Das Wintermärchen von Kerry - Julie Larsen - E-Book

Das Wintermärchen von Kerry E-Book

Julie Larsen

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Beschreibung

Weihnachtliches Irland und ein Tierarzt zum Verlieben

Eilis McCarthy hat ihr Leben lang von der Liebe geträumt, aber die Realität hat sie bisher nur enttäuscht. Als sie ihren Job als Anwaltsassistentin in einer namhaften Kanzlei in Chicago verliert, setzt sie alles auf eine Karte und kauft einen verlassenen Buchladen in Irland. Dort angekommen findet sie jedoch nicht nur Bücher vor, sondern eine Menagerie an Tieren und Cillian, einen gutaussehenden Tierarzt und Enkel des ehemaligen Besitzers. Gemeinsam suchen Eilis und Cillian ein neues Zuhause für jedes der Tiere, die er aus schlechter Haltung gerettet hat. Kurz vor der großen Wiedereröffnung des Ladens an Weihnachten scheint alles perfekt. Doch dann kommen ihnen ihre Ängste in die Quere …

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 375

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Zum Buch

Eilis blieb einen Moment stehen und ließ den Raum auf sich wirken. Tief atmete sie den Duft nach Papier und Leder, nach Druckerschwärze und Fantasie ein. Schon immer hatte sie sich gerne in eine Welt aus Abenteuern und Magie geträumt. Wenn sie mit Harry Potter nach Hogwarts reiste, oder mit Frodo durch Mittelerde, wenn sie mit Lou Clark um eine Liebe kämpfte, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, und dabei sich selbst fand, oder mit Clare und Henry wieder und wieder bewies, dass die Liebe weder Zeit noch Raum noch Logik kannte, dann fühlte sie sich so stark und geborgen wie selten im echten Leben, wo sie immer nur eine von vielen war. Unbedeutend und unscheinbar. Nun empfing sie dieser Raum wie eine Umarmung. Die Regale und hohen Türme aus Papier wirkten wie Adern, durch die Worte statt Blut flossen. Jeder Gegenstand – von der altmodischen Kasse auf dem Tresen bis zur verblichenen Weltkarte an der Wand – erzählte eine Geschichte. Ihr Puls beschleunigte sich, Aufregung kribbelte durch ihre Adern. Dies war das Herz all der Geschichten, die sie jemals gelesen hatte.

Zur Autorin

Julie Larsen, Jahrgang 1979, liebt ihre Familie, Hunde, Katzen, Vögel und das Reisen. Nach dem Abitur in England studierte sie in Prag und München Kommunikation. Wenn sie nicht gerade unterwegs ist, um neue Abenteuer zu erleben, träumt sie sich mit ihren romantischen Geschichten an die schönsten Fleckchen dieser Welt.

Lieferbare Titel

Nordlichtträume am Fjord

Sommerzauber am Fjord

Winterküsse unterm Nordstern

Lichter, die vom Himmel fallen

Lichterzauber in Whispering Heights

Wege die zur Liebe führen

Julie Larsen

Das Wintermärchen von Kerry

Roman

HarperCollins

Originalausgabe

© 2025 HarperCollins in der

Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH

Valentinskamp 24 · 20354 Hamburg

[email protected]

Covergestaltung von ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung unter der Verwendung von Shutterstock

E-Book-Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN9783749909094

www.harpercollins.de

Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte der Urheberin und des Verlags bleiben davon unberührt.

1

Ein feiner Sprühregen lag in der Luft, als Eilis McCarthy aus dem winzigen Bus kletterte, der Glensiveen mit dem Rest der Welt verband. Nach fast vierundzwanzig Stunden Reise war sie endlich da. Die Stadt wirkte wie aus einem Film: Farbige Häuser duckten sich aneinander, als müssten sie sich gegenseitig gegen Wind und Regen stützen. Leise klapperten die Schilder der kleinen Geschäfte, und aus der Richtung des Hafens drang das Knarzen von Booten, die unruhig an ihren Seilen zerrten. Über allem lag der salzige Geruch des Atlantiks, gemischt mit einer Spur von Torfrauch, der aus zahlreichen Schornsteinen drang. Kein Wunder, dass hier romantische Geschichten geboren wurden. An einem Ort wie diesem mussten die Menschen zusammenrücken, um Wärme zu finden. Sie mussten füreinander da sein und sich gegenseitig helfen, um in das Herz des Abenteuers vorzudringen, das sich Leben nannte. Genau das war es gewesen, was Nana und Grampa vor Jahrzehnten an diesen Ort geführt hatte. Genau das war es, was auch sie suchte.

Sie schob eine Hand in ihre Umhängetasche und tastete nach dem Zettel, auf den Nana ihr die Adresse geschrieben hatte. Vom häufigen Auf- und Zufalten war das Papier schon ganz weich. Bald würde man die Schrift nicht mehr lesen können, doch Eilis kannte die wenigen Worte ohnehin längst auswendig. Malachy Kavanagh stand in der krakeligen Handschrift ihrer Nana darauf. Und dann: Seaview Lane 3, Glensiveen, Co. Kerry, V94 K2Y4. Einfache Worte, schmucklos und funktional, und doch hatte Nana sie selbst nach all den Jahrzehnten noch immer auswendig gewusst. Nicht einmal in ihrem uralten Notizbuch hatte sie nachsehen müssen.

Als Eilis sie darauf angesprochen hatte, hatte Nana nur mit dem Kopf geschüttelt. »Wie sollte ich sie vergessen, Liebes? An diesem Ort hat meine Liebe zu deinem Grampa angefangen. Von dort aus hat sie Flügel bekommen und mich ans andere Ende der Welt begleitet. Bis heute spüre ich sie jeden Tag in mir, selbst jetzt, wo dein Grampa nicht mehr unter uns ist. Es ist wie ein warmes Leuchten, genau hier.« Ihre knochigen Finger hatten sich auf die Brust geklopft, an die Stelle, wo sie ihr Herz vermutete. Mit diesem Lächeln, das stets auch einen Hauch Trauer in sich trug, hatte sie Eilis tief in die Augen geschaut, und die hatte es nicht mehr ausgehalten, so intensiv war der Blick gewesen. »Ich wünschte, du könntest das auch einmal erleben, mein Mädchen.«

Ich mir auch, Nana, ich mir auch.

Erst als sie wieder sicher hatte sein können, nicht vor Sehnsucht in Tränen auszubrechen, hatte sie es fertiggebracht, Nanas Blick zu erwidern.

Und nun stand sie hier. Niemand in Chicago wusste von ihrer Reise nach Irland. Schlimm genug, dass sie selbst wusste, wie verzweifelt sie sich mittlerweile danach sehnte, nicht immer alles allein stemmen zu müssen, um überhaupt nur die Idee in Betracht zu ziehen, den berühmt-berüchtigten Matchmaker Malachy Kavanagh aufzusuchen.

Tief durchatmend schob Eilis den Zettel zurück in die Tasche, zog ihren Mantel enger um sich und blickte die Hauptstraße hinunter. Es würde nicht schwer sein, die Buchhandlung zu finden. In einem Ort wie diesem kannte vermutlich jeder Malachy Kavanagh.

