Das Spiel mit dem Tod - Anna Kaiblinger - E-Book

Das Spiel mit dem Tod E-Book

Anna Kaiblinger

0,0

Beschreibung

Eine Leiche im Kremser Stadtpark. Eine alte Frau mit Dackel. Eine Routineermittlung. So scheint es anfangs zumindest für Nick Hofburger und Emily Lauer. Doch schnell wird klar, dass die beiden es in diesem Fall mit einem Mörder zu tun haben, der vor nichts zurückschreckt. Als dann auch noch Hofburgers Kollegin spurlos verschwindet und ein seltsamer Brief eintrifft, muss er feststellen, dass dieses Katz-und-Maus-Spiel alles andere als fair abläuft.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 276

Veröffentlichungsjahr: 2017

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Es gibt gute Krimis und es gibt schlechte Krimis, zu welcher Sorte der hier gehört, wissen wir nicht, aber die Hauptsache ist, er hat Spaß gemacht.

Johanna Tauber

Inhaltsverzeichnis

Was für manche das Ende bedeutet - ist für andere erst der Anfang

Fakten – Taten – Rätselraten

„Geputzte“ Information

Der unvermeidbare Besuch

Ob Recht oder Unrecht, ein Mörder kann überall sein. - Kanzlei Kreuzberger

Auf den Spuren einer Sauftour

Eine staubige Angelegenheit

Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen

Die letzte Beichte

Der falsche Schweizer

Ob Recht oder Unrecht, ein Mörder kann überall sein II

Ein einsamer und verärgerter Ritt

Ein ungewöhnlicher Brief

Wenn der Berg nicht zum Prophet kommt…

Der Zufall ist der zuverlässigste Kollege

Aug‘ in Aug‘ mit einer Saufnase

Ein Albtraum, aus dem man nicht erwachen kann

Die Post (?) bringt allen was

Schnitzeljagd

Teufelsspirale

Mein Freund und Helfer…

Die nackte Wahrheit

Wie ein Puzzle

Falscher Zeitpunkt? – Uns egal!

Alle verschieden und doch einer wie der andere

Ein etwas anderer Tod

Jede Lösung - ein Problem

Schattenspiele

Albtraum, Traum oder Fata Morgana?

Auf den Hund gekommen

Gute Gewinner können auch verlieren

Jedes Ende ist ein neuer Anfang

1.

Was für manche das Ende bedeutet - ist für andere erst der Anfang

„Puppi, Puppi, Puppi, wo bist’n? Geh Puppi, … jetzt sei halt a‘mal ruhig! Was soll’n denn die Leut‘ denk‘n?“

Frau Cecilia Oberbauer war eine beeindruckende Erscheinung. Trotz ihrer etwas untersetzten und dicklichen Figur würde wohl kaum jemand es wagen, sie als „pummelig“ zu bezeichnen. Sie war mit ihren etwa 80 Jahren noch sehr vital und lebensfroh und außerdem ihrer Ansicht nach immer im Recht. Ihr Mann war vor etwa 20 Jahren verstorben – woran wusste jedoch keiner mehr so genau. Auch, wenn hin und wieder gemunkelt wurde, dass sie ihn auf dem Gewissen habe. Doch ob das wahr war, konnte ihr niemand beweisen. Von ihrer Witwenpension lebte sie sehr stattlich. Frau Oberbauer wohnte nämlich in einer Eigentumswohnung und besaß sehr teure Kleidung, so zum Beispiel den neuen Pelzmantel, an dem ihr Pudel gerade zu zerren versuchte. Wie sie immer wieder gern erwähnte, war dieser Mantel aus echtem Kaninchenfell, die Tiere hatte angeblich ein Bekannter extra für sie geschossen. Er sei ein Unikat, das nur sie besäße.

Sie kam gerade vom Frisör und ihre frisch toupierte Lockenpracht saß perfekt unter ihrem braunen Filzhut, auf dem eine Pfauenfeder beim Gehen mitwippte. Darüber schien sich der kleine Pudel gerade sehr zu amüsieren, denn er sprang mit großer Freude kläffend und schwanzwedelnd um sie herum.

„Geh Puppi, … was hast’n? Sei net so aufg‘regt, nur weil ma heut‘ wieder zum Wilfried gehen. Obwohl, gut ausschau’n tut er ja, da hast schon recht.“ Bei diesen Worten strich sie sich über ihre Lockenpracht, die unter dem Hut hervorstand und seufzte. Ihr „Puppi“ holte sie jedoch wieder in das Hier und Jetzt zurück, indem er zu knurren anfing und ganz aufgeregt einen Laubhaufen durchwühlte. „Geh Puppi! Man frisst nix, was am Boden liegt! Jetzt schäm dich aber! Puppi … an was zerrst‘ denn so? Puppi, was ist denn das …, aber das ist ja …, aber Puppi …!“ Der neugierige Hund hatte es bereits geschafft, einen Teil seines Fundes von Blättern zu befreien, und dieser Teil, den er ans Tageslicht befördert hatte, ließ sein Frauchen weiß werden und in Ohnmacht fallen.

