Das revolutionäre Spanien - Karl Marx - E-Book

Das revolutionäre Spanien E-Book

Karl Marx

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Diese Artikel, zusammengefasst in einem Buch, erschienen 1854 in der New York Daily Tribune und berichten über den Bürgerkrieg in Spanien Mitte des 19. Jahrhunderts.

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Das revolutionäre Spanien

Karl Marx

Inhalt:

Karl Marx – Biografie und Bibliografie

Das revolutionäre Spanien

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

Das revolutionäre Spanien, Karl Marx

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

Karl Marx – Biografie und Bibliografie

Geboren am 5. Mai 1818 in Trier, studierte Jurisprudenz, Nationalökonomie, Philosophie, promovierte 1841 in Berlin, begründete 1843 mit A. Rüge in Paris die »Deutsch-französischen Jahrbücher«, ging nach Belgien, wo er ausgewiesen wurde, dann wieder nach Frankreich, wo ihm dasselbe widerfuhr, lebte dann in London, gestorben 14. März 1883 daselbst.

M., der Begründer des »wissenschaftlichen« Sozialismus (gegenüber den »ideologischen« Utopien älterer Lehren) ist von Hegels Begriff des dialektischen Prozesses, von L. Feuerbachs Radikalismus und Positivismus, sowie von französischen Denkern beeinflußt. Der Hegelsche Gedanke, daß alles Sein ein »Prozeß« ist, eine dialektische Selbstbewegung, ist ihm sympathisch. Nur hat Hegel die Dinge auf den Kopf gestellt, indem er alles aus Ideen ableitet. Die richtige Methode ist, die naturnotwendige, gesetzliche Entwicklung der Dinge und Verhältnisse selbst zu untersuchen und den realen treibenden Kräften der historisch-sozialen Entwicklung, die in den Köpfen der Handelnden zu Motiven werden, nachzugehen. Wenn diese »materialistische« Geschichtsauffassung, die gleich zur »ökonomischen« wird, alle Geschichte, alles Geistesleben, alle Kultur aus dem Wirken natürlicher Mächte ableitet, so darf nicht vergessen werden, daß M. zu diesen Mächten auch die menschlichen Kräfte und Strebungen rechnet, welche innerhalb des Ablaufes der Ereignisse auch eine dynamisch-aktive Rolle spielen, so wenig sie imstande sind, den (aus der Natur dieser und anderer Kräfte notwendig resultierenden) Lauf der Dinge abzuändern. Zwar nicht der Wille, aber alle Willkür ist hier ausgeschaltet.

Ohne ihren Willen gehen die Menschen soziale Verhältnisse ein, welche zugleich ökonomische Verhältnisse sind, indem die Gesellschaft eine ökonomische Struktur besitzt, in die wir hineingeboren werden. Die technisch bedingten Produktionsverhältnisse bilden nun die »reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprechen«. »Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.« »Mit der Erwerbung neuer Produktionskräfte verändern die Menschen ihre Produktionsweise, und mit der Veränderung der Produktionsweise, der Art. ihren Lebensunterhalt zu gewinnen, verändern sie alle ihre gesellschaftlichen Verhältnisse.« Die ökonomischen Faktoren sind also die letzten und eigentlich wirksamen Agentien der Geschichte, die anderen, »ideologischen« Gebilde (Religion usw.), wirken auch mit, ja sie wirken sogar auf die wirtschaftlichen Verhältnisse zurück, aber sie wirken nicht primär, sondern nur als Reflexe, Abhängige des Ökonomischen und des von diesem bedingten Sozialen (z. B, der Klassenverhältnisse). Die Entwicklung der Gesellschaft vollzieht sich nun so, daß der ökonomische Untergrund, der sich verändert hat, mit dein überlebten juristischen und ideologischen Oberbau in Widerspruch gerät, der zu einer sozialen Veränderung führt, wobei es zu Klassenkämpfen kommt. Der Widerspruch zwischen der sozialisierten, kollektiven Produktionsweise des Großbetriebes und der individualistischen, »anarchischen« Rechts- und Eigentumsordnung, die das Kapital in den Händen weniger Kapitalsmagnaten anhäuft und immer mehr Proletarier schafft, dieser Widerspruch sprengt endlich die kapitalistische Hülle, welche die Produktion fesselt. Die »Expropriateure«, die –»Ausbeuter« des »Mehrwertes« (= unbezahlte Arbeitszeit), den die Arbeiter schaffen, werden jetzt selbst expropriiert, das Eigentum an Produktionsmitteln wird kollektiv, die Gesellschaft wird sozialistisch, der nur dem Klasseninteresse dienende Staat hört auf und es herrscht jetzt die Vereinigung produktiver Menschen. Diese Gesellschaftsordnung kommt »von selbst«, d.h. infolge der historisch-sozialen Triebkräfte; sie kommt, wenn die Verhältnisse es fordern, höchstens können wir die Entwicklung beschleunigen.