Fündig wurde sie schließlich in einer schmalen Seitengasse, zwischen einem Café und einem Laden, der alles verkaufte, was man aus Wolle herstellen konnte: Socken, Pullover, Mützen und Schals, Pantoffeln, Babystrampler und sogar Schmuck. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee und einem Hauch Lavendelöl aus dem Café mischte sich mit dem subtilen Geruch nach Schafswolle. Im Vergleich zu seinen bunten, einladenden Nachbarn wirkte der Buchladen fast unscheinbar. Ein handgemaltes Schild, auf dem in geschwungener Schrift »Pages & Promises« stand, schwang leise im Wind. Die Buchstaben waren bereits ein wenig verblasst. Irgendwann hatte wohl mal jemand versucht, sie auszubessern, aber das Ergebnis war eher laienhaft ausgefallen. Bei der knorrigen, blau gestrichenen Tür darunter schimmerte an einigen Stellen das Holz unter der Farbe durch. Der Türgriff war aus schwerem Messing, und als Eilis ihn zog, begrüßte sie das sanfte Klingeln eines Glöckchens.

Drinnen schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Überall standen Regale, so dicht gefüllt, dass es wirkte, als würden sie sich leicht nach vorn neigen. Bis unter die Decke türmten sich in den Ecken Bücher. Von einer Lampe mit einem Schirm im Tiffany-Stil, die auf einem kleinen Tisch in der Mitte des Raums stand, ging warmes, goldenes Licht aus. Auf dem Tisch lag ein Stapel Lesezeichen, kunstvoll bemalt mit irischen Knotenmustern. Die einzige Quelle für Frischluft war ein Fenster mit abblätterndem blauem Lack, durch das zwei Katzen Eilis von draußen betrachteten. Eine dritte Katze hatte sich direkt unter dem Fenster auf einem alten Polsterstuhl zusammengerollt.

Über einer Holztreppe, die zu einem zweiten Stockwerk führte, war ein Schild angebracht. Bücher öffnen Türen zu Welten, die nur das Herz sehen kann, stand darauf. Von unter der Treppe klang das leise Rascheln von Papier und gelegentlich ein schweres, dumpfes Geräusch – vermutlich ein Buch, das von einem Stapel auf einen anderen gelegt wurde.

Eilis blieb einen Moment stehen und ließ den Raum auf sich wirken. Tief atmete sie den Duft nach Papier und Leder, nach Druckerschwärze und Fantasie ein. Schon immer hatte sie sich gerne in eine Welt aus Abenteuern und Magie geträumt. Wenn sie mit Harry Potter nach Hogwarts reiste oder mit Frodo durch Mittelerde, wenn sie mit Lou Clark um eine Liebe kämpfte, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, und dabei sich selbst fand, oder mit Clare und Henry wieder und wieder bewies, dass die Liebe weder Zeit noch Raum noch Logik kannte, dann fühlte sie sich so stark und geborgen wie selten im echten Leben, wo sie immer nur eine von vielen war. Unbedeutend und unscheinbar. Nun empfing sie dieser Raum wie eine Umarmung. Die Regale und hohen Türme aus Papier wirkten wie Adern, durch die Worte statt Blut flossen. Jeder Gegenstand – von der altmodischen Kasse auf dem Tresen bis zur verblichenen Weltkarte an der Wand – erzählte eine Geschichte. Ihr Puls beschleunigte sich, Aufregung kribbelte durch ihre Adern. Dies war das Herz all der Geschichten, die sie jemals gelesen hatte.

»Ah, eine neue Besucherin.« Die Stimme klang freundlich und ein wenig brüchig.

Eilis sah auf. Von unter der Treppe trat ein betagter Herr hervor. Er war kleiner, als sie ihn sich vorgestellt hatte, höchstens so groß wie sie. Sein Gesicht war schmal und von tiefen Falten durchzogen, und unter buschigen weißen Brauen blitzten graue Augen hervor, die selbst hinter den Gläsern einer Brille, die viel zu groß für sein Gesicht war, nichts von ihrer Lebendigkeit verloren. Sein Haar – oder besser gesagt: was davon noch übrig war – umspielte die Seiten seines Kopfs als dünne, silbrig-weiße Wolke. »Malachy Kavanagh«, stellte er sich vor, neigte leicht den Kopf und lächelte Eilis warm an. »Wie kann ich Ihnen helfen?«

Sie räusperte sich, schluckte an dem Knoten aus Rührung, der ihr plötzlich den Hals versperrte. Das also war Malachy Kavanagh, der Mann, von dem Nana ihr schon so viel erzählt hatte. »Ich bin Eilis McCarthy«, brachte sie schließlich hervor. »Wir hatten telefoniert.«

»Eilis McCarthy«, wiederholte er. »Caitlins und Padraigs Enkeltochter.«

»Sie erinnern sich an meine Großeltern?« Bei ihrem kurzen Telefonat vor einigen Wochen hatte sie Nana und Grampa mit keinem Wort erwähnt.

Malachy lächelte. »Aber natürlich! Sie sind der guten Caitlin wie aus dem Gesicht geschnitten. So eine Liebe war das, den Kopf voller großer Ideen. Sie müsste nur nach Amerika, hat sie gedacht, und dort würde sich alles zum Guten wenden. Damals war das noch ganz anders hier, müssen Sie wissen. Bevor die ganzen Touristen kamen. Da war das Leben hart und oft grau und voller Entbehrungen. Padraig war genau der Richtige für sie. Sie war der Wind in seinen Segeln, und er war ihr sicherer Hafen. Kein ganzes Jahr hat es gedauert, nach ihrer Hochzeit, da haben sie sich eingeschifft. Auf nach Amerika. Ich hoffe doch, es ist ihnen gut ergangen in der Ferne.«

Eilis’ Augen brannten, aber sie nickte tapfer dagegen an. »Grampa hat Arbeit beim Straßenbauamt in Chicago gefunden und war dort bis zu seiner Rente beschäftigt. Nana hat bei Macy’s gearbeitet.« Sie schüttelte den Kopf. »Gut, damals hieß das wohl noch Marshall Fields? Es ist das bekannteste Kaufhaus der Stadt, mit dieser wunderbaren, riesigen Tiffany-Glaskuppel. Nana war immer ganz fasziniert von ihren Schaufensterdekorationen. Vor allem zu Weihnachten. Da ist sie einfach hineinmarschiert. Zu Hause hat sie zu Grampa gesagt: ›Wenn wir schon kein Geld haben, uns all diese schönen Dinge zu kaufen, dann möchte ich wenigstens von ihnen umgeben sein.‹ Ihr irischer Akzent war noch so stark damals, dass die Schichtleiterin sie gar nicht verstanden hat und direkt wegschicken wollte. Aber die Abteilungsleiterin der Kosmetikabteilung hat alles mitbekommen, und sie hat Nana eingestellt. So viel Ehrgeiz und Eigeninitiative muss man fördern, hat sie gesagt. Als Nana in Rente ging, hat sie eine Urkunde bekommen. Für die einzige Mitarbeiterin, die in ihrer ganzen Karriere nicht einen einzigen Tag krank war.« Eilis hatte die Geschichte so oft gehört, dass sie nicht nachdenken musste, um sie Wort für Wort wiederzugeben. Nana war die beste Geschichtenerzählerin. Wenn sie von der alten Heimat erzählte oder ihren ersten Jahren in den USA, dann sah Eilis die Vergangenheit so klar vor ihren Augen, als wäre sie dabei gewesen. Vielleicht war es so auch Nana gewesen, die in ihr die Liebe zu Büchern geweckt hatte, und vor allem zu Geschichten mit einem Happy End.