Als Nick Hofburger im Park eintraf, wurde die bereits wieder sehr fidele alte Dame gerade vom Notarzt versorgt, der, wenn man Frau Oberbauers Genörgle Glauben schenken durfte, über nur dürftiges Fachwissen verfügte und sich obendrein eine bequemere Krankentrage zulegen sollte. Hofburger musste unwillkürlich grinsen. Er kniff die Augen zusammen, als er, von der Sonne geblendet, zu seinen Kollegen hinüberging. Er bereitete sich schon seelisch auf eine Standpauke vor, weil er eine viertel Stunde zu spät kam. Er hatte noch einen kleinen, aber lebensnotwendigen Zwischenstopp beim Spar in der Landstraße machen müssen. Dann war er auch noch mit der Suche nach einem freien Fahrradständer, an dem er sein Rad absperren konnte, aufgehalten worden. Mit dem Rad zu fahren war zwar gut für die Umwelt und für die Figur, aber ob es tatsächlich besser für die Nerven war, wie viele behaupteten, wagte er stark zu bezweifeln. Nick nahm einen großen Bissen von seiner frisch gekauften und noch warmen Leberkäs-Semmel. Dann zog er sich lässig seine Lederjacke aus, mit der ihm beim Radfahren zu warm geworden war, und ging mit großen Schritten in Richtung seiner Kollegen.

Nick Hofburger galt zwar aufgrund seiner Jugend und seines unbestreitbar guten Aussehens als Schlawiner, hatte jedoch im Laufe seiner bisherigen Dienstjahre genügend Erfahrung und Wissen gesammelt, um auch die schwierigsten Fälle zu lösen. So wusste er zum Beispiel, dass Zeugen wie diese ältere Dame zwar niemals absichtlich eine Falschaussage tätigen würden, jedoch gerne manchmal sehr weit ausholten, um das Geschehene zu beschreiben. Dabei taten sie aber an sich wichtige Details als unwichtig ab und ließen sie beim Bericht weg. Außerdem wusste Hofburger, dass er die Dame möglichst bald befragen musste, um sicher zu gehen, dass sie die wichtigen Informationen nicht schnell wieder vergaß, oder so stark übertrieb, dass er sich die Tatsachen selbst zusammenreimen musste.

Zuvor steuerte er aber noch auf seine Kollegen zu und biss erneut von seiner Semmel ab.

„Hallo Nick!“ Emily Lauer, die einzige weibliche Polizistin, die hier anwesend war, bemerkte ihn. Sie kam aus einer Gruppe von Männern, die weiter entfernt unter einem Baum stand, auf ihn zu.

„Servus Emily! Ich bin gerade gekommen. Hast du schon herausgefunden, … oder besser ...“, Nick unterbrach sich selber, „… erzähl mir einfach, was passiert ist.“

Seine Kollegin antwortete, ohne zu zögern: „Ja, sicher doch. Es ist unfassbar, ich kann es noch immer nicht glauben. Hast du es schon gehört? Meine kleine Schwester, nein nicht kleine, ich meine jüngere, bekommt ein Baby. Maaah … ich freu‘ mich schon so! Und stell dir vor, wer Taufpatin wird? – Ja richtig! Ich werd‘ Patin. Und ich hab mir gedacht …“

Nick wusste mittlerweile genau, dass seine Kollegin über etwas komplett anderes redete und dass er sie schleunigst unterbrechen sollte, bevor sie noch weiter ausholen konnte. „Ja, schön und gut. Aber eigentlich will ich wissen, was hier passiert ist.“ Er setzte ein entschuldigendes Gesicht auf. Emily sah ihn mit beleidigten Augen an.

„Ja, tu‘ ich ja eh gleich … aber gut, wenn‘st du das unbedingt hören willst. Ist zwar nicht so interessant wie meine Story, aber bitte. Man muss halt Prioritäten setzen und manche wissen halt nicht, was wichtiger ist.“ Sie machte eine kunstvolle, theatralische Pause und ignorierte Nick, der die Augen verdrehte. „Also gefunden hat die Leiche die alte Frau beim Notarzt, oder besser gesagt ihr Hund. Danach ist sie uns keine große Hilfe mehr gewesen, weil sie umgefallen ist. Gefunden ist sie dann von dem Mann worden, der unter dem Baum da drüben steht.“ Sie zeigte auf einen Mann in Jogginganzug, der gerade sehr intensiv auf sein Handy eintippte. Er sah aus wie Anfang dreißig und erweckte den Anschein, als könnte er sein Mobiltelefon trotzdem nicht bedienen. Emily setzte fort: „Unser Joggingmann hat daraufhin uns und den Notarzt gerufen.“

Nick betrachtete den Mann sehr genau: „Weiß schon wer etwas über den Fund?“

„Nein, du … da hab‘ ich keine Ahnung, da musst‘ mit dem Schnipsler reden, der da drüben steht. Ich schau‘ mich einmal um und red‘ mit den anderen, ob die was entdeckt haben.“ Seine Kollegin drehte sich weg und ging in Richtung der Gruppe, die noch immer unter dem Baum stand. Mit „Schnipsler“ hatte Emily Dr. Helmut Pritsch gemeint, der von Beruf Pathologe war.

Seine Kollegin vertrug sich nicht mit dem Herrn Doktor. Wieso wusste keiner, doch Nick vermutete schon länger, dass sie eine gemeinsame Vergangenheit hatten. Hofburger hatte sich schon zu sehr an das Geschimpfe gewöhnt, als dass er sich noch über die dadurch verloren gegangene Zeit und eine sehr ungenaue Informationsweitergabe aufregen würde.

