Das Schattenkind - Anne Alexander - E-Book

Das Schattenkind E-Book

Anne Alexander

0,0

Beschreibung

Romantische Liebesgeschichten voller Herz, Schmerz und Dramatik werden von den besten Schriftstellerinnen erzählt. Wie aufregend und spannend die Liebe sein kann, wird von der ersten bis zur letzten Seite fesselnd geschildert. Man möchte diese süchtig machenden Romane in einem Atemzug regelrecht verschlingen... »Mommy!« »Manuel!« Mit ausgebreiteten Armen rannte Laura Newman dem kleinen blonden Jungen entgegen, der zwischen hohen Bäumen oben auf dem Hügel stand. Der Weg zog sich endlos dahin. Obwohl sie rannte, schien sie kaum vorwärts zu kommen. »Mommy!«, rief Manuel erneut und winkte, dann drehte er sich langsam um. »Manuel, lauf nicht fort! Warte auf mich!« Laura rannte noch immer, doch sie spürte, dass es auch dieses Mal vergebens war. Sie würde ihren Sohn niemals in die Arme schließen können. Seit Jahren lief sie diesen Hügel hinauf, hoffte, Manuel zu erreichen, aber jedes Mal, wenn sie glaubte, es geschafft zu haben, verschwand der Junge von einer Sekunde zur anderen. Manuel wandte sich ihr noch einmal zu. Nur noch wenige Meter trennten sie voneinander. Er lachte, streckte die Hand nach ihr aus. »Mommy«, sagte er leise. Laura konnte schon fast seine Finger berühren. Erleichtert atmete sie auf, aber im selben Moment verschwand das Kind. Keuchend blieb sie stehen, starrte fassungslos auf die Stelle, an der ihr Sohn eben noch gestanden hatte.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 123

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Lovestory Edition – 7–

Das Schattenkind

Anne Alexander

»Mommy!«

»Manuel!« Mit ausgebreiteten Armen rannte Laura Newman dem kleinen blonden Jungen entgegen, der zwischen hohen Bäumen oben auf dem Hügel stand. Der Weg zog sich endlos dahin. Obwohl sie rannte, schien sie kaum vorwärts zu kommen.

»Mommy!«, rief Manuel erneut und winkte, dann drehte er sich langsam um.

»Manuel, lauf nicht fort! Warte auf mich!«

Laura rannte noch immer, doch sie spürte, dass es auch dieses Mal vergebens war. Sie würde ihren Sohn niemals in die Arme schließen können. Seit Jahren lief sie diesen Hügel hinauf, hoffte, Manuel zu erreichen, aber jedes Mal, wenn sie glaubte, es geschafft zu haben, verschwand der Junge von einer Sekunde zur anderen.

Manuel wandte sich ihr noch einmal zu. Nur noch wenige Meter trennten sie voneinander. Er lachte, streckte die Hand nach ihr aus. »Mommy«, sagte er leise.

Laura konnte schon fast seine Finger berühren. Erleichtert atmete sie auf, aber im selben Moment verschwand das Kind. Keuchend blieb sie stehen, starrte fassungslos auf die Stelle, an der ihr Sohn eben noch gestanden hatte. Noch immer glaubte die junge Frau, seine Stimme zu hören. Eine unendliche Trauer erfüllte ihr Herz. Tränen rannen über ihr Gesicht.

Laura erwachte. Bewegungslos lag sie im Bett und starrte in die Dunkelheit. Langsam, unendlich langsam hob sie die rechte Hand und berührte ihr Gesicht. Ihre Finger wurden feucht von den Tränen, die sie im Traum geweint hatte.

Warum? Warum konnte sie ihren Sohn nicht vergessen?

Die junge Frau richtete sich auf und schaltete das Licht ein. Ihr Blick fiel in den venezianischen Spiegel, der oberhalb einer alten Kommode dem Bett gegenüber an der Wand hing. Automatisch strich sie sich ihre langen blonden Haare zurück, dann stand sie auf und trat auf den kleinen Balkon hinaus. Ihr Blick glitt über die weißen Häuser Capris auf das Meer hinaus.