Den Marxismus vertreten (außer M.s Mitarbeiter Fr. Engels) Kautsky, Bebel, F. Mehring, Bernstein (Revisionist), Cunow, C. Schmidt, M. Adler, O. Bauer, Woltmann (zum Teil), Lafargue (Schwiegersohn M.s), Labriola, Plechanow, Loria, Kelle-Krausz u. a.

SCHRIFTEN: Die heilige Familie (mit F. Engels), 1845 (gegen Bruno Bauer). – Misère de la philosophie, 1847; deutsch 1855, 3. A. 1895. – Manifest der kommunistischen Partei, 1847. – Zur Kritik der politischen Ökonomie, 1859: 2. A. 1907. – Das Kapital, I. Bd., 1867, 4. A. 1892; II. Bd, 1885, 2. A. 1893; III. Bd., 1894; 3 Bde., 2. – 5. A., 1903 f. – Theorie über den Mehrwert, 1905. – F. Mehring, Aus dem literarischen Nachlaß von K. M., F. Engels und F. Lassalle, 1902. – Vgl. P. BARTH, Die Geschichtsphilosophie Hegels und der Hegelianer bis auf Marx und Hartmann, 1890. – KAUTSKY, K. M.s ökonomische Lehren, 1887. – L. WERYHO, M. als Philosoph, 1894. – PLECHANOW, Beitrage zur Geschichte des Materialismus, 1896. – A. v. WENCKSTERN, M., 1896. – L. WOLTMANN, Der historische Materialismus, 1899. – MASARYK, Die philosophischen und soziologischen Grundlagen des Marxismus, 1899. – OTTOMAR LORENZ, Die materialistische Geschichtsauffassung, 1897. – WEISENGRÜN, Das Ende des Marxismus, 2. A. 1900. – MAX ADLER, M. als Denker, 1908. – HAMMACHER, Das philosophisch-ökonomische System des Marxismus, 1909. – CHARASOFF, Das System des Marxismus, 1910. – GOLDSCHEID (s. d.). – VORLÄNDER, Kant u. Marx, 1911.

Das revolutionäre Spanien

I

Die Revolution in Spanien hat nun schon so sehr einen Dauercharakter angenommen, daß, so meldet unser Londoner Korrespondent, die besitzenden und konservativen Klassen auszuwandern beginnen und sich nach Frankreich in Sicherheit bringen. Das überrascht uns keineswegs. Spanien hat sich nie die moderne französische Manier angeeignet, die 1848 so allgemein beliebt war, innerhalb von drei Tagen eine Revolution zu beginnen und zu beenden. Spaniens Bemühungen in dieser Richtung sind verwickelter und andauernder. Drei Jahre scheinen der kürzeste Zeitraum zu sein, auf den es sich beschränkt, und sein revolutionärer Zyklus erstreckt sich bisweilen auf neun. So dauerte seine erste Revolution in diesem Jahrhundert von 1808 bis 1814, die zweite von 1820 bis 1823 und die dritte von 1834 bis 1843. Wie lange die jetzige andauern und wie sie enden wird, das vermag der gewiegteste Politiker unmöglich vorauszusagen. Wohl aber sagt man nicht zuviel, wenn man behauptet, daß kein anderer Teil Europas, nicht einmal die Türkei und der russische Krieg, dem aufmerksamen Beobachter so tiefes Interesse einzuflößen vermag wie das Spanien von heute.

Aufrührerische Erhebungen sind in Spanien so alt wie die Macht der höfischen Günstlinge, gegen die sie sich meistens richten. So revoltierte um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts die Aristokratie gegen König Juan II. und seinen Günstling Don Alvaro de Luna. Noch ernster war dann der Aufstand im fünfzehnten Jahrhundert gegen König Heinrich IV. und das Haupt seiner Kamarilla, Don Juan de Pacheco, Marquis de Villena. Im siebzehnten Jahrhundert riß das Volk in Lissabon Vasconcellos in Stücke, den Sartorius des spanischen Vizekönigs in Portugal, und so erging es auch Santa Coloma in Saragossa, dem Günstling Philipps IV. Zu Ende desselben Jahrhunderts erhob sich unter der Regierung Carlos' II. das Volk von Madrid gegen die Kamarilla der Königin, bestehend aus der Gräfin von Berlepsch und den Grafen Oropesa und Melgar, die für alle nach Madrid gebrachten Lebensmittel einen drückenden Zoll erhoben, den sie unter sich teilten. Das Volk zog vor den königlichen Palast, zwang den König, auf dem Balkon zu erscheinen und selbst die Kamarilla der Königin zu brandmarken. Dann zog es zu den Palästen der Grafen Oropesa und Melgar, plünderte sie, zerstörte sie durch Feuer und versuchte, die Besitzer zu ergreifen, die aber das Glück hatten, zu entwischen, wenn auch auf Kosten eines lebenslänglichen Exils. Das Ereignis, das die revolutionären Erhebungen im fünfzehnten Jahrhundert verursachte, war der verräterische Vertrag, den der Marquis von Villena, der Günstling Heinrichs IV., mit dem König von Frankreich geschlossen hatte und dem zufolge Katalonien an Ludwig XI. ausgeliefert werden sollte. Drei Jahrhunderte später verursachte der Vertrag von Fontainebleau vom 27. Oktober 1807 – in dem der Günstling Carlos' IV. und der Liebling seiner Königin, Don Manuel Godoy, der Friedensfürst, mit Bonaparte die Teilung Portugals und den Einmarsch der französischen Truppen in Spanien vereinbarte – einen Volksaufstand in Madrid gegen Godoy, die Abdankung Carlos' IV., die Thronbesteigung seines Sohnes Ferdinands VII., den Einmarsch der französischen Truppen in Spanien und den sich anschließenden Unabhängigkeitskrieg. Der spanische Unabhängigkeitskrieg begann also mit einer Volkserhebung gegen die Kamarilla, damals personifiziert durch Don Manuel Godoy, ebenso wie der Bürgerkrieg des fünfzehnten Jahrhunderts mit einem Aufstand gegen die Kamarilla begann, zu jener Zeit personifiziert durch den Marquis von Villena, und so begann auch die Revolution von 1854 mit einer Empörung gegen die Kamarilla, die in der Person des Grafen San Luis verkörpert ist.