Malachy lächelte. »Ja, das klingt nach der lieben Caitlin.« Wieder musterte er sie mit diesem eindringlichen Blick, als würde er direkt in ihre Seele schauen. Nervös trat Eilis von einem Bein aufs andere.

Malachy blinzelte, dann schüttelte er den Kopf, wischte mit der Hand durch die Luft und lachte ein wenig. »Aber wo sind denn nur meine Manieren hin? Ihnen muss mittlerweile schrecklich warm hier drinnen sein, Kindchen. Warum ziehen Sie nicht Ihren Mantel aus und setzen sich dort an den Tisch, und ich mache uns eine Tasse Tee? Niemand redet gerne mit trockenem Mund über die Liebe.«

Was für eine Erleichterung es war, aus dem Mantel zu kommen. Die dicke Wolle hatte sie zwar gegen den Nieselregen vor der Tür geschützt, hier drinnen staute sich die Hitze darunter jedoch wie in einem Ofen. Eilis legte auch den Schal ab, stopfte ihn in einen der Mantelärmel, dann hängte sie den Mantel über die Lehne des Stuhls, auf den Malachy gewiesen hatte. »Wie kommen Sie denn auf die Idee, dass ich gekommen bin, um über die Liebe zu reden?«, rief sie ihm hinterher.

Unter der Treppe hörte sie Malachy rumoren. Wasser lief, wahrscheinlich füllte er einen Wasserkocher. Kurz darauf erfüllte das Blubbern von Wasser den ganzen Raum. Nicht lange, und er kam mit zwei dampfenden Tassen zurück.

»Weil Liebe und Hass die einzigen zwei Dinge sind, über die es sich zu reden lohnt, Kindchen.« Eine Tasse stellte er vor ihr ab, die andere gegenüber auf der Tischplatte. Aus Angst, er würde die hübschen Lesezeichen nass machen, streckte Eilis schnell eine Hand aus und schob sie zur Seite. Einen kurzen Augenblick lang sah Malachy sich um. Dann ging er zu einem der zahlreichen Bücherstapel und hob die Ausgaben auf den Boden. Den Stuhl, auf dem sie zuvor arrangiert gewesen waren, trug er zum Tisch und nahm gegenüber von Eilis Platz. »Nun«, meinte er, »und jetzt sagen Sie mir, was der Grund ist, aus dem Sie denken, dass Sie zu mir gekommen sind.«

Nun galt es also. Den ganzen langen Weg von Chicago bis Glensiveen war sie gekommen, um diesen Mann zu sehen, und nun saß sie ihm gegenüber und kämpfte mit den Worten. Sie selbst konnte ja kaum ausdrücken, was sie sich von diesem Besuch erhoffte. »Nana ist krank.« Sie zog ihre Tasse näher zu sich heran, hielt die Nase in den aromatischen Dampf. Malachy anzusehen, brachte sie nicht fertig. »Seit Grampa letztes Jahr gestorben ist, will sie nicht mehr leben. Siebzig Jahre lang waren die beiden verheiratet, sie sagt, sie kann sich ein Leben ohne ihren Padraig nicht vorstellen.«

»Kannst du das denn nicht verstehen, Mädchen? Ich bin nicht der Herr im Himmel, ich bestimme nicht über Leben und Tod, aber eines weiß ich ganz genau: Wenn es Zeit ist, ist es Zeit.«

»Ich weiß.« Sie schniefte. »Aber Nana sagt, sie kann nicht gehen, ehe sie nicht weiß, dass ich in guten Händen bin. Wir hatten immer ein enges Verhältnis, Nan und ich. Von all ihren Enkeln stehe ich ihr am nächsten. Aber jetzt meint sie, ich halte sie zurück. Sie sagt, ihr Paddy warte auf sie, das wisse sie genau, aber bevor ich nicht einen Mann gefunden habe, der mich genauso sehr von Herzen liebt, wie Padraig sie geliebt hat, wird sie keinen Frieden finden. Ich will doch nicht, dass sie stirbt.« Ein dicker Knoten Traurigkeit versperrte ihre Kehle, doch sie schluckte dagegen an. »Aber ich … ich …« Ihre Stimme brach.

»Du willst das Beste für deine Nan, genau wie Caitlin das Beste für dich will, Eilis.« Wie von allein wechselte Malachy in die vertrautere Anrede.

Eilis nickte, froh, dass wenigstens er zu verstehen schien, was sie selbst kaum begriff.

»Nun sag mir aber: Was ist es, das du dir wünschst? Caitlin wünscht sich einen Mann für dich. Und du?«

Was für eine komplizierte Frage. Sie nahm einen Schluck von dem Tee, schloss kurz die Augen. Malachy war so freundlich zu ihr, er verdiente eine ehrliche Antwort. Schließlich zuckte sie mit den Schultern. »Eigentlich wollte ich immer so was wie das hier.« Sie sah sich um, machte eine Geste in den Raum hinein. »Mein Traum war schon immer, etwas mit Büchern zu machen. Nicht, sie selbst zu schreiben, oder mit ihnen zu arbeiten, sondern, ihnen ein Zuhause zu geben. Und den Menschen, die Bücher ebenso sehr lieben wie ich, einen Zufluchtsort. Aber um einen Buchladen zu eröffnen, wie er mir vorschwebt, fehlt mir das Eigenkapital. Also arbeite ich als Anwaltsgehilfin in einer mittelgroßen Sozietät.« Sie zuckte mit den Schultern. »Es ist okay.«

»Und die Liebe?«, wollte Malachy wissen.

Sie lachte. »Na ja, auf jeden Fall habe ich nie eine arrangierte Ehe in meiner Zukunft gesehen. Wenn, dann will ich auf jeden Fall eine Liebesheirat. Und trotzdem bin ich jetzt hier.« Verlegen grinste sie Malachy an.