Unmöglich, jetzt wieder einzuschlafen, dabei hatte sich Laura für den nächsten Tag sehr viel vorgenommen. Ihre Arbeitgeberin, Muriel Winslow, feierte in drei Wochen ihren sechzigsten Geburtstag. Zu der Party, die am Abend stattfinden sollte, wurden an die hundert Gäste erwartet. Die Einladungen mussten unbedingt bis Ende der Woche hinausgeschickt werden. Außerdem arbeitete sie an Muriels Memoiren. Um die Umbauten im Wintergarten musste sie sich auch kümmern. Dann waren da noch …

Laura verzog das Gesicht. Sie wusste nur zu gut, dass sie es selbst war, die sich mit Arbeit überhäufte. Natürlich mussten all diese Dinge erledigt werden, doch Mrs Winslow war eine äußerst angenehme Arbeitgeberin, die ihr niemals irgendein Zeitlimit setzte, sondern sie ständig ermahnte, nicht zu übertreiben.

»Ich habe hier in Italien gelernt, dass man nicht nur arbeiten soll, sondern auch das Leben genießen«, hatte sie erst neulich wieder zu ihr gesagt. Roy, ihr achtundzwanzig­jähriger Sohn, hatte ihr beigestimmt. »Sie sind viel zu hektisch, Laura. Sie rasen geradezu durch das Leben.«

Ein Lächeln umspielte die Lippen der jungen Frau. Sie mochte Roy Winslow. Vom ersten Tag an waren sie gut miteinander ausgekommen. Seine Freundschaft bedeutete ihr viel, wenn sie auch das Gefühl nicht loswurde, dass Roy mehr erwartete als nur Freundschaft.

Resignierend seufzte sie auf. Das Leben konnte manchmal wirklich kompliziert sein. Warum ging bei anderen Menschen immer alles glatt? Auf ihrem Weg schien ein Stolperstein nach dem anderen zu liegen. Schon als Kind hatte sie das zu spüren bekommen.

Eine weiche, kühle Hand streifte ihren Arm. Die Berührung war kaum mehr als ein Hauch. Laura hielt den Atem an. Manuel, dachte sie und wagte nicht, sich umzusehen, weil sie wusste, dass hinter ihr niemand stehen würde.

»Mommy!«

»Manuel!« Die junge Frau fuhr herum. Sie nahm den Schatten eines kleinen Jungen wahr, doch noch bevor sie die Hand nach ihm ausstrecken konnte, hatte er sich bereits aufgelöst.

»Mommy!«, hörte sie wieder das Kind rufen.

Sie schlug die Hände vors Gesicht. Es konnte nicht sein. Sie fantasierte. Ihr Sohn war tot, seit über fünf Jahren tot. Aber noch immer glaubte sie, seine Stimme zu hören, obwohl sie diese Stimme bisher nur in ihren Träumen wahrgenommen hatte.

Warum kannst du nicht vergessen?, fragte sie sich und kehrte ins Zimmer zurück. Hatte sie sich nicht geschworen, noch einmal völlig von vorne anzufangen? Sie musste sich endlich mit Manuels Tod abfinden. So durfte sie jedenfalls nicht weitermachen, sonst würde sie eines Tages in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen werden. – Wollte sie das?

Laura setzte sich aufs Bett und blätterte in dem Buch, in dem sie am Abend vor dem Einschlafen gelesen hatte. Es handelte sich um einen Roman, der im England der Queen Victoria spielte. Wie unkompliziert war damals das Leben noch gewesen, oder kam es ihr nur so vor?

Ein flüchtiges Lächeln erhellte ihr Gesicht. Einer jungen Frau in ihrer Lage wäre damals kaum etwas anderes übrig geblieben, als sich bei reichen Leuten für einen Hungerlohn zu verdingen. Vielleicht wäre sie Gesellschafterin bei einer alten, zänkischen Dame geworden oder Kindermädchen, unter Umständen auch nur Zofe. In der jetzigen Zeit hatte ihr nach Manuels Geburt noch immer die Welt offen gestanden. Sie hatte eine Schule besuchen und sich als Privatsekretärin bewerben können.

