Das Teufelslabyrinth - John Saul - E-Book

Das Teufelslabyrinth E-Book

John Saul

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Beschreibung

Es führt direkt in die Hölle...

Im vierten Jahrhundert fand man es in den Katakomben Roms. Es findet sich auf einer spanischen Schriftrolle des sechzehnten Jahrhunderts. Jetzt wurde es unter einer alten Klosterschule in Boston entdeckt – für jene, die im Labyrinth des Teufels gefangen sind, ist die Hölle der einzige Ausweg.

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Seitenzahl: 544

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Inhaltsverzeichnis
DAS BUCH
DER AUTOR
LIEFERBARE TITEL
Widmung
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Epilog
Copyright
DAS BUCH
Nach dem Tod seines Vaters scheint der sechzehnjährige Ryan McIntyre den Boden unter den Füßen zu verlieren. Als er Opfer einer Prügelei wird, schickt ihn seine Mutter in ihrer Verzweiflung auf ein traditionsbewusstes, katholisches Internat in Boston. Was sie nicht ahnt: Der von Rom beauftragte Geistliche Pater Sebastian hat es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht, dämonische Besessenheit und das uralte Ritual des Exorzismus zu erforschen, und seine Schützlinge stellen die idealen Versuchskaninchen dar. Schon bald häufen sich die unerklärlichen Vorkommnisse, und die Schüler um Ryan scheinen sich auf seltsame Weise zu verändern.
»Unheimlich, blutig und höchst unterhaltsam.«
Booklist
DER AUTOR
John Saul, 1942 in Pasadena geboren, studierte Theaterwissenschaften und Anthropologie und begann seine Schriftstellerlaufbahn mit Krimis, für die er jedoch keinen Verleger fand. Daraufhin wechselte er das Genre, und schon sein erster Horrorroman, der 1977 erschien, wurde sofort ein großer Erfolg. Inzwischen zählt John Saul zu den wichtigsten zeitgenössischen Vertretern der Horrorliteratur, dessen Werke über 50 Millionen Mal verkauft und in 25 Sprachen übersetzt wurden Er lebt in Seattle und auf Hawaii.
Besuchen Sie den Autor im Internet unter www.johnsaul.com
LIEFERBARE TITEL
Die schwarze Stadt
Stalker
Schatten der Nacht
FürDr. Michael HartundDr. Howard Maronunddas Team von MD2in tiefer Dankbarkeit,dass sie uns durch das Jahr 2006 gebracht habenund wir auch das nächste erleben durften.
Prolog
Spanien 1975
Der ältere Junge gab dem jüngeren einen aufmunternden Klaps auf den Rücken. »Und, bist du bereit, Paquito?«
Der Jüngere schluckte seine Tränen hinunter und nickte tapfer, wollte seinen Bruder nicht merken lassen, wie traurig er war. Er wich seinem Blick aus und starrte statt-dessen den Pappkarton in seinen Händen an, den er so fest umklammerte, dass sich die Seitenteile bereits nach innen bogen.
»Na, dann mal los.« Der ältere Junge trug eine rostige Schaufel über der Schulter, die er aus dem alten Gartenhaus hinter dem ehemaligen Stall mitgenommen hatte, den ihre Eltern zu einer kleinen Ferienwohnung umgebaut hatten und jetzt an Americanos vermieteten. Er ging voraus durch den überwucherten Garten zu einer Stelle zwischen drei Palmen, die bisher von dem dichten Gestrüpp verschont geblieben war, das überall sonst schneller nachzuwachsen schien, als es die beiden Brüder zurückschneiden konnten. »Hier, okay?«
Der kleinere Junge sah sich die vorgeschlagene Stelle genau an, doch dann wanderte sein Blick zu der kleinen Grotte, die kaum sichtbar im hintersten Winkel des Gartens im Schatten der hohen Bäume stand. »Nein«, meinte er dann leise, aber bestimmt. »Dort hinten. Neben der Heiligen Jungfrau.«
Der Ältere der beiden seufzte, marschierte dann aber weiter auf die Marienstatuette zu. Als er sich umschaute, sah er ihre Mutter in der Tür stehen, ein rotes Tuch um das schwer zu bändigende Haar geschlungen und einen Putzlappen in der Hand. Im ersten Moment dachte er, sie würde ihnen etwas zurufen, doch sie zuckte nur mit den Achseln und machte sich wieder an ihre Arbeit, noch ehe er die Schaufel in die Erde gerammt und den ersten Erdklumpen herausgehebelt hatte. »Gute Idee«, befand er. »Die Heilige Jungfrau wird Pepe beschützen.«
»Meinst du, ich hätte ihn in einen sudario wickeln sollen?«, fragte der kleinere Junge besorgt.
»Quatsch, Leichentücher nimmt man nur bei Menschen«, erklärte ihm sein Bruder.
Ohne richtig hinzuhören, öffnete der Jüngere den Karton und betrachtete noch einmal den leblosen Körper des Iguanas darin, der seit über drei Jahren sein Haustier gewesen war. Praktisch, so lange er denken konnte.
Mit zitternden Fingern streichelte er die weiche Haut an Pepes Bein, die sich völlig anders anfühlte als noch am Tag zuvor.
Ja, Pepe fühlte sich … tot an.
Aber das war nicht schlimm. Jesus würde sich um Pepe kümmern, er kümmerte sich um alle Lebewesen, sagten die Nonnen. Na ja, vielleicht doch nicht, weil die Nonnen auch behaupteten, dass Jesus sich nur um Katholiken kümmerte. Alle anderen würden zur … Hölle fahren.
Er brachte es kaum über sich, das Wort auszusprechen, nicht einmal in Gedanken, und spürte plötzlich, wie ihn eine Hitze durchfuhr, die noch sengender war als die spanische Sonne an diesem Nachmittag.
Und dann, gerade als er den Deckel wieder auf den alten Schuhkarton drückte, der als Pepes Sarg diente, stieß sein Bruder mit der Schaufel auf etwas Hartes.
Ein Stein, dachte er zunächst, aber es war kein Stein, wie er gleich feststellte.
Es war etwas anderes. Etwas Metallenes.
Der ältere Junge kniete sich hin.
Der Jüngere stellte den Schuhkarton mit dem Iguana im schützenden Schatten der Gartenmauer ab und beobachtete gespannt, wie sein Bruder mit den Händen in der Erde wühlte und kurz darauf eine verrostete Metallkassette ausgrub, auf der ein Kreuz eingraviert war.
»Die ist für mich«, flüsterte er. »Ein Geschenk der Heiligen Jungfrau Maria, weil ich ihr Pepe anvertraue.«
Der Ältere lächelte seinen kleinen Bruder an. »Weißt du was?«, sagte er und bemerkte, dass dessen Tränen endlich versiegt waren. »Ich glaube, du könntest Recht haben!« Während er mit der Hand die Erde von der Kassette fegte, warf er schnell noch einen Blick hinüber zum Haus, um sich zu vergewissern, dass ihre Mutter sie nicht beobachtete, ehe er den kostbaren Fund behutsam neben dem Erdloch abstellte. »Nimm Pepe aus dem Karton.«
»Aus dem Karton?«, wiederholte der kleinere Junge überrascht.
»Ja, mach schnell, bevor Mama kommt.«
Mit skeptisch gerunzelter Stirn hob der Kleine seinen geliebten Pepe aus dem Schuhkarton und bettete ihn behutsam in das Grab, das sein Bruder für ihn ausgehoben hatte, während dieser die Kassette in den Karton packte und den Deckel schloss.
Dann legte er die Hände zum Gebet aneinander und senkte den Kopf. »Santa Maria«, flüsterte er, »beschütze unseren lieben Freund.« Anschließend bekreuzigten sich beide, und kurz darauf war das Loch wieder mit Erde aufgefüllt und diese festgedrückt, so dass von dem Grab kaum etwas zu sehen war.
»Erzähl ja niemandem, was wir im Garten gefunden haben«, ermahnte der ältere Bruder den jüngeren.
»Warum nicht?«
»Weil es unser Geheimnis ist, zumindest so lange, bis wir wissen, was da drin ist. Und jetzt komm. Geh schon mal in die Küche. Ich nehme die Kassette und stelle die Schaufel zurück. Wir treffen uns oben in deinem Zimmer. Okay?«
Durch die aufregende Verschwörung ein wenig von seiner Trauer abgelenkt, nickte der kleine Junge eifrig und trottete auf das Haus zu.
Die Mutter, die ein Lied trällerte, das gerade im Radio lief, fing ihren Jüngsten an der Küchentür ab, nahm ihn in den Arm, gab ihm einen Kuss und strich ihm das Haar aus der Stirn. »Mi pequeño – mein Kleiner«, tröstete sie ihn. »Sei nicht traurig. Du weißt doch, dass er jetzt bei Jesus und der Heiligen Jungfrau Maria ist.«
»Sí, Mama«, murmelte der Junge, obschon er davon nicht wirklich überzeugt war. Was, wenn die Nonnen doch Recht hatten und nur Katholiken in den Himmel kamen?
Als seine Mutter ihn aus ihrer Umarmung entließ, flitzte er die Steintreppe hinauf ins Obergeschoss und lief in sein Zimmer, wo sein Bruder bereits auf ihn wartete. Die geheimnisvolle Kassette, die sie gefunden hatten, stand mitten auf seinem Bett. An der Stelle, wo die Schaufel daran abgeprallt war, schimmerte das Metall unter den Kratzern silbern.