»Na, was für ein Glück. Liebesheiraten sind nämlich die einzigen, die ich vermittle.«

Eilis zog die Augenbrauen hoch. »Und wie genau funktioniert das? Ich meine, was macht dich zu einem … Matchmaker?«

Malachy lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und lächelte leicht. »Es ist eine Gabe, Eilis. Wenn ich zwei Menschen sehe, die füreinander bestimmt sind, dann spüre ich das. Es lässt sich nicht erklären, nicht mit Wissenschaft, nicht mit Vernunft. Manche rümpfen deshalb die Nase über das, was ich tue. Aber ich weiß, was ich weiß. Und wenn ich diese Verbindung spüre, dann ist alles, was ich tun muss, dafür zu sorgen, dass diese beiden Menschen einander begegnen.«

»Das klingt … geheimnisvoll«, sagte Eilis, unsicher, ob sie ihn ernst nehmen sollte. »Irgendwie fast schon zu einfach.«

Malachys Blick wurde weicher. »Einfach ist es ganz sicher nicht immer, Kind. Aber den Rest erledigen das Schicksal – und die Liebe. Es ist keine Magie, aber manchmal fühlt es sich so an.«

Eilis schluckte. Irgendetwas an seiner Überzeugung ließ ihre Zweifel schrumpfen, auch wenn sie es nicht wirklich begreifen konnte. Matchmaking als Gabe? Es klang absurd. Aber Malachy schien so fest davon überzeugt, dass sie ihm glauben wollte.

Als hätte er ihren inneren Stimmungsumschwung bemerkt, lächelte er sanft und trank nun auch von seinem Tee. Seine Hände zitterten, als er die Tasse anhob. Nana war jetzt sechsundachtzig Jahre alt. Aus ihren Erzählungen wusste Eilis, dass Malachy mindestens fünf Jahre älter sein musste. Ihre und Grampas Ehe war eine der ersten gewesen, die er arrangiert hatte. Das war 1955 gewesen. Das hieß, er musste gut über neunzig sein, und dies war das erste Mal, dass sie ihm sein Alter anmerkte. Der kurze Anflug von Schwäche schien wie weggeblasen, als er die Tasse wieder absetzte. Nachdenklich verschränkte er die Finger ineinander und lehnte sich ein Stück zurück, wie um sie besser betrachten zu können. »Weißt du, Mädchen, ich habe über die Jahre viele Menschen kennengelernt, die geglaubt haben, sie wären für die Liebe bereit, aber Liebe ist nicht wie ein Vertrag, den man aufsetzt, oder ein Buch, das man in Kapitel eins aufschlägt und in einer geraden Linie liest. Liebe ist chaotisch und wild und manchmal fürchterlich unbequem.«

Eilis senkte den Blick auf ihre Tasse, die warme Keramik in ihren Händen fühlte sich tröstlich an. Nicht einmal die Macke im Rand änderte das, denn manchmal waren es gerade die kleinen Fehler, die etwas besonders machten. »Willst du damit sagen, ich sei nicht mutig genug für die Liebe?«

Malachy zuckte mit den Schultern. »Die Antwort darauf kennst nur du selbst.«

Wieder dachte sie nach, ehe sie antwortete. »Ich weiß es ehrlich gesagt nicht«, gestand sie schließlich. »Vielleicht bin ich wirklich eher hergekommen, weil ich etwas für Nana ändern möchte als für mich selbst.«

»Das ist ein Anfang«, sagte Malachy leise. »Und wenn du irgendwann spürst, dass du mehr willst, dann ruf mich wieder an.«

Die nächsten Wochen nach ihrer Rückkehr aus Irland verliefen wie immer – und doch war alles anders. Malachys Worte ließen Eilis nicht los, immer wieder tauchten sie in ihrem Kopf auf wie ein Lied, dessen Melodie sie partout nicht abschütteln konnte. Sie ging zu denselben Terminen, aß dieselben Mittagessen und scrollte abends durch dieselben Streamingdienste, unfähig, sich für einen Film zu entscheiden, der die Stille in ihrer Wohnung füllen könnte. Alles fühlte sich plötzlich noch grauer und farbloser an als zuvor.

Die Dates, die sie sich selbst aus Pflichtgefühl aufzwang, liefen ins Leere. Ein Investmentbanker lud sie zu einem schicken Dinner ein, doch schon beim zweiten Treffen fragte er, ob sie bereit wäre, ihren Namen für den seines Familienfonds aufzugeben. Ein IT-Spezialist verbrachte das halbe erste Treffen damit, in sein Handy zu tippen. Die dritte Verabredung brach sie nach zwanzig Minuten ab, weil ihr Gegenüber sich bei der Begrüßung nach ihrem Alter erkundigte und dann spürbar enttäuscht reagierte, als sie »einunddreißig« antwortete.

»Du gibst dich mit halben Sachen zufrieden«, bemerkte Nana eines Abends trocken, als sie wieder einmal schweigend zusammen vor dem Fernseher saßen und Eilis nebenher durch eine der Dating-Apps auf ihrem Handy swipte. Links, rechts, links, links, links. Es ergab alles keinen Sinn.

»Ich mach das doch nur dir zuliebe«, murmelte Eilis, ohne von ihrem Bildschirm aufzusehen. Links, links, links.

»Dann kannst du es auch gleich lassen«, erwiderte Nana scharf.

Eilis blickte überrascht auf.

»Liebe, mein Schatz, findet man nicht in so einer App. Das ist  alles bloß Fassade. Ein hübsches Foto, ein paar nette Worte, und wenn’s drauf ankommt, bleibt nichts übrig, was von Dauer ist.«

»Und wo soll ich sie dann finden?«, fragte Eilis und legte das Handy beiseite. »Immerhin bist du es, die mich unbedingt unter der Haube sehen will.« Ihre Stimme klang wütender, als sie wollte.

Nana drehte sich zu ihr, in ihrem Blick die Mischung aus Strenge und Zärtlichkeit, die Eilis seit ihrer Kindheit begleitet hatte. »Liebe findet man nicht, mein Mädchen. Sie findet dich. Alles, was man machen kann, ist, ihr einen kleinen Schubs zu geben. Trotzdem wird sie dich erst dann finden, wenn du aufhörst, dir selbst etwas vorzumachen. Du musst wissen, was du willst – und bereit sein, dich auf etwas einzulassen, das größer ist als du selbst.«

»Das klingt nach einem Märchen«, sagte Eilis leise, eine Spur Trotz in der Stimme.

»Märchen sind Geschichten, die sich die Leute ausdenken, weil sie wahr sein könnten.« Sie bedeckte Eilis’ Hand mit ihrer eigenen, die Haut dünn wie Pergament und übersät von Altersflecken, und doch lagen in dieser Berührung noch immer die Kraft und der Tatendrang, die Nana ein Leben lang ausgezeichnet hatten.

