Das Spiel meines Lebens -  - E-Book

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Beschreibung

Es gibt Spiele, an die erinnert man sich noch Jahre später. Nicht immer sind es großartige Siege – auch schmerzhafte Niederlagen, ein in allerletzter Minute verhinderter Abstieg oder eine für das private Glück schicksalhafte Partie können einen nachträglich ein Leben lang begleiten. Jeder Autor, jede Autorin dieses Bandes hat ein anderes Spiel, das sie oder ihn besonders prägte: das als «Nacht von Belgrad» in die Geschichte eingegangene EM-Finale (1976), das WM-Halbfinale Deutschland – Frankreich (1982), der erste Stadionbesuch beim BVB (1995), die DFB-Pokal-Sensation, als Energie Cottbus gegen den Karlsruher SC gewann (1997), die «Mutter aller Niederlagen», als der FC Bayern München in letzter Minute gegen Manchester United in der Champions League ausschied (1999), das erste Derby FC St. Pauli – HSV, das am Millerntor ausgetragen wurde (2010), oder der «Abstiegsgipfel» Werder Bremen – Eintracht Frankfurt (2016). Jede Geschichte ist auf ihre Weise besonders – sie alle verbindet die Liebe zum Fußball. Mit: Ronald Reng, Saša Stanišić, Ayla Mayer, Misha Verollet, Christoph Schröder, Alexandros Stefanidis, Christian Putsch, Christine Westermann, Benedict Wells, Christian Spiller, Julia Friedrichs, Jochen Schmidt, Jürgen Kaube, Thomas Pletzinger, Kirsten Fuchs, Dirk Knipphals, Marius Hulpe, Philipp Winkler, Kai Feldhaus, Stefanie Fiebrig, Horst Bredekamp, Frank Willmann, Simon Roloff, Michael Kröchert.

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Seitenzahl: 351

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Julia Suchorski (Hg.)

Das Spiel meines Lebens

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Es gibt Spiele, an die erinnert man sich noch Jahre später. Nicht immer sind es großartige Siege – auch schmerzhafte Niederlagen, ein in allerletzter Minute verhinderter Abstieg oder eine für das private Glück schicksalhafte Partie können einen nachträglich ein Leben lang begleiten. Jeder Autor, jede Autorin dieses Bandes hat ein anderes Spiel, das sie oder ihn besonders prägte: das als «Nacht von Belgrad» in die Geschichte eingegangene EM-Finale (1976), das WM-Finale Deutschland – Frankreich (1982), der erste Stadionbesuch beim BVB (1995), die DFB-Pokal-Sensation, als Energie Cottbus gegen den Karlsruher SC gewann (1997), die «Mutter aller Niederlagen», als der FC Bayern München in letzter Minute gegen Manchester United in der Champions League ausschied (1999), das erste Derby FC St. Pauli – HSV, das am Millerntor ausgetragen wurde (2010), oder der «Abstiegsgipfel» Werder Bremen – Eintracht Frankfurt (2016). Jede Geschichte ist auf ihre Weise besonders – sie alle verbindet die Liebe zum Fußball.

Über Julia Suchorski

Julia Suchorski, geboren 1975, arbeitet seit 2006 als Sachbuchlektorin im Rowohlt Verlag. Im selben Jahr erwarb sie ihre Dauerkarte für den FC St. Pauli. Das Spiel ihres Lebens war die Begegnung mit Hertha BSC im Achtelfinale des DFB-Pokals 2005. Nach einem 0:2-Rückstand kämpfte sich der Drittligist in die Verlängerung, schaffte nach dem deprimierenden 3:2 in der 100. Minute erneut den Ausgleich und gewann am Ende nach Freistoß 4:3.

Für die Nordkurvengang

Vorwort

Ich glaube, jeder, der den Fußball liebt, weiß, dass die denkwürdigsten Spiele nicht unbedingt die besten Spiele, die größten Siege sind. Die besondere Faszination des Fußballs hat ja nicht wenig mit der speziellen Unberechenbarkeit des Spiels zu tun. Ein Kantersieg bleibt vielleicht als Ergebnis in Erinnerung, aber nicht als Spiel, das man «lebenslang im Kopf und Herzen haben» wird, wie Christine Westermann schreibt. Daher finden sich in diesem Buch nicht nur legendäre Siege, sondern auch schmerzhafte Niederlagen und einige Spiele, die tatsächlich das Leben des Erzählenden verändert haben.

Ich habe lange überlegt, was das Spiel meines Lebens gewesen sein könnte. Ich bin seit über 25 Jahren St.-Pauli-Fan, und es gibt da einige Kandidaten. Etwa das nervenaufreibende Aufstiegsspiel gegen Homburg 1995, das mir nicht deshalb in Erinnerung geblieben ist, weil wir 5:0 gewannen, sondern weil das Spiel in den letzten Sekunden fast wegen Spielabbruchs für den Gegner gewertet und der Aufstieg damit hin gewesen wäre. Freud und Leid lagen auch beim DFB-Pokalspiel zehn Jahre später gegen Hertha BSC nah beieinander, als wir uns als Regionalligist nach 0:2-Rückstand noch mit einem 2:2 in die Verlängerung kämpften, in der wir wiederum ein 2:3 zu einem komplett verrückten 4:3-Sieg gegen den Erstligaverein aus der Hauptstadt drehten. Beide Male war ich im Stadion. Aber das Spiel meines Lebens, das habe ich möglicherweise aus Aberglaube verpasst, denn ich bin mir ziemlich sicher, es hätte das Derby gegen den HSV, am 16. Februar 2011, sein können.

Das Hinspiel zu Hause am Millerntor – im Buch von Ayla Mayer eingefangen – hatte mit einem unglücklichen Unentschieden geendet, und ich war überzeugt: Der HSV kann nur Unglück bringen. Daher habe ich mir keine Karte fürs Auswärtsspiel in Stellingen besorgt, sondern habe es vorgezogen, mit zwei Freunden aus Unitagen in der Kneipe zu gucken – der eine St.-Pauli-, der andere HSV-Fan. Ehrlich gesagt, erinnere ich nicht mehr viel von der Partie, ich weiß nur noch, dass mich die beiden Typen mit ihrem Gequatsche über alles außer Fußball kolossal nervten, während mein FC St. Pauli auf der Leinwand Derby-Geschichte schrieb – zum ersten Mal seit 33 Jahren besiegte er den HSV dank eines Tores von Gerald Asamoah in der 59. Minute. Meine komplette Nordkurvengang war im Stadion, und ich saß hier am Tresen. Was würde ich im Nachhinein dafür geben, da dabei gewesen zu sein! Aber das Schöne an meinem Verein ist ja: Er liefert zuverlässig mehr schlechte als gute Spiele, und er ist immer wieder für eine Überraschung gut. Wer weiß? Vielleicht liegt das Spiel meines Lebens noch vor mir.