Vorsichtig lockerte der ältere Bruder den Deckel, bis er so lose saß, dass er ihn abheben konnte. Zum Vorschein kam ein zerschlissener Stoffbeutel, aus dem ein hölzerner Stab ragte.
»Du musst ganz vorsichtig sein«, mahnte der ältere Junge, als sein Bruder die Hand nach dem Beutel ausstreckte, denn kaum hatte er diesen mit zitternden Fingern berührt, begann der fadenscheinige Stoff zu zerfallen.
»Mach du das lieber«, meinte der Kleine erschrocken und zog die Hand zurück.
Vorsichtig zupfte der ältere der beiden Brüder die Stoffreste ab, bis eine Art gelbliches Papier zum Vorschein kam, das um den Holzstab gewickelt war.
Doch als er den seltsamen Gegenstand in die Hand nahm, zerkrümelte der Stab, genau wie der Stoff, in den er eingewickelt war.
Doch die Rolle selbst bestand aus einem festeren Material – es sah zwar sehr dünn und spröde aus, blieb aber intakt.
»Piel curtido«, flüsterte er. Schafsleder. Vorsichtig nahm er den länglichen Gegenstand aus der Kassette und rollte ihn so weit auf, bis sie beide erkennen konnten, dass das Leder mit eigenartigen Ornamenten beschriftet war.
»Eine Karte«, hauchte der kleinere Junge kaum hörbar. »Ich wette, das ist eine Schatzkarte.«
Der Bruder entrollte das Pergament noch ein Stück weiter und entdeckte an den Rändern aneinandergereihte Zeichen, die wie Worte aussahen. »Das kann ich nicht lesen«, sagte er. »Es ist in einer anderen Sprache geschrieben. Und in einer fremden Schrift.« Er rollte das geheimnisvolle Schriftstück wieder zusammen und legte es in die Kassette zurück. »Ich glaube, das Ding ist uralt.«
»Der Schatz gehört mir«, erklärte der kleine Junge.
»Nein, mein Lieber, er gehört uns«, widersprach der Ältere der beiden und setzte den verbeulten und rostigen Deckel auf die Kassette. »Aber du darfst die Karte in deinem Schrank verstecken.«
Später am Abend, allein in seinem Zimmer und immer noch hellwach, lag der jüngere der beiden Brüder in seinem Bett und dachte über die Metallkassette und die seltsame Schriftrolle nach. Das war ganz bestimmt ein Geschenk der Heiligen Jungfrau Maria – da war er sich ganz sicher. Hatte sie ihn nicht genau an diese Stelle geführt, wo die Kassette lag, um Pepe zu begraben, obwohl sein Bruder das Grab zwischen den drei Palmen hatte ausheben wollen?
Diese Schatzkiste und ihr Inhalt waren seine Belohnung dafür, dass er auf die Heilige Muttergottes gehört und ihre Anweisungen befolgt hatte.
Er schlüpfte aus dem Bett, schlich zu seinem Kleiderschrank und machte ganz leise die Türen auf. Mit der Metallkassette in der Hand tappte er gleich darauf zurück in sein Bett, wo er im Schein der Nachttischlampe vorsichtig den Deckel abhob, genau wie es sein Bruder am Nachmittag getan hatte.
Das Pergament leuchtete ihm golden entgegen, beinahe wie von einer unsichtbaren Lampe angestrahlt. Sorgsam wischte er sich vorher die schwitzenden Finger an seiner Schlafanzughose ab, ehe er die Schriftrolle mit den Fingerspitzen heraushob und langsam auseinanderzog.
Schriftzeichen, die er nicht verstand, reihten sich in akkuraten Zeilen, und obgleich das alte Pergament fleckig war, war die Tinte an keiner Stelle verblasst.
Lange betrachtete er die seltsamen Worte, die er nicht entziffern konnte, aber schon bald wurde ihm klar, dass sie, was auch immer sie bedeuten mochten, für ihn bestimmt waren.
Und nur für ihn.
Sie waren so lange Zeit begraben gewesen – wie lange, konnte er sich gar nicht vorstellen -, und sie hatten auf ihn gewartet. Und als die Heilige Mutter Maria gesehen hatte, dass er bereit dafür war, hatte sie ihn an eben diese Stelle geführt und ihm dieses Geschenk gemacht.
Der Junge legte die Schriftrolle zurück in die Kassette und verschloss sie wieder.
Ehrfürchtig zeichnete er mit dem Zeigefinger das Kruzifix auf dem Deckel nach. Dabei war es eigentlich gar keines – es war vielmehr nur die Stelle, wo einst ein Kruzifix angebracht gewesen und entfernt worden war, wie ein Stein aus seiner Fassung. Ja, auf dem Deckel der Kassette hatte sich anscheinend einmal ein Kreuz befunden, aber es war nicht mehr da.
Aber wo war es hingekommen? Vielleicht, wenn er nur inständig genug betete, würde die Heilige Mutter Maria ihn auch zu diesem Kruzifix führen, und dann könnte er es wieder auf dem Deckel der Kassette anbringen, wo es hingehörte.
»Ave Maria«, wisperte er, nahm die Kassette in beide Hände und ging damit zum Fenster, um einen Blick auf die Grotte zu werfen. Der Vollmond ergoss sein helles Licht über das Gesicht der Heiligen Jungfrau, das jetzt genauso silbern schimmerte wie die Kassette, die er in seinen Händen hielt. Und über ihr am nächtlichen Himmel blinkten und glitzerten eine Million Sterne.
»Ich werde lernen, das zu entziffern, Heilige Mutter Maria«, flüsterte der Junge. »Ich werde lernen, diese Worte zu verstehen, und alles tun, was du von mir verlangst.«
Kuwait 1991
Gelb.
Alles war gelb. Nicht nur die Wüste; nicht nur die Sonne. Alles.
Der Himmel.
Die Hitze selbst.
Alles – gelb.
Bis vor ein paar Minuten war es noch auszuhalten gewesen. Da war wenigstens der Himmel noch blau gewesen – nur blassblau zwar, längst nicht so strahlend blau wie zu Hause, aber immerhin so, wie ein Himmel aussehen sollte. Doch gleich darauf hatte sich alles verändert. Der Wind war stärker geworden, und über dem Himmel hatte sich ein Schleier ausgebreitet, so gelb wie Kamelpisse.
Als dann Sekunden später ein Sandsturm über die Wüste fegte, hielt der Konvoi an, so dass es den Anschein hatte, als duckten sich die Truppenfahrzeuge vor dieser heulenden Naturgewalt, die mit unglaublicher Geschwindigkeit auf sie zu gerast kam. Auch die Männer, die die Sandwalze nicht sehen konnten – diejenigen, die hinten im Lastwagen saßen, wo zumindest eine Segeltuchplane sie vor diesem mattgelben Alptraum schützte -, schienen in sich zusammenzusinken, ihre Gliedmaßen einzuziehen, wie eine Schildkröte es getan hätte, wäre sie so dumm gewesen, sich von einem Sandsturm überraschen zu lassen.
Doch als die gelbe Wand den Konvoi umschloss und auf ihn niederstürzte, gewann der Sturm eine bizarr anmutende Schönheit – eine so seltene Schönheit, dass der Mann ganz hinten in dem Transporter sich aus seiner gebückten Schutzhaltung erhob und nach seiner Kamera griff. Er schwang die Beine über den hinteren Ausstieg, sprang aus dem Wagen und rannte in den Windschatten des Transporters. Die Karosserie hielt den Sturm gerade so weit ab, dass er sich aufrichten konnte, doch die Sandkörner peitschten ihm gnadenlos ins Gesicht.
Ohne auf die Schmerzen zu achten, drückte er den Auslöser, spürte, wie die Kamera bei jedem Bild in seinen Händen vibrierte.
Den Finger auf dem Auslöser, drehte er sich nach rechts und nach links, fing ein gelbliches Bild nach dem anderen ein. Und plötzlich glaubte er im Augenwinkel einen Schatten wahrgenommen zu haben.
Ein Mann?
Er drehte sich um, versuchte die Gestalt durch den Sucher zu fokussieren, doch in dem Augenblick, als sie sich zu bewegen begann, erkannte er seinen Fehler.
Erkannte ihn und versuchte ihn noch zu korrigieren.
Zu spät.
Die Kugel traf ihn in die Brust, gerade als er sich zu Boden fallen ließ.
Die Kamera entglitt seinen Händen, fiel in den Sand und rutschte unter den Lastwagen.
Er starrte hinab auf seine Brust, die seltsamerweise trotz der Wucht des Einschlags überhaupt nicht schmerzte, und wunderte sich, was ihn getroffen haben mochte. Sekunden später, als sich ein dunkelroter Fleck auf seinem Khakihemd ausbreitete, da wusste er es.
Er wollte um Hilfe rufen, doch die Worte ertranken in dem Blut, das seine Mundhöhle füllte. Und als er auszuspucken versuchte, spie er gegen eine Sturmwand an, die Blut und Speichel mit Sand und Staub vermischte.
Er würde sterben.
