Das Teufelskraut - Michael Hamberger - E-Book

Das Teufelskraut E-Book

Michael Hamberger

0,0

Beschreibung

Layla wird von Igor Dorojewski, dem Direktor des Convento San José, nach Grindelwald geschickt. Dort sind gigantische urzeitliche Bären entdeckt worden. Layla glaubt selbst nicht daran, aber bevor sie sich versieht, stehen diese Bären in den tief verschneiten Schweizer Alpen plötzlich vor ihr. Es kommt zum Kampf, der selbst für die kampferprobte weiße Werwölfin zu viel ist. Sie kann gerade noch so entkommen, wird aber von einer geheimnisvollen Kristallkugel in eine andere Welt voller Magie gezogen. Dort muss sie die Königtochter schützen ein perfektes Ebenbild ihrer Selbst.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 585

Veröffentlichungsjahr: 2013

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Michael Hamberger

Das Teufelskraut

Layla, die weiße Werwölfin in ihrem undurchsichtigsten Abenteuer

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Epilog

Impressum neobooks

Prolog

Ganz langsam ging Layla Méndez durch die tief verschneite dunkle Wildnis. Jeder ihrer Sinne war voll in Alarmbereitschaft. Noch wollte sie sich aber nicht in einen Werwolf verwandeln, bis sie sich nicht einhundertprozentig sicher war, dass es sich nicht um einen falschen Alarm handelte.

Trotz ihrer wesentlich besser ausgeprägten Werwolf Sinne konnte sie aber keine Spur finden. Nicht einmal in dem tiefen Schnee. Trotzdem möchte sie noch nicht aufgeben. So leise, wie möglich ging Layla weiter. Doch auch weiterhin hatte sie das Gefühl, ganz alleine durch diese herrliche Bergwelt zu gehen. Es hatte wohl keinen Sinn. Es war wohl doch falscher Alarm gewesen. Sie hätte diesen Auftrag niemals annehmen dürfen. Zu klar war es gewesen, dass es nur ein Gerücht war.

Layla wollte gerade umkehren und zurück ins Dorf gehen, da hörte sie tatsächlich etwas. Erst nur ganz leise, aber dann, als sie in Richtung des Geräusches weiter schlich, immer deutlicher. Es war ein Tier. Ein großes Tier. Dieses fühlte sich total sicher, sonst hätte es sicher darauf geachtet, weniger Geräusche zu machen. Layla näherte sich leise den Geräuschen. Trotz ihrer hervorragenden Nachtsichtigkeit konnte sie nichts erkennen, auch wenn darüber hinaus auch noch die Nacht sternenklar war und sich auf dem Schnee reflektierte.

Plötzlich verstummten die Geräusche. Auch Layla blieb sofort stehen. Hatte das Tier sie trotz ihrer Bemühungen, leise zu sein, gehört? Layla konnte es sich nicht vorstellen. Trotzdem ging sie zur Sicherheit erst einmal in Deckung.

Als sie aber weder angegriffen wurde, noch weitere Geräusche hörte, bewegte sie sich nach einigen Sekunden wieder weiter, jedoch noch deutlicher darauf achtend, keine Geräusche zu erzeugen.

Plötzlich sah sie ein rötliches Licht. Erst erschrak Layla, weil sie glaubte, doch entdeckt worden zu sein, dann fiel ihr aber ein, dass ein Tier wohl kaum mit einer roten Lampe leuchten würde, wenn es sie bemerkt hätte. Ganz langsam schlich Layla weiter. Direkt auf das Licht zu.

Nach etwa 50 Meter, für die sie fast zehn Minuten benötigte, stand sie plötzlich auf einer Lichtung. Das Licht war jetzt praktisch direkt vor ihr. Sie wusste aber immer noch nicht, was dieses Licht eigentlich war. Zögernd ging Layla darauf zu. Sie wusste, dass das Tier immer noch in der Nähe sein musste. Trotzdem siegte ihre Neugier.

Verdutzt sah Layla die Lichtquelle an. Sie sah aus, wie eine fliegende, von innen beleuchtete Kristallkugel. Die Kugel war im Durchmesser nur etwa 10 cm groß. Das Licht in der Kugel flackerte sehr stark und trübte sich an der Seite durch eine Art Nebel ein, der langsam bis zur Mitte warpte, dort dann wie an einer unsichtbaren Mauer abprallte und wieder in die Ecke zurückgedrängt wurde. Dadurch ergab sich der Eindruck, als hätte das Licht eine Art Eigenleben. Layla hob den Finger und wollte die Lichtkugel berühren, da hörte sie hinter sich ein wütendes Brummen. Geschmeidig drehte sich Layla um und erstarrte. Ihre Augen weiteten sich. Vor ihr stand ein circa dreieinhalb Meter großer, mächtiger Bär. Verwundert schüttelte sie den Kopf, aber die Erscheinung blieb. Also doch kein Traum! Nur wie konnte das sein, dass dieses riesige Tier so plötzlich vor ihr stand? Sie hatte keine Spur von ihm im tiefen Schnee gefunden und auch ihre Werwolf Instinkte, die sie normalerweise recht zuverlässig vor einer Gefahr warnten, die hatten ihr keine Annäherung des Bären gemeldet. Selbst ihr wertvolles Amulett, das normalerweise bei Vorhandensein von Magie grell blau leuchtete, zeigte keine Regung.

Layla konnte in der Dunkelheit die Farbe des Bären nicht genau erkennen, glaubte aber, dass er dunkelbraun, oder dunkelgrau, vielleicht sogar schwarz sein musste. Die Augen des Bären leuchteten in demselben Farbton, wie das Licht in der Lichtkugel, wobei Layla nicht unterscheiden konnte, ob dies die wirkliche Farbe, oder nur eine Spiegelung des Lichtes war. Auf jeden Fall jagten ihr diese rot leuchtenden Augen einen mächtigen Schreck ein. Dieser riesige Bär sah aus, als würde er sie jede Sekunde angreifen. Layla wusste, dass sie in ihrer menschlichen Gestalt wohl keine Chance gegen die Bestie haben würde. Sie war zwar in ihrer menschlichen Gestalt einem Menschen in jeder Hinsicht überlegen, aber ob sie selbst als Werwolf gegen diesen Riesenbären würde bestehen können, dass war wohl mehr, als unwahrscheinlich. Für eine Verwandlung zum Werwolf blieb ihr jedoch keine Zeit, soviel war klar. Deshalb sah sich Layla nach einer Fluchtmöglichkeit um. Sie konnte aber auf Anhieb keine finden. Die nächsten Bäume waren circa 20 – 30 Meter weit entfernt. Sie wusste nicht, wie schnell der Bär war, aber die einzige Möglichkeit wäre wohl, einfach zu fliehen. Selbst in ihrer menschlichen Gestalt erreichte sie eine Geschwindigkeit, die nur ganz wenige Tiere erreichen konnten. Aber auch ein Bär soll auf kurze Strecken ziemlich schnell sein, erinnerte sie sich. Sie würde sich also ganz schön strecken müssen. Layla wollte sich gerade umdrehen, da hörte sie hinter sich ein weiteres wütendes Brummen. Sie drehte sich um die eigene Achse und sah sich einem weiterem dieser riesigen Bären gegenüber. Layla zog die Augenbrauen nach oben. Jetzt wurde es knapp. Auf der einen Seite, die noch frei war, konnte Layla einen steilen Anstieg erkennen. Zu steil, um dort einfach hinauf zu eilen und an der verbliebenen freien Seite waren die gigantischen Bären viel näher dran. Layla war klar, sie konnte diese verbliebene Fluchtmöglichkeit nur dann vor den Bären erreichen, wenn es ihr gelänge, diese mit einem Blitzstart zu überraschen. Sie spannte ihre Muskeln und wollte gerade lossprinten, da sah sie, wie sich genau an dieser Seite ebenfalls einer dieses riesigen Bär näherte. Damit saß sie in der Falle! Wie hatte sie nur so unvorsichtig in diese prekäre Lage hineinlaufen können? Es konnte unmöglich sein, dass drei so riesige Bären im Schnee überhaupt keine Spur hinterließen. Wie ein Anfänger war sie in die Falle gelaufen. Klar, sie hatte den Berichten nicht geglaubt. Es hatte aber auch so irreal geklungen, wie das Hirngespinst eines Irren. Bären gab es in der Schweiz, wie der Fall des armen JJ2, der im Jahre 2005 in den Bergen gesehen worden war, eindrücklich bewiesen hatte, aber drei bis vier Meter groß, dass hatte dann doch übertrieben geklungen. Deshalb hatte Layla auch erst gelacht, als Igor Dorojewski, ihr Chef sie vor zwei Tagen angerufen hatte.