Bei aller braun-weißen Liebe habe ich mich als Herausgeberin dieser Anthologie um größtmögliche Neutralität bemüht. Ich habe sogar einen HSV-Fan um eine Geschichte gebeten – dass Saša Stanišić lieber über Roter Stern Belgrad schreiben würde, konnte ich nicht ahnen. Für eine gute Fußballgeschichte spielt der Name des Vereins auch gar keine so große Rolle. Immer wieder habe ich beim Lesen stumm genickt, mitgelitten oder wissend gegrinst, weil ich ganz ähnliche Situationen aus meinem eigenen Fan-Dasein kenne. Ein gutes Spiel, das lebt eben nicht nur von Erstklassigkeit, sondern vor allem von den Emotionen, die auf diese Weise nur der Fußball erzeugen kann.

Und so ist auf den folgenden Seiten eine wunderbar bunte Mischung vertreten: Bundesligapartien und Champions-League-Begegnungen, Europa- und Weltmeisterschafts-Spiele ebenso wie ein Derby in der südafrikanischen Premier Soccer League und ein Kick auf den Färöer Inseln. Eigentlich war es mir ein Anliegen, dass kein Verein doppelt vorkommt. Dennoch ließ es sich leider nicht vermeiden, dass der BVB in zwei Geschichten mitspielt – und zweimal siegt. Ebenso tut es mir leid, dass der KSC gleich zweimal als Verlierer vom Platz geschickt wird. Wie ausgerechnet der HSV es schaffen konnte, gleich dreimal aufzutauchen, und dann auch noch mit zwei Siegen, ist mir ein Rätsel. Dass diese allerdings von 1959 und 1987 datieren und der HSV immer der Spielverderber war, sagt meiner Meinung nach einiges. Aber wie Nick Hornby wusste und wie die meisten Geschichten in diesem Buch zeigen: Man sucht sich seinen Verein nicht aus, auch nicht HSV-Fans. Und unter denen gibt es auch Gute. Sogar einen sehr Guten.

Und nun viel Spaß beim Lesen! Ich hoffe, es ist für jeden etwas dabei.

 

Julia Suchorski

Ronald Reng

Wie ich Neues von Metallica suchte und den schönen Fußball fand
FC Liverpool – FC Barcelona, Champions League, 20. November 2001

Eines Abends ging ich aus dem Haus, um ein Fußballspiel anzuschauen. Ich kehrte mit der Überzeugung zurück, dass ich in Barcelona leben müsse. Ich war jung genug zu glauben, so treffe man Lebensentscheidungen; einfach so.

Fünf Jahre zuvor war ich nach London gezogen, wenn mich neue Bekanntschaften fragten, warum, antwortete ich: «Weil ich als Journalist im Ausland Erfahrungen sammeln wollte.» Die Wahrheit konnte ich ja nicht sagen. Ich war von München nach London gezogen, weil einmal in einer Bar ein englisches Mädchen meine Hand genommen und – es musste eine Liebeserklärung sein – den Eiswürfel aus ihrem Mund in meine Hand gespuckt hatte. Weil ich die Romane des südafrikanischen Nobelpreisträgers J.M. Coetzee gelesen hatte, der seine jungen Jahre in London verbracht hatte. Weil ich glaubte, in London würde ich so werden: von Mädchen mit Eiswürfeln überhäuft, ein Autor wie Coetzee.

Fünf Jahre später war ich von diesen beiden Zielen noch immer ein Stück weit entfernt, aber sonst recht zufrieden mit meinem Alltag. Ich schrieb als Tagelöhner für deutsche Zeitungen über den englischen Fußball, weil die festangestellten Korrespondenten zu bequem waren, sich eines profanen Themas wie Sport anzunehmen. Ich dachte nicht darüber nach, dass zwischen Coetzees Literatur und meinen kurzen Zeitungsartikeln ein Unterschied bestand. Ich schrieb. Damit war ich glücklich. Ich reiste durch Großbritannien, und die Erlebnisse machten mich noch glückseliger. Als ich den deutschen Nationalspieler Christian Ziege beim FC Middlesbrough besuchte, begrüßte mich sein Mitspieler, der unnachahmliche Paul Gascoigne: «Noch ein Deutscher – muss ich schon wieder über den verdammten Weltkrieg reden?» In Barnsely, wo ich den deutschen Profitorwart Lars Leese interviewte, luden mich im Nachtclub zwei Mädchen ein, mit ihnen nach Hause zu kommen. Sie wollten mir Vladimir zeigen, ihren Hamster. Klopfenden Herzens folgte ich ihnen, und als sie mich eine Stunde später, nach einer angeregten Diskussion über Brötchen mit Pommes frites, deutsche Torhüter und englische Bergwerkstreiks, hinausbaten, registrierte ich verblüfft: Sie hatten mir wirklich nur Vladimir den Hamster zeigen wollen. Ich sah keinen Grund, etwas an diesem Leben zu ändern. So fuhr ich am 20. November 2001 nach Liverpool. Es war ein Dienstag, kurios, was für Details man nie vergisst: Im Hotel fragte mich die Rezeptionistin, welche Tageszeitung ich bevorzuge, sie würden sie mir am Morgen vor die Tür legen, und ich dachte: In so einem vornehmen Hotel war ich noch nie. Dann ging ich auf mein Zimmer. Es hatte kein Fenster.

Markus Babbel, der deutsche Verteidiger des FC Liverpool, hatte die Idee gehabt, dass ich ihr Champions-League-Spiel gegen den FC Barcelona besuchen sollte. Sonst wäre ich gar nicht hingefahren. Ich wollte mit Markus eigentlich nur ein Interview über seinen großen Traum führen, einmal als Sänger und Gitarrist in der Heavy-Metal-Band Metallica aufzutreten. «Dann komm doch am Dienstag», schlug Markus vor, «du kannst dir unsere Partie gegen Barça anschauen, und am Mittwochmorgen reden wir über Metallica.» Ich war einverstanden.

 

Wie gewohnt erschien ich lächerlich früh im Stadion, gut siebzig Minuten vor dem Anpfiff. In englischen Fußballstadien wurden den Journalisten im Presseraum Sandwiches serviert, ungetoastete Toastbrote, in Dreiecke geschnitten, mit orangefarbenem Käse und süßlicher, brauner Gemüsesoße bestrichen. Ich wusste, es wäre cool gewesen, die Sandwiches eklig zu finden, und stopfte mich jedes Mal voll damit. Das ungetoastete Toastbrot klebte lange am Gaumen. Zu den Pappsandwiches trank ich englischen Filterkaffee mit Milch, der wie Tee mit Milch schmeckte, und redete mit den englischen Reportern, Henry Winter, Patrick Barclay, David Lacey. Ihre Spielberichte verschlang ich wie heilige Schriften. Englische Fußballreporter schrieben in einem erzählerischen Ton, mit einem unterschwelligen Humor, wie ich es aus Deutschland nicht kannte. Angelsächsische Journalisten schrieben sogar Sportbücher mit literarischen Ambitionen. Solche Bücher würde ich mal schreiben, dachte ich, und tat nichts dafür, die Idee zu verwirklichen. Ich trug bloß im Stadion neuerdings Hemden zu einer grauen Stoffhose mit Bügelfalten und glaubte deshalb, ich wäre so wie die englischen Reporter.