Würde hier in dieser Wüste sterben, inmitten eines tobenden Sandsturms. Noch einmal öffnete er den Mund, um seine Kameraden zu alarmieren, wusste jedoch, dass dieser Ruf viel zu spät kam.
Es dauerte nicht lange, da begann sich ein Gefühl der Gelassenheit in ihm auszubreiten, so als ob die unendliche Ruhe des Todes ihn bereits umarmte.
Rasselnd rang er nach Luft, musste husten, kämpfte um den nächsten Atemzug.
Ein Atemzug, der Stunden – eine Ewigkeit – entfernt zu sein schien.
Schließe Frieden.
Dieser Gedanke kam ihm inmitten zweier Stürme, die in ihm und um ihn herum tobten – der eine der Kampf seiner Organe ums Überleben, der andere, der keinen anderen Zweck zu verfolgen schien, als ihn in den Sand zu zwingen.
Schließe Frieden.
Er verspürte keinerlei Schmerzen, doch seine Gedanken ließen sich nicht mehr lenken. Sein kollabierender Körper verlangte zu viel Aufmerksamkeit, obschon sein Geist wusste, dass es wichtigere Dinge gab, die es noch zu erledigen galt. Plötzlich schien sein Körper nur mehr ein lästiger Ballast zu sein, der alles wirklich Wichtige behinderte.
Er hatte noch einiges zu erledigen.
Er musste beten.
Musste Frieden schließen.
Obwohl er nicht auf diese Art hätte sterben sollen.
Nicht so jung, nicht jetzt, wo es noch so viel zu tun gäbe.
Aber es passierte wieder.
Er starb, wie sein Vater gestorben war.
Und wie auch sein Großvater gestorben war.
Das Tosen des Sturms drang kaum noch zu ihm vor, seine Gedanken wandten sich von seinem Körper ab, bis ihm schließlich bewusst wurde, dass seine Verletzung und auch die leichten Schmerzen immer mehr an Bedeutung verloren. Er spürte nur noch eine angenehme Mattheit, die sprichwörtliche Leichtigkeit des Seins.
Schließe Frieden.
Beinahe wie von selbst fanden seine Finger den Weg zu seiner Brust; zu dem Kruzifix, das seit Generationen von den Männern seiner Familie getragen wurde.
Das Kruzifix, das sie eigentlich beschützen sollte.
Das aber niemals auch nur einen von ihnen zu beschützen vermocht hatte.
Keinem von ihnen geholfen hatte zu überleben, ein Kind groß werden zu sehen oder dass ein Enkelkind auf die Welt kam.
Mit letzter Kraft riss er sich das Kreuz vom Hals.
Gleich darauf spürte er Hände auf sich, ein Soldat beugte sich über ihn, schrie etwas gegen den heulenden Wind.
Aber es war zu spät.
Viel zu spät.
Er drückte dem Soldaten das Kruzifix in die Hand, und im gleichen Moment spürte er, wie sich ewiger Frieden über seine Seele legte.
»Beschütze …«, wisperte er, »… Sohn …«
Dann schloss er die Augen und überließ sich dem Tod.
1
2007
Ryan McIntyre hob seine Müslischüssel an die Lippen und schlürfte den Rest süße Milch, genau wie er es die letzten vierzehn seiner sechzehn Lebensjahre gemacht hatte, wobei er wie immer die tadelnde Miene seiner Mutter ignorierte. Nach einem raschen Blick auf die Uhr stopfte er sich das letzte Stück seiner dritten Scheibe Toast in den Mund, stand vom Tisch auf und trug seine Schüssel und den Teller in die Küche. Ihm blieb gerade noch genug Zeit, um sich seine Bücher zu schnappen und zur Bushaltestelle zu flitzen.
»Hast du heute nach der Schule etwas vor?«, fragte ihn seine Mutter.
Ihr Tonfall ließ Ryan sofort aufhorchen. »Warum?«, erwiderte er, während er das Geschirr in die Spüle stellte.
»Weil wir heute Abend essen gehen und ich möchte, dass du um halb sechs zu Hause bist.«
Ryan verzog das Gesicht, sah seinen Tag schon überschattet. Aber vielleicht täuschte er sich auch. »Zum Abendessen?«, wiederholte er und drehte sich zu seiner Mutter um. »Nur wir zwei?«
Teri McIntyre drehte sich ebenfalls um und sah ihren Sohn an. »Mit Tom«, sagte sie. »Er lädt uns beide zum Essen ein, und deshalb möchte ich, dass du um halb sechs zu Hause bist. Okay?« Dieses letzte »Okay« hörte sich an, als wüsste sie sehr genau, dass es für ihn ganz und gar nicht okay war. Was seine nächsten Worte auch prompt bestätigten.
»Ich will aber nicht mit Tom Kelly essen gehen«, sagte Ryan und ärgerte sich sogleich über den weinerlichen Klang seiner Stimme. Nachdem er tief Luft geholt hatte, setzte er noch einmal an. »Ich mag es nicht, dass er ständig hier herumhängt. Mir scheint, er versucht dich anzubaggern.«
»Er baggert mich nicht an«, widersprach Teri, wobei ihre Augen ihren Sohn ebenso anflehten wie ihre Stimme. »Er hilft uns nur jetzt in dieser sehr schwierigen Zeit.«
»Er hilft dir in deiner sehr schwierigen Zeit«, schoss Ryan in einem Tonfall zurück, der seine Mutter unwillkürlich zusammenzucken ließ.
»Er möchte dir auch gerne helfen«, setzte Teri nach. Ihre Augen wurden feucht.
»Ich brauche seine Hilfe nicht.« Ryan ging zur Treppe. »Und ich brauche erst recht niemand, der versucht, mir meinen Dad zu ersetzen.«
»Das will er ganz bestimmt nicht, Ryan«, gab Teri mit bebender Stimme zurück. »Das könnte niemand.«
Mit den letzten Worten seiner Mutter im Kopf rannte Ryan die Treppe hinauf in sein Zimmer. Verdammt richtig, niemand könnte seinen Vater ersetzen, und schon gar nicht dieser Tom Kelly, der inzwischen ständig bei ihnen im Haus herumlungerte und versuchte, nett zu sein.
Während Ryan die Schulbücher auf seinem Schreibtisch zusammensuchte und einpackte, fiel sein Blick auf das Foto seines Vaters, das er neben seiner Schreibtischlampe aufgestellt hatte.
Er hielt inne, betrachtete die Augen seines Vaters, die ihn auf einmal so intensiv ansahen, als wollte er ihm etwas sagen. Werde erwachsen, schien sein Vater zu sagen. Du bist schon sechzehn und schlürfst immer noch die Milch aus deiner Müslischüssel wie ein Zweijähriger. Es ist Zeit, dass du ein Mann wirst.
Mit dem Rucksack in der Hand stand Ryan ganz still da, während der Blick seines Vaters immer eindringlicher wurde.
Werde erwachsen. Und sei immer anständig und aufrichtig.
Anständig und aufrichtig. Die Worte, die er am häufigsten von seinem Vater zu hören bekommen hatte. Ryan seufzte und ergab sich dem stummen Befehl seines Vaters. Wenn er wirklich absolut aufrichtig sein wollte, musste er zugeben, dass Tom eigentlich gar nicht so übel war. Tatsache war, dass er seiner Mutter im vergangenen Jahr sehr oft geholfen hatte. Als der Wagen zusammengebrochen war, hatte Tom ihn wieder flottgemacht. Als das Dach leckte, hatte Tom einen Handwerker besorgt und zugesehen, dass seine Mutter nicht übers Ohr gehauen wurde. Und als der Keller unter Wasser stand, hatte Tom mit angepackt, die ganzen Sachen nach oben geschleppt und anschließend auch beim Saubermachen geholfen; und kein Wort darüber verloren, dass Ryan während jenes langen Tages nicht einmal mit ihm geredet hatte.
Trotzdem, niemand könnte ihm seinen Dad je ersetzen.
Zwei Jahre waren vergangen, seit sein Vater den Einsatzbefehl in den Irak erhalten hatte, und nur wenige Wochen später war der Humvee, in dem er saß, von einer Mine in die Luft gesprengt worden. Wenn er das Foto seines Vaters nicht vor Augen hatte, fiel es Ryan inzwischen immer schwerer, sich genau an dessen Gesichtszüge zu erinnern. Doch in diesem Moment stand er vor dem Bild seines Vaters und konnte in seinem Gesicht ganz deutlich lesen, was Captain William James McIntyre von seinem Sohn erwartete.
Er warf sich auf sein Bett und überlegte, ob er nicht doch mit seiner Mutter und Tom essen gehen sollte.
Seine Mutter betonte immer wieder, dass die Tatsache, dass sie Tom mochte, überhaupt nichts mit ihrer Liebe zu seinem Vater zu tun habe, doch Ryan nahm ihr das nicht ganz ab. Und abgesehen von seiner eigenen Entschlossenheit, den Platz seines Vaters in diesem Haus freizuhalten – in dieser Familie -, stand es seiner Mutter natürlich frei, diesen Platz mit einem anderen Mann zu besetzen.
