Das Tanzlegendchen / Vom Fichtenbaum, dem Teiche und den Wolken / Die Leute von Seldwyla - Eine Einleitung - Gottfried Keller - E-Book

Das Tanzlegendchen / Vom Fichtenbaum, dem Teiche und den Wolken / Die Leute von Seldwyla - Eine Einleitung E-Book

Gottfried Keller

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Beschreibung

Die herrliche Abendsonne beschien mit ihren goldenen Strahlen einen großen Fichtenbaum, welcher an einer felsigen Berghalde stand. Sein stachlichtes Laub prangte im schönsten Grün, und seine Äste waren wie mit Feuer übergossen und glänzten weithin durch die Gegend. Er freute sich dieses Glanzes und meinte, all diese Herrlichkeit gehe von ihm selbst aus und sei sein eigenes Verdienst, sodaß er sehr eitel ward und prahlend ausrief: "seht her, ihr andern Gewächse und Geschöpfe um mich her, wo erscheint eines in solcher Pracht wie ich edle Fichte? Gewiß, ihr seid sehr zu bedauern, daß euch der Schöpfer nicht schöner geschmückt hat."

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Seitenzahl: 21

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Inhalt

Titelblatt

Das Tanzlegendchen

Vom Fichtenbaum,dem Teiche und den Wolken

Die Leute von Seldwyla

Impressum

Gottfried Keller

Das Tanzlegendchen /

Vom Fichtenbaum, dem Teiche und den Wolken /

Die Leute von Seldwyla - Eine Einleitung

Das Tanzlegendchen

Du Jungfrau Israel, du sollst noch fröhlich pauken und herausgehen an den Tanz. Alsdann werden die Jungfrauen fröhlich, am Reigen sein, dazu die junge Mannschaft und die Alten miteinander. (Jeremia 31: 4, 13)

Nach der Aufzeichnung des heiligen Gregorius war Musa die Tänzerin unter den Heiligen. Guter Leute Kind, war sie ein anmutvolles Jungfräulein, welches der Mutter Gottes fleißig diente, nur von einer Leidenschaft bewegt, nämlich von einer unbezwinglichen Tanzlust, dermaßen, daß, wenn das Kind nicht betete, es unfehlbar tanzte. Und zwar auf jegliche Weise. Musa tanzte mit ihren Gespielinnen, mit Kindern, mit den Jünglingen und auch allein; sie tanzte in ihrem Kämmerchen, im Saale, in den Gärten und auf den Wiesen, und selbst wenn sie zum Altar ging, so war es mehr ein liebliches Tanzen als ein Gehen, und auf den glatten Marmorplatten vor der Kirchentüre versäumte sie nie, schnell ein Tänzchen zu probieren.

Ja, eines Tages, als sie sich allein in der Kirche befand, konnte sie sich nicht enthalten, vor dem Altar einige Figuren auszuführen und gewissermaßen der Jungfrau Maria ein niedliches Gebet vorzutanzen. Sie vergaß sich dabei so sehr, daß sie bloß zu träumen wähnte, als sie sah, wie ein ältlicher aber schöner Herr ihr entgegentanzte und ihre Figuren so gewandt ergänzte, daß beide zusammen den kunstgerechtesten Tanz begingen. Der Herr trug ein purpurnes Königskleid, eine goldene Krone auf dem Kopf und einen glänzend schwarzen gelockten Bart, welcher vom Silberreif der Jahre wie von einem fernen Sternenschein überhaucht war. Dazu ertönte eine Musik vom Chore her, weil ein halbes Dutzend kleine Engel auf der Brüstung desselben stand oder saß, die dicken runden Beinchen darüber hinunterhängen ließ und die verschiedenen Instrumente handhabte oder blies. Dabei waren die Knirpse ganz gemütlich und praktisch und ließen sich die Notenhefte von ebensoviel steinernen Engelsbildern halten, welche sich als Zierat auf dem Chorgeländer fanden; nur der Kleinste, ein pausbäckiger Pfeifenbläser, machte eine Ausnahme, indem er die Beine übereinanderschlug und das Notenblatt mit den rosigen Zehen zu halten wußte Auch war der am eifrigsten: die übrigen baumelten mit den Füßen, dehnten, bald dieser, bald jener, knisternd die Schwungfedern aus, daß die Farben derselben schimmerten wie Taubenhälse, und neckten einander während des Spieles.