In einer Ecke saßen, eng zusammen, als müssten sie sich vor dieser fremden Welt mit Pappsandwiches und Bügelfaltenhosen schützen, die katalanischen Journalisten. Es waren nicht mehr als sieben, acht Reporter. Draußen, in den Zeitungen und im Fernsehen, war Fußball schon das große, glitzernde Ding, am nächsten Morgen etwa würde die Zeitung El Mundo Deportivo in Barcelona auf 20 Seiten über die Partie berichten, und im Fernsehen palaverten Ex-Fußballer mit Bauchansatz, die sich nun Experten nannten, bereits unaufhörlich mit feurigem Ernst über Stürmer, die sich «zwischen die gegnerischen Linien fallen» ließen und so etwas. Aber hier drinnen, im Stadion, in der realen Welt des Fußballs, war die Boombranche noch immer eine überschaubare, geradezu mickrige Gesellschaft. Ein Trainer, ein paar Spieler, ein paar Journalisten. Auf dem Weg vom Presseraum zur Tribüne traf ich zufällig Markus Babbel, der wegen einer Krankheit nicht mitspielen konnte. Er unterhielt sich gerade mit einem blonden Mann auf Deutsch. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was der Mann erzählte. Ich weiß nur noch, dass es ausgemachter Blödsinn über Fußball war.

«Wer war denn das?», fragte ich entsprechend verächtlich, als der Mann weitergezogen war.

«Das war Campino von den Toten Hosen», flüsterte Markus.

 

Dann kamen die Spieler heraus. Der schmale Gang von den Umkleidekabinen hinaus ins Licht, ist im Stadion an der Anfield Road besonders lang, gut 30 Meter, dreimal so lang wie in den meisten Stadien. An seinem Ende geht es zwei Treppenstufen hinauf, über ihnen hängt ein Schild: This is Anfield. Die Liverpool-Profis berühren es mit der rechten Hand. Die Gegner sollen einen Kloß im Hals spüren. This is Anfield. Das Stadion, vollgepackt mit 40000 Zuschauern, eine dunkle Masse im Flutlicht, begrüßte sie mit einer Stimme: Walk on through the wind, walk on through the rain, walk on, walk on, with hope in your heart. And you’ll never walk alone.

In dem Moment, als die 40000 die Vereinshymne des FC Liverpool sangen, fühlte ich mich auch als neutraler Zuschauer als Teil von ihnen. Englischer Fußball. Das war es. Wo Leidenschaft wichtiger als Schönheit war. Später habe ich oft mit deutschen Fußballern, die in England arbeiteten, darüber gesprochen, warum wir alle in unseren englischen Jahren die englische Begeisterung über ihre eigene Liga, ihr eigenes Spiel so distanzlos übernahmen. Mit Thomas Hitzlsperger und Moritz Volz kam ich gemeinsam zu dem Schluss, dass der Positivismus der englischen Spieler und Fans, die Herzlichkeit und Natürlichkeit im englischen Fußball um das Jahr 2000 schlichtweg ansteckend waren.

So sah ich die Champions-League-Partie FC Liverpool gegen FC Barcelona mit englischen Augen: Liverpool machte alles richtig, fand ich, konzentriert und eng gestaffelt verteidigte es in seiner eigenen Hälfte, um bei Ballgewinn dann sofort, ohne Ballstoppen, nach vorne zu passen, und schon waren die schnellen Stürmer Michael Owen und Emile Heskey auf dem Weg zu Gegners Tor. Das war es doch, Mann: schnell spielen, direkt spielen, den Körper einsetzen. Barça checkte es nicht. Ständig passten sie den Ball hin und her, sah ja anmutig aus, gewiss, aber es gab Liverpool die Zeit, die Defensive zu formieren, so würde Barça nie durchkommen. Aber wir wussten ja, wie Spanier Fußball spielten. Schönheitspreisgewinner ohne Punch.

In Wahrheit wussten wir damals gar nichts.

Die Globalisierung des Fußballs hatte Mitte der neunziger Jahre begonnen, in der englischen Premier League arbeiteten nun niederländische, deutsche, norwegische Spieler unter französischen Trainern wie Arsène Wenger, der selbst bei Hitze die Klimaanlage im Mannschaftsbus ausließ, damit sich die Spieler nicht erkälteten. Medienmogule wie Rupert Murdoch inszenierten Fußball im Privatfernsehen als Unterhaltungsshow für die ganze Gesellschaft, es ging zuvorderst nicht mehr um ein Spiel, sondern um die großen Emotionen, Siegen, Verlieren, Freuen, Trauern. Aber 2001 steckten diese gravierenden Umwälzungen immer noch in ihrer Anfangsphase. Fußball war im Grunde immer noch ein lokales Ereignis: Praktisch niemand in England wusste, wie in Spanien Fußball gespielt wurde. Kaum jemand in Spanien interessierte, was im italienischen Fußball geschah. In Deutschland waren wir damit beschäftigt (und meistens überfordert) herauszufinden, wie man ohne Libero Fußball spielte.

So erschien mir, mit meinen ignoranten englischen Augen, das 1:0 für Liverpool in der 27. Spielminute gegen Barça nur logisch: Steven Gerrard, Liverpools junger Mittelfeldimperator mit den Stirnfalten eines alten Mannes, passte den Ball schnell zu Šmicer, Šmicer direkt in den Lauf von Michael Owen, der auf diese Weise plötzlich – denn Fußball war doch nichts anderes als Plötzlichkeit – frei vor Barças Tor stand. «Der Rest», schrieb David Lacey im Guardian, «war vorbestimmt.» Mit einem coolen Lupfer machte Owen aus Barças Roberto Bonano das Denkmal eines ohnmächtigen Torwarts. Barças Ausgleich zum 1:1, unmittelbar vor der Halbzeit, registrierte ich stoisch. Natürlich, ihr Torschütze Patrick Kluivert war ein wunderbarer Fußballer, die Schwerelosigkeit seiner Bewegungen eine Ode wert. Natürlich, Barça hatte Klasse. Weiter dachte ich nicht. In der Halbzeit aß ich mehr Pappsandwiches.

 

Ich kann nicht mehr sagen, wann genau ich erwachte. Vom Gefühl her war es irgendwann in der zweiten Halbzeit, vermutlich, nachdem Fábio Rochemback Barça 1:2 in Führung gebracht hatte. Eine Führung verleitet dazu, sich genauer mit der überlegenen Mannschaft zu beschäftigen. Ich weiß noch, dass ich stutzte, als ich Francesco Coco im Mittelfeld entdeckte. Und dann hinüberblickte und erkannte, dass Barças anderer Außenverteidiger, Philippe Christanval, ebenfalls ins Mittelfeld aufgerückt war und dort stur praktisch auf der Seitenauslinie auf ein Anspiel wartete. Das tat man doch nicht! Die Abwehr so zu entblößen. Dann kam mir der Gedanke, dass Barcelonas Trainer Charly Rexach vermutlich doch ein klein wenig mehr vom Fußball verstand als ich; dass sie sich vielleicht tatsächlich etwas bei ihrer merkwürdigen Spielweise dachten.