Während er seinen letzten Bissen von seiner inzwischen kalt gewordenen Leberkäs-Semmel hinunterschluckte, wandte er sich dem Pathologen zu. Dieser beäugte gerade den Fund.

„Servus, Helmut. Wie sieht’s aus?“

„Hallo, Nick! Ein Mann Mitte 50, vermute ich. Er liegt wahrscheinlich schon seit mindesten 16 Stunden hier, weil er genauso durchnässt ist wie das Laub um ihn herum.“

Hofburger betrachtete die Leiche. Er schätzte den Mann ebenfalls auf Mitte 50. – Er hatte graumeliertes Haar, einige tief ausgeprägte Sorgenfalten auf der Stirn und einen leichten Bierbauch. Er trug Jeans, eines dieser knitterfreien Sporthemden und eine schwarze Softshelljacke. Den Eindruck eines durchschnittlichen Mannes störten nur die Blutspuren an seinen Haaren und die weit aufgerissenen Augen.

„Spuren gibt es fast keine, weil es in der Nacht heftig geschüttet hat. Ich glaub’, so um drei Uhr in der Früh hat es aufgehört zu regnen. Aber wegen genauerer Informationen musst du noch ein bisschen warten. Die vorhandenen Spuren muss die SpuSi auswerten, aber ich vermute, dass die nicht sehr brauchbar sein werden. Todesursache war wahrscheinlich diese Wunde am Hinterkopf, aber Genaueres kann ich dir erst sagen, wenn ich ihn geöffnet habe.“ Der Doktor zeigte mit einem Stab auf die zertrümmerte Stelle am Kopf des Opfers.

Während Nick den Ausführungen des Pathologen lauschte, bemerkte er eine junge Frau, Anfang oder Mitte 30, auf sich zukommen. Sie hatte rot gefärbte, lockige Haare, die sie zu einem schiefen Knoten zusammen gebunden hatte. Zu dem unvermeidbaren weißen Overall (der so typisch für die Mitarbeiter der Spurensicherung war) trug sie grün gemusterte Converse und darunter bunt geringelte Socken, die von dem zu kurz geratenen Anzug nicht überdeckt wurden. Hofburger bemühte sich noch, seine Verwunderung über diesen Aufzug nicht zu zeigen, als sie ihn auch schon ansprach: „Hallo, Chef! – Ist doch richtig so, oder? Ich bin die Cindy … Cindy Wengen. Der Chef, also … erm … der andere Chef … nicht Sie, Chef, ich mein’ den Herrn Reifers, der hat nicht kommen können wegen einer Autopanne oder so. Und … deshalb soll ich ihn vertreten … und ja … ich bin ein bisserl nervös und wenn ich nervös bin, red‘ ich leider immer ein bisserl zu viel, also … ich glaub‘, ich fang‘ auch schon wieder damit an, also eigentlich hab‘ ich mir ja vorgenommen, dass ich sie nicht so zuquatsche …“ Nick sah sie abwartend an und versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen. „Ach ja, richtig … erm … also, das was ich Ihnen eigentlich sagen wollt‘, is‘ … ja … erm … das mit den Spuren könnte schwierig werden.“ Nick musterte sein Gegenüber etwas genauer. Doch bevor er sich etwas denken konnte, redete sie auch schon weiter: „Wir haben zwar schon etliche Fußspuren gefunden, aber die Wahrscheinlichkeit, dass die von wem ganz anderen stammen, ist verdammt hoch. Der Gatsch, … erm … t’schuldigung, ich mein’ der Schlamm hier ist noch sehr weich und jeder, der hier durchgeht, hinterlässt seine Spuren. Und wenn er schon vor dem Regen hergekommen ist, können wir das mit den DNA-Spuren vergessen, weil die nämlich dann schon weggespült sind. Man findet zwar Zigaretten, Dosen, Flaschen, Kondome und Spritzen, wenn man genauer nachsieht, in jedem Eck des Parks, aber das wird uns in dem Fall nicht viel nützen, glaub‘ ich. Sonst haben wir hier nichts gefunden, auch keine Papiere oder irgendetwas in der Art, wodurch wir etwas über den Toten herausfinden könnten. Das Einzige, was er bei sich gehabt hat, war ein Reinigungsbescheid. Der Doc … t’schuldigung … ich mein’ der Herr Doktor Pritsch sagt, dass er mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen worden ist, aber hier gibt es absolut nichts Stumpfes außer den Mistkübel. Ach ja, das hätte ich fast vergessen! Erm … ja, … wir haben im Brunnen ein zertrümmertes Handy gefunden, das werd‘ ich mir nachher noch genauer anschauen, vielleicht hat es ja was mit unserem Fall hier zu tun. Aber ich glaub‘… erm … eher nicht, dass diesem Schrotthaufen, … erm … t’schuldigung, Mobiltelefon noch irgendetwas zu entlocken ist. Sonst fällt mir im Moment nichts mehr ein. Woll’n Sie noch was wissen?“

Hofburger war fasziniert, wie viel auf einmal in so einer rasenden Geschwindigkeit aus einem so kleinen Mund herauskommen konnte. Perplex starrte er sie für einen Sekundenbruchteil an, bis er begriff, dass die Frage an ihn gerichtet war, und beeilte sich, ihr zu antworten: „Ach so, ja … nein, im Moment fällt mir nichts weiter ein, danke. Aber melden Sie sich bitte wieder, wenn Sie noch etwas herausfinden.“

Sie grinste ihn zufrieden an und verschwand wieder, so schnell, wie sie gekommen war. Er blickte ihr nach und fühlte sich an die Frau aus der einen Supermarktwerbung erinnert, die ständig in jeder Werbepause auf und ab lief. Sofort bekam er wieder Hunger und trauerte seiner bereits gegessenen Semmel nach.