»Ich habe es erlebt, Eilis«, fuhr sie fort. »Mit deinem Grampa. Wir hatten nichts, als wir angefangen haben. Wir waren arm wie die Kirchenmäuse, und oft wussten wir am Montag nicht, wie wir am Donnerstag satt werden sollten. Aber wir hatten uns, und das hat gereicht. Liebe wächst, wenn man ihr Platz macht. Aber zuerst musst du dir selbst den Platz schaffen.«

In ihrer freien Hand lag noch immer das Handy. Die glänzende Oberfläche schien plötzlich kalt und leer. Genauso kalt und leer, wie sie sich oft fühlte. Sie legte das Gerät beiseite. »Und wie mache ich das?«

Zärtlich drückten Nanas Finger die ihren. »Du bist klug. Und du bist mutig. Hör auf dein Herz, nicht auf das, was dir die Welt sagt, das du tun sollst. Nicht einmal auf mich musst du hören, wenn es dich nicht glücklich macht.« Sie zwinkerte ihr zu. »Ich weiß, du wirst deinen Weg finden. Versprich mir nur, dass du dich nicht mit etwas abfindest, weil du glaubst, mehr steht dir nicht zu. Ich bin alt, mein Schatz, aber ich bin nicht blind. Ich sehe doch, wie unglücklich du bist.«

Unglücklich? So weit würde Eilis nicht gehen. Unzufrieden? Schon eher. Ihr ganzes Leben fühlte sich an wie ein Strickmuster, bei dem jeder Tag die Wiederholung des vorherigen war. Und während sie wie ein Roboter ihren Verrichtungen nachging, kehrte ihre Erinnerung immer öfter nach Irland zurück. Zwei Wochen hatte sie nach ihrem Besuch bei Malachy auf der Insel verbracht, um den Ort kennenzulernen, an dem die Wurzeln ihrer Familie lagen, und was sie dort gesehen und erlebt hatte, ließ sie nicht mehr los. Dublin mit seinen lebendigen Pubs, den traditionellen Melodien, die in jeder Ecke zu hören waren, und den modernen Cafés, die wie selbstverständlich mit jahrhundertealten Fassaden verschmolzen. Galway, wo das Meer und die Musik zu einer Einheit wurden und die Menschen so offen lachten, dass sie sich vorkam, als sei sie nach Hause gekommen. Und dann die Natur. Als sie auf den Klippen von Moher gestanden und die tosenden Wellen tief unter sich betrachtet hatte, hatte sie den Atem anhalten müssen, so klein und unbedeutend hatte sie sich plötzlich gefühlt. Die sanften Hügel der Wicklow Mountains ruhten wie schlafende Riesen in der Landschaft, still und unerschütterlich, als wachten sie seit Anbeginn der Zeit über das Land und seine Bewohner. Selbst die Ruinen der alten Burgen und Klöster besaßen in ihrer Vergänglichkeit eine Schönheit, die Eilis nicht in Worte fassen konnte. Wie anders wirkte Chicago dagegen, mit seinem ewig grauen Himmel, den kalten Betonfassaden und den mürrischen Menschen, die sich gegenseitig kaum eines Blickes würdigten.

Dabei war es nicht allein der Zauber Irlands, der sie in ihren Gedanken festhielt. Je mehr sie von der Insel gesehen hatte, desto besser hatte sie verstanden, wie groß der Mut ihrer Großeltern gewesen sein musste, als sie vor so vielen Jahren dieses raue Land verlassen hatten, um in einer völlig fremden Welt neu anzufangen. All ihre Besitztümer hatten in zwei Koffer gepasst, nur eines gab es, das sie im Übermaß besessen hatten, und das war Hoffnung. Je mehr Eilis jetzt darüber nachdachte, desto klarer wurde ihr, dass es genau diese Hoffnung war, die in ihrem eigenen Leben fehlte.

Immer, wenn sie in ihren Gedanken an diesem Punkt angelangt war, hörte sie Malachys Stimme, die sagte: »Ruf mich an, wenn du bereit bist.« Als sie ihn in seiner Buchhandlung besucht hatte, war sein Ton ruhig gewesen, fast nachsichtig, doch in ihrer Erinnerung wurden seine Worte jetzt zu einer Herausforderung, zu einem Flüstern in ihrem Kopf, das immer lauter wurde und sagte: »Wag es einfach.« Alles, worauf sie wartete, war ein Zeichen, der eine Moment, an dem sie wusste: Nun ist es so weit.

Am Ende war es ihr Job, der ihr den letzten Anstoß gab. Ihr Chef Chase Harrington – ein Mann mit so wenig Geduld wie Prinzipien – schob ihr die Schuld für einen Fehler zu, den ein Partner verursacht hatte. Trotz all ihrer Versuche, sich zu verteidigen, stand er nur eine Woche später mit ihrer Kündigung in der Hand vor ihrem Schreibtisch. Zwölf Jahre lang war sie eine loyale Mitarbeiterin in der Kanzlei gewesen, hatte Anwälte kommen und gehen sehen, während sie selbst auf der Stelle getreten war, weil das, was sie hatte, genug erschien.

Auf dem Heimweg in einem überfüllten Zug balancierte sie den Karton mit den wenigen persönlichen Habseligkeiten auf den Knien, die sie aus der Kanzlei mitgenommen hatte, und hielt ihr Telefon in der Hand. Sie scrollte durch die Liste mit ihren Kontakten, als ihr Blick an Malachys Nummer hängen blieb. Die vielen halb verfallenen Häuser, die sie in Irland gesehen hatte, tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Gerippe von Gebäuden, die irgendwann einfach verlassen worden waren. An manchen hing immer noch ein Vorhängeschloss vor der verrammelten Tür, obwohl das Dach längst eingebrochen war. Einst waren diese Häuser Zuhause gewesen, das Heim von Menschen, die alles auf eine Karte gesetzt und neu angefangen hatten. Ihre Großeltern waren zwei dieser Menschen gewesen. Nana und Grampa waren der beste Beweis dafür, dass etwas Neues entstehen konnte, wenn man den Mut hatte, das Alte hinter sich zu lassen.

Eilis schloss die Augen, nahm einen tiefen Atemzug und drückte die grüne Taste. Schon nach dem vierten Klingeln nahm jemand ab.

»Malachy? Ich bin’s. Eilis McCarthy.«

Am anderen Ende der Leitung sog jemand scharf die Luft ein, doch als Malachy anfing zu sprechen, hörte sie sein Lächeln in der Stimme. »Das Mädchen aus Chicago. Ich habe auf deinen Anruf gewartet. Bist du jetzt bereit?«

Obwohl Tränen ihre Wangen hinunterliefen, lächelte auch sie. »Ja«, sagte sie. »Ich bin bereit.«

2

Ein Polizist erwartete sie, als Cilian den Jeep in die Einfahrt der angegebenen Adresse steuerte. Neben dem Mann brachte er den Wagen zum Stehen und knallte beim Aussteigen die Tür hinter sich zu. Sie hatten noch nicht einmal mit ihrer Arbeit begonnen, und Cilians Laune tendierte bereits gegen minus unendlich.

Nach ihm trat auch Liam ins Freie. Ohne ein Wort zu sagen, machte sein Assistent sich daran, Cilians Ausrüstung auszuladen. In weiser Voraussicht hatten sie jede Menge Transportboxen in unterschiedlichen Größen mitgebracht und auch einen Hänger an den Jeep gekoppelt.

Mit ausgestreckter Hand trat der Polizist auf Cilian zu. »Mr. Kavanagh?«

»Ja, das bin ich.« Sie schüttelten einander die Hände. »Sie hatten angerufen.«

»Ich bin Sergeant O’Connor. Gut, dass Sie da sind. Von den Zirkusleuten fehlt jede Spur. Keine Ahnung, wann die abgehauen sind, aber das Gelände ist verlassen, und die Tiere haben sie zurückgelassen.«

»Gibt es denn gar keine Möglichkeit, sie doch noch ausfindig zu machen?« Liam hatte seine Sprache wiedergefunden. Der Bursche hatte vor ein paar Tagen seinen zweiundzwanzigsten Geburtstag gefeiert, und noch war jeder Aspekt seines Jobs als Tierarztgehilfe neu genug für ihn, um ihm Spaß zu bereiten. Cilian war sich nicht sicher, ob das Liam naiv oder zu einem Idioten machte. Wahrscheinlich beides.