Neugierig sah ich minutenlang nur noch auf Barça. Auf die Bewegungen ihrer Spieler, wo positionierten sie sich, wie passten sie. Innerlich wurde ich immer aufgeregter. Ich hatte so etwas noch nie gesehen. In meiner jugendlichen Selbstzentriertheit ging ich davon aus: So etwas hatte noch niemand gesehen. Barça machte offenbar absichtlich alles falsch, also, ich meine, anders als die anderen: Sie schoben bei eigenem Ballbesitz die Außenverteidiger nach vorne, offenbar, um im Mittelfeld Überzahl zu erzeugen. Zwei ihrer Spieler positionierten sich fast durchweg ganz außen, an der Seitenauslinie, vielleicht, vermutete ich, um eine Verteidigungsreihe des Gegners in die Breite zu ziehen, Löcher in dieser Reihe in der Mitte zu provozieren? Und dann passten sie. In aller Ruhe, gegen das vermeintliche Gesetz vom schnellen Spiel. Hin und her, her und hin, ich glaube, irgendwann stieß ich Zischlaute des Unglaubens aus: Hin und her, her und hin liefen Liverpools Spieler. Aber sie kamen nie heran an die präzisen Samtpässe Barças. Die Atmosphäre an der Anfield Road veränderte sich. Die Anfeuerungsrufe für Liverpool wurden weniger. Die Stille des Staunens wurde mächtiger.

Das Spiel meines Lebens, sagen Fans, sagen Fußballer –  meistens übrigens mehrmals im Leben –, um außerordentliche Spiele zu beschreiben. Aber dieses Spiel war für mich größer: Es veränderte mein Leben.

 

In der 84. Spielminute, noch sechs Minuten an der Anfield Road, Barça führte 2:1 gegen den FC Liverpool, erlebte ich die Verwandlung. Der Fußball wurde zum Gedicht.

Coco passt zu Cocu

an der Mittellinie.

Cocu dreht sich, passt steil

zu Kluivert. Kluivert zu Overmars.

Overmars zurück zu Kluivert.

Wieder zu Overmars.

Zurück zu Xavi.

Kluivert bietet sich an, zwischen den gegnerischen Linien.

Pass zu Kluivert. Pass zurück zu Xavi.

Pass ganz zurück in die Abwehr

zu Andersson.

Andersson zu Cocu.

Im Bedrängnis noch mal zurück zu Andersson.

Pass, sofort, zu Xavi.

Hinaus auf den fernen Flügel zu Coco.

Coco quer zu Christanval.

Cocu. Xavi.

Kluivert. Overmars.

Zurück zu Christanval.

Vor zu Kluivert.

Zurück zu Xavi.

Xavi, plötzlich, schnell, direkt in den Lauf von Overmars.

22 Pässe, ohne dass ein Liverpool-Spieler

sie hätte stören können.

Overmars umdribbelt den Torwart.

Das Tor

dient nur dazu, dass man sich besser an die Pässe erinnert.

In der Stille, die im Fußballstadion nie länger als eine Viertelsekunde dauert und die man doch so deutlich zu spüren glaubt, bildete ich mir ein, einen Gedanken aus 40000 Köpfen auf den Rasen fallen zu hören: Das ist kein Fußball mehr. Das ist Wahnsinn.

Unmittelbar vor Overmars’ Tor hatte Barça bereits 34 Pässe aneinandergereiht, ehe ein Liverpudlian zum Einwurf klären konnte. Nach dem Schlusspfiff erhoben sich die 40000 Liverpool-Fans. Sie applaudierten Barça. Ich sprang die Treppen im Bauch des Stadions hinunter. Ich aß ein paar Pappsandwiches. Ich spürte ein Stechen im Magen. Meine Gedanken ratterten: Warum spielte Barça anders als alle Teams, die ich bisher gesehen hatte? Wie gelang es ihnen, so viele Pässe aneinanderzureihen; warum versuchten sie es überhaupt? Denn es war doch theoretisch die schwierigste und die ungeschickteste Spielart: Mit Pässen ein Gedicht zu schreiben, konnte selten gelingen; sie riskierten es, bei Ballverlusten zu viele Spieler auf Offensivpositionen zu haben, die Abwehr für Konter zu entblößen. Und doch schienen sie ihrer Spielidee mit voller Überzeugung zu folgen.

Ich wollte Barças Spielern so viele Fragen stellen und brachte, als ich ihren schwedischen Abwehrmann Patrik Andersson vor der Umkleidekabine traf, nur dies hervor: Das ist doch irre, wie ihr spielt!

«Du hättest uns mal am letzten Wochenende gegen Las Palmas sehen sollen», sagte Andersson und lächelte. «70 Prozent Ballbesitz in der ersten Halbzeit, aber nur eine Torchance. So sind wir.» Sie passten den Ball so lange hin und her, um den Gegner müde zu laufen, bis er für einen Moment die Konzentration verlor; und dann schlügen sie zu, erklärte mir Andersson, dann käme der plötzliche Steilpass, der die unkonzentrierte Verteidigung überlistet.

Ich ging zur Pressekonferenz und fragte: Wie kommen Sie auf solche Ideen, Herr Rexach?

«Die Leute sagen immer: Du musst mehr laufen als der Gegner», erklärte mir Barças Trainer Charly Rexach. «Was für ein Unsinn. Du musst einfach besser Fußball spielen als der Gegner. Nur Feiglinge laufen.» Eine katalanische Reporterin kicherte. Ich sah sie fragend an. Früher, als Charly Rexach ein trickreicher Außenstürmer bei Barça gewesen war, erzählte sie mir später, sei er in der zweiten Halbzeit oft von einem Flügel auf den anderen gewechselt. Damit er weiter im Schatten spielen konnte.

War nur die eigene Lauffaulheit der Grund für dieses extreme Passspiel? Das glaubte nicht einmal ich.

Am nächsten Morgen aber redete ich erst einmal über Rocker mit dicken Bierbäuchen und Headbanging. Ein Konzert von Metallica, «am Schlagzeug: Lars Ulrich, Leadguitar: Kirk Hammett, Gesang und E-Gitarre: Markus Babbel», träumte mir Markus Babbel vor. «Was muss das für ein Gefühl sein, wenn du die Menge zum Toben bringst?»

Verleitete mich sein lautes Träumen dazu, selbst zu träumen? Als ich am Mittwochnachmittag wieder zu Hause in London war, rief ich meine Freundin an. Sie arbeitete damals in Hamburg. Wir wollten gerne wieder zusammenleben. «Ich gehe niemals nach Hamburg», hatte ich stets gesagt. «Dann gehe ich auch nicht nach London», hatte sie mir jedes Mal entgegnet. «Ich weiß, wo wir leben werden», sagte ich an jenem Mittwoch nach Overmars’ Tor. «In Barcelona.»

 

Sechs Wochen später trafen wir uns mit unseren Koffern in Barcelona am Flughafen.

Ich wollte diesen eigentümlichen Fußballstil Barças studieren und beschreiben. Wir wollten ein paar Monate bleiben. Wir blieben zwölf Jahre. In keiner Stadt habe ich länger gelebt als in Barcelona. In keiner Stadt waren wir so zu Hause. Dort wurden unsere Kinder geboren, und ich begann, Bücher zu schreiben. Eines sogar im Stil von J.M. Coetzee. Es hat sich am schlechtesten verkauft. Ich beharre darauf, dass es mein bestes ist.

