Das Spiegelbild - Dieter Janz - E-Book

Das Spiegelbild E-Book

Dieter Janz

4,8

Beschreibung

Der Schreck fährt Christian in die Glieder als er wie gewöhnlich morgens vor dem Spiegel steht und sein Spiegelbild etwas völlig anderes macht, als er selbst. Das wiederholt sich einige Tage, dann ist sein gegenüber im Spiegel verschwunden. Und während er sich unsterblich verliebt, entwickelt sein Spiegelbild ein sonderbares Eigenleben. Es geschehen grausame Dinge in seiner Stadt, für die er verantwortlich gemacht wird …

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Dieter Janz

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 Verlag Kern © Inhaltliche Rechte bei Dieter Janz (Autor) Layout und Satz: Brigitte Winkler www.winkler-layout.de Titelbild: © Moguchev, 2010, Benutzung unter Lizenz von Shutterstock.de Verlag und Herstellung: www.Verlag-Kern.de 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2012 ISBN: 9783944224305

Inhalt
Cover
Titel
Widmung
Impressum
Inhalt
Das Spiegelbild
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Sonntagmorgen, 8.00 Uhr.

Er steht im Bad, am Waschbecken. Sein Blick ist nach unten gerichtet, langsam wandert er nach oben zum funkelnagelneuen Spiegel. Vorsichtshalber schließt er die Augen. Dann zwingt er sich, sie zu öffnen und betrachtet sein Spiegelbild.

Es verhält sich völlig normal. Er dreht den Kopf nach links, nach rechts, zwinkert mit dem linken Auge, dem rechten, streckt die Zunge heraus. Sein Spiegelbild tut es ihm gleich, zieht keine Grimassen, die nicht auch er macht.

Aus dem Schlafzimmer tönt ein lang gezogenes ›Mmh‹, dem ein leiser Protest folgt: »Ey, es ist erst acht Uhr. Wo bist du?«

»Pinkeln!«

Kurze Stille, dann die Frage mit verschlafener Stimme: »So lange? Du wirst’s in deinem Alter doch nicht schon an der Prostata haben?«

Er lachte, sein Spiegelbild ebenso.

»Ich komme gleich, schlaf ruhig weiter.«

»Beeil dich.«

Langsam schlurft Christian zurück ins Schlafzimmer und legt sich wieder hin. Sie kuschelt sich an ihn und scheint sofort wieder einzuschlafen.

Es ist still an diesem Morgen. An sich ist Christian nicht mehr müde, aber es tut gut, entspannt bei ihr zu liegen. Seine Gedanken kreisen um dies und das und bleiben schließlich bei der Geschichte mit seinem Spiegelbild hängen.

Als er eines Morgens das Badezimmer betrat und in den Spiegel schaute, erschrak er. Er erblickte ein graues, von Arbeit und wenig Schlaf gezeichnetes Gesicht.

So deutlich wie an jenem Morgen war ihm dies noch nicht aufgefallen. Aber wundern durfte er sich nicht. Er hatte jeden Tag von morgens bis abends geschuftet. Dazu kamen fast täglich Geschäftsessen mit potentiellen Kunden, oft bis spät in die Nacht, fast immer mit reichlich Alkohol. Besonders der Leiter der Marketingabteilung dieses Pharmakonzerns, den er unbedingt als Kunden gewinnen wollte, zeigte sich extrem trinkfest und ausdauernd. Es hatte mehrere solcher Gelage gebraucht, um dessen Auftrag an Land zu ziehen.

Und nun betrachtete Christian das Ergebnis seiner Lebensweise im Spiegel. »Das geht auf Dauer nicht gut«, murmelte er vor sich hin, drehte den Wasserhahn auf und bespritzte sein Gesicht. Aber danach war der Anblick auch nicht wesentlich besser. Er schlurfte zum Telefon, wollte wählen, aber dann fiel ihm ein, dass sein Büro noch gar nicht besetzt war. Also ging er in die Küche, warf die Espressomaschine an, nahm die Zigarettenschachtel vom Tisch, um sie direkt wieder zurückzulegen, denn sie war leer.

Als er seinen Kaffee getrunken hatte, schlich er zurück ins Badezimmer und schaute wieder in den Spiegel. Plötzlich beschleunigte sich sein Herzschlag enorm. Hatte ihm sein Spiegelbild eben nicht zugezwinkert?

»Jetzt wirst du verrückt«, sprach er zu sich selbst.