Im Grunde kannst du ganz zufrieden sein, dachte sie und legte sich wieder hin. Du musst nur endlich vergessen und wirklich ganz von vorne anfangen. Es hat keinen Sinn, einem Kind nachzutrauern, das du niemals in deinen Armen gehalten hast, das du …

Laura empfand einen brennenden Schmerz in sich. Wieder glaubte sie, ihren Sohn »Mommy« rufen zu hören. Aufschluchzend verbarg sie ihr Gesicht im Kissen.

*

Alles andere als ausgeruht, kam Laura Newman am nächsten Morgen zum Frühstück auf die Terrasse. Muriel Winslow blickte ihr lächelnd entgegen. »Haben Sie gut geschlafen, Laura?«, fragte sie, nachdem ihr die junge Frau einen guten Morgen gewünscht hatte.

»Nicht sonderlich«, gab Laura zu und setzte sich an den Tisch. »Ich hatte einen Albtraum.« Ja, einen Alptraum konnte man es wirklich nennen. Noch immer klang Manuels »Mommy« in ihr nach.

»Warum ruhen Sie sich nach dem Frühstück nicht noch etwas aus, Laura?«, fragte ihre Arbeitgeberin und schenkte ihr Tee ein. »Nehmen Sie sich von den Hörnchen. Sie sind heute besonders gut. Mistress Adams hat sich wieder einmal selbst übertroffen.«

Laura wandte sich um. Roy Winslow trat auf die Terrasse hinaus. Fröhlich winkte er ihnen zu. Man merkte ihm nicht an, dass er seit halb fünf auf den Beinen war. Er wirkte so ausgeruht, als hätte er mindestens acht Stunden geschlafen.

»Welch ein Segen, dass wir uns nicht mehr von der guten Maria versorgen lassen müssen«, meinte er. »Es war ein glücklicher Tag, als sie sich unter Tränen entschloss, ihre Stelle bei uns aufzugeben und zu ihrem Sohn nach Rom zu ziehen.« Roy küsste seine Mutter auf die Wange. »Mistress Adams ist ein wirklicher Gewinn. Allerdings dürfen wir ihr das nicht zu oft sagen, sonst verlangt sie den doppelten Lohn.« Er wandte sich Laura zu. »Sie sind im Übrigen auch ein Gewinn für unsere kleine Gemeinschaft.«

»Mir macht die Arbeit bei Ihnen Freude«, erwiderte Laura verlegen.

»Dennoch sollten Sie sich etwas mehr Ruhe gönnen«, bemerkte Muriel Winslow. »Warum nehmen Sie sich nicht den Vormittag frei und fahren zum Schwimmen?«

»Wenn ich nicht so viel zu tun hätte, würde ich Sie gerne begleiten«, erklärte ihr Sohn und bestrich eine Scheibe Toast mit Butter und Orangenkonfitüre.

»Mir raten Sie zu mehr Ruhe, und Sie selbst gönnen sich kaum fünf Minuten für das Frühstück«, meinte Laura.

»Wie wahr.« Er lachte. »Im Moment bin ich wirklich ziemlich eingespannt. Aber was soll’s? Irgendwann werde ich mich schon erholen können.«

»Wenn du alt und grau bist«, bemerkte seine Mutter anzüglich.

Roy handelte mit Immobilien. Er besaß ein großes Büro beim Hafen, aber obwohl er seinen Angestellten vertrauen konnte, hielt er es für seine Pflicht, sich um fast alles selbst zu kümmern. So war er an diesem Morgen schon in aller Frühe mit seinem Motorboot nach Neapel hinübergefahren, um dort mit einem Industriellen zu verhandeln, der an der Küste den Bau eines Luxushotels plante. Die Besprechung hatte auf dem Flughafen stattgefunden, da der Mann in Neapel nur Zwischenstation gemacht hatte.

Roy trank eilig seinen Tee und stand auf. »Ihr müsst mich entschuldigen. Im Büro wartet eine Menge Arbeit auf mich.«

Nach dem Frühstück setzte sich Laura an ihren Schreibtisch und begann die Einladungen für die Geburtstagsparty zu schreiben. Muriel war in die Stadt zum Friseur gefahren. Gerade als sie dachte, dass sie eine kleine Pause nötig hätte, kam Mrs Adams, die beleibte Köchin der Winslows, und brachte ihr Ingwerkekse und ein Glas kalte Limonade.