In Barcelona erlebte ich den einmaligen Aufstieg einer verwegenen Idee. El toque, die Berührung nennen sie bei Barça ihren Stil, weil es darum geht: den Ball stoppen und passen, stoppen und passen. Scheiterten sie am Anfang meiner Zeit noch regelmäßig in aller Schönheit, wurden sie ab 2005 für ein Jahrzehnt die Referenz des Weltfußballs: Unter Trainern wie Pep Guardiola verfeinerten Spieler wie Lionel Messi, Xavi und Iniesta den Stil, der unter Rexach gelegentlich mal funktioniert hatte. Heute weiß jedes Kind, was gemeint ist, wenn von Barças Spiel die Rede ist.

Ich erlebte meine Jahre in Barcelona wie eine Offenbarung: Ein Verein öffnete mir die Augen, Barça erweiterte meinen Horizont in Sachen Fußballwissenschaft. Ich wurde ein Gläubiger ihrer Denkschule. Nicht nur, weil ich tatsächlich von ihrem Perpetuum mobile des Passspiels als höchster Spielform des Fußballs überzeugt bin. Sondern auch weil ich es fabelhaft finde, wie radikal und überzeugt sich Barça seiner Idee verschreibt. Sturheit hat mir schon immer gefallen.

Auch Barças Spiel beruht auf Schnelligkeit, aber letztlich geht Präzision bei ihnen immer vor. Auch ihr Spiel beinhaltet Leidenschaft, aber letztendlich ist Geschicklichkeit immer wichtiger als Athletik.

 

Manchmal, wenn mir beim Schreiben die Inspiration fehlt und kein selbstgemachtes englisches Pappsandwich mich wieder aufpeppen kann, schaue ich mir zur Motivation im Internet bei YouTube ein Gedicht an: Coco passt zu Cocu …

Es hat, 15 Jahre später, nichts von seiner zauberhaften Wirkung auf mich verloren. Damit das Außerirdische von Overmars’ Tor nach 22 Pässen so richtig zur Geltung kommt, wähle ich bei YouTube am liebsten das Video mit japanischem Kommentar.

 

 

Ronald Reng, geboren 1970 in Frankfurt, wurde für seine erzählerischen Sachbücher über Fußball vielfach ausgezeichnet. So gewann seine Biographie über den verstorbenen Nationaltorhüter Robert Enke den bedeutendsten Sportbuchpreis der Welt, den William Hill Award. Bei dem «am schlechtesten verkauften, aber eigentlich am besten geschriebenen Buch», das er in seinem Text erwähnt, handelt es sich offenbar um seinen Roman Fremdgänger.

Saša Stanišić

Das unwahrscheinliche Spiel, der unwahrscheinliche Krieg, das unwahrscheinliche Ich
Roter Stern Belgrad – FC Bayern München, Europapokal der Landesmeister, 24. April 1991

Hier ist eine Reihe von Dingen, die ich hatte:

Eltern.

Eine Oma, die mir alle paar Tage aus den Fettaugen auf der Hühnersuppe meine Zukunft las. Einmal prophezeite sie mir, ich würde entweder alle Zähne verlieren oder mich verlieben in einem Mischwald mit eng stehenden Bäumen, das Fett äußere sich etwas uneindeutig.

Jugoslawien. Das aber nicht mehr sehr lang. Es war das Jahr 1991, die ersten politischen Unruhen spürbar, wenn auch nicht verstehbar, Spannungen zwischen den Ethnien. Fahnen und geballte Fäuste.

Eine Abneigung gegen Hühnersuppe.

Eine Vier in Mathe. Interessante Gefühle gegenüber meiner Englischlehrerin. Eine Eins in Englisch. Einmal lud sie mich zu sich nach Hause ein, bis heute weiß ich nicht, warum eigentlich. Ich natürlich hin, aufgeregt wie Frühlingsanfang. Wir aßen selbstgemachten Englischlehrerinnenkuchen und tranken schwarzen Tee. Es war der erste schwarze Tee meines Lebens, ich kam mir irrsinnig erwachsen vor, tat aber so, als tränke ich schwarzen Tee seit Jahren, wurde auch den Expertensatz los: «Ich mag es, wenn er nicht so richtig schwarz ist.»

Einen C-64. Am liebsten zockte ich Summer Games, International Karate Plus und International Football. Selbst machte ich kaum Sport, spielte etwas Basketball aufgrund Wachstumsvorsprung, für Fußball reichte «es» nicht.

Angst vor Pink Floyd. Ich war alt genug, dass Mutter und Vater ausgehen konnten, ohne dass jemand auf mich aufpassen musste. War ich allein, unternahm ich lauter Dinge, die Kinder unternehmen, wenn sie allein sind, also Dinge, die ihnen ein bisschen Angst machen, ergo aufs Dach klettern und Passanten mit Pflaumen bewerfen oder eben aus Vaters Schallplatten diejenige zum Hören aussuchen, die sogar mit Vater in der Nähe unangenehm klang.

Crvena Zvezda – Roter Stern Belgrad. Und ja, «haben», weil das doch so ist: Einer Mannschaft radikal zugeneigt zu sein, fühlt sich an wie Besitz; die Art und Weise, wie man über die Spieler redet, mit größter Teilnahme und Teilhabe, oder wie man sich über einen Sieg freut und über Niederlagen und Verletzungen ärgert, als stoße das gerade einem selbst zu, ja, das alles fiele nicht derart krass aus, würde man die Mannschaft als etwas Fremdes wahrnehmen.

Es war das Jahr 1991, die Mannschaft in Europa schon länger gut dabei, in der Liga in fünf Jahren drei Mal meisterlich. Bei wichtigen Spielen waren inoffiziell 100000 Leute im Stadion, davon 75000 Wahnsinnige, immer brannte was, immer sangen alle. In unserem Maracanã – nannten wir wirklich so.

Und während andere Kinder irgendwann später Flugzeuge fliegen oder im Zoo den Pinguin jonglieren lassen wollten, trug ich meinen rot-weiß gestreiften Schal zur Schule (auch gern im Sommer) und schmiedete für die Zukunft ausschließlich Pläne, die mich in die Nähe der Mannschaft bringen sollten. Schon eingesehen hatte ich, dass der direkte Weg, einfach selbst Fußballer zu werden und vom Roten Stern für 1000000000000000 Dinar (die Inflation …) gekauft zu werden, weniger wahrscheinlich war, als dass ich den Lebensunterhalt mit meinen eigentlichen Talenten bestritt (Leute mit Pflaumen bewerfen, mit Englischlehrerinnen schwarzen Tee trinken).

Weil man das, was einem gehört und das man vergöttert, am liebsten immer bei sich hätte, verpasste ich keine Live-Übertragung im Radio (gern in unserem Yugo, auf dem Parkplatz im Hof, damit meiner Freude/meinem Frust niemand in die Quere kam) und keine Zusammenfassung im Fernsehen. Und zum 13. Geburtstag wünschte ich mir von meinen Eltern eine Dauerkarte. Von Oma gleich mit, worauf sie die Suppe befragte und mir riet, an meinem Geburtstag das Haus nicht zu verlassen.