Sergeant O’Connor schüttelte den Kopf. »Ich fürchte nein. Das sind Vagabunden. Wenn die spurlos verschwinden wollen, schaffen die das leider meistens auch.«

Cilian seufzte. »Dann bleibt es also an uns hängen?«

O’Connor atmete tief durch. »So sieht es aus. Beim staatlichen Tierheim hab ich schon angerufen, aber die haben absoluten Aufnahmestopp. Mehr kann ich leider nicht tun.«

»Na, so eine Überraschung.« Cilian biss die Zähne zusammen. Wenn er so weitermachte, würde er bald seine Backenzähne verlieren, aber wenig konnte ihn derart aus der Fassung bringen wie der Tierschutz in Irland.

»Es tut mir wirklich leid.« O’Connor sah nicht aus, als würde ihm irgendwas wirklich leidtun, eher, als könnte er gar nicht abwarten, endlich wieder in seine schöne warme Wache zu kommen. »Aber ich muss zurück zur Wache.« Na, wer sagte es denn? Wenn Cilian seinen Beruf irgendwann mal leid war, könnte er es immer noch als Wahrsager probieren.

»Aber was ist mit den Tieren?« Mit Mühe unterdrückte Cilian ein Seufzen. Liam hatte es offenbar tatsächlich noch nicht verstanden. »Die können doch nicht einfach hier zurückgelassen werden.«

»Die sind jetzt unser Problem.«

O’Connor besaß wenigstens den Anstand, auszusehen, als wäre ihm die ganze Sache peinlich. Er flüchtete in seinen Polizeiwagen und machte sich vom Acker. Wortwörtlich.

Einen Augenblick lang sah Cilian ihm nach, dann gab er sich einen Ruck. »Also los, auf ins Vergnügen!« Ohne sich noch einmal nach Liam umzudrehen, machte er sich auf den Weg, und mit jedem Schritt, den er tat, wuchs seine Beklemmung.

In der Regel hielt sich Cilian für einen rationalen Menschen. Obwohl er seine Heimat liebte, war er relativ immun, was den weit verbreiteten Aberglauben auf der Insel anging, doch hier und jetzt rann ihm ein eisiger Schauder über den Rücken. Was für ein elender Ort das war! Kein Wunder, wenn die Menschen an rastlose Seelen und umherirrende Geister dachten, wenn sie so etwas sahen. Da hätte es gar nicht der Tag vor Halloween sein müssen. All Hallows’ Eve – wenn die Grenzen zwischen den Welten verwischten und die Toten angeblich über das Land wandelten, auf der Suche nach denen, mit denen sie noch eine Rechnung offen hatten. Das Gelände war ein einziges Schlammfeld. Knöcheltiefe Pfützen aus brackigem Wasser hatten sich zwischen den Spurrillen gesammelt, die wohl von dem verrosteten Wohnwagen stammten, der am Rand des Platzes stand. Das Dach war eingedrückt, an den Seiten schimmerte nackter Stahl unter abblätterndem Lack. Neben dem Wohnwagen gab es provisorische Tierunterkünfte: morsche Bretterverschläge, die mehr auseinanderfielen als Schutz boten. Eine Plane, die wahrscheinlich als Witterungsschutz gedacht war, flatterte im Wind, Wasser floss in Rinnsalen an den Seiten hinunter. Am Fuß der Klippen droschen die Wellen gegen die Felsen. Überall lagen leere Bierdosen, Plastiktüten und Seile herum. Wäre er nicht wegen der Tiere hier, hätte er es Sergeant O’Connor liebend gern gleichgetan und das Weite gesucht. Doch das konnte er einfach nicht. In den vergangenen Tagen hatten gleich mehrere Anrufe das Veterinäramt erreicht, allesamt mit denselben Beschwerden: Die Tiere eines Wanderzirkus, der am Rand von Glensiveen Winterquartier bezogen hatte, seien in erbärmlichem Zustand. Kein Futter, kein sauberes Wasser, kaum Schutz vor der Witterung. Die Zustände seien so schlecht, dass die Tiere vermutlich bald verenden würden, wenn niemand eingreife. Das Amt hatte sich an ihn gewandt. Als Landtierarzt war er in solchen Fällen die erste Adresse, und so war er hier gelandet. Unwillkürlich fragte er sich, was für eine Art Zirkus das überhaupt gewesen sein sollte. Gab es noch Artisten, oder waren die Tiere das Einzige, was von dem ganzen Unternehmen übrig geblieben war? Die letzte traurige Erinnerung an etwas, das einmal fröhliche Menschen und leuchtende Kinderaugen hervorgebracht hatte?

Egal. Er zwang seine Gedanken zurück ins Hier und Jetzt. Lamentieren und sich über den Zustand einer Welt ärgern, in der manche Tiere wie Königinnen und Könige behandelt wurden und andere schlimmer als Dreck, konnte er auch noch später.

Das erste Tier, das sie entdeckten, war ein Esel. Er stand allein in der matschigen Mitte des Geländes, den Kopf gesenkt, die Ohren schlaff nach hinten gelegt. Die graubraune Fellfarbe war kaum von dem Dreck zu unterscheiden, der ihn bedeckte. Um sein rechtes Vorderbein nicht zu belasten, hielt das Tier es vorsichtig angewinkelt über dem Boden. Selbst auf die Entfernung erkannte Cilian, dass der Huf des Tieres viel zu lang war und alles andere als gesund aussah. Er stieß einen Fluch aus und rannte, so schnell es der glitschige Untergrund zuließ, zu ihm. Vor Schreck über die plötzliche Aktivität zuckte der Esel zusammen, also hielt Cilian in gebührendem Abstand zu ihm an. Das Letzte, was er wollte, war, das arme Tier noch weiter zu erschrecken, es hatte sichtlich genug durchgemacht.

»Kein Wunder, dass du das Bein nicht belasten kannst«, murmelte er, während er sich den Untergrund ansah. Esel waren Wüstentiere, und dieser Ort war das genaue Gegenteil von einer Wüste. Mit Regen, der wie Nadelstiche fiel, und einem Boden, der nachgiebiger war als jedes Moor.

Cilian ballte seine Hände zu Fäusten. Jeder Schritt musste dem Tier schreckliche Schmerzen bereiten. Es gab hier keinen trockenen Platz, keinen Unterstand, keine Wärme. Ein Wunder, dass der Esel überhaupt noch stand.

»Jesus«, stieß auch Liam aus, als er zu ihm aufgeschlossen hatte. »Schau dir das an.« Zum ersten Mal, seit er den jungen Mann eingestellt hatte, war kein bisschen der sonstigen Fröhlichkeit in seiner Stimme zu hören.