Er straffte trotzdem die Schultern, atmete tief durch und ging dem unvermeidbaren Gespräch mit der Zeugin entgegen, die ihm bereits giftig und neugierig zugleich entgegenblickte.

„Grüß Gott, mein Name ist Chefinspektor Hofburger. Sie sind Frau Oberbauer?“ Nick hielt ihr sowohl seinen Dienstausweis, als auch seine Hand zum Gruß entgegen, wobei er aber darauf achtete, ihrem Hund nicht zu nahe zu kommen. Ein Hundehaar in seiner Nähe und es würde um ihn geschehen sein. Sie nickte willig, aber leicht abwertend und schüttelte ihm gnädig die Hand. Der Chefinspektor nahm diesen Blick zwar wahr, ignorierte ihn aber und fragte unbeirrt weiter: „Frau Oberbauer, Sie haben die Leiche gefunden. Können Sie mir erzählen, was Sie zu dieser Zeit im Park gemacht haben?“

„Ist es jetzt auch schon verboten, mit einem Hund spazieren zu gehen? Das wäre ja eine … eine Frechheit wäre das!“ Sie bemerkte Nicks Blick. „Aber ja. Sie sind ja von meiner Aussage abhängig! ... Also, heute in der Früh war mein Puppi äußerst gereizt. Eigentlich habe ich mir ja einen längeren Schlaf als gewöhnlich verdient, weil ich ja gestern noch mit meinen Damen unterwegs war. Aber der Puppi …“

Nick wusste, dass diese Geschichte ewig dauern würde. Innerlich bereitete er sich bereits auf einen sehr langen Monolog vor, während er sein Gegenüber unauffällig musterte. Die ältere Dame war zwar schon jenseits ihrer besten Jahre, aber deutlich bemüht, diesen Umstand zu verbergen. Unter ihrer etwas zu dick aufgetragenen Schminke (sie hatte auch etwas Lippenstift an einem Schneidezahn) sah sie aus, als wäre sie mehrfach geliftet worden. Das konnte aber auch an ihrer strengen und gestrafften Mimik liegen. Außerdem stach dem Hauptkommissar ins Auge, dass sie sehr teuer beringt war.

„… und dann war es ja auch schon Zeit, dass ich mich vom Frisör auf den Weg machte …“

Nick vermutete, dass es sich bei den vielen in Gold gefassten Steinen um Bernstein handelte, es konnte aber auch etwas anderes sein. So genau kannte er sich da nicht aus.

„Verzeihen Sie, meine Dame“, unterbrach Hofburger sie schließlich, weil er vermutete, dass sie nun gedanklich endlich auf dem Weg zum Stadtpark war. Er sah seine Chance zu erfahren, weshalb sie nun wirklich im Park unterwegs gewesen war. Nick konnte sich nämlich nicht erklären, wieso sie sich derart herausgeputzt hatte, nur um ihren Hund auszuführen. „Wohin, wenn ich fragen darf, waren Sie denn unterwegs?“ Offenbar hatte er diese Frage aber nicht feinfühlig genug gestellt, denn Frau Oberbauer regte sich sofort wieder maßlos über sein nicht vorhandenes Vertrauen in sie auf.

„Ich darf Sie wohl sehr bitten!“, entrüstete sie sich. „Was hat denn das mit dem Toten da drüben zu tun? Ich verbiete mir diese Frage! Ich bin eine brave Bürgerin der Stadt Krems. Ich habe mir in meinem ganzen Leben noch nie etwas zu Schulden kommen lassen und was ist der Dank dafür? - Ich werde hier verdächtigt, ein Kapitalverbrechen begangen zu haben! Das ist ja …“

Um zu verhindern, dass ihre Aufregung sich ins Uferlose steigerte, unterbrach Hofburger sie mit beschwichtigenden Worten: „Aber nein, aber nein. Ich habe Sie nicht verdächtigt, meine Dame. Es handelt sich nur um die üblichen Fragen, zu denen ich verpflichtet bin. … Also würden Sie bitte die Güte haben, diese Fragen zu beantworten?“ Er hoffte, dass sie ihm seine Ungeduld nicht anhörte.

„Ach so … naja, …“ Frau Oberbauer überlegte kurz, wirkte aber etwas beschwichtigt: „Wenn das so ist … also ich war mit meinem Puppi hier unterwegs zu dem Herrn Wilfried.“

Als sie den abwartenden Blick des Hauptkommissars bemerkte, fügte sie noch unwillig hinzu: „Schweizer … Dr. Wilfried Schweizer, ein sehr charmanter Herr, den ich beim Bingospielen kennen gelernt habe.“

Nick machte sich eifrig Notizen. Als er damit fertig war, blickte er von seinem Block auf und wollte von ihr wissen, wie sie nun die Leiche gefunden hatte.

