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Radrennprofi werden! Auf dem Siegerpodest stehen! Geld und Ruhm! Der junge Tommy will dem trostlosen Leben im Waisenhaus entfliehen und sieht sich vor eine glänzende Karriere gestellt. Er glaubt den Versprechungen des smarten Managers des Rennteams und unterschreibt den Vertrag. Her mit den Dopingmitteln! Alles oder Nichts lautet die mörderische Devise des Teamchefs. Tommy erlebt einen Horrortrip und landet auf der Intensivstation. In einem Nahtoderlebnis wird ihm bewusst, dass er einen teuflischen Deal geschlossen hat und er den Fluch brechen muss, der auf seiner Familie lastet. Danach ist nichts mehr so wie vorher. Tommy weigert sich den Knebelvertrag zu erfüllen und wird von dem mörderischen Phantom verfolgt. Wie von guten Geistern geführt, begegnet Tommy nach einer abenteuerlichen Odyssee einem blinden Eremiten, der hoch in den Bergen in einer Festungsruine haust. Tommy wird von dem Eremiten durch spirituelle Techniken für den Kampf gegen das Phantom ausgebildet. Der Eremit stirbt. Tommy folgt seiner Mission und begibt sich nach Mount Parox. Er steigt in den Vulkan hinab und im Schattenreich kommt es zum Showdown mit dem Phantom.
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Seitenzahl: 91
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Michael Fackelmann
DAS PHANTOM VON MOUNT PAROX
DU MUSST DEN FLUCH BRECHEN
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Inhaltsverzeichnis
Titel
DAS PHANTOM VON MOUNT PAROX
Impressum neobooks
Tommy hält den Lenker mit seinen starken Händen fest. Die schmalen Reifen des Rennrades schlittern über das vom Nieselregen glitschige Kopfsteinpflaster. Absolut ätzend, findet Tommy. Er fährt einen Kai entlang, auf dem sich die gestapelten Container haushoch auftürmen. Dahinter ragen die Kräne wie schwarze Spinnenbeine gegen den Abendhimmel, während die untergehende Sonne die Welt noch einmal für einen kurzen Augenblick in leuchtendes Orange taucht, bevor die Nacht endgültig die Herrschaft übernimmt.
Sonntagabend. Der Hafen wirkt verlassen. Anstatt der üblichen Hektik liegt eine beklemmende Grabesstille über den Speichern, Kanälen und Schiffen.
Das knallige Outfit - Helm, Brille, Renndress, Funkgerät und Kuriertasche - weist Tommy als professionellen Fahrradkurier aus. Mit seinen knapp sechzehn Jahren ist er einer der jüngsten Fahrer dieses Extremclubs, deren beinharte Mitglieder mit einer gewissen Verachtung auf die anderen Verkehrsteilnehmer herabblicken.
Wie bei den kriegerischen Samurai herrscht auch in diesem Orden der Pedalritter, deren von Wind und Wetter gegerbten Gesichter mit der Zeit das Aussehen eines kernigen Müslis annehmen, ein strenger Ehrenkodex: Keine Strecke ist zu weit! Kein Wetter zu schlecht! Kein Auftrag zu schwierig! Verkehrsregeln existieren nur für Schwächlinge! Die Straße gehört uns!
Tommys Funkgerät rauscht und knackst. Eine Männerstimme mit einem ungewöhnlich tiefen Bass meldet sich: „Hallo Kurier! Wo steckst du?“
Tommy blickt auf seine Uhr: „Mann, alles im grünen Bereich.“
„Junge, gib Gas!“
Die abendliche Idylle wird durch das Geräusch einer Polizeisirene gestört. Nerv! Nerv! Tommy blickt sich um. Stehend tritt er in die Pedale und legt einen Zahn zu.
„Was ist los? Die Bullen?“ krächzt die Stimme aus dem Funkgerät.
„Na und?“ erwidert Tommy betont lässig.