Kapitel 2

Mann, musste dieses vermaledeite Telefon immer dann klingeln, wenn sie voll konzentriert an einer Story arbeitete. Unwillig hob Layla Méndez den Hörer ab:

„Basler Woche, Layla Méndez, wie kann ich Ihnen helfen?“

„Hallo Layla, hast Du Interesse, etwas für mich zu untersuchen?“

„Hallo Igor, würde ich ja gerne, aber ich bin gerade an einer heißen Story!“

„Das wird Dich sicher interessieren!“

Warum erreichte es Igor Dorojewski, der Direktor des Convento San José, einer Spezialorganisation, die übernatürliche Phänomene untersuchte immer wieder, nur in wenigen Sekunden ihr Interesse zu wecken und all ihre Pläne über den Haufen zu werfen? Da Layla nicht antwortete, fuhr Igor fort:

„Es ist auch gar nicht weit und es wird Dich nicht viel Zeit kosten!“

„OK. Schieß los!“

„In den Bergen ganz in der Nähe von Grindelwald ist ein Bär gesichtet worden!“

„Das ist nicht ungewöhnlich. Warum interessiert sich das Convento dafür?“

„Der Bär soll über drei Meter, wahrscheinlich sogar vier Meter groß sein!“

„Diese drei Meter kenne ich. Am Ende stellt sich dann heraus, dass es nur ein Meter achtzig waren!“

„Kannst Du trotzdem einmal nachsehen. Es haben vier Personen diesen riesigen Bären gesehen und alle sagen das gleiche.“

„Peter reißt mir den Kopf ab. Ich muss die Story morgen abgeben, sonst wird sie vor Redaktionsschluss nicht mehr fertig. Ich habe mich schon auf einen längeren Abend hier im Büro vorbereitet“

„Ich habe schon mit Peter gesprochen. Er schreibt selbst die Story fertig! Ich weiß doch, wie Du die Schreibtischarbeit hasst. Eine Abwechslung täte Dir doch sicher gut, habe ich Recht?“

„Igor, wenn Du schon alles abgeklärt hast, warum fragst Du mich dann noch?“

„Ich kenne halt Deinen Trotzkopf. Wenn man Dir etwas nicht schmackhaft machen kann, dann helfen auch keine noch so gute Überredungskünste!“

„Und genau damit habe ich meine Probleme. Ein drei Meter hoher Bär in Grindelwald. Also ich bin wirklich nicht überzeugt davon.“

„Kannst Du trotzdem dort etwas recherchieren?“

„Na gut, mache ich, aber höchstens ein oder zwei Tage!“

„Das reicht mir vollkommen!“

Damit legte Igor ohne weitere Grußworte auf. Igor war ein Meister der Effektivität. Lange Floskel, oder sogar ein Smalltalk hörte man bei ihm nie. Dass er dabei oft fast unfreundlich oder sogar unhöflich herüberkam, dass interessierte ihn nicht. Layla war ihm aber nicht böse. Sie kannte ihn besser und wusste, dass er eine Seele von Mensch war, immer bereit, seine Leute mit allem was er zur Verfügung hatte zu unterstützen.

Layla arbeite seit zwei Jahren im Nebenjob für das Convento, seit sie in Mexiko in einen Fall hineingezogen worden war, bei dem sie zum Werwolf mutierte. Sie war aber keine blutrünstige Bestie, die nichts lieber tat, als jeden Vollmond auf Menschenjagd zu gehen. Ganz im Gegenteil. Layla war ein schneeweißer Werwolf. Und sie kämpfte an der Seite des Convento gegen diese Mächte der Finsternis.

Im Hauptjob arbeitete Layla als Reporterin für die Basler Woche, einem wöchentlich erscheinendem lokalen Magazin. Peter Baumann, ihr väterlicher Freund und seit neuestem auch Schwager, war dort ihr Chef. Mittlerweile hatte der sich schon daran gewöhnt, dass Layla so Knall auf Fall plötzlich alles hinschmiss und für das Convento einen Fall übernahm. Er hatte auch gar nichts dagegen, weil dabei oft auch mal interessante Storys für die Basler Woche absprangen. Und jetzt schien der Fall direkt vor der Haustüre zu liegen, was ihm sicher gefallen würde.

Layla griff zum Telefon, um Peter anzurufen, aber der kam ihr um Sekunden zuvor. Es klopfte an der Türe und als Layla laut „Herein“ gerufen hatte, trat auch schon Peter persönlich ein. Es kam nicht sehr oft vor, dass Peter persönlich bis in ihr kleines Eckbüro kam, weshalb ihn Layla sehr überrascht ansah. Er hatte sogar ein Kaffee mitgebracht. Er kannte Laylas Leidenschaft für dieses edle Getränk. Er stellte die Tasse direkt vor Layla ab, die auch gleich einen tiefen Schluck nahm.

Peter war wie immer aus dem Ei gepellt. Layla kannte keinen Mann, der sich eleganter und geschmackvoller kleidete. Und seit er mit Ana Maria, Laylas Halbschwester verheiratet war, war er sogar noch eleganter und attraktiver geworden. Peter setzte sich an ihren kleinen Besuchertisch. Es störte ihn auch nicht, dass dieser beinahe unter den Akten und Dossiers, die Layla immer noch nicht aufgeräumt hatte, zusammenbrach.

Mit einem peinlichen Grinsen setzte sich Layla zu ihm. Peter rührte nachdenklich in seinem Kaffee. Dann sah er Layla mit fragendem Blick an und sagte:

„Also Layla, diese Geschichte mit dem Bären gefällt mir ganz und gar nicht. Es ist eine Sensationsstory, die nichts mit der Realität gemein hat. Ich weiß wirklich nicht, was ich davon zu halten habe. Wenn Du Dich dort umsiehst, dann recherchiere bitte sehr vorsichtig und gewissenhaft. Ich möchte nicht, dass uns ein riesiger Bär aufgebunden wird!“

Layla musste herzhaft über das gelungene Wortspiel von Peter lachen. Sie wusste auch sehr gut, was er meinte. Die Basler Woche war stolz für ihre gut recherchierten und ausgearbeiteten Reportagen. Mit Sensationsberichten wollten sie nichts zu tun haben. Selbst ihre eigenen Berichte über die Geschehnisse in Mexiko mit dem geheimen Pfad von Cholula und den entführten Frauen, sowie dem Bericht über die Seelenräuberin aus dem Amazonasdschungel konnte nur in einer deutlich abgeschwächten Version herausgebracht werden, obwohl sie mehr als genug Beweise für die Sensationsstory schlechthin gehabt hatten. Und wenn jetzt Layla direkt vor der Haustüre plötzlich nach gigantischen Monsterbären suchte und das dann von anderen weniger gewissenhaften Vertretern der Presse herausgefunden wurde, dann konnte das die Basler Woche ganz schön in Erklärungsnot bringen. Aber sie kannte auch Peter. Er war trotz dass er mittlerweile zum Chefredakteur aufgestiegen war, immer noch 100% Journalist. Layla erkannte, dass ihn trotz der Zweifel die Story dahinter brennend interessierte. Deshalb sagte sie:

„Natürlich, Peter, da passe ich auf. Ich bin mir auch sicher, dass ich übermorgen schon wieder hier am Schreibtisch sitzen werde. Diese Geschichte scheint mir etwas weit an den Haaren herbeigezogen!“

Peter nickte nachdenklich mit dem Kopf. Er schien das gleiche zu denken. Aber beide kannten Igor. Der rief nicht einfach nur so an, ohne ausreichende Beweise dafür zu haben. Also sagte Peter lediglich:

„Sei vorsichtig!“

Dann trank er seinen Kaffee aus und verließ Layla wieder, die nachdenklich an ihren Schreibtisch zurückkehrte. Sie merkte, dass sie gar keine Lust auf diese Recherche hatte, speziell auch deshalb, weil sie unter Arbeit wirklich zusammenbrach. Nicht nur, dass ihr Bericht für die kommende Ausgabe der BaWo noch nicht fertig war, nein, sie hatte noch einen anderen Fall, in dem sie mit ihren Recherchen einfach nicht weiterkam. Dort war noch sehr viel Arbeit zu tun. Außerdem war sich Layla gar nicht sicher, ob sich da wirklich eine interessante Story ergab, oder ob sie einfach nur ihre wertvolle Zeit verplemperte. Deshalb reservierte Layla auch gar kein Hotel, sondern nahm sich einfach ihre Jacke und ging zum Aufzug. Vielleicht war sie ja heute Abend schon wieder da. Die Strecke Basel – Grindelwald müsste sie in gut zwei Stunden schaffen. Wenn sie sich dann für weitere zwei Stunden umsah, dann konnte sie noch am Abend wieder nach Basel fahren.