Eine realistische Chance auf die Erfüllung des Wunsches gab es wohl kaum. Allein deswegen, weil Belgrad knapp 250 Kilometer entfernt war. Das Einzelkind in mir spekulierte dennoch darauf, dass die Eltern sich meinetwegen zu einem Umzug in die Hauptstadt entschließen würden.

Eigentlich sollte es ein Fahrrad werden, doch am 6. März – mein Geburtstag war am 7. – fand ich das Fahrrad nirgendwo im Haus versteckt. Am Abend fegte Roter Stern im ersten Viertelfinale des Landesmeisterpokals Dynamo Dresden mit 3:0 weg, und Vater nahm mich zur Seite – weil man das so macht, wenn man ein großes Versprechen abgibt – und sagte, er wolle versuchen, uns Tickets für das Halbfinale zu besorgen, sollte sich die Mannschaft qualifizieren. Mit «uns» meinte er auch Mutter, aber sie klopfte sich bloß mit dem Zeigefinger an die Schläfe, womit er mit «uns» dann doch nur sich selbst und mich gemeint hatte.

Das Rückspiel im Dresden wurde ebenfalls mit 3:0 gewonnen.

Das Halbfinal-Los fiel auf die Bayern. Wie immer hungrig, wie immer theoretisch unbesiegbar. Vater und ich verfolgten das Hinspiel im Fernsehen. In der Halbzeitpause wurde von Unruhen in Slowenien und Kroatien berichtet. Auch Schüsse waren gefallen. Roter Stern schoss zwei Tore, Bayern eins.

Es ist so: Ich bin in einem Land geboren, das es heute nicht mehr gibt. Als es das Land noch gab, verstanden sich viele, inklusive mir, als «Jugoslawen». Das war ethnisch gemeint, als Ergebnis also von ethnisch «gemischten» Ehen; wir waren Kinder der gelebten Einheit und Brüderlichkeit im jugoslawischen Melting Pot.

Herkunft ist Zufall und wird doch als Absicht verwendet, instrumentalisiert, missbraucht. Auch Jugoslawe zu sein war eine Botschaft, eine Geste. Aber es handelte sich nicht um die Überlegenheitsgeste der «reineren» Abstammung, auch nicht um ein Resultat von Ausgrenzung oder Rassenpropaganda. Jugoslawe zu sein war ein positiv konnotiertes Bekenntnis zur multiethnischen Gesellschaft, eine Bejahung des Verbindenden zwischen den Kulturen oder schlicht zwischen zwei einander zugeneigten Menschen, die sich aus Religion nichts machten. Auch jemand, dessen Vater Eskimo und Mutter Mazedonierin war, konnte sich als Jugoslawe erklären. Wer es tat, schätzte Selbstbestimmung und Blutgruppe mehr als Fremdbestimmung und Blut.

Am 24. April 1991 fuhren Vater und ich am frühen Morgen nach Belgrad. Ich ließ meinen rot-weißen Schal aus dem Yugo-Fenster hängen, wie ich es bei Fans im Fernsehen gesehen hatte. Als wir in Belgrad ankamen, war der Schal aufs exzellenteste schmutzig, vor so was warnt dich ja keiner, und Vater kaufte mir am Stadion einen neuen, den ich gar nicht gebraucht hätte. Der schmutzige alte Schal hatte uns doch den Einzug ins Halbfinale überhaupt erst gebracht, schließlich trug ich ihn vor jedem Sieg der Mannschaft und manchmal zum Schlafen, was meine Eltern veranlasst hatte, Oma zu bitten, sie möge mir in der Suppe ein Erwürgtwerden im Bett lesen, eine Erziehungsmaßnahme, die ich zufällig belauscht hatte. Oma folgte ihr aber nicht, wahrscheinlich weil sie den Fettaugengott nicht hintergehen wollte.

Am 27. Juni 1991 werden in Slowenien die ersten Kriegshandlungen stattfinden. Die Abspaltung der Alpenrepublik von Jugoslawien war bald Tatsache. Es folgten Scharmützel in Kroatien, Horror in Kroatien, dann die kroatische Unabhängigkeitserklärung. 1992 würde der Krieg in Bosnien beginnen. 2003 Jugoslawien Geschichte sein.

Am 24. April 1991 schoss der Serbe Siniša Mihajlović den Führungstreffer für den Roten Stern, ein Freistoßtor. Vorausgegangen war ein Foul an Dejan Savićević, einem feinen Techniker aus Montenegro. Der Jubel aus 80000 Kehlen war sensationell und unheimlich. Heute könnte ich mir ausmalen, darin hätte sich die ganze aufgestaute Wut des langsam auseinanderfallenden Landes entladen, die religiösen Spannungen, die wirtschaftlichen Ängste; das stimmt aber nicht, all das würde sich bald aus Waffen entladen, das hier war nur eines: Jubel über eine wichtige Führung.

Die Fackeln wurden angezündet, roter Rauch stieg über den Rängen auf, ich zog den neuen Schal höher übers Gesicht. Um uns grölten und jubelten Menschen, fast ausschließlich Männer, junge Kerle, Vokuhilas, Kippen, Fäuste.

Im Mittelfeld wirbelte Prosinečki die Bayern immer wieder durcheinander, sein hellblonder Schopf wie eine kleine Sonne, die über dem Gras auf- und niederging (wenn ein Gegenspieler sich nicht anders zu helfen wusste). Ein Jugoslawe wie ich: Mutter Serbin, Vater Kroate. Die hochsitzenden, kurzen Shorts. Die bleichen Beine.

Hinten machte Refik Šabanadžović die Räume eng, ein Bosnier, stämmig, aber schnell. Mein Lieblingsspieler lümmelte vor dem gegnerischen Strafraum herum, immer scheinbar schläfrig, immer leicht vorgebeugt, die Schultern hochgezogen, als ginge es ihm ausgerechnet heute nicht so gut: Darko Pančev, der mazedonische Stürmer, Torschütze im Hinspiel, die krummsten Beine des Universums.

Was für eine Mannschaft! So eine wird auf dem Balkan wahrscheinlich niemals wieder möglich sein. Zu jung wechseln die Spieler in reichere Länder. Und nachdem Jugoslawien auseinandergebrochen war, entstanden in jedem neuen Staat neue Ligen, keine auch nur annähernd so stark wie die jugoslawische.

Bayern glich Mitte der zweiten Halbzeit aus. Ein Augenthaler-Freistoß, der Ball rutschte Stojanović unter den Händen durch. Belodedić – unser rumänischer Vorstopper (serbische Minderheit) – tröstete seinen Kapitän auf dem Boden.

Vater wurde sofort unruhig, weil die Spieler sofort unruhig wurden. Er schrie, zeterte, fluchte, dieser sonst stille Mann, rauchte zwei Zigaretten in vier Minuten, und in der vierten Minute fiel das zweite Tor für die Bayern. Vater sackte in sich zusammen wie unter schwerer, plötzlicher Trauer.

