dead.end.com - Alice Gabathuler - E-Book

dead.end.com E-Book

Alice Gabathuler

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

»Schlussendlich sind wir nur Spielfiguren. Auch im ganz realen Leben.« (Carlos) Alle reden von diesem neuen Game. dead.end. 24 Jugendliche dürfen es testen. In einer abgeriegelten Militäranlage kämpfen sie gegen mehr als einen Feind. Realität und Spiel verschmelzen. Bis keiner mehr dem anderen traut. Und alles ausser Kontrolle gerät. Ein starker Thriller der preisgekrönten Autorin Alice Gabathuler.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 273

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



»Man schneidet sich die Seele raus und schaut ihr zu, wie sie verblutet.«

Greti

Für Greti und Mo

Stellvertretend für die vielen Jugendlichen, die mir ihre Namen für meine Bücher borgen.

Danke.

Inhaltsverzeichnis

Danach

4, September, Free World TV. 19.50 Uhr. Carlos

Vor dem Spiel

10. Juli Zürich. Bahnhofgebäude. 11.15 Uhr. Greti.

10. Juli. Iregendwo an der Schweizer Grenze. 14.30. Mo.

10. Juli. Militärareal praditsch. Trakt A. kantine. 15.00 Uhr Greti.

Registrierung

10. Juli. Militärareal Praditsch. Trakt C. 15.30 Uhr. Mo

Intro

10. Juli. Militärareal Praditsch. Trakt C. Aufenthaltsraum. 17.00 Uhr. Greti

10. Juli. Militärareal Praditsch. Trakt A. Kantine. 17.30 Uhr. Mo

Danach

4, September,Free World TV. 20.03 Uhr. Carlos

Mission Eins Das Dead.End.

11. Juli. Militärareal Praditsch. Trakt A. Kantine. 07.30 Uhr. Greti

11. Juli. Militärareal Praditsch. Zone Ost. 14.50 Uhr. Mo

11. Juli. Militärareal Praditsch. Zone Ost. 15.15 Uhr. Greti

11. Juli. Militärareal Praditsch. Zone Ost. 16.00 Uhr. Mo

11. Juli. Militärareal Praditsch. kasernenplatz. Haupteingang 17.55 Uhr. Greti

Im Immern von Dead.End.

11. Juli. Militärareal Praditsch. Trakt B. Überwachungszentrale. 18.05 Uhr

Zwischen den Missionen

11. Juli. Militärareal Praditsch. Trakt A. Kantine. 18.15 Uhr. Mo

11. Juli. Militärareal Praditsch. Trakt C. Krankenstation. 19.30 Uhr. Mo

Danach

4. September.Free World TV. 20.08 Uhr. Carlos

Zwischen den Missionen

12. Juli. Militärareal praditsch. Trakt A. Kantine. 7.50 Uhr. Greti

12. Juli. Militärareal praditsch. Im Stollen. 8.15 Uhr. Mo

Mission Zwei der Aufbruch

12. Juli. Militärareal praditsch. Stollen 5. 8.31 Uhr. Greti

Mission Drei. Der Ausgang.