Aber wenn sich das alles nun als schrecklicher Irrtum erweisen sollte? Was, wenn sein Vater an einem dieser Tage plötzlich ins Haus spaziert käme und riefe: »Liebling, ich bin wieder da!«
Doch als Ryan noch einmal das Foto betrachtete, erinnerte er sich daran, was sein Vater ihm am Tag seines Abflugs in den Irak eingeschärft hatte: »Jetzt bist du der Mann im Haus, Ryan, und ich erwarte von dir, dass du dich gut um deine Mutter kümmerst. Ich kann nicht sagen, wie lange der Einsatz dauern wird, aber ich weiß, dass die Zeit für deine Mutter schwerer werden wird als für mich. Deshalb stehst du ihr zur Seite, okay?«
Ryan hatte genickt. Sie hatten sich umarmt. Dann hatte sein Vater sich auf den Weg gemacht.
Seine Worte jedoch hatten sich Ryan tief ins Gedächtnis gebrannt, waren noch immer so präsent wie an dem Tag, als er sie ausgesprochen hatte. Du stehst ihr zur Seite.
Als er den Blick vom Bild seines Vaters abwandte und in den Spiegel über seiner Kommode sah, bemerkte er seinen mürrischen Gesichtsausdruck.
Das ist nicht gut, ermahnte er sich. Und wiederholte noch einmal im Stillen die Worte seines Vaters: Steh ihr zur Seite. Und sei immer anständig und aufrichtig.
Er warf sich seinen Rucksack über die Schulter und rannte die Treppe hinunter. Seine Mutter saß noch am Küchentisch und hielt ihre Kaffeetasse mit beiden Händen umfasst.
»Bin spätestens um halb sechs wieder da«, sagte er und küsste seine Mutter auf die Wange.
Das Lächeln, das daraufhin ihr Gesicht erhellte, sagte ihm, dass er genau das getan hatte, was sein Vater von ihm erwartet hätte, ganz gleich, was er selbst insgeheim dachte. Nachdem er seiner Mutter noch einen Kuss auf die andere Wange gedrückt hatte, sicherheitshalber, sauste er durch die Haustür, genau in dem Moment, als der Schulbus an der Straßenecke stehen blieb. Okay, Dad, dachte er. Ich habe das Richtige getan. Jetzt sorge du bitte dafür, dass der Busfahrer auf mich wartet!
Doch obschon er einen rasanten Spurt hinlegte, musste er mit ansehen, wie sich die Türen des Busses schlossen und dieser ohne ihn abfuhr.
Die Wände des Klassenzimmers im zweiten Stock der Dickinson High School, von denen überall die Farbe abblätterte, rückten immer näher auf Ryan zu, so kam es ihm jedenfalls vor, während er mit dem Rest der Klasse über einem Geschichtstest brütete. Und gleichzeitig spürte er, dass Frankie Alito, der direkt hinter ihm saß, versuchte, einen Blick über seine Schulter zu erhaschen. Unwillkürlich versteifte sich Ryan. Er wusste, Alito erwartete von ihm, dass er sich duckte, damit er die Antworten auf seinem Testblatt abschreiben konnte. Er wusste aber auch, was Alito und seine Kumpel nach der Schule mit ihm machen würden, sollte er sich weigern, Frankie spicken zu lassen, und merkte, dass er dabei war, in sich zusammenzusacken. Doch bevor Alito noch den Kopf recken konnte, hallten Ryan die Ermahnungen seines Vaters in den Ohren:
Es ist Zeit, dass du ein Mann wirst.
Augenblicklich setzte Ryan sich wieder aufrecht hin.
Schluss mit dem Unfug, dachte er. Sollte Frankie doch selbst zusehen, wie er den Test bestand.
Dann spürte er den Stoß im Rücken. Er ignorierte die Aufforderung, weigerte sich, seine Sitzposition auch nur um einen Millimeter zu verändern.
Wieder wurde er von hinten angestupst, mit der Spitze eines Kugelschreibers, wie es sich anfühlte, und diesmal deutlich härter. Ryan hielt den Blick starr auf das Prüfungsblatt vor sich gesenkt und schob seine Schulter nur ein wenig aus der Reichweite von Frankies Kugelschreiber.
»Lass mal sehen, Streberleiche«, raunte Frankie Alito von hinten und untermauerte sein letztes Wort mit einem weiteren kräftigen Stups.
»Nö«, murmelte Ryan, machte sich noch ein bisschen breiter und beugte sich ein Stück weiter nach vorn über seinen Test, um Frankies Attacken auszuweichen. Mr. Thomas, ihr Lehrer, bemerkte von alledem nichts. Er saß vorne an seinem Pult und korrigierte ihre Haushefte.
»Letzte Chance«, zischte Alito, und Ryan spürte abermals einen Stich im Rücken, tiefer jedoch, knapp über seinem Gürtel.
Und dieser Stich stammte nicht von einem Kugelschreiber.
Und diesmal reagierte Ryan. Reflexartig fuhr er herum und sah gerade noch eine Messerklinge aufblitzen.
Die Art und Größe von Klinge, die Ryan sagte, dass Alito es ernst meinte.
»Mach endlich!«, kommandierte Alito flüsternd und bohrte ihm das Messer in den Rücken.
Als Ryan ein leiser Schrei entfuhr, hob der Lehrer alarmiert den Kopf.
»Ist was, McIntyre?«, fragte Mr. Thomas von seinem Pult aus.
»Nein, Sir«, beeilte sich Ryan zu versichern. »Entschuldigung.«
Mr. Thomas stand auf und kam hinter seinem Schreibtisch hervor.
»Nein, nein«, wiederholte Ryan. »Es war nichts.«
Langsam, den Blick auf Frankie Alito geheftet, schritt Mr. Thomas durch den Mittelgang und blieb neben Ryan stehen.
»Wirklich, es war nichts, Mr. Thomas«, beteuerte Ryan nochmals und hoffte inständig, dass Alito wenigstens so schlau war, das Messer in seiner Hosentasche verschwinden zu lassen.
»Die Hände auf den Tisch, Alito«, kommandierte Mr. Thomas. Ryan schaute angestrengt geradeaus, wollte gar nicht sehen, was gleich passieren würde.
»Was haben wir denn da?«, hörte Ryan den Lehrer fragen.
»Nix«, nuschelte Alito.
»Gib es mir.«
Ryan sah Frankies trotzige Miene förmlich vor sich, doch dann sagte der Lehrer ein einziges Wort, bellte es so laut, dass Ryan erschrocken zusammenzuckte.
»Sofort!«
Die Spannung im Klassenzimmer stieg spürbar an, nachdem Alito zunächst nichts dergleichen tat, doch unter Mr. Thomas’ starrem Blick, der den Jungen förmlich festnagelte, gab dieser schließlich auf und händigte dem Lehrer das Taschenmesser aus.
»Danke«, sagte Mr. Thomas ganz ruhig. »Und jetzt gehst du hinunter ins Büro und wartest dort auf mich. Am Ende der Stunde komme ich nach, aber ich sage dir schon jetzt, dass du das restliche Schuljahr nicht an unserer Schule verbringen wirst, selbst wenn wir entscheiden sollten, dich nicht anzuzeigen, was, und auch das kann ich dir schon jetzt versichern, nicht passieren wird. Das war’s für dich, Frankie Alito.«
Mit wutverzerrtem Gesicht stand Frankie von seinem Platz auf und rammte im Vorbeigehen Ryan den Ellbogen in die Seite.
»Auch das habe ich gesehen«, sagte Mr. Thomas. »Du machst alles nur noch schlimmer.«
Frankie tat die Bemerkung mit einem Schulterzucken ab und schlurfte betont lässig zur Tür. Dort blieb er stehen, drehte sich noch einmal um, fixierte Ryan mit einem fiesen Blick und lächelte dann.
Es war ein Lächeln, das sich wie ein Pfeil in Ryans Brust bohrte.
»Okay. Die Show ist vorbei«, sagte Mr. Thomas und brach damit das unbehagliche Schweigen, das sich über die Klasse gesenkt hatte. »Zurück zu eurem Test. Ihr habt nur noch zehn Minuten Zeit.«
Doch für Ryan war der Test bereits gelaufen. Er starrte auf die restlichen, noch ungelösten Fragen, las sie durch, wieder und wieder, ohne irgendeinen Sinn hinter den Worten zu erkennen.
Nicht genug, dass er sich über seine Mutter und Tom den Kopf zerbrechen musste. Jetzt musste er sich auch noch mit Frankie Alito und dessen Kumpanen auseinandersetzen, die ihm ohne Zweifel später auf dem Heimweg auflauern würden.
Er drehte den Kopf zur Seite und schaute aus dem Fenster. In der Ferne sah er die Skyline von Boston, und obgleich er sich sicher war, dass das eigentlich nicht möglich war, glaubte er doch, die Turmspitze der St. Isaac’s Highschool erkennen zu können.
Die Schule, die seine Mutter erwähnt hatte, als er neulich nach einem Zusammenstoß mit Frankie Alito mit einem blauen Auge nach Hause gekommen war.
Nur bezweifelte er, dass seine Mutter selbst auf die Idee gekommen war. Nein, er traute sich seinen Kopf darauf zu verwetten, dass Tom Kelly ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt hatte.
Doch als er jetzt vor seinem halbleeren Aufgabenblatt saß und daran dachte, dass er sich später noch auf eine saftige Abreibung von Frankie Alito gefasst machen musste, begann er die Sache in einem anderen Licht zu betrachten.