Vater wird es sein, der mir ziemlich genau ein Jahr später sehr besonnen die Frage stellen wird, was für Gegenstände mir so wichtig sind, dass ich ohne sie nicht sein will auf der vielleicht sehr langen Reise, die uns bevorstand. Mit der sehr langen Reise meinte er unsere Flucht aus der besetzten Stadt, und ich dachte kurz auch an meinen alten rot-weißen Schal, nahm ihn aber dann doch nicht mit. Überhaupt kam mir nichts so wichtig vor, wie einfach wegzukommen, nur fort von den Schüssen, den Schreien, der Stille, die nach den Schüssen und Schreien folgte.

Wäre es beim 1:2 geblieben, wäre es zur Verlängerung gekommen. Vielleicht hätten die Bayern infolge dessen die besseren Beine und Ideen gehabt und wären nach Bari gefahren, um sich mit Marseille zu messen. Vielleicht wäre unsere Flucht dann ganz anders verlaufen. Nähmen wir heute die gleiche Fluchtroute wie damals, würde sie vor dem Stacheldrahtzaun an der ungarischen Grenze ihr Ende finden.

Das 2:2 habe ich nicht gesehen. Zu diesem Zeitpunkt, es lief die 90. Minute, standen alle, das ganze Stadion stand, vielleicht stand sogar das ganze Land ein letztes Mal gemeinsam hinter einer Sache, und der beste Gradmesser, dass das wirklich stimmen könnte, war die Tatsache, dass mir Schulfreunde, die den Erzrivalen Partizan unterstützten, den Ausgleich nacherzählt haben, immer wieder, als wären sie im Stadion gewesen und nicht ich.

Es war ein Eigentor von Klaus Augenthaler, eine Bogenlampe, die sich hinter Aumann senkte. Ich hatte den Angriff bis zu dem Moment verfolgen können, da der Ball von Augenthaler abgefälscht seine Reise antrat, dann aber bewegten sich die Männer vor uns, neben uns, das ganze Stadion bewegte sich, nach rechts, nach oben, ich wurde gedrückt, verlor kurz das Gleichgewicht und den Ball aus den Augen –.

Wie oft habe ich dieses Tor danach in der Wiederholung gesehen? Hunderte Male. Bis sich jedes Detail so in meinem Gedächtnis verfestigt hatte wie etwas, das man nur mit großer Liebe verbindet oder mit großem unwahrscheinlichem Glück, ein Tor, das ich – wie meinen Roten Stern – haben wollte.

 

Hier ist eine Reihe von Dingen, die ich hatte:

Eine intakte Kindheit in einer kleinen Stadt an der Drina.

Eine Sammlung von Katzenaugen, abgeschraubt von Autokennzeichen.

Eine Oma, die mir aus der Suppe las, dass ich mich an Worte halten soll, ein Leben lang an Worte, dann würde alles gutgehen. Oder an Edelmetalle. Da hätte sich die Suppe noch nicht entschieden.

Zwei Wellensittiche, Krele (hellblau) und Fifica (weiß nicht mehr), einen Hamster (Indiana Jones), dem ich in den letzten erbärmlichen Stunden seines kurzen Lebens Andol (nahm Oma gegen Kopfschmerzen) gab.

Eine unwahrscheinliche Reise mit meinem Vater zum Spiel einer unwahrscheinlichen Mannschaft, die später das Turnier gewann und niemals wieder unwahrscheinlich werden würde – niemals wieder so gut, niemals wieder so erfolgreich.

Einen unwahrscheinlichen Krieg.

Eine Englischlehrerin, in die ich verliebt war und der ich nie auf Wiedersehen gesagt habe, und das Wiedersehen ist nicht mehr möglich.

Einen schmutzigen rot-weißen Schal, den ich niemals waschen wollte, dann landete er aber doch irgendwie in der Waschmaschine. Ich weiß nicht, wo er heute ist.

 

 

Saša Stanišić, 1978 in Višegrad (Jugoslawien) geboren, lebt seit 1992 in Deutschland. Er ist Autor, Journalist, HSV-Fan und Dozent für literarisches Schreiben. Seine Romane Wie der Soldat das Grammophon repariert und Vor dem Fest wurden vielfach ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt – für Vor dem Fest erhielt er 2014 den Preis der Leipziger Buchmesse. Für seinen Erzählband Fallensteller 111 Flaschen Rheingauer Riesling.

Ayla Mayer

Ikarus
FC St. Pauli – HSV, Bundesliga, 19. September 2010

Es dauert eine Ewigkeit, bis ich verstehe, dass dies das Ende ist.

Die halbe Haupttribüne ist aufgesprungen, sie brüllen. Ein Kriegsgeheul, sodass mein Herz hämmert: kein Tor. Mladen Petric´s Volleyschuss ist weit am Pfosten vorbei, sonst würden hier nicht alle jubeln.

Oder?

Das kann nicht sein. Das kann nicht sein. Das kann nicht passieren, wir sind noch nicht fertig. Es ist doch erst die 88. Minute.

Es war doch schon die 88. Minute. Wir waren doch fast durch.

Petric´s Ball, wuchtig im Eck hinter Thomas Kessler eingeschlagen, liegt längst bewegungslos im Tor. Die Gesichter um mich herum nehme ich nicht wahr. In meiner Vorstellung sind sie starr vor Fassungslosigkeit wie ich selbst. Ein paar Synapsen knistern noch, senden die Information: Extrem viele HSV-Fans haben offenbar Karten für den Sitzplatzbereich des FC St. Pauli ergattert. Das erklärt den brachialen Jubel auf der Haupttribüne. Und obwohl wir vor elf Minuten die erste Derbyführung seit 33 Jahren erzielt haben, dauert ein Spiel nun mal so lange, bis der Schiedsrichter abpfeift. Komm klar: Petrić hat ein Tor geschossen, das war abzusehen. Der HSV hat ausgeglichen.

Aber das Leben dauert länger als neunzig Minuten, und es gibt Spiele, in denen gibt es kein Unentschieden. Der HSV hat ausgeglichen: Der HSV hat gewonnen.

Dabei hatten wir nichts zu verlieren, und so waren wir die Sache auch angegangen.

Thore, Julia, Jens, Sarah, Folko, Eva, Reiner, Cord, die beiden ungleichen Nilse, Moritz und ich, wie jedes zweite Wochenende seit Jahren, in der Nordkurve, gemeinsam durch alle Instanzen und alle Ligen. Wir hatten im Regen Kicks gegen Kiel erlebt, das traditionelle Pokal-Erstrundenaus bei austauschbaren Fünftligisten, und auf vereisten Rängen gegen Gegner wie Wilhelmshaven oder Leverkusen II stoisch Unentschieden ertragen. Nun war er da, der Lohn für die Jahre der Geduld: das Bundesligaderby gegen den HSV. Ein Heimspiel. Sonntag, 19. September 2010, 15:30 Uhr. Heute weiß ich, es war bewölkt und ungewohnt kalt für einen Hamburger Spätsommertag, aber daran störten wir uns nicht. Wir wollten unseren Moment in der Sonne genießen, denn den hatten wir uns verdient.

