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In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert! Der Mann legte ihr erneut die Fesseln an, zog so fest zu, daß das Mädchen vor Schmerzen aufschrie. Dann stopfte er ihr wieder den Knebel in den Mund. Es handelte sich um dasselbe Tuch, das er schon vor zwei Tagen benutzt hatte, nur, daß es inzwischen ziemlich verdreckt war. Aber selbst dabei beließ er es heute nicht. Er schnürte auch noch die Beine seiner Schwester zusammen, um ihr jegliche Möglichkeit zur Flucht zu rauben. Dann ließ er seine sich verzweifelt windende Gefangene kurz allein, um die Holztür weit zu öffnen. Wieder lief er zielstrebig auf das Mädchen am Boden zu, packte es mit hartem Griff an den Knöcheln und schleifte es über den gefrorenen Erdboden mit sich. Die Augen der Gefangenen waren weit aufgerissen. Sie versuchte, so laut es ihr nur möglich war, durch Stöhnen und unterdrückte Laute auf sich aufmerksam zu machen. Gleichzeitig wußte sie, daß es keinen Zweck hatte. Niemand würde sie hören. Niemand würde ihr zu Hilfe eilen… Gegen Mittag hatte sich der Nebel verzogen und war einem strahlend blauen Novemberhimmel gewichen. Es war eindeutig zu warm für diese Jahreszeit, doch Sarina störte sich nicht daran. Der erste Frost kam noch früh genug. Im Augenblick genoß die junge Frau den berauschenden Anblick der buntbelaubten Bäume und Sträucher, die milde Kraft der Sonnenstrahlen, die einem ein letztes Mal sanft das Gesicht umschmeichelten. Man vergaß ganz das Kommen des Winters, der in diesen Breiten meist kalt und ungemütlich verlief. Im Frankfurter Raum hatte es in den vergangenen Jahren selten richtigen Schnee gegeben, keinen,
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Seitenzahl: 121
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Der Mann legte ihr erneut die Fesseln an, zog so fest zu, daß das Mädchen vor Schmerzen aufschrie. Dann stopfte er ihr wieder den Knebel in den Mund. Es handelte sich um dasselbe Tuch, das er schon vor zwei Tagen benutzt hatte, nur, daß es inzwischen ziemlich verdreckt war. Aber selbst dabei beließ er es heute nicht. Er schnürte auch noch die Beine seiner Schwester zusammen, um ihr jegliche Möglichkeit zur Flucht zu rauben. Dann ließ er seine sich verzweifelt windende Gefangene kurz allein, um die Holztür weit zu öffnen. Wieder lief er zielstrebig auf das Mädchen am Boden zu, packte es mit hartem Griff an den Knöcheln und schleifte es über den gefrorenen Erdboden mit sich. Die Augen der Gefangenen waren weit aufgerissen. Sie versuchte, so laut es ihr nur möglich war, durch Stöhnen und unterdrückte Laute auf sich aufmerksam zu machen. Gleichzeitig wußte sie, daß es keinen Zweck hatte. Niemand würde sie hören. Niemand würde ihr zu Hilfe eilen…
Gegen Mittag hatte sich der Nebel verzogen und war einem strahlend blauen Novemberhimmel gewichen.
Es war eindeutig zu warm für diese Jahreszeit, doch Sarina störte sich nicht daran. Der erste Frost kam noch früh genug.
Im Augenblick genoß die junge Frau den berauschenden Anblick der buntbelaubten Bäume und Sträucher, die milde Kraft der Sonnenstrahlen, die einem ein letztes Mal sanft das Gesicht umschmeichelten. Man vergaß ganz das Kommen des Winters, der in diesen Breiten meist kalt und ungemütlich verlief.
Im Frankfurter Raum hatte es in den vergangenen Jahren selten richtigen Schnee gegeben, keinen, mit dem man wirklich etwas anfangen konnte, wie Schlittenfahren oder Skilaufen. Da mußte man sich schon weit in den Taunus wagen.
Sarina trat die Kupplung und legte den vierten Gang ein. Auf ihren Lippen lag ein zufriedenes Lächeln.