Er schloss die Augen und schüttelte heftig den Kopf. Dann betrachtete er wieder sein Ebenbild. Da! Da war es schon wieder, dieses Blinzeln.

Schnellen Schrittes eilte er zum Telefon. Inzwischen müsste jemand in der Agentur sein. Er musste aber bestimmt fünf-, sechsmal läuten lassen, bis sich jemand meldete.

»Public Relation- und Marketing-Agentur Maurer«, flötete seine Sekretärin in den Hörer, »Sie sprechen mit ...«

Weiter kam sie nicht, denn Christian fiel ihr ins Wort: »Ich weiß, mit wem ich spreche. Ich komme heute nicht ...«

Jetzt war sie es, die ihn unterbrach: »Aber ich weiß nicht, mit wem ich spreche. Wenn Sie so freundlich wären, mir Ihren Namen zu nennen.«

Oh Gott, schoss es ihm in den Kopf, ist meine Stimme so ruiniert, dass man mich nicht mehr am Telefon erkennt?

»Kerstin, meinst du das im Ernst, oder willst du mich verarschen?«

»Oh, Chrissie! Du bist’s. Entschuldige, aber du klingst irgendwie so, so rau. Geht’s dir nicht gut?«

»Doch, doch, mir geht’s prima. – Nein, mir geht’s beschissen heute Morgen, deswegen werde ich nicht kommen.«

»Das geht aber nicht.«

»Weshalb?«

»Weil du einen Termin hast. Mit diesem Krausner von dem Autohaus.«

»Den soll Wolfgang übernehmen, ich mag den Kerl samt seiner Autos sowieso nicht.«

»Da wird Wolfgang nicht begeistert von sein.«

»Liebe Kerstin, das ist mir sooo egal.«

»Und wenn er sich weigert?«

»Dann gib ihm die Telefonnummer eines unserer Konkurrenten.«

»Dir scheint’s wirklich nicht gut zu gehen.«

»Sag ich doch; ich melde mich später noch einmal. Tschüss.«

»Gute Besserung.«

Sein Weg führte ihn zurück ins Badezimmer. Nur sehr zögerlich wagte er, in den Spiegel zu schauen. Zunächst geschah gar nichts. Doch gerade als er den Blick abwenden wollte, streckte ihm sein Gegenüber kurz die Zunge heraus. Erschrocken trat er zurück.

»Du musst schlafen«, murmelte er vor sich hin, »dein Gehirn spielt einen Streich mit dir.«

Unverzüglich begab er sich in sein Schlafzimmer und legte sich hin.

Es waren gut zwei Stunden vergangen, als er wieder aufwachte. Jetzt fühlte er sich deutlich wohler. Dennoch war ihm beim erneuten Blick in den Badezimmerspiegel mulmig zumute und er war erleichtert, als sein Ebenbild nichts tat, was nicht auch er machte.

Während der Rasur passierte nichts Ungewöhnliches. Nachdem er sich ausgehfertig angezogen hatte, wollte er den Sitz seiner Krawatte im Spiegel noch einmal überprüfen.

»Alles okay«, sagte er zu sich selbst und wollte sich umdrehen, als ihn sein Spiegelbild angrinste, obwohl er selbst den Mund nicht im Geringsten verzog. Er schaute weg; ein, zwei Sekunden später wieder in den Spiegel. Erneut tauchte das Grinsen für einen ganz kurzen Moment auf.

Christian eilte zur Flurgarderobe, um in den dortigen Spiegel zu schauen. Hier konnte er nichts Außergewöhnliches feststellen. Ich glaube, ich suche bald mal einen Arzt auf, um mich durchchecken zu lassen.

Nachdem er die Wohnungstür zugezogen hatte, lief er die Stockwerke zu Fuß hinunter. Den Aufzug mied er fast immer, um sich auf diese Weise wenigstens ein wenig Bewegung zu verschaffen. Seine sportlichen Betätigungen hatten sich in letzter Zeit in engen Grenzen gehalten, genauer gesagt, unternahm er diesbezüglich überhaupt nichts mehr.

Vor der Haustür angekommen, atmete er erst einmal tief durch. Es war ein herrlicher Frühlingstag, die Sonne wärmte auf angenehme Weise. Sein erster Gang galt dem Zigarettenautomaten. Dann eilte er über die Straße, sich zwischen den Autos hindurch jonglierend, wobei er ein kleines Hupkonzert auslöste. Nach wenigen Metern hatte er das Bistro erreicht, in dem er öfter frühstückte und zuweilen auch zu Abend aß.

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