*

Leider kam es dann ganz anders, als Layla es geplant hatte. Zuerst kam sie kurz vor Bern in einen riesigen Stau, der sie fast eine ganz Stunde kostete und dann begann es kurz vor Grindelwald auch noch schneien und das Mitten im April. So kam Layla dann erst am frühen Abend an und ihr war klar, dass sie nicht mehr am selben Tag nach Basel zurückkehren konnte. Zum Glück hatte wenigstens die Datenübertragung auf ihr iPhone geklappt, sodass sie wenigstens die Adressen der Personen hatte, die angeblich den Bären gesehen hatten. Doch zuerst musste sich Layla um ein Hotelzimmer kümmern. Zu ihrer großen Erleichterung hatten sie im Hotel Spinne noch ein Zimmer frei. Dieses kannte sie noch von ihrem letzten Besuch. Sie warf nur kurz ihre Tasche, die immer gepackt an ihrem Schreibtisch stand, in ihr Zimmer, dann ging Layla gleich los, um den ersten Zeuge zu befragen. Layla sah die Liste auf ihrem iPhone durch, welcher wohl der sinnvollste wäre. Sie entschloss sich, zuerst den Förster zu befragen. Er wäre wohl der kompetenteste Gesprächspartner. Layla wählte die Nummer, die ihr Igor übermittelt hatte. Nach dem zweiten Klingeln meldete sich eine sehr tiefe Männerstimme, sodass Layla zuerst den Eindruck hatte, den Bär selbst am Apparat zu haben. Sie meldete sich nicht als Reporterin der BaWo, sondern als Mitarbeiterin des Convento, das der Mann natürlich nicht kannte. Trotzdem versprach er Layla in einer Stunde in einem Kaffee ganz in der Nähe ihres Hotels zu treffen. Na, wenigstens das klappte, dachte sich Layla, als sie den zweiten Namen auf der Liste anwählte. Es war ein Forstwirtschaftsingenieur, der im Auftrag des Kantons Bern Untersuchungen über die Schäden des letzten Orkans erstellen sollte, der vor gut zwei Wochen über die Schweiz gefegt war. Auch der meldete sich sofort, wollte aber partout nicht mit einer Organisation reden, die er nicht kannte. Layla schlug ihm vor, dass ihn Igor Dorojewski der Direktor des Convento anrufen könne, um ihn die Richtigkeit der Daten zu bestätigen, aber der Mann wollte trotzdem nicht mit ihr reden. Layla akzeptierte dies, hinterließ aber mit der Bitte, ob der Mann es sich noch einmal überlegen könne, ihre Telefonnummer. Der Mann sagte ihr, dass da nicht zu überlegen sei, nahm aber trotzdem ihre Telefonnummer entgegen.

Die beiden nächsten, die den Bären gesehen hatten, waren zwei Wanderer. Ein Mann und eine Frau. Die waren im Gegensatz zu dem Beamten des Kantons auch sofort zu einem Gespräch bereit und zu Laylas Überraschung saßen sie genau in dem Kaffee, wo sie sich in einer Stunde mit dem Förster treffen wollte. Deshalb ging Layla gleich zu dem Kaffee, bei dem sie gut fünf Minuten später eintraf. Mittlerweile schneite es richtig stark und so wie es schien, blieb der Schnee auch liegen.

Als Layla in das Lokal trat, konnte sie die beiden auch sofort erkennen. Sie schienen das ganze Lokal mit ihrem Abenteuer zu unterhalten und es schien ihnen auch nicht aufzufallen, dass die Leute sie von ganzen Herzen auslachten. Auch Layla musste sich auf Anhieb ein Lachen unterdrücken. Der Mann war im Eifer des Gefechtes auf seinen Stuhl gestanden, um dort besser sehen zu können und natürlich auch gesehen zu werden. Es war auf den ersten Blick klar, dass der Mann ein furchtbarer Angeber war. Er war circa 1,90 Meter groß und Solariums gebräunt. Er hatte Kleidung an, der man auf den ersten Blick ansah, wie teuer sie war und in seinem schulterlangen, blondierten Haar war immer noch eine Ray Ban Sonnenbrille. Auch seine Freundin sah nicht anders aus. Ein Möchtegern Modell mit langen Fingernägel und mehr Schminke als Haut im Gesicht. Auch sie war aufgesprungen, um ihren Freund bei seinen Schilderungen tatkräftig zu unterstützen. Layla war von der ersten Sekunde an klar, dass sie hier eine sinnvolle Befragung vergessen konnte. Also wollte sie die beiden erst einmal beobachten. Vielleicht fand sie ja dadurch etwas heraus, dass sie dann bei dem Förster gezielt nachfragen konnte. Also setzte sich Layla an einen freien Tisch, der etwas Abseits des Spektakels lag, ihr aber trotzdem noch eine gute Sicht bot.

Augenblicklich näherte sich ihr ein Kellner. Layla sah ihm an, dass er sich nur mit Mühe ein Lachen verkneifen konnte. Deshalb fragte sie ihn, nachdem sie sich einen großen Milchkaffee bestellt hatte, direkt nach den beiden, denen offenbar immer noch nicht aufgefallen war, dass sie zum Gespött wurden. Der Kellner beugte sich verschwörerisch zu ihr herunter und sagte mit breitem Schwyzerdütsch:

„Die sind total bescheuert. Die behaupten doch tatsächlich einen riesigen Urzeitbären gesehen zu haben. Der Typ sagt, er hätte vor kurzem einen Bericht im National Geographic über diese Bären gesehen. Lustigerweise sollen diese riesigen Bären Kurznasenbären geheißen haben!“

Jetzt konnte der Kellner sein Lachen nicht mehr zurückhalten und blies Layla eine Rotweinfahne entgegen.

Layla erinnerte sich an den Bericht, den sie selbst im TV gesehen hatte. Es handelte sich bei diesem Bär um eines der größten Raubsäugetiere, die je gelebt hatte. Er hatte im Pleistozän vor circa 15'000 bis 40'000 Jahren gelebt, aber war soweit Layla sich erinnerte nur in Nordamerika heimisch gewesen.

Der Kellner entfernte sich wieder und kam kurz später mit Laylas Kaffee zurück, den die mit Genuss trank, während sie den Angeber betrachtete, der sich immer mehr in Rage redete und versuchte, jeden seiner Wörter mit eindrucksvollen Gesten zu unterstreichen. Mittlerweile schien ihm auch aufgegangen zu sein, dass die Leute ihn auslachten, doch anstatt sich hinzusetzen und verschämt die Klappe zu halten, wurde er immer noch lauter. Dann sah er plötzlich Layla und erinnerte sich offenbar an ihre Verabredung. Er sprang von seinem Stuhl herunter, näherte sich Laylas Tisch und setzte sich ungefragt zu ihr. Er sah ihr in kurz die Augen, dann aber über ihren kompletten Körper, soweit er ihn hinter dem Tisch erkennen konnte. Dann änderte sich sein Gesichtsausdruck. Offensichtlich wollte er mit ihr flirten, obwohl seine Freundin nicht einmal fünf Meter weit entfern saß. Layla kam fast die Galle hoch. Allzu oft hatte sie es in ihrer Tätigkeit als Journalistin mit solchen Prachtexemplaren der Gattung Mann zu tun. Er prostete Layla zu und sagte mit einschmeichelnder Stimme:

„Sind sie nicht die Tussi von der Spezialorganisation, die mit mir reden wollte?“

„Erst einmal bin ich keine Tussi und ich glaube, ich habe schon genug gehört!“

„Ach ja und sie wollen keinen Spezialbericht?“

„Nein, es ist wirklich nicht nötig!“

„Darf ich Sie trotzdem zu einem kleinen Sekt einladen!“

„Das ist schon zweimal nicht nötig. Ich glaube, Ihre Freundin hat ihr Glas schon leer. Der können Sie ja noch einen ausgeben!“

Der Mann sah Layla beleidigt an. Das war Layla jedoch total egal. Je eher der Mann wieder ging, desto besser für sie. Und tatsächlich stand der Mann wieder auf und ging zu seiner Freundin zurück, die ihn gleich mit einem dicken Kuss begrüßte, wobei sie es sich aber nicht nehmen ließ, Layla einen triumphierenden Blick zuzuwerfen.

Obwohl Layla sich selbst nicht als Schönheit bezeichnete, passierte es ihr leider sehr oft, dass ihre männlichen Gesprächspartner in reines Balzgehabe ausbrachen, wenn Layla sie interviewte. Layla vermutete, dass sie durch ihre Werwolf Seite eine „animalische“ Ausstrahlung zeigte, die manche Männer fast magisch anzog. Gut, Layla war mit Sicherheit nicht hässlich. Sie war circa 1,60 groß und sportlich durchtrainiert. Sie wirkte sehr jugendlich, manche sagen sogar mädchenhaft und nicht, wie eine bald 27 jährige junge Frau. Außerdem konnte sie, wenn sie wollte, mit ihren tiefblauen Augen sehr unschuldig schauen und zusammen mit ihren blonden, schulterlangen, naturgelockten Haaren, die sie gerne zu einem Pferdeschwanz zusammenband, bewirkte dies, dass sie von ihren Gesprächspartner oft unterschätzt wurde. Layla förderte dieses Image auch sehr gerne, weil sie dadurch oft an Informationen kam, die sie sonst niemals bekommen hätte. Sie besaß ein angeborenes, unerschütterliches Selbstbewusstsein, das durch ihre Werwolf Natur noch weiter vertieft worden war.

