Das verzauberte Haus - Robert Musil - E-Book

Das verzauberte Haus E-Book

Robert Musil

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Beschreibung

Das verzauberte Haus ist eine Erzählung von Robert Musil und gehört zu seinen eher selten gelesenen Werken.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 29

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Das verzauberte Haus

Das verzauberte HausAnmerkungen zu dieser AusgabeImpressum

Das verzauberte Haus

»Sie hätte mich damals ja beinahe vergiftet«, beteuerte der Oberleutnant Demeter Nagy, sooft er später von seinem Abenteuer in dem verzauberten Hause erzählte. Es ereignete sich, als er während einer winterlichen Truppenkonzentrierung durch mehrere Wochen auf dem alten Stadtbesitz der gräflichen Familie einquartiert war, und begann damit, daß er am Tage vor einer kurzdauernden Abkommandierung – kopfschüttelnd, weil er ihn nicht verstand, – den Schluß eines Gespräches mitanhören mußte, der vom Nebenzimmer mit den fühlbar durch eine Erregung verstärkten Stimmen zweier Menschen zu ihm herübergetragen wurde. Es kam erst ein Nein, ganz leise und trotzdem sich merkwürdig aus dem Vorherigen herauslösend und durch das Haus gehoben, dann sprach ein Mann etwas, das er nicht recht hören konnte, und von da ab vernahm er mit voller Deutlichkeit jedes Wort.

Eine tiefe, von der Leidenschaft in die Höhe getriebene und oben zerfallende Frauenstimme rief: »Lassen Sie mich, ich kann nicht! ich kann nicht!!« und die Worte brachen zackig wie mürbes Mauerwerk von ihr ab. Dann hörte Demeter wieder den Mann sprechen: »Trotzdem, Sie lieben mich! denn Ihr ganzes Wesen ist von dem meinen ergriffen, es hat keinen Gedanken, hinter dem nicht ich wäre, Ihr Leben begann erst mit dem meinen wieder. Täuschen Sie sich nicht selbst ... Das ist Liebe; sagen Sie ... Sie lieben mich ...?« Und die Stimme der Frau antwortete stiller, aber sie stieg wieder während der Worte an und zerriß: »Ich? oh ... vielleicht, das heißt nein, ... nein ich weiß nicht.« Und Demeter hörte noch einmal den Mann sprechen: »So hören Sie, Viktoria, wenn Sie sich weigern, reise ich heute ab, morgen habe ich mein Leben weggeworfen, wenn Sie sich weigern. Sie wissen, wie dies in dem letzten Jahr nur mehr an Ihnen hing. Ich weiß, daß Sie mich lieben, morgen werden vielleicht auch Sie es wissen: ich frage Sie noch einmal, können Sie?« – Darauf trat eine kleine Stille ein und dann hörte Demeter »nein!« sagen und »nein!!« – zweimal wie mit der Peitsche oder wie ein besinnungsloses Sichfestklammern – und dann noch einmal nein, – leiser, zusammengesunken und wie ein Schmerz über Wehtun.

Demeter Nagy pfiff, als er nichts mehr hörte, halblaut durch die Zähne, wie er dies in schwierigen Situationen seit seiner Knabenzeit zu tun pflegte, in deren Geschichten zwischen Indianern und Pfadfindern ihm dieses Zeichen tapferer Kaltblütigkeit zum erstenmal erstrebenswert erschienen war, dann klappte er mit den Absätzen zusammen, zog seinen Schnurrbart in die Höhe, schüttelte abermals den Kopf und lächelte. Es ging ihm, wie es auch andern geht, wenn sie plötzlich zwei Seelen mit blutigen Eingeweiden ineinander verschlungen sehen. Denn mag es sich um ein letztes Auseinanderreißen handeln oder um ein erstes Sichineinanderstürzen, um ein belauschtes Liebespaar oder um eines sterbenden Menschen schamlos vergessenes sich Stemmen und Klemmen: keiner weiß warum, aber man liebt nicht, daran erinnert zu werden, daß die äußersten Heimlichkeiten des Leides und der Lust, die man als die tiefsten Erregungen des eigenen Wesens ahnt, den einen ohne Unterschied gegen den anderen treffen; man fühlt das wie einen Eingriff, wie ein Zunahekommen, man rückt ab, man sucht unwillkürlich das gestörte Gleichgewicht wiederzugewinnen und statt Mitgefühl zu empfinden wird man von einem ruchlosen Trieb der Notwehr gedrängt, das Gesehene als widerwärtig oder lächerlich zu fühlen. Auch Demeter war im Augenblick nach der ersten Überraschung versucht, den belauschten Auftritt unterhaltlich zu finden. Ruhig packte er seine Sachen weiter in die kleine Reisetasche, allmählich wurde er aber dabei nachdenklicher und nachdenklicher und endlich stand er eine Weile ganz still, voll Erstaunen und mit der Spannung eines Tiers, das eine Witterung bekommen hat. »Viktoria? Ja wie kam dieses Mädchen dazu?« Und Demeter überlegte.