„Also das war so … der Puppi hat plötzlich ganz wild zu bellen angefangen. Er hat so stark an der Leine gezogen - Richtung Laubhaufen …“

„Wann war das, wenn ich fragen darf?“

„Um zirka 10 Minuten nach vier, weil es war vier, wie ich durchs Steinertor gegangen bin. … So, wo war ich? Wieso müssen Sie mich auch immer unterbrechen? ... Ach ja, richtig! Ich wollte den Puppi ja abhalten, weil wir’s eh schon so eilig gehabt haben … apropos Herr Wilfried! … Ich muss ganz schnell zu ihm, um ihm das zu erzählen. Er wird mir nie glauben!“

Die alte Dame wollte schon von der Krankentrage aufspringen, doch Hofburger hielt sie zurück. „Wenn Sie mir bitte noch Ihren vollständigen Namen und Ihre Anschrift geben könnten?“ Als er ihren Blick bemerkte, fügte er noch schnell hinzu: „Natürlich nur für den Fall, dass wir noch ein paar Fragen an Sie haben, damit wir wissen, wo wir Sie erreichen können.“

„Ach ja … natürlich … also der Name wäre Cecilia Maria Oberbauer, geborene Schuller. “ Sie diktierte die Adresse dem Beamten in Uniform, den Nick zu diesem Zweck herbeigerufen hatte. Er selbst notierte sich nur, dass sie am Hohen Markt wohnte.

Der Hauptkommissar verabschiedete sich von der Dame, die ihm giftig hinterher sah, und ging zu dem zweiten Zeugen hinüber, der die Rettung gerufen hatte.

„Guten Tag, Chefinspektor Hofburger. Wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“

Der andere blickte verstört von seinem Handy auf die Dienstmarke, die ihm Nick unter die Nase hielt.

„Martin Altwirt.“

„Und Sie haben die Dame ohnmächtig aufgefunden? Oder haben Sie auch bemerkt, wie sich dieser Zusammenbruch ereignet hat?“

„Nein.“

„Haben Sie die Rettung sofort alarmiert?“

„Ja.“

„Wann war das?“

„Viertel fünf.“ Langsam wurde Nick etwas gereizt. Diesem Mann würde er wohl jede Information einzeln aus der Nase ziehen müssen. „Woher wissen Sie die Uhrzeit so genau?“

„Hab’ auf die Uhr geseh’n.“

Hofburger wusste, dass er mit einem derart gesprächigen Zeugen im Moment nicht weiterkommen würde. Er verabschiedete sich, nachdem sein Kollege die Adresse aufgenommen hatte.

Im Vorbeigehen nickte er seiner Kollegin zu. Er konnte hier nichts mehr erfahren und deshalb machte er sich auf den Weg ins Büro. Bevor er das Schloss von seinem Fahrrad aufschloss, zog er noch einmal seinen Notizblock hervor, auf dem er sich wichtige Notizen gemacht hatte.

2.

Fakten – Taten – Rätselraten

Im Büro angekommen, traf Nick Hofburger seine Kollegin schon an. Diese hatte ihn offensichtlich mit dem Auto überholt. Nick war etwas verdutzt, weil er mit ihrer Gegenwart nicht gerechnet hatte. Emily saß schon an ihrem Schreibtisch, eine riesige Tasse Kaffee in ihrer Hand. Auch sie wusste, dass dieser Tag noch länger andauern würde. Nick zog sich seine Jacke aus und nahm sich ebenfalls Kaffee.

Er war noch immer außer Atem und dachte gerade, dass er angesichts seiner schlechten Kondition wohl wieder öfter Fahrrad fahren sollte. In diesem Moment meinte Emily spöttisch: „Na, da hat sich einer aber angestrengt!“

Daraufhin machte Nick einen Gesichtsausdruck, der Emily sofort verstummen ließ. Sie interpretierte seine Grimasse richtig und wechselte geschickt das Thema. Emily begann, ihm die Fakten zu erzählen, die sie herausgefunden hatte, doch die meisten waren für Nick nicht neu.

„Ich habe mit den Kollegen von der Spurensicherung den gesamten Park und die Umgebung durchforstet. Aber viel haben wir nicht gefunden, außer dieses Handy …, aber ich glaub‘, das hat dir die Kleine von der SpuSi eh schon erzählt?“ Nick schaute sie verdutzt an. Emily fügte als Antwort auf seine stumme Frage erklärend hinzu: „Ja, die Vertretung. Cindy heißt sie, glaub’ ich!“ Erst jetzt dämmerte es bei Nick und er dachte wieder an die eigenartige Begegnung im Park. Emily fuhr fort: „Jedenfalls sollte von denen im Laufe der nächsten Stunde der Bericht per Fax kommen und der erste Bericht von der Obduktion sollte auch bald eintreffen. “

Hofburger nickte und präsentierte die Ergebnisse seiner zwei Zeugenbefragungen. Währenddessen schrieben sie gemeinsam alle Fakten auf einem Board auf. Das machten sie bei jedem Fall so, da man mit dieser Methode leichter die Übersicht behalten konnte. Auf diese Art kam man immer wieder auf neue Strategien und hatte sozusagen alle Zeugen, Verdächtigen, deren Alibis und die Motive auf einen Blick zusammengefasst. Das Beste an so einem Board war, dass man jederzeit Fakten hinzufügen, beziehungsweise wegstreichen konnte.

