gegend ein Tempel, der vier Könige in Form von Statuen beherbergt. Neben einer Alten, die einen toten Mops zu beklagen und außerdem Schulden beim Fährmann hat, machen sich auch die grüne Schlange und ein Jüngling auf den Weg zur schönen Lilie. Diese vermag es, durch bloße Berührung Totes lebendig zu machen und Lebendiges zu töten. Die schöne Lilie hat den Tod ihres geliebten Kanarienvogels zu betrauern und der Jüngling richtet sich selbst durch die freiwillige Berührung der schönen Lilie, die er liebt. Um beide zu retten, opfert sich die grüne Schlange auf. Aus ihren Überresten entsteht eine dauerhafte Brücke über den Fluss. Außerdem setzt sich der unterirdische Tempel in Bewegung, unterquert den Fluss und steigt am gegenüberliegenden Flussufer auf und nimmt die Hütte des Fährmanns als Altar in sich auf. Der Jüngling wird zum König ernannt und nimmt die schöne Lilie zu seiner Frau. Das Volk ist begeistert, drängt in den Tempel und bestaunt dort seinen König, seine Königin und deren Gefolge.

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Johann Wolfgang von Goethe

Das Märchen

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Vorspann

 

 

 

Märchen, Sagen und Legenden – Band 4

Johann Wolfgang von Goethe – Das Märchen

1. eBook-Auflage – April 2014

© vss-verlag Hermann Schladt

 

Titelbild: Armin Bappert unter Verwendung eines Fotos von http://www.gratis-foto.eu/

Bearbeitung und Lektorat: Hermann Schladt

 

Das Märchen

 

Johann Wolfgang von Goethe

 

 

(›Das Märchen‹ ist die letzte Erzählung aus Goethe's Novellenzyklus ›Unterhaltungen deutscher Ausgewanderter‹ von 1795, zuerst erscheinen in der von Schiller hrsg. Zeitschrift ›Die Horen‹)

 

 

 

An dem großen Fluss, der eben von einem starken Regen geschwollen und übergetreten war, lag in seiner kleinen Hütte, müde von den Anstrengungen des Tages, der alte Fährmann und schlief. Mitten in der Nacht weckten ihn einige laute Stimmen; er hörte, dass Reisende übergesetzt sein wollten.

 

Als er vor die Tür hinaus trat, sah er zwei große Irrlichter über dem angebundenen Kahn schweben, die ihm versicherten, dass sie große Eile hätten und schon an jenem Ufer zu sein wünschten. Der Alte säumte nicht, stieß ab und fuhr, mit seiner gewöhnlichen Geschicklichkeit, quer über den Strom, indes die Fremden in einer unbekannten, sehr behänden Sprache gegeneinander zischten und mitunter in ein lautes Gelächter ausbrachen, indem sie bald auf den Rändern und Bänken, bald auf dem Boden des Kahns hin- und widerhüpften.

 

Der Kahn schwankt! rief der Alte; und wenn ihr so unruhig seid, kann er umschlagen; setzt euch, ihr Lichter!

 

Sie brachen über diese Zumutung in ein großes Gelächter aus, verspotteten den alten und waren noch unruhiger als vorher. Er trug ihre Unarten mit Geduld, und stieß bald am jenseitigen Ufer an.

 

Hier ist für Eure Mühe! riefen die Reisenden, und es fielen, indem sie sich schüttelten, viele glänzende Goldstücke in den feuchten Kahn. Ums Himmels willen, was macht ihr? rief der Alte. Ihr bringt mich ins größte Unglück! Wäre ein Goldstück ins Wasser gefallen, so würde der Strom, der dies Metall nicht leiden kann, sich in entsetzliche Wellen erhoben, das Schiff und mich verschlungen haben, und wer weiß, wie es euch gegangen sein würde! Nehmt euer Geld wieder zu euch!