Sie freute sich darüber, daß sie sich nun doch für den honiggelben Ford Ka entschieden hatte, obwohl sie dem winzigen Wagen anfangs sehr skeptisch gegenüberstand. Sie nannte ihr erstes, eigenes Auto liebevoll ›Flotte Biene‹. Und es machte seinem Namen alle Ehre. Seit gut sechs Stunden brauste es über die Autobahn, im Schnitt mit stolzen hundertzwanzig Sachen.
Zügig lenkte Sarina den Wagen durch die Blechlawine, setzte zum Überholmanöver an.
Das Vorhaben war recht gewagt, der blau-metallic-farbene Benz zu ihrer Rechten war ihrem Gefährt haushoch an Pferdestärken überlegen. Dennoch versuchte die Zwanzigjährige ihr Glück.
In der fremden Limousine, die sich nun auf gleicher Höhe mit ihrem Ford Ka hielt, befand sich ein nahezu unverschämt gutaussehender Mann, altersmäßig schwer einzuschätzen, Anfang dreißig, vielleicht.
Das spornte die Blondine um so mehr an. Sie verabscheute langdauernde Autobahnfahren. So hatte sie es sich zur Gewohnheit gemacht, sich die Zeit mit einem interessanten Spiel zu vertreiben, welches sie ›motorflirting‹ nannte.
Sarinas wasserblaue, leicht schräg gestellte Augen blitzten frech in den anderen Wagen. Dann gab sie Gas und überholte.
Die Spielregeln des motorflirting funktionierten immer nach dem gleichen Prinzip. Erst überholte der eine Mitspieler, dann der andere, und auf diese Weise vertrieb man sich die Zeit recht schnell.
Doch Sarina sollte sich zum ersten Mal täuschen. Der Mann im blauen Mercedes war offenbar nicht zu Späßen aufgelegt. Mit der Zeit blieb sein Wagen immer weiter hinter dem ihren zurück.
»Spießer!« schimpfte die junge Frau verärgert. So etwas war ihr noch nicht untergekommen.
Da fiel ihr Blick auf die silberne Armbanduhr an ihrem Handgelenk und schon verrauchte ihr Zorn.
Es war kurz vor drei. In spätestens einer halben Stunde, so hatte sie hochgerechnet, mußte sie in München eintreffen.
Sie war furchtbar aufgeregt und freute sich riesig auf das Wiedersehen mit ihrer Schulfreundin Miriam.
Bereits seit längerem hatten die beiden Frauen es geplant, einige Wochen Urlaub gemeinsam zu verbringen, weil man sich über’s Jahr hinweg leider Gottes viel zu selten sah. Das brachte die große Entfernung so mit sich.
Jetzt endlich aber schien die Gelegenheit günstig. Sarina hatte ihr Praktikum als Chemielaborantin beendet und sich erst einmal vierzehn Tage von allem frei gemacht, ehe sie entschied, wie es in Zukunft beruflich weitergehen sollte. Das kleine, finanzielle Polster, welches ihr ihre Eltern hinterlassen hatten, vermochte einige Wochen Durststrecke gut zu überbrücken.
Miriam hingegen, die Germanistik studierte, erfreute sich gerade einiger Wochen Semesterferien.
Sarina beschloß, ein wenig Musik zu hören, Antenne Bayern vielleicht. So konnte sie sich schon einmal vorab einstimmen auf die bayerische Landeshauptstadt, inmitten deren Herzen ihre Freundin Miriam lebte.
Merkwürdig.
Wie aus dem Nichts hatte Sarina plötzlich das eigenartige Gefühl, von fremden, bedrohlichen Augen beobachtet zu werden. Sie spürte die Blicke beinahe körperlich, sah sich irritiert nach allen Seiten hin um.
Der Verkehr floß ruhig und gleichmäßig. Der LKW-Fahrer hinter ihr schien laute Musik zu hören, denn er bewegte den Kopf rhythmisch, wie nach einem Takt, und damit war er vollauf beschäftigt. Sarina beobachtete es durch den Rückspiegel.
Auch die restlichen Autofahrer, die sie wahrnahm, benahmen sich unauffällig, hatten den Blick fest auf die Fahrbahn geheftet. So sehr sie auch danach suchte, es gab offensichtlich weit und breit niemanden, der sie anstarrte…
Dennoch wich das unbestimmte Gefühl nicht. Ganz im Gegenteil.