In dieser St. Isaac’s School könnte es ihm wohl kaum schlechter ergehen als hier auf der Dickinson, überlegte er.
»Die Zeit ist um«, erklärte Mr. Thomas.
2
Bruder Francis stand in der Tür des riesigen Speisesaals der St. Isaac’s Preparatory Academy und ließ auf der Suche nach Kip Adamson den Blick über die Schülerschar schweifen. Mindestens die Hälfte der gut zweihundert Schüler nahm gerade an den langen Tischen das Mittagessen ein. Und obwohl dabei ausgiebig geplappert und gelacht wurde, war es in diesem Saal sehr viel ruhiger als in der kleinen Cafeteria der Schule, die Bruder Francis im letzten Herbst verlassen hatte. Irgendwie hatte er den Eindruck, als ob sich das alte Steingebäude, das den Speisesaal beherbergte, von dem Lärm gestört fühlte, und anstatt derartige Frivolitäten zu dulden, hatte es einen Weg gefunden, den Krach zu absorbieren, den die Schüler veranstalteten, und jedes unangemessen laute Geräusch umgehend zu dämpfen.
Bruder Francis war zwar noch neu an der St. Isaac’s, besaß jedoch die Gabe, Namen an Gesichtern festzumachen, und als er jetzt auf der Suche nach einem bestimmten Gesicht zwischen den Tischen umherging, nickte er den Schülern zu und begrüßte fast alle mit ihrem Vornamen. Kip Adamson jedoch war nirgends zu sehen; am Vormittag hatte er seine Mathematikstunde versäumt, und Schwester Mary David hatte Bruder Francis in den Speisesaal geschickt, um den Grund von Adamsons Fehlen in Erfahrung zu bringen. Schwester Mary Davids Zorn war legendär; keiner der Schüler würde es wagen, ohne einen triftigen Grund ihrem Unterricht fernzubleiben, und sie selbst würde nicht zögern, ihren Zorn über Bruder Francis zu entladen, sollte dieser sich als unfähig erweisen, das Fehlen des jungen Adamson zu erklären.
Kip musste schon einen sehr guten Grund haben – zumindest täte er gut daran, einen solchen vorzuweisen.
In der hintersten Ecke des Speisesaals entdeckte Bruder Francis Clay Matthews, Kips Zimmergenossen, der mit seiner üblichen Freundesrunde zusammensaß, und als er beim Näherkommen die Spielkarten auf dem Tisch sah, wusste er auch, warum die Jungs sich in diese Ecke verdrückt hatten.
»Hi, Bruder Francis«, rief Tim Kennedy so betont laut und freundlich, dass der junge Geistliche sofort ahnte, dass diese Begrüßung nicht wirklich ihm galt, sondern vielmehr als Warnsignal für seine Freunde gedacht war. Und tatsächlich fuhren die Köpfe der anderen Jungs im gleichen Moment in die Höhe.
Bruder Francis setzte seine strengste Miene auf. »Vermutlich wisst ihr alle, dass Glücksspiele gegen unsere Hausregeln verstoßen«, begann er, worauf die Jungs unbehagliche Blicke wechselten. »Stellt euch vor, was passiert wäre, wenn Schwester Mary David euch an meiner Stelle erwischt hätte!«
Während die anderen Jungs etwas blass um die Nase wurden, gab sich José Alvarez größte Mühe, ein völlig unschuldiges Gesicht zu machen. »Glücksspiel?«, wiederholte er verständnislos, so als ob Bruder Francis Chinesisch mit ihnen gesprochen hätte.
»Wir spielen doch nur Mau-Mau«, erklärte Darren Bender.
»Verstehe«, meinte Bruder Francis und streckte auffordernd die Hand nach den Karten aus. Clay Matthews seufzte, schob die Karten zu einem Packen zusammen und händigte sie Bruder Francis aus, der sie in einer der tiefen Taschen seiner Kutte verschwinden ließ. »Sagt mal, hat einer von euch Kip gesehen?«, fuhr er dann fort. »Er war nämlich nicht im Mathematikunterricht.«
Die Jungs schüttelten die Köpfe. »Vielleicht liegt er noch im Bett«, meinte Clay. »Ich glaube, er hat sich nicht wohlgefühlt.«
Bruder Francis schürzte die Lippen. »Ach so? Ist er auf die Krankenstation gegangen?«
Clay zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. So krank war er wohl nicht, ich meine, er hatte keine Grippe oder so, hat sich nur irgendwie komisch benommen.«
»Wie komisch?«, fragte Bruder Francis, obwohl er ziemlich sicher war, dass eine Antwort, sollte er wider Erwarten eine bekommen, nicht sonderlich erhellend sein dürfte. Und tatsächlich zuckte Clay nur abermals die Schultern. »Na gut«, meinte er dann. »Ich gehe ihn suchen. Und falls ihr ihn inzwischen seht, sagt ihm bitte, er soll in mein Büro kommen.«
Bruder Francis verließ den Speisesaal und machte sich auf den Weg durch das Labyrinth von Fluren und Treppen, das all die verschiedenen Gebäude miteinander verband, in denen sich die Schule seit ihrem hundertjährigen Bestehen auf dem Beacon Hill ausgebreitet hatte. Er unterrichtete hier zwar bereits seit acht Monaten, doch es passierte ihm immer noch gelegentlich, dass er sich in Gängen oder Korridoren wiederfand, in denen er noch nie gewesen zu sein glaubte. In diesen uralten Gebäuden waren nicht nur zahllose Büros und Klassenzimmer untergebracht, sondern auch die Schlaftrakte der Schüler sowie die Wohnungen der Lehrer und Angestellten.
Die Schüler hingegen schienen sich in diesen weit verzweigten alten Gemäuern bestens zurechtzufinden und kannten Abkürzungen, die ihm bislang verborgen geblieben waren. Immerhin gelang es ihm inzwischen, den Weg vom Speisesaal zu den Zimmern der Jungs zu finden, ohne sich zu verlaufen.
Jedenfalls nicht gänzlich zu verlaufen.
Er klopfte an die Tür von Zimmer 231, erhielt aber keine Antwort. »Kip?«, rief er und klopfte noch einmal, ehe er die Tür öffnete und eintrat.
Das Zimmer war so ordentlich, wie es die Schulstatuten verlangten. Die beiden Betten waren akkurat gemacht, die Schreibtische aufgeräumt, die Schranktüren geschlossen und die Oberfläche der Kommode leer.
Aber von Kip keine Spur; kein Hinweis auf seinen Verbleib.
Um sich den weiten Weg zur Krankenstation zu ersparen, die genau auf der anderen Seite der Schule lag, benutzte Bruder Francis sein Handy, um dort anzurufen, und erhielt von der diensthabenden Nonne die Auskunft, dass Kip sich auch dort nicht gemeldet habe.
Mit einem unbehaglichen Gefühl im Bauch klappte Bruder Francis das Handy zu.
Er ging ans Fenster und schaute über den Beacon Hill; von hier oben aus hatte man einen ungehinderten Blick bis hinunter zum Charles River und weiter bis nach Cambridge. Und dabei sinnierte er darüber nach, was die damaligen puritanischen Gründer der Stadt wohl von einer katholischen Schule gehalten hätten, die auf ihrem schönsten Hügel stand und mit ihrer ursprünglich gotischen Architektur und den vielen Türmen die niedrigen Häuser überragte, die einige dieser Puritaner noch selbst errichtet hatten.
Als er sich nach einer Weile vom Fenster abwandte, sah sich Bruder Francis noch einmal in dem Zimmer um, aber es hatte sich nichts verändert.
Kip war nicht auf wundersame Weise wieder aufgetaucht.
Nicht dass Bruder Francis damit gerechnet hatte, zumal er wusste, dass sich unter den Schülern dieses Instituts eine unverhältnismäßig große Anzahl von Problemkindern fand, zu denen Kip Adamson fraglos zählte.
Am wahrscheinlichsten war, dass Kip einfach abgehauen war. Bruder Francis war davor gewarnt worden, dass so etwas hin und wieder vorkäme; und tatsächlich war während seiner acht Monate hier schon ein Schüler verschwunden.
Trotzdem war er irgendwie beunruhigt. Im Stillen sandte er ein Gebet an den heiligen Aloisius mit der Bitte, der Schutzpatron der Heranwachsenden möge einen Moment seiner Zeit für Kid Adamson erübrigen, wo immer dieser auch gerade steckte. Nachdem er das Gebet gen Himmel geschickt hatte, machte sich Bruder Francis wieder auf den Rückweg durch die engen, gewundenen Korridore und Flure. Und trotz der immerwährenden Kälte, die die alten Steinmauern abzustrahlen schienen, begannen sich Schweißperlen auf seiner Stirn zu sammeln.
Bruder Francis wusste zwar nicht, wo Kip Adamson im Moment war, doch sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er sich nicht in einem der vielen Gebäude aufhielt, die zur Schule gehörten.
Schlimmer noch, er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Geschichte ein hässliches Ende nehmen würde.
Ein sehr hässliches Ende.