 

Wir können nichts wieder zu uns nehmen, was wir abgeschüttelt haben, versetzten jene.

 

So macht ihr mir noch die Mühe, sagte der Alte, indem er sich bückte und die Goldstücke in seine Mütze las, dass ich sie zusammensuchen, ans Land tragen und vergraben muss.

 

Die Irrlichter waren aus dem Kahn gesprungen, und der Alte rief: Wo bleibt nun mein Lohn?

 

Wer kein Gold nimmt, mag umsonst arbeiten! riefen die Irrlichter. – Ihr müsst wissen, dass man sich nur mit den Früchten der Erde bezahlen kann. – Mit Früchten der Erde? Wir verschmähen sie, und haben sie nie genossen. – Und doch kann ich euch nicht loslassen, bis ihr mir versprecht, dass ihr mir drei Kohlhäupter, drei Artischocken und drei große Zwiebeln liefert.

 

Die Irrlichter wollten scherzend davon schlüpfen, allein sie fühlten sich auf eine unbegreifliche Weise an den Boden gefesselt; es war die unangenehmste Empfindung die sie jemals gehabt hatten. Sie versprachen seine Forderung nächstens zu befriedigen; er entließ sie und stieß ab. Er war schon weit hinweg als sie ihm nachriefen: Alter! hört Alter! wir haben das Wichtigste vergessen! Er war fort und hörte sie nicht. Er hatte sich an derselben Seite den Fluss hinab treiben lassen, wo er in einer gebirgigen Gegend, die das Wasser niemals erreichen konnte, das gefährliche Gold verscharren wollte. Dort fand er zwischen hohen Felsen eine ungeheure Kluft, schüttete es hinein und fuhr nach seiner Hütte zurück.

 

In dieser Kluft befand sich die schöne grüne Schlange, die durch die herab klingende Münze aus ihrem Schlaf geweckt wurde. Sie ersah die kaum die leuchtenden Scheiben, als sie solche auf der Stelle mit großer Begierde verschlang, und alle Stücke, die sich in dem Gebüsch uns zwischen den Felsritzen zerstreut hatten, sorgfältig aufsuchte.

 

Kaum waren sie verschlungen, so fühlte sie mit der angenehmsten Empfindung das Gold in ihren Eingeweiden schmelzen und sich durch ihren ganzen Körper ausbreiten, und zur größten Freude bemerkte sie, dass sie durchsichtig und leuchtend geworden war. Lange hatte man ihr schon versichert, dass diese Erscheinung möglich sei; weil sie aber zweifelhaft war, ob dieses Licht lange dauern könne, so trieb sie die Neugierde und der Wunsch, sich für die Zukunft sicherzustellen, aus dem Felsen heraus, um zu untersuchen, wer das schöne Geld herein gestreut haben könnte. Sie fand niemanden. Desto angenehmer war es ihr, sich selbst, da sie zwischen Kräutern und Gesträuchen hin kroch, und ihr anmutiges Licht, das sie durch das frische Grün verbreitete, zu bewundern. Alle Blätter schienen von Smaragd, alle Blumen auf das herrlichste verklärt. Vergebens durchstrich sie die einsame Wildnis; desto mehr aber wuchs ihre Hoffnung, als sie auf die Fläche kam und von weitem einen Glanz, der dem ihrigen ähnlich war, erblickte. Find' ich doch endlich meinesgleichen! rief sie aus und eilte nach der Gegend zu. Sie achtete nicht die Beschwerlichkeit durch Sumpf und Rohr zu kriechen; denn ob sie gleich auf trockenen Bergwiesen, in hohen Felsritzen am liebsten lebte, gewürzhafte Kräuter gerne genoss und mit zartem Tau und frischem Quellwasser ihren Durst gewöhnlich stillte, so hätte sie doch des lieben Goldes willen und in Hoffnung des herrlichen Lichtes alles unternommen, was man ihr auferlegte.