Sarina hatte die völlig irrationale Idee, daß gleich irgend etwas geschehen würde.
Es war ihr, als ob plötzlich eine fremde Macht von ihr Besitz nahm. Unwillkürlich glitt ihre Rechte ihren Hals hinauf, und man hätte fast vermuten können, daß sie ihn vor einem Angriff zu schützen suchte.
Als hätte der Ford Ka ihre geheimsten Gedanken gelesen, und als wolle er seiner Besitzerin einen makabren Streich spielen, begann er auf einmal zu rucken und zu holpern.
Sarina hatte alle Mühe, das kleine, sportliche Lenkrad gerade zu halten. Dicht unter ihr fühlte es sich an, als lägen da anstatt des glatten Straßenbandes ein paar harte, ungeschliffene Felsbrocken.
Wie von selbst glitt ihr rechter Fuß vom Gaspedal, trat in kurzen Intervallen auf die Bremse. Fast parallel dazu schaltete die junge Frau geistesgegenwärtig die Warnblinkanlage ein, riß den Lenker herum und fuhr rechts heran auf den Seitenstreifen.
Schon kam der Wagen zum Stehen. Wie ein Küken aus dem Ei schälte sich die hochgewachsene, schlanke Blondine aus dem Gefährt.
Sie schloß für eine Sekunde die Augen und atmete tief durch.
»Noch einmal gutgegangen«, war alles, woran sie denken konnte, als sie registrierte, daß dicht hinter ihr ein anderes Auto hielt.
Ein metallic-blauer, sportlicher Mercedes.
Schon war der Fremde ausgestiegen und hatte sich dicht neben ihr aufgebaut. Er mochte noch einige Zentimeter größer sein als sie selbst, mindestens aber einsvierundachtzig, schätzte Sarina. Sein volles, mittelblondes Haar lag in leichten Wellen bis tief in den Nacken, das lebhafte braune Augenpaar blickte erst sein Gegenüber, dann den Ford Ka fragend an.
»Sieht fast nach einem Platten aus«, stellte er fest.
Sarina brachte nur ein trockenes »Mmh« hervor. Sie fühlte sich unwohl in ihrer Haut. Ausgerechnet der Typ, den sie insgeheim als Spießer bezeichnet hatte, bot ihr nun seine freundliche Hilfe an.
Der Fremde bückte sich jetzt nach dem kaputten Reifen, krempelte die Ärmel seines beigefarbenen Hemdes hoch und betastete das schwarze Gummi fachmännisch.
»Wo halten Sie denn den Ersatzreifen versteckt?« erkundigte er sich lächelnd. Seine Stimme klang ruhig und sonor.
Sarinas dagegen ließ im Augenblick jegliche Ruhe vermissen. Sie stotterte vor Aufregung. Und das nicht nur wegen des Plattens. Sie hatte dem fremden Mann gegenüber ein Gefühl, als sei sie irgendwie mit seinem Leben verknüpft. Das verstand sie nicht und es machte sie reichlich nervös.
»Ich… ich glaube, im Kofferraum«, erwiderte sie. »Sie müssen nur die Abdeckung entfernen. Sie ist rechts oben mit einem Klettverschluß befestigt.«
»Gut«, sagte der Fremde daraufhin und rieb sich lächelnd die Hände. Man konnte meinen, er habe nur darauf gewartet, einen kaputten Reifen wechseln zu dürfen. »Dann wollen wir uns mal an die Arbeit machen«, sagte er.
Sarina nickte geistesabwesend. Sie verschwieg ihrem Gegenüber mit Absicht, daß sie selbst sehr gut in der Lage war, einen Reifen zu tauschen. Tatsächlich hatte sie überhaupt keine Lust dazu. Zudem faszinierte es sie, den flinken Händen des fremden Mannes bei der Arbeit zuzusehen.
Kaum fünfundzwanzig Minuten später war der neue Reifen fachgerecht aufgezogen.
Sarina war sichtlich erleichtert.
»Wie kann ich das nur wiedergutmachen?« erkundigte sie sich seufzend. »Sie waren wirklich schneller zur Stelle als die eifrigste Pannenhilfe.«
Die Lippen des Fremden lächelten schelmisch und gaben eine Reihe gepflegter Zähne frei.