„Lass dich nicht erwischen!“
„Mann, alles im grünen Bereich!“ erwidert Tommy gereizt, springt vom Rad, schultert es und hastet mit weit ausholenden Schritten eine Treppe hoch. Oben angekommen schwingt er sich auf den Sattel und radelt seelenruhig über die Fußgängerbrücke, die in hohem Bogen einen Kanal mit ölig schwarzem Wasser überquert. Der Streifenwagen stoppt vor der Treppe. Die Polizisten steigen aus. Tommy blickt grinsend zurück: „Hasta la vista!“ Von oben sehen die beiden „Helfer und Freunde“ wie Spielfiguren aus.
„Lass, is nur’n kleiner Fisch,“ meint der Ältere abgeklärt und steigt wieder in den Wagen. Warum so kurz vor Dienstschluss noch atemberaubende Verfolgungsjagden anfangen?
Inzwischen ist die Sonne untergegangen und die Dämmerung hüllt alles in ein farbloses Licht. Über dem träge dahinfließenden Wasser des breiten Stroms steigt grauer Nebel auf, der das am Kai liegende Containerschiff unwirklich aussehen lässt. Vor der heruntergelassenen Gangway steht eine Luxuslimousine mit dunkel getönten Scheiben. Davor geht ein schwarz gekleideter Mann auf und ab. Der Auftraggeber - vermutet Tommy und stoppt mit einem eleganten Manöver direkt vor dem Mann, dessen Gesicht im Zwielicht nur undeutlich zu erkennen ist.
„Hallo, da bin ich“, grüßt Tommy forsch.
Der Mann mustert ihn eindringlich. Seltsam - die Zeit dehnt sich wie Kaugummi, wundert sich Tommy. Ein unbehagliches Gefühl macht sich in ihm breit. Endlich ergreift der Fremde das Wort:
„Ein neues Gesicht…bist schon lange im Business, Kurier?“
„Nein…erst’n halbes Jahr…ich…ich heiß aber nicht Kurier“, stottert Tommy.
Ausgerechnet er, der sonst so schlagfertig und nie um eine Antwort verlegen ist. Das muss an dem Typen liegen, der ist irgendwie schräg drauf, denkt Tommy und versucht die Situation zu peilen.
„Sondern?“
„Tommy.“
„Glaubst du an dich?“ Der Mann blickt den Jungen mit seinen stechenden Augen eindringlich an.
„Logisch, an wen denn sonst!“ antwortet Tommy spontan. Soll das hier ein Verhör sein? wundert er sich und tritt, um seine Verlegenheit zu übertünchen, auf die Pedale, die mit einem leisen Schnurren geschwind rückwärts kreist.
Der Fremde lacht und klopft Tommy jovial auf die Schulter: „Das hör ich gerne, mein Lieber. Hier, nimm das.“
Er blättert einige Geldscheine hervor und drückt sie Tommy in die Hand: „Anzahlung. Rest bei Ablieferung des Seidenteppichs. Okay!“
„Okay.“
Der Mann beugt sich in seinen Wagen und betätigt die Lichthupe. Eine dunkle Gestalt huscht flink die Gangway herunter. Beim Näher kommen erkennt Tommy, dass es sich um einen zierlichen Chinesen handelt, der den Mann mit einer unterwürfigen Verbeugung begrüßt: „Sir. Okay alles. Wie immer.“
Auf einen Wink des Fremden hin überreicht der Asiat Tommy ein kleines Paket, das dieser sofort in seiner Kuriertasche verstaut. Mit einem erneuten tiefen Bückling und den Worten „Lang leben und Glück im Jahr des Drachens“ verschwindet der Chinamann so schnell und unauffällig zwischen den Aufbauten des Schiffes, wie er gekommen ist.
Als Tommy losfahren will, stellt sich ihm sein Auftraggeber in den Weg: „Junge, du bist kräftig gebaut. Selbstbewusst. Starker Wille. Der Stoff, aus dem die Siegertypen gemacht sind. Wenn du Rennen fahren willst - ich habe allerbeste Connections.“
„Vielen Dank. Im Prinzip schon, aber fürs nächste Mountain-Race bin ich schon gemeldet“, erklärt Tommy stolz.