Nachdem der Angeber wieder zu seiner Freundin zurückgekehrt war, würdigte ihn Layla keines weiteren Blickes, obwohl sie merkte, dass er mit seiner Freundin über sie sprach. Layla holte ihre Tasche hervor, in der sie ihren Laptop hatte. Sie wollte bevor sie mit dem Förster sprach, schnell im Internet über Bären recherchieren. Vielleicht fand sie ja etwas, dass sie zu einigen Fragen führte, die sie dem Förster stellen wollte. Doch bevor der Laptop richtig aufgestartet hatte, klingelte plötzlich ihr Handy. Es war der Förster. Er war richtig aufgeregt, sodass Layla ihn zuerst nicht verstehen konnte, da er ebenfalls ein breites Schwyzerdütsch redete, das ihr große Schwierigkeiten bereitete. Aber dann verstand sie ihn doch. Offenbar war der Bär wieder gesichtet worden. Layla fragte den Mann, ob sie ihn begleiten könne, doch der war gar nicht begeistert. Es sei zu gefährlich. Layla fluchte innerlich. Wenn der jetzt in die Berge verschwand und sie hier zurückließ, dann konnte sie eine brauchbare Recherche vergessen. Nichts war für einen Journalisten schlimmer, als eine erkaltende Spur. Layla versuchte erst gar nicht, den Mann zu überreden. Er hatte ihr unmissverständlich klar gemacht, was er von einer Begleitung hielt. Vielleicht bekam sie aber dennoch etwas heraus. Deshalb fragte sie so unverfänglich wie möglich, wo denn diese Sichtung gewesen sein. Und tatsächlich erwischte sie den Mann in seiner Aufregung auf dem falschen Fuß, dass er ihr den ungefähren Standort nannte.

Layla rief den Kellner zu sich, um ihren Kaffee zu bezahlen. Wie nebensächlich fragte sie ihn, wie sie zu dem vom Förster genannten Standort käme, doch der Kellner meinte nur, der Ort sei mit dem Auto bei dem Wetter nicht zu erreichen, da er mitten in den Bergen läge. Trotzdem ließ sich Layla mit der Bemerkung, morgen eine Tour dorthin unternehmen zu wollen, den Weg dorthin genau erklären. Dann bezahlte sie, wobei sie dem Kellner ein saftiges Trinkgeld hinterließ, und verließ das Kaffee.

Es hatte auch weiterhin geschneit, sodass der Schnee mittlerweile fast 15 cm hoch lag. Das wäre für ihr Auto kein Problem, da sie einen BMW X5 der neusten Generation besaß, mit dem sie wohl nicht stecken bleiben würde, aber trotzdem wollte Layla versuchen, zu Fuß auf Spurensuche zu gehen. Der Standort lag wohl nur circa zehn Kilometer bergauf in Richtung First. Das war für sie als Werwolf keine Entfernung und es war ihr lieber, da sie nicht wusste wie weit sie mit dem Auto kam und sie es nur ungern in der Wildnis stehen lassen wollte.

Also ging Layla kurz in ihr Zimmer. Sie wollte sich noch umziehen. In ihren Straßenkleidern würde sie nicht weit kommen. Zum Glück hatte sie die passende Kleidung dabei. Sie zog über ihre Jeans eine schwarze Thermohose an, sowie einen edlen rosafarbenen Angora – Pullover. Darüber zog sie ihre Thermojacke. Zwei Paar dicke Socken, sowie dicke Wanderschuhe und eine dicke Mütze vervollständigen ihre Ausrüstung. Dann ging sie los. Mittlerweile war es dunkel geworden. Dafür hatte es aber aufgehört zu schneien.

Mit schnellen Schritten ging Layla in Richtung First. Nach nicht einmal einem halben Kilometer war sie am Ortsausgang. Ab hier war der Schnee natürlich nicht mehr beseitigt, aber dies stellte für sie kein Problem dar. Sie liebte es bei diesem Wetter durch die Wildnis zu wandern. Sie hatte auch gar keine Angst, dass sie sich verirren könnte. Eine ihrer besten Werwolf Sinne war das wesentlich bessere Orientierungsvermögen, das auch bei Dunkelheit hervorragend funktionierte. Außerhalb des Ortes begann Layla in einen schnellen Trab zu verfallen. Nach kurzer Zeit war der Schnee fast kniehoch. Zum Glück hatte sie das Auto im Dorf zurückgelassen. Aber auch zu Fuß war sie wesentlich langsamer, als sie es sich erhofft hatte. Der Schnee war ganz schön schwierig. Nicht dass er rutschig war, er war einfach matschig klebrig und verhinderte damit ein schneller Weiterkommen. So brauchte sie sie fast eineinhalb Stunden, bis sie in die Nähe kam, wo sie den Förster vermutete. Sein Auto hatte sie aber noch nicht gesehen. Wo war der Mann nur? Layla war sich ziemlich sicher, dass sie sich nicht verirrt hatte. Sie ging weiter, diesmal aber deutlich langsamer. Und nach circa 500 Meter stieß sie tatsächlich auf eine frische Reifenspur. Das musste der Förster sein! Layla beschleunigte wieder ihre Schritte und folgte der Spur. Nach weiteren 500 Meter sah sie auch den Wagen. Es war ein Volvo XC90. Die Fahrertüre war offen und der Motor lief noch. Layla untersuchte das Fahrzeug. Es konnte noch nicht lange her sein, dass der Förster das Auto verlassen hatte. Layla sah eine Fußspur, die in einen kleinen Wald führte. Layla folgte der Spur, die sich im Schnee deutlich sichtbar abzeichnete. Sie war noch nicht bei den Bäumen angekommen, da sah sie das Licht einer starken Taschenlampe. Rasch näherte sie sich. Der Mann hatte sie noch nicht bemerkt. Um ihn nicht zu erschrecken, rief ihm Layla laut „Hallo“ zu. Der Mann stutzte und drehte sich Layla zu. Völlig überrascht, jemanden bei dem Wetter direkt in der Wildnis zu treffen, kam er rasch näher. Er leuchtete Layla mit seiner starken Taschenlampe direkt ins Gesicht und blendete sie. Layla hob die Hand und sagte:

„Guten Abend, können Sie bitte in eine andere Richtung leuchten. Ihre Lampe ist ja heller, als ein Halogenscheinwerfer!“

„Was machen Sie denn hier?“

„Ich bin Layla Méndez. Sie müssen Herr Theiler sein!“

„Ja, der bin ich, wie kommen sie denn hierher?“

„Den Fußweg hinauf!“

„In der Dunkelheit? Bei dem Wetter? Sind Sie lebensmüde? Außerdem kann es gar nicht sein, dass sie zu Fuß hier sind. Wir haben vor nicht einmal zwei Stunden miteinander geredet. Selbst bei gutem Wetter hätten Sie zu Fuß mindestens vier Stunden hierher gebraucht. Wo ist ihr Fahrzeug?“

Layla hatte keine Lust, sich mit dem Mann über ihre Fähigkeiten zu Fuß zu diskutieren. Also wechselte sie das Thema:

„Haben Sie eine Spur von dem Bären gefunden?“

„Nein, gar nichts, aber Sie sollten wirklich nicht da sein. Es hat zwar aufgehört zu schneien, aber es ist sehr kalt.“

„Darf ich Sie trotzdem über den Bären befragen?“

„Ich habe mitbekommen, wie beharrlich Sie sein können. Mir wird ja nicht anderes übrig bleiben, aber bitte im Auto.“

„Nur wenn Sie nicht zurückfahren. Ich möchte mich hier noch etwas umsehen!“

„Sie haben wohl noch nicht verstanden, wie gefährlich das ist.“

„Trauen Sie mir bitte. Ich weiß, was ich tue!“

„OK. ich gebe Ihnen zehn Minuten. Dann muss ich zurück. Bis dahin können Sie es sich noch einmal überlegen, ob ich Sie nicht mit nach Grindelwald nehmen soll. Es wäre mir gar nicht Recht, sie hier zurückzulassen. Es ist wirklich sehr gefährlich. Aber zwingen kann ich Sie natürlich nicht.“

Damit ging er zurück zu seinem Volvo. Layla folgte ihm und setzte sich auf den Beifahrersitz. Sie überlegte sich, wie sie am besten starten konnte. Normalerweise fiel ihr dies nicht schwer ein Interview sinnvoll zu planen, aber diesmal, wo sie selbst davon überzeugt war, dass an der Geschichte außer Übertreibung nichts daran war, tat sie sich schwer. Der Förster hatte eigentlich einen ganz vernünftigen Eindruck gemacht. Kein Aufschneider, wie der Idiot im Kaffee im Grindelwald. Deshalb fragte Layla zuerst einmal:

„Wo haben Sie denn den Bären gesehen?“

„Nicht weit von hier entfernt, nur circa 5 km weiter bergauf!“

„Konnten Sie den Bären deutlich sehen?“

„Ich weiß, auf was Sie hinauswollen, Frau Méndez, aber ich habe mich nicht getäuscht. Ich habe den Bären gesehen, auch wenn ich es selbst nicht glauben kann. Selbst auf allen vieren war es gut 1,50 – 1,70 Meter groß, als er sich aufgerichtet hat, war er dann weit über drei Meter groß!“