3
Ryan überflog den Test ein letztes Mal, legte den Kugelschreiber aus der Hand und warf einen Blick auf die Uhr über Mr. Thomas’ Schreibtisch: zwei Minuten vor vier. Er hatte die Aufgaben noch vor der Zeit gelöst und war sich ziemlich sicher, dass er ihn geschafft hatte. Er stand auf, hängte sich seinen Rucksack über die Schulter, nahm das ausgefüllte Aufgabenblatt und legte es vor den Lehrer hin. »Danke, dass Sie mich haben nachschreiben lassen«, sagte er. »Ich weiß, ich hätte es auch so …«
»Vergiss es«, unterbrach ihn Mr. Thomas, griff nach dem Rotstift und begann, Ryans Test zu korrigieren. »Mit einem Messer im Rücken kann man keinen Test schreiben.« Dann sah er zu Ryan hoch. »Wie kommst du nach Hause?«
»Wie immer.« Ryan seufzte. »Mit dem Bus.« Er bemerkte einen kurzen Anflug von Unsicherheit im Blick des Lehrers und wusste, was dieser gerade dachte. Das Gleiche, worüber er schon den ganzen Tag nachdachte, oder zumindest seit dem Mittagsläuten.
Dass Frankie Alito ihn fertigmachen würde, sobald er das Schulgebäude verließe.
Es hatte mittags angefangen, in der Cafeteria, als es plötzlich ungewöhnlich still in dem Saal geworden war, kaum dass er ihn betreten hatte. Erst nach ein paar Sekunden hatte er bemerkt, dass beinahe alle Blicke auf ihn gerichtet waren, aber so getan, als kümmerte ihn das nicht. Er hatte sein Tablett mit Essen vollgeladen und einen freien Platz an Josh Singers Tisch gefunden. »Was ist denn los?«, hatte er Josh gefragt. »Warum starren mich alle so an?«
»Weil Frankie Alito tatsächlich von der Schule geflogen ist, genau wie Mr. Thomas es prophezeit hat«, hatte Josh ihn aufgeklärt. »Und jetzt halten dich viele Schüler für einen Helden, andere aber für den dümmsten Hornochsen auf Gottes Erdboden.«
Ryan hatte angelegentlich auf seinen Teller gestarrt und gewusst, dass er keinen Bissen hinunterbekommen würde.
»Kein Problem«, versicherte er Mr. Thomas jetzt. »Bis Montag dann.« Damit drehte Ryan sich um und verließ das Klassenzimmer, ehe der Lehrer noch etwas einwenden konnte.
Die Flure waren verlassen und still, und der einzige Laut abgesehen vom Echo seiner eigenen Schritte, die durch den langen Korridor hallten, kam aus dem Turnsaal, wo die Cheerleadergruppe probte.
Vielleicht sollte er einfach hierbleiben, wo er in Sicherheit war. Wahrscheinlich würden sie sich ihn schnappen, wenn er in der Nähe seines Hauses aus dem Schulbus stieg.
Aber dann fiel ihm ein, dass es bereits eine Stunde später war, als er normalerweise aus der Schule kam, und ihm kam eine Idee. Vielleicht gab es doch eine Möglichkeit, nicht verprügelt zu werden, zumindest nicht heute.
Ryan blieb kurz an seinem Spind im zweiten Stock stehen, um sein Geschichtsbuch zu deponieren und seine Jacke herauszunehmen, dann ging er weiter und kramte im Gehen sein Handy aus der Jackentasche. Er drückte die Kurzwahltaste, um seine Mutter anzurufen.
Er erreichte aber nur ihre Mailbox.
»Hi, Mom«, sprach er auf ihren Anrufbeantworter. »Es hat in der Schule länger gedauert, weil ich noch einen Test schreiben musste. Eigentlich hatte ich gehofft, du könntest mich mit dem Auto abholen, aber anscheinend bist du beschäftigt. Also bis gleich dann.«
Er klappte das Handy zu und wollte es gerade in seinem Rucksack verstauen, als plötzlich die Tür der Bubentoilette aufflog und zwei von Frankie Alitos besten Kumpeln herausstürmten – Bennie Locke und Stan Wojniak -, ihn packten, herumrissen und in die Toilette zerrten, ehe er noch Gelegenheit zu irgendeiner Gegenwehr hatte. Das Handy flog ihm aus der Hand und zerschmetterte auf dem harten Fliesenboden, dann knallte die Tür zu, und Ryan selbst nahm denselben Weg wie sein Handy, landete unter dem Waschbecken und schlug mit dem Ellbogen auf den schmierigen Fliesen auf.
Der sengende Schmerz, der von seinem Ellbogen ausging, hatte kaum Zeit, sich in seinem ganzen Körper auszubreiten, da packte Bennie ihn am Bein und zerrte ihn unter dem Waschbecken heraus. Ryan versuchte, sich an einem der Abflussrohre festzuklammern und mit dem freien Bein nach Bennie zu treten, doch sein Kick ging ins Leere. Dafür traf ihn Wojniaks Stiefel mitten ins Gesicht.
Ryan spürte, wie die Kraft aus seinen Händen wich und es ihm schwarz vor Augen wurde.
»He, das nächste Mal tust du besser, was man dir sagt«, knurrte Wojniak und zog den Fuß an, um Ryan einen Tritt in die Seite zu verpassen.
Ryan spürte, wie seine Rippen brachen – und er hörte es auch. Ein glühend heißer Schmerz explodierte in seinem linken Brustkorb, und für einen Moment glaubte er, das Bewusstsein zu verlieren. »Nicht«, wisperte er und krümmte sich zusammen, um sich vor weiteren Tritten zu schützen.
»Hör dir das an«, spöttelte Bennie. »Winselt wie eine Memme.« Seine Lippen verzogen sich zu einem fiesen Grinsen. »Erbärmlicher Schlappschwanz!«
Wieder traf ihn ein Stiefeltritt, diesmal an der Achillessehne, und wieder schoss ein unsäglicher Schmerz durch seinen Körper.
Er wollte schreien, doch seine zerschmetterten Rippen hinderten ihn am Luftholen, und heraus kam nur ein klägliches Wimmern.
Die Tritte hagelten jetzt in immer kürzeren Abständen auf Ryan nieder, und er konnte nichts anderes tun, als seinen Kopf zwischen den Armen zu vergraben und zu warten, bis der Wahnsinn vorbei war. Immer wieder spürte er die harten Spitzen ihrer Lederstiefel auf seinen Körper eindreschen. Doch nach einer Weile begannen die Schmerzen nachzulassen, und auch die höhnenden Stimmen wurden leiser, und als Ryan abermals in die Dunkelheit abzugleiten drohte, kämpfte er nicht mehr dagegen an.
Sondern überließ sich ihr.
Und irgendwann hörten die Tritte auf.
4
Ausgerüstet mit einer Taschenlampe in der einen Hand und dem schweren Schlüsselbund, den Schwester Margaret ihm überlassen hatte, in der anderen, stieß Bruder Francis die Tür zum Keller hinter dem Speisesaal auf und tastete die Wand nach einem Lichtschalter ab.
Nichts.
Kein Schalter. Nicht einmal eine Glühbirne mit einer Zugkette daran. Kein Wunder, Schwester Margaret hatte ihn ja vorgewarnt. »Da unten könnte der Heilige Gral liegen, und niemand würde ihn jemals finden«, hatte sie gesagt, als sie ihm die Schlüssel und die Taschenlampe ausgehändigt hatte. »Und falls Sie Schwester Agnes Leopold begegnen sollten, dann richten Sie ihr aus, dass sie siebenundzwanzig Jahre zu spät dran ist, um ihr Gelübde abzulegen.« Auf seinen verständnislosen Blick hin hatte sie die schwarzen Augen verdreht, gemeint, das sei nur ein Scherz gewesen, und ihn entlassen, damit er mit der Durchsuchung des Kellers begann.
Mit der undurchdringlichen Dunkelheit des Treppenabgangs konfrontiert, fühlte sich Bruder Francis plötzlich an den Tag vor vielen Jahren zurückversetzt, als ihn sein älterer Bruder in den Keller gesperrt und das Licht ausgemacht hatte. Damals war er fünf gewesen und hatte sich fast zu Tode gefürchtet. Aber jetzt bist du erwachsen, ermahnte er sich, und da unten ist nichts, wovor du Angst haben müsstest. Er schluckte, knipste die Taschenlampe an und stieg die Kellertreppe hinab. Auch wenn er Kip Adamson nicht finden sollte, überlegte er, war es ohnehin längst an der Zeit, sich mit den labyrinthartigen Tunneln und Kellergeschossen vertraut zu machen, die all diese Gebäude miteinander verbanden. Die Schüler, das war ihm inzwischen klargeworden, benutzten diese unterirdischen Gänge wie ihr eigenes, privates Straßennetz, das sie Big Dig nannten, in Anlehnung an das Jahrzehnte währende Bauprojekt in Boston, das inzwischen alle Stadtautobahnen in den Untergrund verlegt hatte. Obwohl die Schüler sich seit langem in diesem finsteren Tunnelsystem schnell, sicher und vor allem ungesehen über den Campus bewegten, war es für ihn das erste Mal, dass er sich in diesen Irrgarten hinabwagte, und als er den unteren Treppenabsatz erreichte, spielte er tatsächlich kurz mit dem Gedanken, auf der Stelle kehrtzumachen und sich nach oben in die späte Nachmittagssonne zu flüchten. Nein, ehe er Alarm schlug, dass Kip Adamson verschwunden war, musste er den gesamten Campus nach dem Jungen absuchen, und diese Suche schloss selbstverständlich auch die unterirdischen Tunnel ein.