Der Fremde stößt mit dem Fuß einen kleinen Stein von sich, der auf unerklärliche Weise entgegen allen physikalischen Gesetzen zuerst eine steile Kurve nach oben nimmt, bevor er in einem weiten Bogen ins Hafenbecken plumpst: „Tja, hast du gesehen, wie schnell der untergegangen ist? Weg. Einfach weg. Für immer.“
Na und? denkt Tommy. Was soll das? Und er fragt sich, ob er auf diese rätselhaften Worte überhaupt antworten soll und wenn, was? Gebannt beobachtet er, wie sich die Wellen vom Zentrum des Einschlags kreisförmig ausbreiten.
„Nur noch kleine Wellen. Mehr nicht. Bis auch die verschwunden sind“, sagt der Fremde, als hätte er Tommys Gedanken erraten.
„Was…äh meinen Sie damit?“ stottert Tommy verlegen.
„Nichts weiter. Ich denke, du wirst mein Angebot noch annehmen. Bis bald, Tommy.“
„Wie ist denn Ihr Name?“
„Nenn’ mich einfach ‚Sir’.“
„Und wie weiter?“
„Nichts weiter. ‚Sir’ genügt! Verstanden!“ entgegnet der Mann mit einem scharfen Ton in der Stimme, der keinen Widerspruch duldet. Und wie zur Bestätigung seiner Worte zerreißt der durchdringende Schrei einer Möwe die Stille.
Inzwischen ist der Nebel zu einer dicken Suppe geworden. Von dem Frachter sind nur noch einige flackernde Irrlichter zu sehen. Ein Geisterschiff. Irritiert radelt Tommy los. Sein Herz ist von einer nicht gekannten Unruhe ergriffen. Sir No Name blickt nachdenklich hinter ihm her, dann nickt er zufrieden und pfeift durch die Zähne, als würde er einen Hund herbeirufen. Zu sehen ist nichts. Doch für den Bruchteil einer Sekunde wird die Luft von einem scharfen, aus einer unendlichen Ferne kommenden metallischen Ton durchschnitten. Dann bricht das Geräusch abrupt ab.
* * *
Eine mehrspurige Hauptstraße in der City. Zu beiden Seiten Fast Food, Spielhallen und Discos. Tommy fährt zwischen den im Stau dahin kriechenden Autos Slalom. Die hektisch blinkenden Leuchtreklamen versuchen sich gegenseitig zu übertrumpfen, um die Aufmerksamkeit der Nachtschwärmer zu fesseln. Tommy hält vor dem Eingang einer Disco, die von einer Art Kleiderschrank, einem so genannten Türsteher, bewacht wird. Offensichtlich hat er den Kurier schon erwartet. Die Übergabe des kleinen Pakets geschieht schnell und wortlos. Tommy nimmt das restliche Geld in Empfang und wirft einen neugierigen Blick ins Innere. Der Türsteher schiebt ihn zur Seite: „Is was?“
„Nen ziemlich kleiner Teppich für’ne große Disco.“
„Verpiss dich Kleiner. Sonst gibt’s was anne Backe!“
„Mann, cool down.“ Tommy zieht schnell Leine, bevor der Schrank handgreiflich werden kann.
* * *
Im schattigen Garten der alten Villa ist es an diesem heißen Sommertag angenehm kühl. Die Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch die dichten Zweige des alten Walnussbaums, bleiben auf einer Erdbeertorte hängen und lassen die Früchte knallrot aufleuchten.
Um den Tisch haben sich einige Mädchen versammelt, mit ihren luftigen Kleidern und bunten Schleifen im Haar festlich herausgeputzt. Im Mittelpunkt steht Lilly, die ihren achten Geburtstag feiert. Die Geburtstagsgäste können es kaum erwarten, bis die Torte mit der imposanten Größe XXL zum Abschuss freigegeben wird. Ungeduldig beobachten sie, wie Lillys Großmutter vergeblich versucht, die letzte der acht Kerzen anzuzünden. Ein Streichholz nach dem anderen geht aus, begleitet von den enttäuschten „Ohs“ der Kinder, bis die Schachtel schließlich aufgebraucht ist.