»Am besten, indem Sie mir bei einer Tasse Kaffee Gesellschaft leisten«, meinte er. Sein Zeigefinger deutete Richtung Westen. »Ich wohne nicht weit von hier, zehn Minuten vielleicht.«
Sarina fühlte sich ganz merkwürdig von dem jungen Mann angezogen. Es ging eine eigentümliche Ausstrahlung von ihm aus. Er hatte Charisma, und Sarina war nicht ganz klar, ob sie dies als positiv oder negativ verbuchen sollte.
Seine Anziehungskraft hatte auch etwas Animalisches. Eigentlich war es gar nicht Sarinas Art, sich so übereilt einladen zu lassen, noch dazu, wenn sie sich derart überrumpelt fühlte wie gerade eben. An dieser Stelle jedoch brachte sie, ganz gegen ihre Prinzipien, kein klares Nein über die Lippen.
»Na schön«, gab sie dann endlich zurück. »Aber wirklich nur ein halbes Stündchen. Ich bin auf dem Weg zu einer Freundin, müssen Sie wissen. Ich werde sicher schon ungeduldig erwartet.«
Der Fremde nickte verständnisvoll, stieg gleich darauf in seinen Wagen und fuhr gemächlich los. Sarina folgte ihm in einigen Metern Sicherheitsabstand.
Komisch, wunderte sie sich. Die Szenerie wirkte auf sie wie aus einem landläufigen Vampir-Film. Wie magisch angezogen fuhr sie in gleichbleibender Geschwindigkeit, nicht einmal runde achtzig Sachen, hinter dem Wagen des Fremden her.
Fast schien es ihr, als sei da ein unsichtbares Seil gespannt zwischen den beiden Autos, und Sarina blieb gar keine andere Wahl, als dem fremden Mann zu folgen. Sie mußte unwillkürlich grinsen. Fehlte nur noch, daß ihr kleiner Ka sich vom Boden abhob und durch die Lüfte schwebte wie die berüchtigte Kutsche des Grafen Dracula… Sie schüttelte den Kopf über ihre eigene Naivität und es kamen ihr nun doch einige Zweifel, ob sie das Richtige tat.
Was, wenn dieser Mann gar nicht so freundlich war, wie er sich gab? Ach was, schalt sie sich sofort. Was soll schon geschehen? Ich habe mein Handy mit, zur Not kann ich mich jederzeit bemerkbar machen.
Nachdem sie die Autobahn verlassen hatten, fuhren sie noch ein gutes Stück Landstraße, dann bog der Mann im blauen Benz nach links ab, in einen schmalen verlassenen Feldweg.
Sarinas Hals wurde trocken. Wohin führte sie der Fremde? War es nicht vernünftiger, umzukehren? Sie mußte die Frage mit ihrem gesunden Menschenverstand bejahen, dennoch besann sie sich nicht und folgte ihm weiterhin, wie von Geisterhänden gezogen. Nun änderte sich das Landschaftsbild und der Weg mündete in ein dichtes, kleines Waldstück.
Akkurat gepflanzte Säulenwacholder, an die drei Meter hoch, dazwischen ein paar natürlich gewachsene Kiefern säumten ihn und verliehen der Gegend ein bizarres Aussehen. Schlagartig war es düster geworden, obwohl der Nachmittag noch nicht einmal ganz verstrichen war.
Sarina begann zu frösteln. Plötzlich war auch ein frischer Wind aufgekommen. Vorwitzig fuhr er in die feinen Verästelungen der Wacholder. In dichten Büscheln stoben sie auseinander. In der bedrückenden Dunkelheit wirkten sie wie drohend erhobene, zittrige Dämonenhände. Fast hatte es den Anschein, als bogen und reckten sie sich nach den beiden einsamen Autofahrern.
Sarina wurde es eng in der Kehle.
Sie benötigte dringend frische Luft, wagte es jedoch nicht, ein Fenster zu öffnen, aus Angst, man könne tatsächlich nach ihr greifen. Doch dann wurde sie gewahr, wie der Wald sich am Horizont lichtete und es von Minute zu Minute heller wurde. Der Druck in ihrem Hals ließ nach.