„Was für eine Farbe hatte er?“

„Es war eine dunkle Farbe, also kein Eisbär. Aber auch kein Schwarzbär. Auch kein Grizzly. Ich kenne mich nicht gut mit Bären aus, dafür gibt es hier einfach zu wenige, aber von solch einer Art habe ich noch niemals etwas gelesen!“

„Kann es sein, dass sie jemand getäuscht hat, also z.B. ein verkleideter Mensch, oder eine Pappattrappe oder ähnliches?“

„Sicher kann ich da natürlich nicht sein, aber ich glaube es nicht. Ich war zwar gut 200 Meter weit weg, aber die Bewegungen des Bären kamen mir sehr flüssig und natürlich vor!“

„Es tut mir leid, aber ich muss Sie das fragen: Hatten Sie etwas getrunken?“

Der Förster sah Layla mit einer Mischung aus Unverständnis, Wut, Empörung und verletztem Stolz an, antwortete aber nicht auf Laylas Frage. Dann senkte er aber den Blick. Layla hatte also offenbar ins Schwarze getroffen. Dann sah sie der Mann wieder an:

„Seit zweiundzwanzig Jahre bin ich Förster, ich habe mir niemals etwas zu schulden kommen lassen!“

Layla nickte. Der Mann fühlte sich ganz offensichtlich ertappt. Es war ihm peinlich. Er tat Layla leid. Sie war sich sicher, dass er normalerweise seinen Dienst sehr zuverlässig erledigte, aber trotzdem war sie nicht bereit, ihm jetzt auch nur noch ein Wort an seinen Behauptungen zu glauben. Nur zu oft hatte sie miterleben müssen, wie sehr der verfluchte Alkohol die Urteilsfähigkeit von Menschen beeinträchtigte. Für Layla war somit der Fall klar. Es gab keinen Riesenbären! Zur Sicherheit würde sie sich hier noch etwas umsehen, dann ins Hotel gehen, auf Igors Kosten gut zu Abend essen, schlafen und dann am frühen Morgen nach Basel zurückkehren.

Kapitel 3

Wie hatte sie sich nur so täuschen können? Warum in Gottes Namen hatte sie dem Förster nicht geglaubt, der eigentlich ganz vernünftig geklungen hatte. Jetzt saß sie in der Falle. Die Bären kamen langsam auf sie zu. In jeder ihrer Bewegungen konnte sie die Drohung verstehen, dass die riesigen Tiere sie bei der kleinsten Bewegung sofort angreifen und in Stücke reißen würden.

Layla schielte zu dem letzten freien Teil mit dem steilen Anstieg. Es war unmöglich dort hinauf zu klettern. Layla versuchte einzuschätzen, ob sie wenigstens ein paar Meter würde hinauf springen könnte. Sie brauchte nur wenige Sekunden, um sich in einen Werwolf zu verwandeln. So schnell, wie im zweiten Teil der Twillight-Saga von Stephenie Meyer, wo der Werwolf sich praktisch im Sprung verwandelte, ging es natürlich nicht. Im Normalfall schaffte sie es aber, wenn sie unter Druck war, in weniger, als einer Minute. War das zu schaffen? Konnte sie eine Minute herausschlagen? Es blieb ihr wohl keine andere Alternative, als es zu versuchen.

Layla sprang ab und rannte auf die Steigung zu. Die Bären reagierten unglaublich schnell und nahmen fast im selben Moment die Verfolgung auf. Trotzdem war Layla schneller. Sie sprang ab und fand tatsächlich halt. Sie zog sich den Schwung nutzend weiter. Der Schlag des gigantischen Bärs ging nur Zentimeter an ihrem Bein vorbei. Layla wollte noch weiter nach oben klettern, kam aber auf dem Schnee ins Rutschen. Der Bär holte zu einem weiteren Schlag aus. Layla sah nur noch eine Chance und sprang ab. Dadurch überraschte sie den Bären. Sie flog nicht einmal einen halben Meter an seiner schlagbereiten Tatze vorbei. Doch die anderen Bären waren nicht weit entfernt. Layla rollte sich ab, kam auf die Füße und begann loszurennen. Auf die Stelle zu, an der der Bär gewesen war, der nach ihr geschlagen hatte. Dort hatte sich eine Lücke aufgetan, die Layla nutzen wollte.

Einer der beiden verbliebenen Bären versuchte ihr den Weg abzuschneiden. Layla war geschockt. Das zeigte, dass es sich nicht nur um riesige Biester, sondern um riesige, intelligente Biester handelte. Layla machte einen Bogen, um den Bär auszuweichen, bemerkte dann aber, dass der dritte Bär von der anderen Seite herbeigestürmt kam, um sie in die Zange zu nehmen. Und die Bären waren schnell. Unglaublich schnell! Layla wurde klar, dass sie den rettenden Wald wohl nicht erreichen würde, bevor sie die Bären gestellt hatten. Sie warf sich im vollen Lauf zurück und kam im Schnee ins Rutschen. Und genau das rettete ihr das Leben. Denn der dritte Bär versuchte gerade, sie mit seinen mächtigen Pranken zu schlagen. Wo kam der denn so schnell her? Diese Monster waren also nicht nur riesig und intelligent, sondern auch übernatürlich schnell. Layla fiel zu Boden und der riesige Bär rollte über sie hinweg, wobei sie seine mächtige Tatze nur um Haaresbreite verfehlte.

Layla sprang wieder auf die Beine, machte eine halbe Drehung und rannte in genau die entgegen gesetzter Richtung. Hinter sich hörte sie das wütende Brummen der Bären. Offenbar hatten die sich schon, wie die sicheren Sieger gefühlt. Doch lange konnte sich Layla nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Sie hörte schwere Schritte hinter sich. Die Bären hatten die Verfolgung wieder aufgenommen. Layla holte alles aus sich heraus, aber selbst Werwolf Geschwindigkeit schien nicht genug. Wie sie den näher kommenden Schritten entnehmen konnte, holten die Bären schnell auf. Da sah Layla einen Baum. Nicht sehr hoch, aber vielleicht doch hoch genug. Sie machte wieder eine scharfe Kurve und rannte mit unverminderter Geschwindigkeit auf den Baum zu. Als sie kurz vor dem Ziel ist, sprang sie ab, bekam den unteren Ast zu fassen und zog sich im selben Moment hoch. Dann begann der Baum auch schon heftig zu wackeln. Die Bären waren da! Layla kletterte, so schnell sie konnte, noch einige Meter nach oben, dann leitete sie sofort die Verwandlung ein, die auch sofort einsetzte. Es gestaltete sich als recht schwierig, sich während der Verwandlung am heftig wackelnden Baum auch noch festzuhalten, aber trotzdem gelang es Layla. Und genau in der Sekunde, als die Verwandlung komplett war, brach der Baum unter dem Gewicht des Bären zusammen, der wohl, wie Layla schätzte eine ganze Tonne wog. Layla wurde herunter geschleudert. Elegant drehte sie sich in der Luft und sah zwei der Bären. Offenbar war ihr wirklich nur einer hinterher geklettert, während die anderen unten den Baum bewachten. Layla streckte ihre Hände mit den mächtigen Krallen nach vorne und flog auf einen der Bären zu. Sie konnte noch kurz dessen Augen aufblitzen sehen, als sie ihn voll traf. Sie umschlang ihn mit beiden Armen, während ihre scharfen Reißzähne zubissen. Doch leider ist das Fell des Bären so dick, dass weder die Krallen, noch ihre langen Reißzähne einen nennenswerten Schaden anrichteten. Der Bär schüttelte sich, wie ein nasser Hund und Layla flog im hohen Bogen davon. Noch in der Luft machte Layla ein halbe Drehung, kam dadurch auf den Füssen auf und griff sofort wieder an. Der Bär schlug nach ihr, aber Layla tauchte geschickt unter dem Schlag hindurch und sprang den Bären wieder an. Diesmal waren dessen Augen ihr Ziel. Der Bär konnte sich im letzten Moment wegdrehen, sodass ihr Schlag nicht voll traf. Ihre Krallen blieben in der Augenbraue des Bären hängen. Der Bär schrie auf und noch bevor er Layla wieder abschütteln konnte, holte sie mit der anderen Hand aus und schlug nochmals zu. Und diesmal traf sie voll. Ihre Krallen drangen tief in das linke Auge des Bären ein. Layla ließ aber sofort wieder los und ließ sich fallen. Keine Sekunde zu früh, wie die mächtige Pranke bewies, die mit Brachialgewalt über sie hinwegsauste. Der zweite Bär hatte nach ihr geschlagen. Kaum auf dem Boden, stieß sich Layla jedoch sofort wieder ab. Diesmal war der zweite Bär ihr Ziel. Doch der hatte besser aufgepasst, als sein Kamerad. Er drehte schnell den Kopf zur Seite, sodass Laylas Angriff ins Leere ging. Dann schlug er wieder mit seiner mächtigen Pranke zu. Layla sah diese Tatze, die dick wie ein Baumstamm war, auf sich zukommen. Im letzten Moment konnte sie den Kopf ducken. Die scharfen Krallen streiften ihr nur leicht über den Pelz. Dann war Layla in Schlagweite. Mit all ihrer Kraft zielte sie mit den scharfen Krallen auf die Nase des Ungetüms. Und der Schlag traf voll. Die Werwolf Krallen hinterlassen vier lange, tiefe, blutige Striemen und der Bär schrie vor Schmerz auf. Wütend schlug er nach Layla, aber der Schlag war hastig und nicht gut gezielt, sodass Layla mühelos ausweichen konnte. Sie schlug noch einmal in Richtung der Augen des Bären, aber bevor der Schlag ankam, traf sie ein mächtiger Schlag, der ihr die Luft aus den Lungen drückte. Der dritte Bär hatte in den Kampf eingegriffen. Layla flog quer über die Lichtung. Verletzt hatte sie der Bär nicht, obwohl ihr die komplette linke Seite wehtat. Deshalb gelang es ihr diesmal auch nicht, elegant wieder auf die Füße zu kommen. Mit Schrecken bemerkte Layla, dass sie am Ende ihrer Kraft war. Der größte Nachteil ihrer Werwolf Gestalt war der unglaublich hohe Energieverbrauch. Deshalb brauchte Layla eine Unmenge an Kalorien, wenn sie sich in einen Werwolf verwandelte. Das war ja an sich ein Traum für jede Frau, aber für Layla war dies fast ein Alptraum. Waren nämlich diese Kalorien verbraucht, schaltete ihr Körper auf den Energiesparmodus und sie verwandelte sich spontan in ihre menschliche Gestalt, in der sie wesentlich weniger Energie verbrauchte. Layla hatte zwar am Mittag sehr gut und reichlich gegessen, aber das Abendessen war bis auf den Kaffee in Grindelwald ausgefallen. Sie war von den Ereignissen einfach überrollt worden und hatte keine Zeit dazu gehabt. Und jetzt war es wohl fast soweit. Ihre Energiereserven waren fast aufgebraucht. Ihr musste schleunigst die Flucht gelingen.