Da sie schon einmal hier waren, fingen sie mit dem Esel an. Er wehrte sich nicht, als sie ihm das mitgebrachte Halfter anlegten und ihn in Richtung des Hängers führten. Beim Laufen wurde die Lahmheit des Langohrs überdeutlich.

»Meinst du, er hat sich was gebrochen?«, fragte Liam.

Cilian schüttelte den Kopf. »Eher ein Hufgeschwür, würde ich sagen. Kein Wunder bei dem Matsch.«

Nachdem sie den Esel versorgt hatten, entdeckten sie weitere Tiere auf dem Gelände. Nervös vor- und zurückschwankend saß ein Scharlachara auf einem der Schränke im Wohnwagen und krächzte vor sich hin. Seine Federn waren stumpf, aus Hunger und Frust hatte das arme Tier angefangen, die Möbel auseinanderzunehmen.

»Was für eine Scheiße«, fluchte der Vogel lautstark, als Cilian sich näherte.

»Der hat’s verstanden«, brummte Cilian. Glücklicherweise trug er in seiner Jackentasche fast immer Leckerli für die Tiere, die er behandelte, mit sich. Einen Schnitzer Apfel mochten Pferde, Kaninchen und die meisten Vögel gleichermaßen. Auch der Ara interessierte sich sofort für den Leckerbissen und kletterte freiwillig von seinem Platz auf dem Schrank auf Cilians Arm. Von dort in die Transportbox war es ein Kinderspiel.

Noch leichter ging es mit dem Chamäleon, das sie ebenfalls im Wohnwagen vorfanden. Das Terrarium, in dem es saß, war viel zu klein und vollkommen falsch ausgestattet. Statt eines hohen, geräumigen Geheges, in dem das Tier hätte klettern können, war es in einer flachen, rechteckigen Plastikbox eingesperrt, die gerade einmal groß genug war, dass es sich umdrehen konnte. Der Boden war mit einer Schicht Zeitungspapier bedeckt, und es gab weder lebendige Pflanzen noch die dringend benötigten Kletteräste. Von einer UV-Lampe, die für die Gesundheit der Tiere unerlässlich war, ganz zu schweigen. Dem armen Kerl musste viel zu kalt sein. Zwar konnten Chamäleons kurze Zeit Temperaturen unter zehn Grad tolerieren, doch dann bestand immer die Gefahr von Erfrierungen.

»Kein Wunder, dass du so blass und lethargisch bist.« Vorsichtig setzte Cilian die elende Kreatur in eine größere Box um, die sie als Übergangslösung zumindest mit einem Handtuchboden ausgestattet hatten.

Weiter hinten auf dem Gelände entdeckten sie noch ein Minischwein, das apathisch zwischen verschimmelten Essensresten lag, und zwei Kaninchen in einem Stall, der kaum größer war als ein Schuhkarton. Alle drei wurden von einem zitternden Greyhound bewacht, dessen Eisenhalsband die zarte Haut am Hals wundgescheuert hatte. Was für ein großer Mist. Um irgendwas zu bewachen, war der alte Geselle längst zu schwach und außerdem auch gar nicht die richtige Rasse.

»Das ist … das ist einfach nur grausam«, murmelte Liam und kniete sich neben den Hund, um ihn genauer zu untersuchen.

»Grausam? Das hier ist Irland.« Cilian zog sein Handy aus der Tasche. »Der Tierschutz hier ist ein Witz. Ein schlechter noch dazu.«

Liam seufzte. Der Greyhound schmiegte sich an seine streichelnde Hand, als wollte er jedes bisschen Körperwärme in sich aufsaugen, das der Tierpfleger ihm geben konnte.

»Es ist vollkommen absurd. Irland hat eines der höchsten Bruttoinlandsprodukte pro Kopf in der gesamten EU, und trotzdem gibt es hier kaum staatliche Tierheime, und die paar, die existieren, sind ständig überfüllt. Weißt du, wann das letzte Mal jemand die Tierschutzgesetze überarbeitet hat?«

»Bevor Queen Victoria geheiratet hat?« Der kalte Wind stahl Liam den kläglichen Versuch, die Trostlosigkeit der Situation mit Humor abzumildern, direkt von den Lippen.

»Nicht ganz«, antwortete Cilian. »2013. Das war das erste Mal seit beinahe hundert Jahren, dass die Gesetzgebung zum Schutz der Tiere überhaupt reformiert wurde. Doch was helfen die schönen neuen Gesetze, wenn sich niemand daran hält? Vor allem in so ländlichen Gegenden wie hier im Westen kümmert sich so gut wie niemand um die Durchsetzung der Regulierungen.«

»Und da kann man gar nichts tun?«

Cilian zuckte mit den Schultern. »Du hast O’Connor gehört. Die staatlichen Tierheime sind überlaufen. Das Einzige, was hier hilft, sind private Gnadenhöfe und Pflegestellen, und die platzen genauso aus allen Nähten wie die staatlichen Einrichtungen.«

»Du musst Tiere wirklich lieben, wenn du trotzdem immer weiter zur Verfügung stehst, sobald du zu solchen Einsätzen gerufen wirst.«

Ja, so ein Einsatz war schon etwas anderes als die Routineimpfungen, Kastrations-OPs und Check-ups, mit denen Liam bisher als Cilians Assistent konfrontiert gewesen war. Selbst nach all den Jahren gab es Abende, da konnte Cilian nur mithilfe eines guten Schlucks Whiskey einschlafen. Hätte er wenigstens die Möglichkeit, den richterlichen Beschluss, der in seinem Auto lag, umzusetzen und die Tiere tatsächlich zu beschlagnahmen und in ein sichereres Zuhause zu überstellen, wäre es vielleicht etwas anderes. So, wie die Dinge lagen, blieb alles nur eine traurige Farce.

Es dauerte eine geschlagene Stunde, dann hatten sie alle Tiere eingesammelt. Die Kaninchen saßen zusammengedrängt in einer improvisierten Transportbox, das Minischwein schmatzte an einem Apfel, den Liam ihm zugesteckt hatte, und der Papagei kommentierte das Geschehen mit einem endlosen Schwall an kreativen Flüchen.