Schon von weitem, als sie mit ihrem Auto gerade über eine leichte Anhöhe fuhr und die Fernsicht es zuließ, erblickte sie dicke, hohe Mauern aus geschichtetem Naturstein und ein großes, in der Mitte geteiltes Tor aus dunklem Holz.
Dahinter schien sich ein als absolut normal einzustufender Aussiedlerhof zu verbergen. Sarina konnte die roten Dächer von mehreren Gebäuden erkennen. Hier hatte man es mit einiger Sicherheit recht wenig mit Vampiren zu tun. Sarina schmunzelte belustigt in sich hinein. Die Angst, die sie vorhin gepeinigt hatte, war jetzt wie weggeblasen. Sie hegte nun ein ganz anderes Gefühl. Sie war neugierig, was sich wohl hinter diesen Türen verbarg.
*
Wie ein Feldwebel hatte sich Miriam durch die enge Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung gekämpft. Allerdings war sie weniger für einen Krieg gerüstet. Ihre Waffen waren ganz anderer Natur. Sie bestanden aus einem Putzeimer, einem Schrubber und einem buntgestreiften, weichen Staubtuch, mit welchem sie rasch die Möbel poliert hatte.
Nun hielt sie inne, stemmte die Hände in die Hüften und blies sich eine der widerborstigen, tizianroten Locken ihres kinnlangen Wuschelkopfes aus der Stirn. Zufrieden besah sie sich ihr Werk.
Die Wohnung war gemütlich aufgeräumt, gesaugt und gewischt. Es roch sogar appetitlich nach frischer Grapefruit, denn Miriam hatte nicht vergessen, abschließend einige Tropfen ätherischen Öles in den Wasserschalen der Heizkörper zu verteilen. Lächelnd erinnerte sie sich daran, wieviel Wert ihre Freundin Sarina auf einen angenehmen Duft im Wohnbereich legte.
Miriams smaragdgrünes Augenpaar schloß sich für eine Sekunde. Sie war heilfroh über die Tatsache, daß der Putzlappen fürs erste ausgedient hatte. Hausarbeit war nicht eben eine ihrer Stärken. Sie betrachtete sie als notwendiges Übel.
Wie ein Kleinkind auf das Weihnachtsfest, so sehr freute sie sich auf die gemeinsamen Tage mit ihrer Schulfreundin Sarina. Sie kannten sich von Kindesbeinen an und es verband sie eine ungewöhnlich innige Freundschaft, wie man sie nur selten einmal fand. Sie hatten Vertrauen zueinander und sie konnten zusammen Pferde stehlen.
Miriams Blick fiel auf die selbst getöpferte, kobaltblau glasierte Küchenuhr.
»Merkwürdig«, dachte sie kopfschüttelnd. »Es ist schon nach fünf. Wo nur Sarina so lange bleibt?«
Eigentlich hatte ihre Freundin damit gerechnet, bis allerspätestens sechzehn Uhr, zur Kaffeezeit, in München einzutreffen. Ob es einen Stau auf der Autobahn gegeben hatte? Vielleicht hatte sich die Freundin auch innerhalb Münchens verfahren, immerhin war es eine fremde Stadt für sie. Ein- oder zweimal eine falsche Straße genommen und schon war das Wirrwarr perfekt. Das wußte Miriam aus eigener, leidvoller Erfahrung.
Doch dann verwarf Miriam diesen Gedanken wieder. Sie wußte, daß Sarina so gut wie nie ohne ihr Handy aus dem Hause ging. Sollte sie sich tatsächlich verfahren haben, hätte sie sich sicher schon bald gemeldet.
Ein bißchen flau in der Magengegend wurde Miriam schon in diesem Augenblick. Sarina war sonst eine ausgesprochene Pedantin, was Pünktlichkeit betraf.
Die Mittzwanzigerin schüttelte heftig den Kopf, als wolle sie damit die unliebsamen Ideen vertreiben.
»Nun male den Teufel nicht an die Wand, Miriam Schüller«, ermahnte sie sich selbst. »Sarina wird schon noch eintreffen.«
Sie beschloß, sich die Wartezeit mit Fernsehen zu vertreiben, rollte sich wie ein Igel auf dem geblümten Sofa zusammen, griff nach der Fernbedienung und zappte sich unentschlossen durch die Programme.