Layla drehte sich zu den Bären um. Der Bär, den sie am Auge verletzt hatte versuchte mit Schnee die Wunde zu kühlen, machte aber keine Anstalten mehr, Layla anzugreifen. Auch der, dem sie die tiefen Wunden an der Nase verabreicht hatte, war jetzt deutlich vorsichtiger, wie Layla aus seiner Körperhaltung schließen konnte. Nur der dritte, noch unverletzte Bär war noch in seinem Kampfeswillen ungebrochen.

Leider war Layla nach dem Schlag genau wieder vor der unüberwindlichen Steigung gelandet, sodass sie nicht einfach davon laufen konnte. Sie würde also kämpfen müssen.

Der Bär richtete sich zu seiner vollen Größe auf und ließ ein drohendes Brummen hören. Offenbar wollte er Layla einschüchtern. Die sah in aber nur mit gefletschten Zähnen an. Sie wollte keine weitere Energie mit solchen Spielchen verbrauchen. Layla merkte, wie langsam wieder Kraft in ihren Körper floss. Sie hatte also noch Reserven. Es war auch gut, dass es ihr nicht kalt war. Zum Glück war der Mythos aus den Hollywood Horrorfilmen, wo sich ein Werwolf bei seiner Verwandlung die zerfetzten Kleidungsstücke von Leib riss, nicht war. Layla war in ihrer Werwolf Gestalt zwar etwas größer, aber nicht so groß, dass ihre Kleidung zerriss. Vorsorglich kaufte Layla ihre Kleidungsstücke immer eine Nummer größer. Nur die Schuhe waren wegen der Krallen etwas eng und drückten.

Langsam begannen sie die Bären zu umkreisen. Aber noch griffen sie nicht an. Laylas Kampfkraft hatte sie wohl doch überrascht und hatte sie vorsichtiger werden lassen. Der an der Nase verletzte Bär lief auf allen vieren, während der andere sich immer noch aufgerichtet hielt, was Layla sehr wunderte, da er so zwar imposant, aber wesentlich weniger beweglich aussah. Das war Laylas Chance! Mit zwei schnellen Sprüngen war sie bei ihm und bevor er reagieren konnte, schlug sie ihm die Krallen beider Tatzen in den Bauch. Sie glaubte zu erkennen, dass das Fell dort wesentlich weniger dicht war. Dann bekam Layla aber schon den nächsten Schlag ab, der sie wieder quer über die Lichtung fliegen ließ. Hart landete sie im Schnee. Noch bevor sie sich abrollen konnte, sah sie aus dem Augenwinkel einen mächtigen Körper auf sich zufliegen. Der an der Nase verletzte Bär griff sie wieder an. Blitzschnell drehte sich Layla zur Seite. Einen Bruchteil einer Sekunde später landeten zwei riesige Tatzen genau dort, wo sie kurz vorher noch gelegen hatte. Layla sprang auf die Füße und griff den Bären sofort wieder an. Diesmal konnte sie ihn gar nicht verfehlen. Tief drangen ihre Krallen in das rechte Auge des riesigen Bären. Sie konnte noch Blut spritzen sehen, dann traf sie der nächste Schlag, der sie wieder zurückweichen ließ. Zum Glück hatte dieser Schlag nicht voll getroffen, sondern sie mehr oder weniger nur gestreift. Layla bemerkte, dass sie am Ende ihrer Kraft war. Jeden Moment musste die Rückverwandlung einsetzen. Nur wacklig konnte sie sich auf den Beinen halten. Sie drehte sich um und sah, dass der Bär blutend im Schnee liegen blieb. Wo war der dritte Bär. Der, dem sie in den Bauch geschlagen hatte. Layla wusste, dass sie ihn getroffen hatte, hatte aber keine Ahnung, ob sie damit Erfolg gehabt hatte. Langsam drehte sie sich um. Der Bär stand circa drei Meter von ihr entfernt auf allen vier Füssen. Er fletschte die Zähne. Aber er griff nicht an. Da sah Layla eine riesige Blutlache unter ihn, die sie vor Freude aufheulen ließ. Sie hatte ihn tatsächlich verletzt und nach der Größe der Blutlache zu schließen, erheblich. Der Bär brummte sie wütend an. Offensichtlich wollte er noch nicht aufgeben. Plötzlich bemerkte Layla, dass die Rückverwandlung einsetzte. Sie fiel auf die Knie, wissend, dass sie dem Bären jetzt schutzlos ausgeliefert war. Während der Verwandlung, die ihre ganze restliche Energie verbrauchte, konnte sie sich normalerweise nicht rühren. Doch der Bär machte keine Anstalten, sie anzugreifen. Er sah vielmehr fasziniert zu, wie aus dem Werwolf ein Mensch wurde. Kurz später war die Verwandlung komplett und Layla kniete wieder als Mensch im Schnee. Mühsam kam sie auf die Beine. An eine Flucht war jetzt nicht mehr zu denken. Ihre Beine waren schwer, wie Blei. Aber auch die Bären schienen schwer angeschlagen zu sein. Trotzdem begannen sie langsam, Layla einzukreisen, die verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit suchte. Aber es gab keine. Sie stand mitten auf der Lichtung, die Bären nur etwa drei bis vier Meter von ihr entfernt.

Da fiel Laylas Blick auf die rot leuchtende Kristallkugel, die immer noch mitten in der Luft schwebte. Offenbar hatten die Bären mit der Kugel zu tun. Fast schien es sogar so, als würden sie die Kugel bewachen. War dies eine Chance für Layla? Die Kugel war nur etwa zwei Meter von ihr entfernt. Sie würde sie auf jeden Fall vor den Bären erreichen. Die Bären hatten offensichtlich ihren Blick bemerkt, denn sie wurden plötzlich wieder aggressiver. Also doch! Ohne zu zögern sprang Layla vor und griff nach der Kugel. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass genau in diesem Moment alle drei Bären wütend auf sie zusprangen, die Krallen zum vernichtenden Schlag erhoben.

Kapitel 4

Layla sah nur noch Farbkreisel sich herum, wobei es ihr unmöglich erschien, eine Farbe zu definieren. Es waren Orange-, Scharlach- und brillante Rottöne, aber sie sah auch Violett, Blau und Türkis, ja sogar Braun und Schwarz. Alles um sie herum war in Bewegung. Layla wurde schwindlig, aber trotzdem konnte sie die Augen nicht schließen. Sie konnte überhaupt so wie es schien keine einzige Faser ihres Körpers rühren. Layla begann zu schreien, konnte aber selbst kein Geräusch hören. Was passierte mit ihr? Hatten sie die Bären angegriffen? Nein, offenbar nicht. Sie spürte keinen Schmerz. War sie schon tot? Nein, auch nicht, sie konnte ihren Körper ganz genau spüren. Was war es dann? Layla hatte keine Ahnung. Das einzige, was definitiv klar war, war, dass dieser Zustand mit der Kugel zu tun haben musste. Nur was?

Dann war plötzlich alles vorbei. Genau so schnell und unvorbereitet, wie es begonnen hatte. Layla war immer noch schwindlig. Deshalb schloss sie zuerst einmal die Augen.