Nach einer Stunde, die sie damit verbracht hatten, sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen, wurden die zwei Hauptkommissare aus ihrem Gespräch gerissen, als das Faxgerät eine Nachricht ausdruckte. Aufgeschreckt und neugierig zugleich blickten beide zu dem Gerät am Fensterbrett, als hätten sie so etwas noch nie gesehen. Erst nach ein paar Sekunden reagierte Emily und ging zu dem Fax hinüber. Es war eine Nachricht von der Spurensicherung.

„Ah … von der SpuSi … wie erwartet: Es gibt keine brauchbaren Spuren. Der Regen hat alle weggespült. Die einzigen Spuren stammen von einem Hund, von dem wir annehmen können, dass es das kleine Viech von der Frau Oberbauer ist. Fußspuren gibt es übrigens auch nur zwei verschiedene direkt am Tatort und die sind vermutlich von der Frau Oberbauer und ihrem Retter, dem Herrn …“

„Altwirt“, ergänzte Nick.

„Ach, ja … Altwirt.“, wiederholte Emily.

„Haben die eigentlich irgendetwas über das zertrümmerte Handy herausfinden können?“, wollte Nick noch wissen.

Emily sah erneut auf den Zettel und murmelte: „Nein, … ich glaub‘, die haben noch nichts identifizieren können. Der Bericht über das Handy folgt morgen im Laufe des Tages. Zusammen mit allem, was sie über den Besitzer herausfinden konnten. … Was ist eigentlich unser nächster Schritt, nachdem wir den Obduktionsbericht bekommen haben?“

„Ich würde vorschlagen, dass wir zu der Putzerei gehen, von der unser Toter so ein Markerl einstecken gehabt hat. Dort hoff‘ ich, dass wir herausfinden, wer unser Toter ist. Wir haben nämlich noch keinen Hinweis, um wen es sich handelt, weil auch noch keine Vermisstenanzeige aufgegeben worden ist.“ Emily wollte gerade etwas sagen, als das altersschwache Faxgerät wieder sehr komische Geräusche von sich gab und ruckelnd und hustend ein weiteres Fax ausspuckte. Diesmal war Nick schneller. Er nahm das Fax in die Hand und überflog es. Hin und wieder runzelte er verständnislos die Stirn, weil er von diesem >Fachchinesisch< nur etwa die Hälfte verstand.

Nach ein paar schweigsamen Minuten hob er den Kopf und murmelte etwas von >Fachidioten<. Emily hatte ihn die ganze Zeit gespannt beobachtet und musterte ihn jetzt neugierig.

„Ohhh. … Mmhhmm. … Erschlagen. … Was? ... Aso, Regen … jaja, hab ich mir gedacht.“ Nick machte sich murmelnd ein paar Notizen in seinen Block. „Erschlagen. … Sicher auch kein schöner Tod … aber vermutlich immer noch besser als zu ertrinken. … War da nicht einmal so ein Artikel darüber in dem einen Magazin?“

Emily wurde langsam ungeduldig. „Nick, red‘ deutlich!“

Er sah sie überrascht an, als hätte er inzwischen vergessen, dass sie auch noch da war. Aber dann fasste er sich wieder und begann, ihr den Bericht in Kurzfassung und weniger unverständlich wiederzugeben: „Also, unser Toter wurde mit einem stumpfen Gegenstand am Hinterkopf erschlagen. Daran ist er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gestorben. Das war irgendwann zwischen 23 Uhr und Mitternacht, meint der Doc. Das hier ist aber nur eine Art Zwischenbericht. Ob unsere Leiche auch innere Verletzungen hat, erfahr’n wir in den nächsten zwei Tagen … und auch noch eine genauere Info. Der Pritsch macht nämlich jetzt Feierabend. Recht hat er. Ist eh schon kurz nach 6 Uhr.“

Emily murmelte etwas, das sich anhörte, wie >unverlässlich< und >Faulpelz<, aber Nick war sich nicht ganz sicher, ob er richtig gehört hatte.

Emily riss sich wieder zusammen und meinte sarkastisch zu Nick: „So, nach diesem informationsreichen Bericht von dir können wir uns ja jetzt auf den Weg zur Putzerei machen.“

Nick stöhnte. „Wenn der Doc nichts mehr tut, tu‘ ich heute auch nichts mehr. Außerdem haben die in der Putzerei sicher auch schon geschlossen, also bis morgen. Morgen um acht beim Glühweinstand. Okay?“ Emily nickte und packte ihre Sachen ebenfalls zusammen. Beim Hinausgehen warf sie noch einen letzten Blick auf das Board.

3.

„Geputzte“ Information

Am nächsten Tag trafen sich Nick und Emily wie verabredet beim Glühweinstand. Sie wussten nicht genau, wo die Putzerei ihr Geschäft hatte, sie wussten bloß, dass sie irgendwo in der Fußgängerzone lag. So marschierten die beiden Ermittler mit dem Bon in der Hand durch die Einkaufsstraße der Stadt. Schon fast am Ende angekommen, bemerkte Emily das Geschäft. Es war klein und ziemlich versteckt. Nick öffnete die Tür und ließ Emily zuerst das Geschäft betreten, so wie es sich für einen Gentleman gehörte. Emily, die diese Seite von ihrem Kollegen nicht kannte, war zwar irritiert, ließ sich jedoch nichts anmerken und betrat die Filiale.