Die Treppe endete in einem großen, leeren Raum, von dem drei Gänge in drei verschiedene Richtungen abgingen. Bruder Francis entschied sich für den linken Gang, machte ein paar Schritte und hätte beinahe die Stufen übersehen, die noch eine Etage tiefer führten. Stolpernd gelang es ihm im letzten Moment, sich an der feuchten Mauer abzustützen. Vorsichtiger bewegte er sich jetzt weiter, probierte jede Tür aus, an der er vorbeikam, aber alle waren abgeschlossen. An der nächsten Kreuzung schon begann ihm zu dämmern, welche enorme Ausdehnung dieses Labyrinth besaß.
Unter diesen Gebäuden mussten Meilen von Tunneln und Gängen liegen.
Als im Lichtkegel seiner Taschenlampe etwas Metallenes aufblitzte, sah er, dass er vor einem altmodischen Aufzug mit Scherengittern stand, der höchstens zwei Personen Platz bot.
Eine Tür, die sich öffnen ließ, führte in einen Lagerraum, und als Bruder Francis darin umherleuchtete, entdeckte er unter dicken Lagen von Spinnweben zwei mit kunstvollen Schnitzereien verzierte und offenbar uralte Beichtstühle. Wieder traf der Lichtstrahl der Taschenlampe auf etwas Blitzendes, und im nächsten Moment kam eine Ratte aus einem der Beichtstühle geschossen und verschwand in den finsteren Winkeln des Raumes, die seine Lampe nicht erreichte.
Beherzt setzte Bruder Francis seinen Weg durch diese unwirtlichen Gewölbegänge fort, umgeben von muffiger Dunkelheit und Modergeruch, wobei er versuchte, sich jede Abzweigung einzuprägen, die er genommen hatte, obschon er sich eingestehen musste, dass er längst keine Ahnung mehr hatte, wo er war.
Die Batterien der Taschenlampe wurden zusehends schwächer.
Da, am Ende eines Korridors zu seiner Rechten, ein schwacher Lichtschein!
Er schwenkte die Lampe herum, und der Lichtstrahl traf auf eine geschnitzte Holztür mit einem kleinen Bleiglasfenster in Augenhöhe.
Das Fensterchen hatte die Form eines Herzens.
Neugierig trat Bruder Francis näher an die Tür heran. Schaltete die Lampe aus.
Und obgleich er sich lächerlich vorkam, konnte er sich auf einmal des Eindrucks nicht erwehren, dass dieses in die Tür eingelassene Herz schlug.
Er streckte die Hand aus, tastend zunächst, und kaum hatten seine Finger das Holz berührt, ermahnte ihn eine innere Stimme, sich abzuwenden.
Doch stattdessen stieß er die Tür auf.
Dahinter befand sich eine kleine Kapelle mit einem Beichtstuhl, zwei kleinen Sitzbänken und einem Altar.
Auf diesem stand eine einzelne, brennende Kerze.
Und über dem Altar hing ein riesiges Kruzifix – groß genug für einen Raum der zehnfachen Größe.
Der Christus mit den blutenden Wunden an diesem Kreuz schien Bruder Francis direkt in die Augen zu starren.
Erschrocken wich er zurück, stürmte aus der kleinen Kapelle und bekreuzigte sich instinktiv, ehe er die Tür hinter sich zuwarf.
Mit rasendem Puls rannte er zurück.
Doch schon nach wenigen Schritten war er sich nicht mehr sicher, ob er tatsächlich den Weg zurücklief. Er blieb stehen und leuchtete in beide Richtungen, wobei der immer schwächer werdende Lichtkegel die watteähnliche Dunkelheit kaum mehr zu durchdringen vermochte.
Das Licht begann zu flackern, dann erlosch es.
Bruder Francis schüttelte die Lampe und klopfte ein paarmal kräftig dagegen. Für einen kurzen Moment flackerte das Licht noch einmal auf, um dann endgültig zu verlöschen.
Sein Herz hämmerte inzwischen so laut, dass er es deutlich hören konnte, und zugleich machte sich die vertraute Beklemmung der Panik in seiner Brust breit.
Und als ihm seine Fantasie auch noch in unscharfen Bildern vorzugaukeln begann, was in den finsteren Ecken lauern und auf ihn zu kriechen könnte, packte ihn das Grauen.
Die Kapelle! Die Kerze auf dem Altar! Wenn er den Weg dorthin fände, hätte er wieder Licht!
Doch kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, wusste er schon, dass es hoffnungslos war – er hatte nicht die geringste Ahnung, in welcher Richtung die Kapelle lag, und könnte stundenlang durch diese stockfinsteren Gänge irren, ohne sie zu finden.
Jetzt raste sein Herz, und die Panik nahm immer mehr Besitz von ihm. Trotz der klammen Kälte brach ihm der Schweiß aus.
Und plötzlich, irgendwo in der Dunkelheit, ein Laut.
Ganz schwach, kaum hörbar, aber ein Laut.
»Haaallo«, rief Bruder Francis und hörte seine Stimme dumpf von den Wänden widerhallen. Dann nahm er all seinen Mut zusammen und rief noch einmal, lauter diesmal: »Wer ist da? Ist da jemand?«
Keine Antwort.
Er wagte sich einen Schritt weiter vor und hielt erschrocken inne, als die Schlüssel in seiner linken Hand schepperten.
Du bist doch kein Kind mehr, tadelte er sich, doch dieses Wissen konnte nur wenig gegen die Angst vor der Dunkelheit ausrichten, die ihm sein Bruder vor vielen Jahren eingepflanzt hatte.
Als die aufsteigende Panik ihn zu ersticken drohte, suchte er instinktiv an der Tunnelwand Halt und merkte, dass er sich an ein schweres Vorhängeschloss klammerte.
Wieder erstarrte er, lauschte mit angehaltenem Atem.
Nichts. Absolute Stille.
Mit zitternden Fingern erkundete er das Schloss. Das Schlüsselloch war so groß, dass einer dieser alten Bartschlüssel passen könnte, überlegte er und tastete blind an dem Schlüsselbund von Schwester Margaret herum, bis er den größten Schlüssel gefunden hatte. Er probierte ihn aus.
Zu groß.
Er versuchte es mit einem anderen Schlüssel, dann mit einem dritten.
Der vierte endlich passte. Er drehte ihn um, das Schloss sprang auf. Dann hakte er den Bügel aus und stieß die Tür auf. Während er innen die Wand neben dem Türstock abtastete, rief er im Stillen alle Heiligen an, die ihm gerade einfielen, und hoffte, dass einer darunter sein möge, der für so alltägliche Dinge wie Lichtschalter zuständig war.
Und Sekunden später wurde sein Gebet tatsächlich erhört: er fand einen Schalter, knipste ihn an, und eine schwache Glühbirne warf ihr gelbliches Licht in einen kleinen Lagerraum, in dem sich alte, verbeulte Pappkartons stapelten.
Aber immer noch keine Spur von Kip Adamson.
Bruder Francis blieb in der Tür stehen und spähte den düsteren Flur entlang, indem er sich erst nach rechts, dann nach links drehte. Nichts. Er musste weiter. Doch obwohl sein Herz nicht mehr ganz so aufgeregt pochte wie noch vor kurzem, scheute er sich, das Licht wieder auszuschalten. Er wusste einfach nicht, wo in diesem unüberschaubaren Tunnelgewirr er sich im Augenblick befand, und die Aussicht, stundenlang hier unten durch die Dunkelheit zu irren, jagte ihm Angstschauer über den Rücken.
Aber hatte er eine andere Wahl? Selbst wenn er die schwache Glühbirne in diesem Raum brennen ließe, würde das Licht nicht weiter reichen als bis zum Ende dieses Korridors, und das waren nicht mehr als sechs oder sieben Meter – allerhöchstens zehn.
Plötzlich war da wieder ein Geräusch; es kam irgendwo von rechts.
Stimmen.
Deutliche Stimmen.
Die Panik, die ihn eben noch fest im Griff gehabt hatte, fiel von ihm ab wie das trockene Laub im Herbst von den Bäumen. Ich darf nicht vergessen, Schwester Margaret zu bitten, sämtliche ausgebrannten Glühbirnen hier unten auswechseln zu lassen, dachte er noch, ehe er in die Dunkelheit rief: »Hallo? Wer ist da?«
»Bruder Francis?«, antwortete eine vertraute Stimme. »Was machen Sie denn hier unten?«
Wie aus dem Nichts aufgetaucht, standen Clay Matthews und Darren Bender in dem schwach beleuchteten Flur.
»Das könnte ich euch auch fragen«, gab Bruder Francis zurück und hoffte, dass man ihm seine grenzenlose Erleichterung nicht anhörte.
»Wir suchen Kip«, sagte Clay.