„Oma, lass mich mal,“ greift Tommy ein, der das Geschehen vom Hintergrund aus beobachtet hat. Mit einem Feuerzeug zündet er die letzte Kerze an. Nachdem alle das unvermeidliche „Happy Birthday“ gesungen haben, soll Lilly die Kerzen auszupusten. Doch bevor sie dazu kommt, fegt plötzlich ein kräftiger Windstoß - ungewöhnlich an einem derartig windstillen Sommernachmittag - durch die Büsche und löscht sämtliche Kerzen auf einen Schlag aus.
„He, was soll das!“ Lilly ist empört.
Die Großmutter beschleicht eine Ahnung. Sie wird bleich und fasst sich ans Herz.
„Was ist denn?“ fragt Tommy besorgt.
„Der Schatten…äh…nichts.“
Tommy blickt sie fragend an, erhält aber keine weitere Erklärung. Weiß der Kuckuck, an was sie gedacht hat, sie ist ja auch nicht mehr die Jüngste, sagt er sich.
* * *
Die Party ist vorbei. Lilly liegt im Bett und drückt ihren Teddy ganz fest an sich. Die Oma gibt ihr einen Gute-Nacht-Kuss: „Träum was Schönes, mein kleiner Spatz. Jetzt bist du schon acht.“
„Ich bin jetzt ein großes Mädchen.“
„Ein ganz großes.“
„Omi, erzähl mir noch eine Geschichte. Bitte, bitte.“
„Hänsel und Gretel?“
„Nein, von dem Mann ohne Schatten.“
Die Großmutter schüttelt sich: „Sowas gibt’s nicht.“
„Doch,“ erwidert Lilly. „Der Mann hat ihn verkauft.“
„Lilly, du redest Quatsch. Seinen Schatten kann man nicht verkaufen.“
„Doch, Sandra sagt, da gibt’s eine Geschichte.“ Lilly lässt nicht locker.
„Die kenn ich aber nicht.“
„Dann erzähl mir von Mami und Paps im Himmel.“
Die Oma schnieft und wischt sich eine Träne ab. Lilly richtet sich im Bett auf und sagt energisch: „Omi, du hast mir versprochen, dass du nicht weinst. Okay!“
„Gut,“ antwortet die Oma und fährt fort: „Du musst wissen, dass im Himmel alles ganz anders ist als hier.“
Lilly gähnt. Ihre Hand lässt den Teddybären los: „Woher weiß man das?“
„Äh…weil das so ist. Manche Sachen weiß man einfach…“ antwortet die Oma.
Lilly dreht sich zur Seite und schließt die Augen.
„…also, da ist alles ganz anders…“ Die Großmutter deckt Lilly zu und schleicht auf Zehenspitzen aus dem Zimmer.
* * *
Die Schulglocke läutet die große Pause ein. Im Nu füllt sich der Schulhof mit lärmenden Schülern. Während die Jungen sich nach dem langen Sitzen am liebsten austoben, harmlose Raufereien anzetteln oder einfach nur wild hin und her rennen, bilden die Mädchen kleine Gruppen, um den neuesten Klatsch des letzten Wochenendes auszutauschen.
Einige Teenies tuscheln und blicken kichernd zu Tommy, der seinen Klassenkameraden stolz sein neues Mobiltelefon vorführt.
„Mann, die gucken her.“
„Na und?“ reagiert Tommy mit gespielter Gleichgültigkeit. Er weiß, dass er bei den Mädchen gut ankommt. Mit seinen dunkelblonden Locken, blauen Augen und der sportlichen Figur, gepaart mit einer überdurchschnittlichen Intelligenz, ist er das geborene Alphatier.
Sarah löst sich aus der Gruppe der Mädchen und schreitet kokett, dabei wie ein Model auf dem Laufsteg mit den Hüften wackelnd, auf die Jungens zu, die das provozierende Spektakel aus den Augenwinkeln verfolgen. Sarah genießt ihre Wirkung.