Im Geschäft stand eine Frau hinter dem Tresen, schätzungsweise Mitte 40. Sie war etwas pummelig und kleidete sich im typischen Hausfrauenstil. – Mit einer braunen Hose, für deren genauen Farbton Nick nur ein eher vulgärer Begriff einfiel, einem T-Shirt von undefinierbarer Farbe – irgendetwas zwischen blau, grau und lila – und einer Schürze mit Rüschen, die wohl noch nicht einmal in den 50ern modern gewesen sein dürfte.

Nick ging zum Tresen, während sich Emily im Geschäft ein bisschen umsah, und sagte: „Grüß Gott! Mein Name ist Chefinspektor Hofburger und das ist meine Kollegin Frau Revierinspektor Lauer.“ Er hielt ihr mit einer Hand seine Dienstmarke vor die Nase, während er mit der anderen Hand Richtung Emily zeigte, die eine begrüßende Geste machte. „Wir hätten an Sie ein paar Fragen, Frau …?“

Die etwas erstaunte Frau antwortete: „Hofer. … Ist etwas mit meinem Hansi? Hat er schon wieder etwas ang’stellt?“

Nick beruhigte sie, nachdem er sich den Namen notiert hatte: „Nein, nein, es handelt sich um einen Kunden von Ihnen. Kennen Sie diesen Mann?“ Er zeigte ihr ein Foto des Toten.

Frau Hofer nahm das Bild in die Hand und studierte es eifrig, bevor sie mit einem klaren und bestimmten „Nein.“ antwortete. Darauf zeigte Hofburger ihr den Bon der Putzerei und bat sie, ihm die Daten herauszusuchen. Frau Hofer nahm den Bon und ging damit in den Nebenraum.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam sie mit einem Blatt in der Hand wieder zurück und meinte: „Der Mann heißt Johannes Kreuzberger. Er hat bei uns am 23. November einen Anzug abgegeben, der sehr üble Flecken gehabt hat.“ Nach längerem Zögern fügte sie noch hinzu: „An diesem Tag war nicht ich im Geschäft, sondern meine Kollegin.“

Während Nick hinausging und im Büro anrief, um die Adresse des Toten zu erfragen, fragte Emily nach: „Frau Hofer, ist Ihre Kollegin jetzt auch da?“

„Nein, sie ist im Urlaub, mit ihrer Familie“, entgegnete die Frau.

„Können Sie mir bitte ihren Namen verraten, beziehungsweise wann sie wieder kommt?“, bat Emily.

Die Frau entgegnete, dass ihre Kollegin Claudia Burgenauer heiße und übernächste Woche wieder zu arbeiten anfange.

„Könnten Sie Ihrer Kollegin unsere Visitenkarte weitergeben, wenn sie zurück ist? Und melden Sie sich, wenn Ihnen noch etwas Wichtiges einfällt.“ Sie überreichte ihr noch ihre Karte, bevor sie sich ebenfalls verabschiedete und das Geschäft verließ. Als Emily zu Nick stieß, läutete dessen Handy und seine Kollegen teilten ihm die Adresse des Toten mit.

4.

Der unvermeidbare Besuch

Als Nick und Emily den Berg inmitten der Altstadt bezwangen, fiel ihnen sofort ein Haus ins Auge. Es war ein moderner Bau mit viel Glas und Beton. Kurz gesagt, ein Haus, das in diese Gegend einfach nicht hineinpasste. Schließlich stellte sich heraus, dass es zur gesuchten Adresse gehörte. Es war hellgrün gestrichen und hatte eine sehr moderne Milchglastüre mit einem überdimensionalen silbernen Klingelknopf aus Chrom, auf den Emily jetzt drückte.

Etliche Minuten tat sich gar nichts, bis eine Frau Mitte 40 die Tür öffnete. Sie hatte langes braunes Haar und einen sehr freundlichen, aber bedrückten Gesichtsausdruck.

Emily zückte ihre Dienstmarke: „Guten Tag … Frau Kreuzberger? Mein Name ist Lauer und das hier ist mein Kollege Hofburger. Kriminalpolizei. Dürften wir Sie kurz sprechen?“ Die Frau sah erschrocken aus, nickte kurz und trat einen Schritt zur Seite, um die beiden einzulassen. Sie betraten das Vorzimmer und folgten der Frau in die Küche, wo sie ihnen einen Sessel anbot.

„Sind Sie Frau Kreuzberger?“, wollte Nick wissen.

Die Frau nickte und sagte zögernd: „Martina Kreuzberger. Darf ich wissen, wieso Sie nun hier sind? Ist etwas passiert?“

Nick räusperte sich. Er fühlte sich sichtlich unwohl, denn er hatte es noch nie leiden können, einem Angehörigen die schlechte Nachricht zu überbringen. Das war ein Teil seines Berufes, den er in der Pension bestimmt nicht vermissen würde.

„Frau Kreuzberger, Ihr Mann … Es tut mir sehr leid, Ihnen sagen zu müssen, dass Ihr Mann vorletzte Nacht verstorben ist. Mein Beileid.“ Frau Kreuzberger schaute überrascht, schockiert und erschrocken zugleich aus.