Der HSV am Millerntor. Erstmals in der Vereinsgeschichte. Derbys hatte es gegeben, vor allem spektakuläre Niederlagen. Aus Sicherheitserwägungen hatten unsere Heimspiele stets beim HSV stattgefunden, nie waren wir Gastgeber gewesen, nie war es nach unseren Regeln gegangen. Dieses Spiel war nun erstmals auf unserem Turf. Es würde aus knarrenden Boxen «You’ll never walk alone» gespielt, unsere Mannschaft würde laufen und kämpfen wie nie, und unser Gebrüll im engen Stadion würde lauter und echter sein als alles, was man je von 55000 Rauten gehört hatte. Nie würden wir deutscher Meister sein, aber wir würden auch nicht gegen den Hassgegner im Uefa-Cup-Halbfinale ausscheiden, weil eine Papierkugel den Ball zur Ecke klärt. Wir würden dem HSV zeigen, was es bedeutet, sich von Emotionen tragen zu lassen – egal, wie es ausgeht.

Keine Erwartungen. Die neunzig Minuten, die wir haben, mitnehmen. Denn nach dem Gesetz der Serie spielen wir nächstes Jahr um diese Zeit wieder gegen Lübeck und Ahlen. Aber einmal, nur einmal euch HSVern zeigen, was uns ausmacht. Danach könnt ihr wieder gehen und es alles immer noch Scheiße finden, aber immerhin habt ihr es mal erlebt.

Das letzte Heimderby 2002 beim HSV hatte tiefe Spuren hinterlassen. Wir waren zu dem Zeitpunkt bereits seit 28 Spieltagen auf einem direkten Abstiegsplatz, dennoch hatte Kapitän Thomas Meggle tagelang über den Boulevard getönt: «Den HSV schlagen wir auch auf dem Mond!» Wir waren heiß und naiv und betrunken von dem, was alles sein könnte, wenn man es nur wollte. Als wir dann in der 13. Minute einen Foulelfmeter zugesprochen bekamen, Meggle sich unter Pfiffen der Stellinger Nordtribüne den Ball schnappte und ihn meterweit neben das Tor drosch, ahnten wir: Das wird ein sehr, sehr langer Nachmittag. Am Ende flimmerte von der Stadionanzeige ein 0:4, und der HSV spielte seine Torhymne, bis unser eigener Stadionsprecher das Mikrophon zurückeroberte, als wäre dies immer noch unser Heimspiel und nicht ein Trauma epischen Ausmaßes. Wie geprügelte Hunde schlichen wir tagelang durch die Stadt. So einen Schmerz wollte ich nie wieder erleben.

Also riskierte ich ihn noch mal. Liebe ist ein bescheuertes Konzept.

Sonntagnachmittag, rein ins Stadion, wie immer eine Stunde vorher. Wir waren vorbereitet, das beinhaltete auch ein maßvolles Trinken am Abend zuvor, damit ab 14 Uhr das Bier wieder schmeckte. Unsere Kurve bestand damals noch aus flachen sandigen Treppen, die sich bei Regen in sumpfige Erdlöcher verwandelten, sodass man nachts auf dem Kiez an den verkrusteten Sneakern erkannte, wer tagsüber im Stadion gelitten hatte. Angestrengt schoben wir uns durch Richtung Wellenbrecher direkt unter der Astra-Werbung am Flutlichtmast, wo die Nordkurve auf die Gegengerade traf. Jens deutete hinter uns auf den Bunker an der Feldstraße, eine Gruppe von etwa 20 Fans mit Fahnen hatte sich Zugang zum Dach verschafft. Es ging bei diesem Spiel nicht nur darum, dass man dabei sein wollte. Man MUSSTE einfach. Unbedingt. Um jeden Preis.

«Vielleicht macht Ruud van Nistelrooy heute ein Tor am Millerntor», sagte Thore in einem Ton aus Ehrfurcht und Unglaube, als könnte man die Tragweite der Begegnung in diesen Fakt destillieren. Ruud van Nistelrooy, vor einem Jahr noch bei Real Madrid, trifft gegen den FC St. Pauli, in einem Jahr wieder zweite Liga. Was für eine Reise wir zurückgelegt hatten, um hierherzukommen. Wir blickten andächtig in die Runde, jeder in seine Gedanken versunken. Ich war 30 Jahre jung, frisch verheiratet, es ging mir gut. Mein Leben hatte gerade Platz für ein Stellvertreterdrama wie dieses, ich gab ihm den Raum, sich in mir breitzumachen, und dachte nicht weiter nach über Konsequenzen, die dieses Spiel haben würde.

«Vielleicht macht Gerald Asamoah heute ein Tor am Millerntor», raunte ich nach einer Pause. Was nämlich keiner weiß: Gerald Asamoah ist nur unseretwegen ans Millerntor gewechselt, genauer gesagt wegen Moritz. Bei einem Test gegen Schalke hatte Moritz in Dauerschleife von Felix Magath die Einwechslung Deutschlands ersten afro-deutschen Nationalspielers Gerald Asamoah gefordert, was eher eine Verneigung vor dessen politischer Bedeutung war als vor seiner sportlichen, aber egal. Nach fünfzig Minuten führten wir 2:0, die Gegengerade sang: «Ohne Gerald habt ihr keine Chance!» Als Asamoah eine Viertelstunde vor Schluss endlich eingewechselt wurde, dirigierte Moritz das «Gerald Asamoah! Oh-oh-oh-oh-oh! Gerald Asamoah!».

Bei der Bekanntgabe seiner Leihe zum FC St. Pauli im Juli hatte Asamoah schließlich zu Protokoll gegeben, ausschlaggebend sei letztendlich gewesen, wie nett man ihn im Winter hier gefeiert hatte. Gefühlte 20 Minuten nach diesem Statement zog er sich eine Oberschenkelverletzung zu und fiel zu Saisonbeginn aus. Nun, am vierten Spieltag, stand Asamoah erstmals im Kader. Asamoah am Millerntor.

Aber auch ohne Asamoah in der Startelf war diese Mannschaft die beste seit Jahren: Aufstiegshelden. Fußballarbeiter, die zum Teil schon seit der Regionalliga bei uns kickten, dazu einige Verstärkungen, die sich barcelonesk ins Team gefügt hatten. Im Tor Thomas Kessler, die Katze. In der Innenverteidigung Markus Thorandt und der Peruaner Carlos Zambrano, den man nur ertrug, wenn er für die eigene Mannschaft gegen Ball und Gegner trat. Mit Bastian Oczipka auf der linken Außenbahn hatten wir endlich einen Fußballer, bei dessen Ecken man nicht zum Bierholen ging. Rechts ackerte Carsten Rothenbach von Grundlinie zu Grundlinie. Auf den Sechserpositionen Regisseur Matthias Lehmann und Fabian Boll. Vorn im offensiven Mittelfeld wirbelten Deniz Naki, Rouwen Hennings und Florian Bruns, und in der Spitze lauerte Kapitän Marius «Ebbe» Ebbers, der uns in der Saison zuvor mit 20 Toren zum Aufstieg geschossen hatte. Unser Trainer: Holger Stanislawski, ehemals Spieler, Vize-Präsident, Manager, Sportdirektor, Kaffeejunkie, Kettenraucher. Ewige Legenden.

Jeder dieser Spieler hatte bei mir einen Stein im Brett, aber mein Lieblingsspieler war Fabian Boll, genannt Boller, aus Bad Bramstedt. Boller hatte beim FC