Dann fielen ihr die Bären ein und sie versuchte verzweifelt auf die Beine zu kommen. Das misslang ihr jedoch vollkommen und sie fiel wieder hart auf den Boden. Es hatte keinen Zweck. Sie würde sich im Moment nicht rühren können. Tief atmete Layla durch, jede Sekunde den tödlichen Schlag der Bären erwartend. Aber der Schlag kam nicht. Vorsichtig öffnete Layla die Augen. Zuerst sah sie alles nur verschwommen und ein grelles Licht blendete sie, aber als sie dann ihre Sehfähigkeit zurückerlangte, konnte sie nicht glauben, was sie sah. Der Schnee war verschwunden. Restlos aller. Doch das war nicht das einzige. Auch die Bäume um sie herum waren verschwunden, genau so wie die Berge. Zu ihrer Erleichterung bemerkte Layla, dass auch die Bären nicht mehr da waren. Es schien fast so, als wäre sie an einem total anderem Ort. Nur wo? Mühsam stand Layla auf und sah sich um. Sie stand mitten auf einem Feld, auf dem offensichtlich Gemüse angebaut wurde. Doch warum war dieses Gemüse voll im Wachstum, wie im Frühsommer? Auch die Bäume, die Layla in einiger Entfernung sehen konnte, zeigten eine komplette Baumkrone voller grüner Blätter. Jetzt bemerkte Layla auch, dass es sehr warm war, fast sogar heiß. Sie begann in ihrer Schneekleidung zu schwitzen. Aber dies interessierte sie im Moment nicht wirklich. Sie wollte nur wissen, was passiert war und wo sie gelandet war. Offensichtlich hatte sie die Kristallkugel an einen anderen Ort teleportiert. Nur wohin? Layla schloss auch kurz der Gedanke durch den Kopf, dass sie träumte, oder im Koma lag, aber da sie ihren Körper mit all seinen Schmerzen genau spüren konnte, verwarf sie diese Idee schnell wieder. Layla drehte sich um die eigene Achse, konnte aber außer dem Feld, und einem Wald, der das Feld umgibt, nichts erkennen. Na, wenn es ein Feld gab, dann gab es hier sicher auch Menschen, dachte sich Layla.

Langsam ging sie auf den Wald zu, wobei sie immer noch, wie betrunken schwankte. Dort angekommen ließ sie sich erst einmal in den Schatten fallen. Ihr Magen knurrte. Sie brauchte dringend etwas zu essen. In ihrer Tasche hatte sie einen Energieriegel. Solche eine Notration hatte sie seid sie ein Werwolf war, immer bei sich. Sie riss die Verpackung auf und stopfte sich den Riegel in den Mund. Fast ohne zu kauen, schluckte sie ihn hinunter. Natürlich war dieser Happen bei weitem nicht genug, aber er stillte wenigstens ihren größten Hunger.

Layla zog ihre warme Jacke aus und schlang sie sich um die Taille. Die Handschuhe und die Mütze verschwanden in einer der großen Taschen ihrer Hose. Dort fand sie auch ihre Sonnenbrille, die sie aufsetzte, da sie die Sonne immer noch blendete.

Ganz leise hörte Layla einen Bach plätschern, der in westlicher Richtung von ihr liegen musste. Langsam ging Layla in diese Richtung und nur wenig später hatte sie den Bach wirklich erreicht. Sie kniete sich nieder und trank einen großen Schluck. Das Wasser schmeckte einfach nur herrlich. Da bemerkte sie einen großen Fisch, der sie mit seinen Glubschaugen ansah. Blitzschnell griff Layla zu und bekam ihn wirklich zu fassen. Sie schlug ihn auf einen Stein und tötete in damit. Dann nahm sie ihr Schweizer Taschenmesser hervor und begann ihn auszunehmen. Als sie fertig war, begann sie ihn roh zu verzehren, was ihr als Werwolf keine Schwierigkeiten bereitete. Daraufhin wusch sie sich im Bach. Langsam kehrten ihre Kräfte zurück. Das war wirklich knapp gewesen. Layla konnte von Glück sprechen, dass sie noch lebte. Aber nichtsdestotrotz wusste sie immer noch nicht, wo sie eigentlich war. Layla beschloss am Bach entlang zu gehen. Dort musste sie einfach irgendwann auf Menschen treffen. Nur in welche Richtung? Links oder Rechts? Egal, jeder Weg konnte richtig, aber auch falsch sein. Also drehte sie sich kurzentschlossen nach links.

Nach circa 200 Meter traf sie tatsächlich auf einen Weg. Es war ein uralter unbefestigter Wanderweg. In welche Richtung sollte sich Layla jetzt wenden? Sie hatte keine Ahnung. Unschlüssig wandte sie sich wieder nach links, aber dann hörte sie plötzlich aus der anderen Richtung ein Geräusch. Es war noch sehr weit entfernt, aber sie glaubt doch ein Pferd erkannt zu haben. Da fiel ihr auf, dass auf dem Weg sehr viele Pferdespuren zu sehen waren. Selbst Pferdeäpfel waren zu sehen. Na, das musste ja eine ländliche Gegend sein, in der sie gelandet war, dachte sich Layla und ging in die Richtung, aus der sie das Pferd gehört hatte.

Das Geräusch wurde sehr schnell lauter, was Layla verriet, dass das Pferd ihr wirklich entgegen kam. Mittlerweile konnte sie sogar erkennen, dass das Pferd offenbar vor einen Wagen geschnallt war. Sie hörte auch, dass ein Mensch versuchte, das Pferd anzutreiben. Es sah so aus, also ob der Wagen sehr schwer war und das Pferd sich ganz schön anstrengen musste, voranzukommen. Das musste ja eine Gegend sein, dachte sich Layla nochmals. Weitere zwei Minuten später konnte Layla dann das Pferd sehen, das genau auf sie zukam. Als es Layla sah, legt es die Ohren an und wieherte. Der Wagen brachte sie fast zum Lachen. Er bestand aus Holz, und schien uralt zu sein. Die Räder waren schräg und laufen unrund. Dadurch wurde die Ladung ziemlich durchgeschüttelt. Dann sah Layla den Mann und bleibt überrascht stehen. Der Mann war ungefähr 40 – 50 Jahre alt und wirkte sehr ungepflegt. Seine hellbraune Hose, die so schien, als sei sie in einem Stück aus einem Tuch geschnitten und mit groben Stichen an der Seite zusammengenäht worden, war voller Flecken und hatte riesige Löcher. Auch das schmutziggraue Hemd, das irgendwann einmal weiß gewesen sein musste, stand vor Dreck. Außerdem hatte der Mann eine dunkelgraue, grob gewebte Weste aus einem groben Leder an und hatte einen braunen, unförmigen Filzhut auf dem Kopf. An den Füssen hatte der Mann unförmige Holzschuhe. Als der Mann Layla sah, blieb ihm der Mund vor Staunen offen stehen. Dann sagte er in einen eigentümlichen Dialekt, den Layla kaum verstand:

„Holla, junge Maid, wohin des Weges?

Was war den das für eine Aussprache? Es klang zwar wie Deutsch und Layla konnte den Sinn auch verstehen, aber die Aussprache war so deutlich unterschiedlich, dass ihr dies sehr schwer fiel. Layla verstand gar nichts mehr. Wo war sie gelandet? Wo wurde solch ein Dialekt gesprochen? Wo gab es solch arme Leute, die noch mit Pferden ihre Waren transportierten? Es kam Layla kurz der Gedanke, dass sie vielleicht sogar einen Zeitsprung gemacht haben könnte. Deshalb fragte sie den Mann erst einmal:

„Guter Mann, können Sie mir vielleicht sagen, wo ich eigentlich bin?“

Der Mann sah sie genau so überrascht an, wie Layla ihn angesehen hatte. Er hatte offensichtlich die gleiche Schwierigkeiten Layla zu verstehen. Er sah Layla mit zweifelndem Blick an, dann sagte er:

„Wie ich sehe, sind Sie etwas verwirrt. Ihre Kleidung ist wohl eher für den Winter geeignet und das Mitten im Juni. Sind Sie etwa krank? Benötigen Sie Hilfe?“

„Das ist nett, Danke, aber ich bin nicht krank. Ich habe mich, sagen wir mal so, etwas verirrt. Ich möchte nur wissen, wo ich bin!“

„Sie befinden sich im Wald des Königs in der Nähe von Griendvolt.“

König? Griendvolt? Da stimmte ja überhaupt nichts mehr überein! Layla kannte sich nicht gut in der Schweizer Geschichte aus, aber sie glaubte sich zu erinnern, das Grindelwald irgendwann im 12 Jahrhundert als Grindelwald gegründet wurde und dass es mit Sicherheit dort niemals einen König gegeben hatte. Gab es einen anderen Ort mit einem solch ähnlichen Namen, der einen König gehabt hatte? Layla meinte dies verneinen zu können. Aber wo war sie dann? Die Kleidung des Mannes ließ auf das Mittelalter schließen. War sie wirklich in der Zeit zurückgereist, so wie sie es aus einigen Hollywood Filmen kannte. Layla hatte gar keine Ahnung. Es kam ihr wieder kurz der Gedanke, sie könnte träumen, aber da sie immer noch die Schmerzen in ihrem kompletten Körper spürte, war sie einhundertprozentig sicher, dass dies nicht der Fall war. Zur Sicherheit zwickte sie sich noch einmal. Der scharfe Schmerz zeigte ihr, dass sie Recht hatte. Sie träumte nicht. Also Zeitreise. Nur wohin? Sie sah den Mann nochmals an, der sie mit unverhohlener Neugier betrachtete. Layla lächelte freundlich, dann fragte sie:

„Entschuldigen Sie bitte, aber ich weiß nicht, wo Griendvolt liegt, können Sie mir dies bitte erklären!“

„Wie kann es sein, dass Sie Griendvolt nicht kennen, junge Maid, da es doch die Hauptstadt des Reiches ist. Sie sind wohl wirklich ernsthaft krank und benötigen einen Heiler. Ich werde Sie direkt dorthin bringen, wenn es Ihnen beliebt!“

„Nein, mir geht es wirklich gut. Vielen Dank. Auch wenn das nicht so scheint. Nur eine Frage noch und die wird Ihnen mit Sicherheit wieder reichlich komisch vorkommen. Welches Jahr haben wir denn?“

Der Mann sah Layla jetzt mit deutlich sichtbaren Unbehagen an. Sie sah auch, dass er heimlich nach seiner Peitsche griff. Trotzdem antwortete er:

„Wir sind im Jahre 2012!“

Jetzt blieb Layla der Mund offen stehen. Wenn der Mann Recht hatte, dann war sie gar nicht in die Vergangenheit sondern in die Zukunft gereist. Und zwar offenbar nur circa drei bis vier Monate. Das war unmöglich! absolut unmöglich! Layla verstand überhaupt nichts mehr. Da würde sie einiges herauszufinden haben. Sie lächelte den Mann nochmals an und fragte:

„In welcher Richtung liegt denn Griendvolt?“

Der Mann deutete wortlos in die Richtung, aus der er gekommen war. Layla dankte ihm und ging davon. Sie hörte, wie der Mann dem Pferd die Peitsche auf den Rücken schlug, was sie fast dazu brachte, wieder umzukehren und den Mann zu belehren, dass auch ein Pferd ein Anrecht auf eine gute Behandlung hatte, aber im Moment schwirrten ihr unglaublich viele Gedanken durch den Kopf. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war, und bevor sie versuchen konnte, zurückzukehren, musste sie dies zuerst einmal herausfinden. In was war sie da bloß wieder hineingeschlittert?

Layla machte einen ersten Test und nahm ihr iPhone heraus. Natürlich hatte es keinen Empfang. Das wäre auch zu schön gewesen. Aber sie hatte noch eine andere Art der Kommunikation. Eine, die von aller Technik unabhängig war. Sie konnte über weite Entfernung, sogar über Kontinente hinweg telepathisch Verbindung mit ihrer Halbschwester Ana Maria aufnehmen. Layla konzentrierte sich, doch sie spürte nichts. Das konnte nicht sein! Nur wenn Ana Maria in tiefer Bewusstlosigkeit war, konnte sie nichts spüren. Selbst wenn die Schwester schlief, konnte sie deren Träume sehen, und wenn sie nichts träumte, dann konnte sie sie wenigstens fühlen. Layla merkte, wie langsam die Panik in ihr aufstieg. Es konnte einfach nicht sein. Was war passiert? Was hatte ihre Welt so gründlich auf den Kopf gestellt?

Layla versuchte sich zu beruhigen. Es brachte nichts, wenn sie jetzt durchdrehte. Sie würde halt versuchen müssen, soviel, wie möglich herauszufinden. Erst wenn sie wusste, was geschehen war, konnte sie etwas dagegen unternehmen.

Layla steckte ihr iPhone wieder ein und ging weiter in die Richtung, die der Mann ihr gezeigt hatte. Nach circa 200 Meter begann der Weg steil anzusteigen. Jetzt war Layla klar, warum das arme Pferd sich hatte so abmühen müssen. Auf diesem mit tiefen Furchen durchzogenen Weg diesen alten Wagen hinab zu fahren. Das musste ganz schön schwierig gewesen sein.

Layla selbst kam bei dem Anstieg ganz schön ins Schwitzen, zum einen natürlich durch ihre unpassende Kleidung, aber Layla merkte auch, dass ihr Körper sich von den Strapazen des Kampfes mit den riesigen Bären noch nicht ganz erholt hatte. Nach circa 500 Meter, für die Layla fast zehn Minuten benötigte, wurde der Weg wieder flacher und weitere einhundert Meter später stand sie auf der Kuppe. Was sie dort zu sehen bekam, verschlug ihr die Sprache.

Sie sah ein weitläufiges Tal, in dessen Zentrum idyllisch eine kleine Stadt lag, die von einer imposanten Stadtmauer umgeben war. Im Zentrum der Stadt war ein ovaler Platz, der soviel Layla erkennen konnte mit Steinen gepflastert war. Direkt in der Mitte des Platzes war eine riesige Eiche, die absolut perfekt gewachsen schien. Majestätisch hob sie ihre Zweige in die Höhe. Layla schätzte, dass der Baum gut über 30 Meter hoch war. Er musste uralt sein. Layla meinte sich zu erinnern, dass diese Bäume bis zu 1000 Jahre alt werden konnten.

Was Layla sonst noch auffiel war, dass es keine sichtbare Kirche gab. Kein Kirchturm, rein gar nichts, was auf eine Kirche deuten könnte.

Von ihrer Position aus konnte sie dagegen viele Menschen erkennen, die offenbar ihrer Arbeit nachgingen. Soweit sie es erkennen konnte, waren all diese Menschen ähnlich gekleidet, wie der Mann mit dem Pferdewagen. Sie sah auch Kinder, die auf dem Dorfplatz spielten, die in ähnlicher Art gekleidet war. Was Layla außerdem auffiel war, dass keine der Kleidungsstücke, die sie sah eine bunte Farbe hatte. Es waren ausschließlich Brau- und Oliv Töne in verschiedenen Farbtiefen, aber ansonsten keine weiteren Farben.

Die Stadt sah wahrhaftig aus, wie direkt aus dem Mittelalter importiert. Wie konnte es dann sein, dass es, wie der Mann sagte, das Jahr 2012 war? Hatte sich Layla da verhört oder ihn falsch verstanden? Nein, sie war sich sicher, dass dies nicht der Fall war, obwohl es sehr schwierig gewesen war, den Mann aufgrund seines seltsamen Dialekts, zu verstehen. Er hatte eindeutig 2012 gesagt.

Direkt hinter der Stadt konnte Layla einen Fluss sehen. Da Sommer war, führte der Fluss nicht viel Wasser, er schien aber recht breit zu sein. Layla vermutete, dass er direkt aus den Bergen kam, die Layla hinter der Stadt aufragen sah. Angrenzend an den Fluss war eine beeindruckende Steilwand aus purem Gestein. Layla schätzte, dass die mindestens 200 – 250 Meter hoch ein musste. Und auf der Höhe dieser Steilwand war eine weitläufige Burg. Layla konnte blaue Fahnen im Wind wehen sehen, die ein Wappen zeigten, dass Layla auf diese Entfernung jedoch nicht erkennen konnte. Dort musste der erwähnte König wohnen. Layla konnte auf den ersten Blick keinen erkennbaren Weg zur Burg ausmachen, dann fielen ihr aber zwei Dinge auf. Erstens: Vom zentralen Platz aus führte eine breite Straße direkt in Richtung der Burg. Dieser Weg war wie der Platz höchstwahrscheinlich mit Steinen gepflastert, während alle anderen Wege keine Pflasterung zeigten, sondern nur aus gepresster Erde bestanden. Auf dieser Prachtstraße war kein Mensch. Das war seltsam, da alle anderen Straßen regelrecht verstopft schienen. Selbst auf einem engen Weg, der parallel zu der Prachtstraße entlanglief, war ein regelrechter Verkehrsstau.

Das zweite das Layla auffiel war, dass von der Prachtstraße eine imposante Brücke über den Fluss führte, die auf den ersten Blick ins Nichts führte. Dann erkannte Layla bei näherem Hinsehen jedoch, dass diese Prachtstraße hinter der Brücke eine scharfe Kurve nach rechts machte. Offenbar war dies der Weg zur Burg hinauf. Und dieser Weg war von ihrer Position aus nicht einzusehen. Er musste jedoch, so schätzte Layla, sehr steil und mühsam sein.

Halbrechts von der Burg, fast noch höher im Berg, war ein weiterer Gebäudekomplex. Dieser schien direkt in den Felsen gehauen zu sein. Layla hatte keine Ahnung was sich dort befinden konnte. Es waren keine Fahnen zu erkennen und soweit Layla von ihrer Position erkennen konnte war dieser Gebäudekomplex nur sehr schwer zu erreichen. Trotzdem schien er bewohnt zu sein.