»Verdammte Pfützenschrubber! Mistklampen! Schafscherer auf Abwegen!« Der Ara gönnte sich kaum eine Pause, während immer neue Beschimpfungen seinen Schnabel verließen. »Eimerköpfe! Taugenichtsige Möwenfütterer! Was glotzt ihr so blöd?«

Liam zog die Augenbrauen hoch und versuchte, sich ein Lachen zu verkneifen. »Hat der eine Ausbildung auf einem Fischerboot gemacht?«

Cilian, der gerade die Transportbox mit den Kaninchen überprüfte, schnaubte leise. »Vielleicht war er in einem Hafenpub Stammgast. Das würde einiges erklären.« Trotz seiner schlechten Laune zuckten seine Mundwinkel, als der Ara nahtlos fortfuhr: »Verdammte Deckschrubber! Ankerfresser!«

»Also, wenn wir den irgendwohin vermitteln wollen, brauchen wir jemanden mit einem dicken Fell. Wer will sich denn bitte ständig von diesem gefiederten Möchtegern-Seemann beschimpfen lassen?«

»Ein pensionierter Kapitän mit Humor?« Cilian schob sich die Schiebermütze aus der Stirn, doch der winzige Schimmer eines Lächelns blieb. »Wobei: Vielleicht behalte ich ihn einfach. Er hat mehr Charakter als so mancher Mensch, den ich kenne. Und er hat ein genauso sonniges Gemüt wie ich.«

Als hätte er jedes Wort verstanden, krächzte der Ara lautstark auf: »Möwenmist für euch alle!«

Cilian und Liam lachten. Froh über das, was sie geschafft hatten, zog Cilian die letzten Riemen der Ladefläche seines Pick-ups fest, trat zurück und verschränkte die Arme. »Jetzt heißt das große Rätsel natürlich: Wohin mit dem verdammten Zoo?« Eine Frage, die die Leichtigkeit, für die der Ara gesorgt hatte, augenblicklich unter ihrer Tragweite begrub.

»Ich ruf die Gnadenhöfe an.« Liam angelte sein Handy aus der Jackentasche.

»Viel Spaß.« Insgeheim machte Cilian sich wenig Hoffnung. Die Antwort würde ohnehin immer lauten: »Es tut uns schrecklich leid, aber wir haben keinen Platz.« 

Kurze Zeit später hatten sie Sicherheit. Auch wenn Daideo immer das Gegenteil behauptete, Cilian war keinesfalls ein Zyniker und Pessimist. Sein Großvater wollte einfach nur den Tatsachen nicht ins Auge sehen: Cilian hatte in seinen fünfunddreißig Jahren auf dieser Erde genug erlebt, um realistisch zu sein. Und auch heute bestätigte sich wieder, dass er mit seiner Einstellung recht hatte. Liam wählte sich die Finger wund, doch einer nach dem anderen lehnte ab. Jedes Mal, wenn sein Assistent wieder ein Gespräch beendete, schüttelte er frustriert den Kopf.

Nach dem zwanzigsten Versuch gab auch Liam auf. Mit verkniffener Miene drehte er sich zu Cilian um. »Also, was machen wir jetzt? Wir können sie nicht hierlassen.«

Cilian lehnte sich gegen die Ladefläche und starrte auf den grauen Horizont. In Momenten wie diesem bereute er fast, vor über zehn Jahren das Rauchen aufgegeben zu haben. Das beißende Gefühl von Tabak in den Lungen hatte ihm stets beim Denken geholfen.

»Wenn’s gar nicht anders geht«, sagte er schließlich und stieß einen langen Seufzer aus, »hab ich eine Idee. Es ist nicht ideal, aber wie es aussieht, haben wir die Arschkarte gezogen, und in dem Fall ist eine schlechte Idee wohl besser als gar keine.«

* * *

Wie sehr sich Glensiveen seit ihrem letzten Besuch verändert hatte! Der Frühling in Irland hatte sie nicht gerade mit Wärme und Sonnenschein überschüttet, doch unter dem Regengrau waren überall Zeichen von neuem Leben zu sehen gewesen. Die Knospen der Weißdornbüsche hatten die Straßenränder rot getupft, aus den Steinmauern der Felder hatten die ersten Farne hervorgelugt, während in den Gärten die Narzissen in leuchtendem Gelb die Rückkehr des Lichts gefeiert hatten.

Nun stammte das einzige Leuchten von den unzähligen Lichterketten, mit denen die Straßen des Städtchens dekoriert waren. Es war gerade einmal halb sechs am Nachmittag, und die Sonne war schon untergegangen. Wie eine schwarze Decke spannte sich der Himmel über den Ort. Die Luft war kalt und klar und schmeckte nach dem Versprechen von Schnee. Auf dem Hauptplatz stand ein prächtig geschmückter Christbaum. Einen halben Block vor Eilis hastete eine Frau mit einem Kind an der Hand die Straße entlang. Beide waren dick eingepackt gegen die Kälte. Die Frau hatte es sichtlich eilig, das Kind wollte davon allerdings nichts wissen. Immer wieder blieb es stehen, streckte den Kopf in den Nacken und versuchte, mit der Zungenspitze die Feuchtigkeit aus der Luft zu schmecken, die sich noch nicht ganz zu Schneeflocken formte. Ein Laden am Ende der Straße hatte ein Dutzend rote Kerzen im Schaufenster aufgestellt, neben jeder stand ein Papierengel. Auch das Fenster daneben war beleuchtet, doch hinter dieser Scheibe befand sich kein Geschäft. Das Glas war mit einer Vielzahl von Schneeflocken besprüht, und im goldenen Schein des Feuers in einem offenen Kamin saß eine Familie beim Abendessen. Der jüngere Sohn ließ einen Santa-Schlitten aus Lego über die Teller fliegen, der ältere wischte auf seinem Handy herum. Lachend legten die Eltern die Köpfe in den Nacken, die Mutter nahm dem Kleineren das Spielzeug aus der Hand, und sie begannen mit dem Essen. In der Mitte des Tisches stand ein Adventsgesteck. Die Kerze auf dem Gesteck flackerte.

Eilis wandte sich ab. »Die nehmen Weihnachten hier alle aber sehr ernst«, murmelte sie und zog den Schal ein Stück enger um den Hals. Gestern war Halloween gewesen. Aus den Supermärkten kannte man das ja: Kaum verschwanden Kürbisse und Plastikskelette aus dem Regal, wurden sie von Mengen von Lebkuchen und Lametta ersetzt. Doch dass ein ganzer Ort direkt nach der Nacht der Gespenster und Untoten in Weihnachtsfieber verfiel, hatte sie nie erlebt. Ihr Herz machte einen Satz. Kein Wunder, dass sie so was noch nicht erlebt hatte! Schlagartig wurde ihr wieder bewusst, was das hier war: ein Neuanfang. Sie hatte es tatsächlich gewagt und es Nana gleichgetan. Mit nichts als dem Koffer, der hinter ihr über das Kopfsteinpflaster ruckelte, startete sie ein neues Leben als Buchhändlerin.

Sie schob die freie Hand in die Manteltasche. Dort, wo bei ihrem ersten Besuch in Glensiveen Nanas Zettel mit Malachys Adresse gesteckt hatte, fühlte sie jetzt den schweren Schlüssel, den sie von dem Notar bekommen hatte, bei dem sie den Mietvertrag für die Buchhandlung und die dazugehörige Wohnung im ersten Stock unterschrieben hatte. Noch immer war sie fest davon überzeugt, dass der Preis, den Malachy ihr für ihren Traum geboten hatte, weit unter dem Marktwert lag. Geld bedeute ihm wenig, hatte er ihr versichert. Seit zwanzig Jahren suche er jemanden, der seinen Laden mit derselben Liebe und Begeisterung weiterführe, mit der er sein Leben lang gearbeitet habe. Bis er sie kennengelernt habe, sei ihm niemand begegnet, dem er sein Lebenswerk hätte anvertrauen wollen. In Wahrheit wäre es also sie, die ihm einen Gefallen tat.