»Danke«, sagte Laura erfreut.

»Jemand muss sich ja darum kümmern, dass Sie nicht völlig verhungern«, erklärte die Köchin und ließ ihren Blick tadelnd über die schlanke Gestalt der jungen Frau gleiten. »Ich will jedenfalls nicht schuld sein, wenn Sie eines Tages schlappmachen.«

Laura trat mit der Limonade in den Garten hinaus. Die Villa der Winslows erhob sich direkt am Hang. Auch wenn Muriel nie davon sprach, die junge Frau nahm an, dass Roys Mutter hin und wieder Heimweh hatte. In ihren Memoiren sprach Mrs Winslow oft von dem alten Herrenhaus in Cornwall, in dem sie zur Welt gekommen war. Sie erzählte von rauschenden Festen, Jagdgesellschaften und Familienfeiern. Zu den Höhepunkten in ihrem Leben zählte ihre Vorstellung bei Hof, kurz nach ihrem achtzehnten Geburtstag. Noch jetzt schwärmte sie von diesem glanzvollen Tag.

Laura dagegen konnte sich kaum noch an England erinnern. Sie war knapp drei Jahre alt gewesen, als ihre Eltern bei einem Busunglück ums Leben kamen. Die Schwester ihres Vaters, die mit einem Italiener verheiratet war, hatte sie nach Rom geholt.

»Mommy!«

Die junge Frau fuhr heftig zusammen. Ganz deutlich hatte sie die Kinderstimme wieder gehört. Sie konnte nicht irgendeinem Kind in der Nachbarschaft gehören. Außer ihnen lebten hier keine Engländer.

Sieht aus, als würdest du doch noch verrückt, dachte sie bedrückt und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch. Sie musste sich ablenken.

Kurz vor dem Lunch kehrte Roy Winslow aus seinem Büro zurück. Laura war gerade dabei, die letzte Einladung zu schreiben, als sie sein vergnügtes Pfeifen aus dem Garten hörte. Sie legte die Einladungskarte in die Unterschriftsmappe und griff nach einem Kuvert.

»Mommy, du musst David helfen.«

Es gelang der jungen Frau nicht, so zu tun, als hätte sie nichts gehört. Ganz langsam drehte sie sich um. Vor der Tür bemerkte sie den Schatten eines Kindes. Sie holte tief Luft und stand auf. Ihre Knie zitterten, als sie auf den Schatten zuging. »Wer bist du?«, fragte sie und streckte die Hand aus. »Es kann nicht wahr sein.«

»Was kann nicht wahr sein?«, fragte Roy hinter ihr, doch sie beachtete ihn nicht. Noch immer starrte sie zur Tür. Die Konturen des Schattens wurden undeutlich. Schließlich löste er sich auf. »Laura, was haben Sie?« Der junge Immobilienmakler berührte ihre Schulter. Erschrocken zuckte sie zusammen. »Sie sehen ja aus, als sei Ihnen ein Geist begegnet«, fügte er hinzu.

Laura riss sich zusammen. Sie atmete tief durch. »Vielleicht ist mir wirklich ein Geist begegnet«, antwortete sie mit einer Stimme, die nicht ihr zu gehören schien. Fröstelnd zog sie die Schultern zusammen.

»Laura, was ist nur mit Ihnen?«, fragte Roy besorgt, legte vorsichtig den Arm um ihre Schultern und führte sie zu der kleinen Couch, die neben der Terrassentür stand. »Ich meine, es ist an der Zeit, dass Sie mir erzählen, was Sie bedrückt«, brachte sich ihr Roy wieder in Erinnerung. »Ich habe längst bemerkt, dass Sie von einer stillen Trauer erfüllt zu sein scheinen.«

»Es ist alles schon so lange her«, begann Laura fast tonlos. »Ich sollte es längst vergessen haben.« Verlegen strich sie sich über die Augen.