Nach ein paar Minuten fragte sie zögernd: „Aber … aber wie … und wo? WARUM?“ Emily meinte mit gefestigter Stimme: „Ihr Mann wurde Donnerstagnacht im Stadtpark erschlagen. Von wem und wieso wissen wir zurzeit nicht, aber ich kann Ihnen versichern, dass wir unser Bestes geben werden, diesen Fall schnellstens aufzulösen.“

Frau Kreuzberger schaute noch schockierter: „Erschlagen? Aber was ist mit den Kindern? ... und was ist mit mir?“ Ihr traten Tränen in die Augen, die kurz darauf schon wie ein Strom über ihre Wangen flossen. Genau das hassten Nick und Emily an solchen Situationen.

Dann fragte aber Nick zögernd: „Sie haben Kinder?“

Frau Kreuzberger blickte mit ihren verweinten Augen zu Nick und nickte: „Ja, drei. Florian, Christine und Jonas.“

Später an diesem Tag fand Emily noch heraus, dass die drei Kinder sehr unterschiedlich alt waren. Florian, der Älteste war 20 Jahre alt, Christine 18 und Jonas 7 Jahre.

Nick äußerte sein Mitgefühl und fragte Frau Kreuzberger: „Können wir Ihnen noch ein paar Fragen stellen?“

Die Frau nickte und schniefte dabei laut.

Emily begann: „Wann haben Sie Ihren Mann denn das letzte Mal gesehen?“

„Vorgestern, also Donnerstagabend. Er wollte noch eine Runde spazieren gehen, so wie jeden Tag. Johannes …“, sie schniefte auf, „… ist so gegen 19 Uhr fortgegangen.“

Nick fiel ihr ins Wort: „Haben Sie ihn denn nicht vermisst?“

„Nein, eigentlich nicht. Es kommt öfters vor, dass er … nach seiner Runde … im Wirtshaus hängen bleibt. In der Früh verlässt er das Haus, bevor ich aufwache. Außerdem übernachtete er in letzter Zeit öfters im Büro, weil er momentan sehr viel zu tun hat … erm … hatte. Ich habe mir gedacht, er hätte nur vergessen, mich anzurufen.“ Die Frau schniefte so stark, dass Emily ihr ein Taschentuch anbot.

Nick fand diese Erklärung nachvollziehbar und setzte die Fragerei fort: „Hatte Ihr Mann Feinde, oder können Sie sich irgendjemanden vorstellen, der seinen Tod wollte?“

„Aber nein, er war ein sehr fröhlicher und ausgeglichener Mensch. Bis auf jemanden, gegen den er einmal in einem Prozess gewonnen hat, kann ich mir niemanden vorstellen. Er ist nämlich Anwalt in einer sehr erfolgreichen Kanzlei, die ihm gehört. … So haben wir uns auch kennengelernt, vor 22 Jahren, als er mich verklagen wollte. Weil ich mit dem Auto gegen seinen Zaun gefahren bin.“

Abermals flossen dicke Tränen über ihr Gesicht.

Emily ließ ihr etwas Zeit, sich zu beruhigen, bevor sie die nächste Frage stellte: „Wo waren Sie am Donnerstag zwischen 23 Uhr und Mitternacht?“

Frau Kreuzberger lief rot an.

Emily entschuldigte sich für ihre direkte Frage, bat aber trotzdem um eine Antwort. Darauf meint die junge Witwe verheult: „Mein kleiner Jonas hat einen furchtbaren Albtraum gehabt, er hat geweint und wollt‘ getröstet werden.“

Nach dieser geschnieften Antwort sagte Emily geschickt und mit viel Gefühl: „Frau Kreuzberger, wir wollen Sie nicht länger mit qualvollen Fragen nerven, da wir vollkommen verstehen können, dass Sie in so einem schweren Moment alleine sein wollen.“ Emily machte eine mitfühlende Pause und gab der Witwe ihre Visitenkarte. „Falls Ihnen noch etwas einfällt, das uns helfen könnte bei unseren Ermittlungen, dann rufen Sie uns bitte an. Auf Wiedersehen!“

Emily wollte gerade durch die Tür gehen, als Frau Kreuzberger sie aufhielt: „Frau Inspektor? Ich weiß nicht, ob es Ihnen weiterhelfen könnte oder ob es überhaupt relevant ist …“ Die verweinte Witwe unterbrach ihren Hinweis. Emily drehte sich wieder zu ihr um und sah sie erwartungsvoll an. „Ich weiß wirklich nicht, ob es Sie interessiert … wahrscheinlich gibt es eh keinen Zusammenhang mit dem Mo…Tod meines Mannes.“ Frau Kreuzberger versuchte die Tränen, die bei den Wörtern Tod und Mord entstanden, zu verdrängen. Sie wusste, beziehungsweise man sah ihr an, dass sie nicht mehr weiterreden konnte, ohne in Tränen auszubrechen. Sie sah Emily sehr verzweifelt und auch verwirrt an.

Auf einmal sammelte sie all ihre Kräfte und schoss mit dem Satz heraus: „Gestern Vormittag ist bei uns eingebrochen worden.“

Die Witwe verlor die Fassung, da sie beim Aussprechen dieses Satzes genauso wie die beiden Ermittler begriff, dass es einen Zusammenhang zwischen den zwei Ereignissen geben musste.