»Solltet ihr nicht über euren Aufgaben sitzen?«, erwiderte Bruder Francis nach einem Blick auf seine Armbanduhr. »Es ist noch eine gute Stunde bis zum Abendessen.«
»Wir konnten uns einfach nicht konzentrieren«, erklärte Clay. »Wir mussten dauernd an Kip denken, und dabei ist mir eingefallen, dass er mir einmal erzählt hat, er gehe manchmal hier hinunter, um in irgendeiner Kapelle, von der ich noch nie etwas gehört habe, zu beichten und …«
Er verstummte, als Darren Bender etwas genervt den Kopf schüttelte. »Ich erkläre ihm schon die ganze Zeit, dass Kip verschwunden ist, aber Clay will unbedingt weiter nach ihm suchen.«
»Wo habt ihr denn schon alles nachgesehen?«
Darren zuckte die Schultern. »Eigentlich fast überall. Wir haben unter der Bibliothek angefangen, sind den langen Weg durch die Keller unter dem Turnsaal und dem Pfarrhaus abgegangen. Wir dachten, wir sehen auf dem Weg zu unseren Zimmern noch unter der Aula nach und suchen später noch die anderen Keller ab.«
»In den Gängen unter dem großen Speisesaal ist er nicht«, seufzte Bruder Francis. »Da habe ich bereits nachgeschaut. Also könnten wir eigentlich gleich gemeinsam zu euren Zimmern gehen.«
Eine Viertelstunde später wischte sich Bruder Francis Staub und Spinnweben von den Schultern seiner Mönchskutte und klopfte dann leise an Pater Laughlins Tür.
Der alte Priester sah von dem Buch auf, in dem er gerade las, und als er Bruder Francis erkannte, breitete sich ein Lächeln auf seinem freundlichen, von tiefen Falten durchzogenen Gesicht aus. »Kommen Sie herein, Francis«, sagte er. »Setzen Sie sich.«
Bruder Francis betrat das Büro und schloss die Tür hinter sich. »Ich fürchte, ich bringe schlechte Nachrichten«, begann er und setzte sich ganz vorne auf die Kante eines alten, geschnitzten Holzsessels mit fadenscheinigem Samtbezug, von denen es zwei in dem kleinen Büro gab.
Fragend hob der alte Schuldirektor die buschigen Augenbrauen. »Ja?«
»Einer unserer Jungen – Kip Adamson – wird vermisst. Er scheint sich nirgendwo auf dem Schulgelände zu befinden, und ich fürchte …« Er zögerte, entschied dann aber, dass es hier nichts zu beschönigen gab. »Ich fürchte, er ist weggelaufen.«
»Kip Adamson«, wiederholte Pater Laughlin.
Bruder Francis nickte. »Er gehört zu unseren Problemschülern. Aber nichts wirklich Dramatisches – hat ein paarmal in einem Laden etwas mitgehen lassen – solche Dinge. Seltsam ist nur, dass er seit zweieinhalb Jahren hier bei uns ist und sich gemäß unseren Unterlagen zu einem der besten Schüler gemausert hat. Keine Disziplinarstrafen und überdurchschnittliche Noten. Ausgezeichnete Noten, um es genau zu sagen.«
»Und er ist abgängig, sagen Sie?«, murmelte Pater Laughlin, nahm seine altmodische Lesebrille ab und rieb sich den Nasenrücken.
Etwas am Tonfall des alten Priesters ließ Bruder Francis aufhorchen. Hatte der alte Priester überhaupt verstanden, was er gerade gesagt hatte?, fragte er sich und überlegte nicht zum ersten Mal, ob Pater Laughlin nicht ein bisschen zu alt und zu unvertraut mit der heutigen Jugend war, um eine Schule wie die St. Isaac’s Academy zu leiten. Der greise Priester kam ihm manchmal vor wie ein Relikt aus einer freundlicheren und sehr viel besseren Zeit. »Er ist schon der zweite in diesem Jahr«, seufzte Bruder Francis. »Und ich muss zugeben, dass ich mich dafür mitverantwortlich fühle. Offenbar habe ich bei diesen Jungs versagt.« Er unterbrach sich, beendete dann aber seinen Gedankengang. »Ich frage mich, ob es nicht ein Fehler war, dass Sie mich eingestellt haben. Vielleicht bin ich für diese Art von Schule einfach nicht geschaffen.«
Pater Laughlin schüttelte bedächtig den Kopf. »Nein, Sie trifft da keinerlei Schuld, Francis. Es ist einfach …«
»In den letzten fünf Jahren ist hier kein einziger Schüler verschwunden«, fiel ihm Bruder Francis ins Wort. »Dann komme ich und verliere gleich zwei in meinem ersten Jahr.« Bruder Francis seufzte erneut. »Ich zermartere mir schon die ganze Zeit den Kopf, wie ich das Kips Eltern beibringen soll.«
Pater Laughlin antwortete nicht gleich. Erst nach einer Weile setzte er seine Brille wieder auf und sah den jungen Geistlichen an. »Es gibt mehr als einen Grund, warum Seine Eminenz uns Pater Sebastian Sloane zur selben Zeit wie Sie geschickt hat«, sagte er dann. »Und einer dieser Gründe ist, dass Pater Sebastian nicht nur über langjährige Erfahrungen mit schwierigen Jugendlichen verfügt, sondern auch mit deren Eltern. Ich schlage vor, wir warten noch das Abendessen ab, und wenn der junge Adamson bis dahin nicht aufgetaucht ist, dann wenden Sie sich an Pater Sebastian. Sollte es tatsächlich notwendig sein, mit den Eltern des Jungen zu sprechen, wird er das übernehmen. Ich vertraue darauf, dass Pater Sebastian genau weiß, wie man mit einer solchen Situation umgeht.« Der alte Priester streckte die Hand aus und legte sie beruhigend auf Bruder Francis’ Arm. »Und in der Zwischenzeit werden wir für Kips sichere Rückkehr beten.«
Als Bruder Francis kurz darauf das Büro des Schulleiters verließ, versuchte er sich einzureden, dass alles ein gutes Ende nehmen und Kip Adamson wieder auftauchen würde. Doch obwohl er sich nichts sehnlicher wünschte, vermochte er nicht wirklich daran zu glauben.
Nein, da war etwas faul.
Und zwar sehr faul.
5
Teri McIntyre zog den Gürtel durch die Schlaufen ihres Rockbundes und warf neuerlich einen Blick auf die Uhr. Zehn vor sechs. Sie hatte sich geärgert, als Ryan zur verabredeten Zeit um halb sechs nicht erschienen war, doch in den letzten Minuten hatte sich ihr Ärger in Besorgnis verwandelt. Ryan war ein Junge, von dem eine Mutter nur träumen konnte. Wenn er versprach, dieses oder jenes zu tun, dann tat er es auch, selbst wenn es ihm nicht passte, und Teri wusste, dass Ryan nicht die geringste Lust hatte, heute Abend mit ihnen zum Essen zu gehen, aber er hatte zugesagt. Und seiner Nachricht auf dem Anrufbeantworter zufolge hatte er die Schule gegen vier Uhr verlassen. Was war passiert?
Warum war er noch nicht zu Hause?
Sie griff zum Telefon und wählte noch einmal Ryans Handynummer, legte aber auf, als sich nur wieder seine Mailbox meldete. Sie hatte ihm bereits zwei Nachrichten hinterlassen und um Rückruf gebeten, und eine dritte würde auch nichts nutzen. Seufzend ging sie nach unten, um auf ihn zu warten.
Sie warf einen Blick aus dem Fenster. Die Straße war menschenleer, und vorne an der Ecke fuhr der Bus gerade von der Haltestelle los. Teri hockte sich auf die Armlehne des Sofas, von wo aus sie ihre Zufahrt und den Gehsteig überblicken konnte, und knabberte nervös an einem Stück Nagelhaut, während sie überlegte, was sie tun könnte.
Und was passiert sein mochte.
Um sich von unheilvollen Gedanken abzulenken, ging sie in die Küche und kramte ihr Adressbuch aus der Schublade der Anrichte. Kurz darauf wählte sie die Nummer der Schule, doch im Büro war niemand mehr anwesend, und sie hörte nur die automatische Bandansage. Sie legte auf und rief dann bei Josh Singer an. Vielleicht hatte Ryan ja auf dem Heimweg kurz bei Josh vorbeigeschaut und war dann bei einem Videospiel hängengeblieben und hatte die Zeit übersehen.
»Hi, Melinda«, sagte sie, als Josh’ Mutter sich meldete. »Ich bin’s, Teri McIntyre. Ist Ryan zufällig bei Ihnen?«
»Hallo, Teri. Nein, ich habe ihn nicht gesehen. Aber bleiben Sie kurz dran. Ich hole Josh ans Telefon.«
Abwesend trommelte Teri mit den Fingernägeln auf die Resopalplatte der Anrichte, während sie wartete.
»Mrs. McIntyre?«
»Hallo, Josh. Ich suche Ryan.«
»Er wollte nach der Schule noch seinen Geschichtstest fertig schreiben. Er …«
»Ich weiß von dem Test«, fiel ihm Teri ins Wort. »Aber er müsste eigentlich schon längst zu Hause sein. Wenn du ihn siehst, sag ihm bitte, er soll mich sofort anrufen, ja?«
»Klar.«
Teri legte auf und hörte im gleichen Moment eine Wagentür zuschlagen. Mit dem Telefon in der Hand lief sie zur Haustür, dachte, dass vielleicht jemand Ryan mit dem Auto mitgenommen hatte, doch statt Ryan kam Tom Kelly auf sie zu. Sie schaute noch einmal auf die Uhr, obwohl sie genau wusste, wie spät es war. Achtzehn Uhr, auf die Sekunde.