Roy ergriff ihre Hände. »Was würden Sie davon halten, wenn ich Sie heute zum Abendessen einlade?«, fragte er. »Bitte, sagen Sie nicht nein, Laura.« Er sah ihr in die Augen. »Oder haben Sie Angst, ich könnte mich vergessen?«

»Nein«, erwiderte sie errötend und senkte den Blick.

»Also, dann ist es abgemacht«, bestimmte Roy. »Sagen wir um sieben. Einverstanden …?«

Warum eigentlich nicht? Warum sollten die Winslows nichts von ihrem Vorleben erfahren? Schenkten sie ihr nicht auch Vertrauen? Immerhin arbeitete sie an Muriels Memoiren, und die ältere Frau hatte ihr dabei schon manch kleines Geheimnis verraten, das nicht für die Nachwelt bestimmt war.

»Ich bin einverstanden«, erwiderte sie mit einem flüchtigen Lächeln.

»Das freut mich«, sagte er herzlich.

*

Das Essen war ausgezeichnet gewesen, wenn auch sehr italienisch. Laura war überzeugt, dass Mrs Adams sie fragen würde, was sie gegessen hatte. Entsetzt würde die Köchin die Augenbrauen hochziehen und dann bemerken: »Nun, hoffentlich haben Sie sich nicht den Magen verdorben, Miss Newman. Für einen guten englischen Magen ist die italienische Küche ungenießbar.«

»Warum schmunzeln Sie?«, fragte Roy Winslow und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Sie waren inzwischen beim Mokka angelangt. Er war genauso stark, heiß und süß, wie er sein sollte. Dazu gab es köstliche Mandelmakronen, die regelrecht auf der Zunge zergingen.

»Ich dachte nur an Mistress Adams«, erwiderte sie.

»Wir sollten ihr ein Makrönchen als Kostprobe mitbringen«, scherzte Roy. »Doch wie ich die gute Seele kenne, wird sie es nur verachtungsvoll beiseitelegen.« Er nippte an seinem Mokka. »Nun wird es Zeit, dass wir über Sie sprechen, Laura. Über Sie und Ihre Sorgen.« Seine Augen blitzten belustigt auf. »Während des Essens haben wir uns so ausgiebig über Capri unterhalten, dass da nun wirklich nichts mehr gesagt werden muss.«

»Wir haben noch nicht über den Palast des Augustus gesprochen«, wandte Laura ein.

Der Immobilienmakler beugte sich vor und ergriff ihre Hände. »Bitte, glauben Sie mir, ich möchte Sie wirklich nicht aushorchen, nur, meine Mutter und ich machen uns große Sorgen um Sie. Wir mögen Sie sehr.«

»Ich weiß«, gestand Laura. »Aber wo soll ich anfangen?« Aufseufzend blickte sie auf das Meer hinaus. Ein leichter Wind strich über die Terrasse, spielte mit ihren Haaren. »Bei meiner Einstellung erzählte ich ja bereits, dass ich nach dem Tod meiner Eltern von einer Tante in Rom aufgenommen wurde.«

»Ja, Sie erwähnten es.«

»Man kann meine Tante Maud nicht gerade einen liebevollen Menschen nennen, aber immerhin hat sie dafür gesorgt, dass ich stets anständig gekleidet war und auch nie hungern musste. Natürlich hat sie ihre eigenen Kinder vorgezogen, und das tat weh. Nachts weinte ich oft in meinem Bett, weil ich auch einmal in den Arm genommen werden wollte, doch auf diesen Gedanken kam Tante Maud nicht. Roberto, ihr Mann, kümmerte sich ohnehin nur um seine eigenen Kinder. Es wurde nie ausgesprochen, doch ich glaube, er wollte nicht, dass ich in seiner Familie aufwachse.«

Laura schloss für einen Moment die Augen. Sie sah sich wieder an einem Weihnachtsabend einsam und alleine mit ihrer Puppe neben dem Tannenbaum sitzen, während ihre Tante und deren Mann mit ihren eigenen Kindern lachten und scherzten.

»Es war sicher nicht leicht für Sie«, meinte Roy.