Trotz dieser stets wiederkehrenden Aufstände hat es in Spanien bis in das jetzige Jahrhundert keine ernsthafte Revolution gegeben, abgesehen von dem Krieg der Heiligen Junta zur Zeit Carlos' I. oder Karls V., wie ihn die Deutschen nennen. Den unmittelbaren Vorwand lieferte, wie gewöhnlich, eine Clique, die unter dem Schutz des Vizekönigs Kardinal Adrian, eines Flamen, die Kastilianer durch ihre habgierige Frechheit zur Verzweiflung brachte, indem sie öffentliche Ämter an die Meistbietenden verkaufte und offenen Schacher mit Gerichtsprozessen trieb. Die Opposition gegen die flämische Kamarilla berührte jedoch nur die Oberfläche der Bewegung. Was ihr zugrunde lag, das war die Verteidigung der Freiheiten des mittelalterlichen Spaniens gegen die Übergriffe des modernen Absolutismus.

Die materielle Basis der spanischen Monarchie war durch die Vereinigung von Aragonien, Kastilien und Granada unter Ferdinand dem Katholischen und Isabella I. gelegt worden. Diese noch feudale Monarchie versuchte Karl I. in eine absolute umzuwandeln. Er attackierte gleichzeitig die beiden Stützpfeiler der spanischen Freiheit, die Cortes und die Ayuntamientos – die ersteren sind eine Modifikation der alten gotischen Concilia, die letzteren, die eine Mischung des erblichen und wählbaren Charakters der römischen Munizipalitäten darstellen, bestanden fast ohne Unterbrechung seit den Zeiten der Römer. Im Hinblick auf die städtische Selbstverwaltung weisen die Städte Italiens, der Provence, Nordgalliens, Großbritanniens und eines Teils von Deutschland eine unverkennbare Ähnlichkeit mit dem damaligen Zustand der spanischen Städte auf. Mit den spanischen Cortes aber kann man weder die französischen Generalstände noch die britischen Parlamente des Mittelalters vergleichen. Die Bildung des spanischen Königreichs vollzog sich unter Bedingungen, die für die Begrenzung der königlichen Machtsphäre besonders günstig waren. Einerseits wurden kleine Teile der Halbinsel zu einer Zeit wiedererobert und in selbständige Königreiche verwandelt, als noch die langwierigen Kämpfe mit den Arabern tobten. In diesen Kämpfen entstanden neue Volkssitten und Gesetze. Die einander folgenden Eroberungen, die hauptsächlich von den Adligen gemacht wurden, erhöhten deren Macht außerordentlich, während sie die königliche Machtsphäre einschränkten. Andrerseits erlangten die Städte und Gemeinden im Innern des Landes immer größere Bedeutung, denn die Menschen sahen sich gezwungen, in befestigten Plätzen beisammenzuwohnen, um sich gegen die fortgesetzten Einfälle der Mauren zu schützen. Die günstige Form einer Halbinsel, die das Land besitzt, wie auch der stete Verkehr mit der Provence und Italien schufen wiederum hervorragende Handels- und Hafenstädte an der Küste. Schon im vierzehnten Jahrhundert bildeten die Städte den mächtigsten Bestandteil der Cortes, die sich aus ihren Repräsentanten und aus denen der Geistlichkeit und des Adels zusammensetzten. Auch darf man nicht außer acht lassen, daß die langsame Überwindung der maurischen Herrschaft, die einen achthundert Jahre dauernden hartnäckigen Kampf erforderte, der Halbinsel nach ihrer vollen Emanzipation einen Charakter verlieh, der von dem des übrigen Europa der damaligen Zeit gänzlich verschieden war; im Norden Spaniens herrschten zur Zeit der europäischen Renaissance die Sitten und Gebräuche der Goten und Vandalen und im Süden die der Araber.