12. Juli. Militärareal praditsch. Stollen 4. 8.42 Uhr. mo

Im Innern von Dead.End

12. Juli. Militärareal praditsch. Trakt B. Überwachungszentrale. 9.50 Uhr

Mission Drei. der Ausgang

12. Juli. Militärareal praditsch. Stollen. 10.15 Uhr Greti

12. Juli. Militärareal praditsch. Stollen. 10.51 Uhr Mo.

Im Innern von Dead.End

12. Juli. Militärareal praditsch. Trakt B. Überwachungszentrale. 11.25 Uhr

Mission der Ausgang

12. Juli. Militärareal Praditsch. Stollen 5. 11.40 Uhr. Greti.

Mission Vier. Die Verlorene Stadt

12. Juli. Militärareal Praditsch. Stollen 4. 12.45 Uhr. Mo.

12. Juli. Militärareal Praditsch. Stollen 5. 13.20 Uhr. Greti.

12. Juli Militärareal Praditsch. Ausgang C5. 13.35 Uhr. Mo.

12. Juli. Militärareal Praditsch. Stollen 5. 14.00 Uhr. Greti.

12. Juli. Militärgelände Praditsch. Stollen 4. 14.20 Uhr. Mo.

12. Juli. Militärareal Praditsch. Hauptstollen. 14.30 Uhr. Greti

Im Innern von Dead.End

12. Juli. Militärgelände Praditsch. Trakt B. Überwachungszentrale.14.45 Uhr.

Danach

4. September. Free World TV. 20.18 Uhr. Carlos.

Mos Mission

12. Juli. Militärareal Praditsch. Trakt C. Krankenstation. 15.30 Uhr. Mo.

Mission Vier. Die Verlorene Stadt

12. Juli. Militärareal Praditsch. Stollen 5. 15.45 Uhr. Greti.

12. Juli. Militärareal Praditsch. Stollensystem. 16.45 Uhr. Mo.

12. Juli. Militärareal Praditsch. Trakt B. Büro Weymann. 17.40 Uhr. Greti.

Im Innern von Dead.End

12. Juli. Militärareal Praditsch. Trakt B. Büro Weymann. 18.00 Uhr.

Mos Mission

12. Juli. Militärareal Praditsch. Grenze Nord. 18.10 Uhr. Mo.

Mission Vier. Die Verlorene Stadt

12. Juli. Militärareal Praditsch. Stollen 5. 18.10 Uhr. Greti.

Danach

4. September. Free World TV. 20.25 Uhr. Carlos.

Mission Fünf. Der Informant.

12. Juli. Militärareal Praditsch. Hauptstollen. 18.30 Uhr. Greti.

Im Innern von Dead.End

12. Juli Militärgelände Praditsch. Trakt B. Überwachungszentrale. Nebenraum. 19.03 Uhr.

Mos Mission

12. Juli Militärgelände Praditsch. Ausgang/Eingang K3. 19.15 Uhr. Mo.

Mission Fünf. Der Informant

12. Juli Militärareal Praditsch. Stollen 5. 19.15 Uhr. Greti.

Mos Mission

12. Juli Militärareal Praditsch. Zone Ost. Hauptquartier. 19.45 Uhr. Mo.

Spielunterbrechung

12. Juli Militärareal Praditsch. Trakt A. Kantine. 19.50 Uhr. Greti.

Im Innern von Dead.End

12. Juli. Militärareal praditsch. Trakt B. Büro Weymann. 20.20 Uhr.

Mission Sechs. Der Rat der Weisen

12. Juli. Militärareal praditsch. Stollen 5. 20.30 Uhr. Greti.

Mos Mission

12. Juli Militärareal Praditsch. Zone Ost. Hauptquartier Atlantis. 20.35 Uhr. Mo.

Mission Sechs. Der Rat der Weisen

12. Juli Militärareal Praditsch. Stollen 5. 20.45 Uhr. Greti.

Mos Mission

12. Juli Militärareal Praditsch. Zone Ost. Hauptquartier Atlantis. 20.55 Uhr. Mo.

Mission Sechs. Der Rat Weisen

12. Juli. Militärareal Praditsch. Stollen 5. 21.07 Uhr. Greti.

Danach

4. September. Free World TV. 20.35 Uhr. Carlos

Mission Sechs. Der Rat der Weisen

12. Juli. Militärareal Praditsch. Stollen 5. 21.11 Uhr. Greti.

Im Innern von Dead.End

12. Juli Militärareal Praditsch. Trakt B. Überwachungszentrale. Nebenraum. 21.20 Uhr.

Mission Sechs. Der Rat der Weisen

12. Juli. Militärareal Praditsch. Stollensystem. 21.20 Uhr. Mo.

Im Innern von Dead.End

12. Juli Militärareal Praditsch. Trakt B. Überwachungszentrale. Nebenraum. 21.50 Uhr.

Mos Mission

12. Juli Militärareal Praditsch. Zone Ost. Hauptquartier Atlantis. 21.55 Uhr. Mo.

Im Dead.End. Der Rat der Weisen

12. Juli Militärareal Praditsch. Zone Ost. Hauptquartier Atlantis. 22.18 Uhr. Mo.

Mission Sieben. Leben und Sterben

12. Juli Militärareal Praditsch. Zone Ost. Hauptquartier Atlantis. 22.25 Uhr. Mo.

12. Juli Militärareal Praditsch. Zone Ost. Hauptquartier Atlantis. 22.35 Uhr. Mo.

Danach

4. September.Free World TV

7. September. Irgendeine Klinik in einer Schweizer Großstadt. Mo.

14. September. Irgendeine Klinik in einer Schweizer Kleinstadt. Carlos.

Mick Halder ist Kult. In einem anderen Leben, dem vor dead.end, habe ich mal gesagt, ich würde töten, um in seine Sendung Real Talk hineinzukommen.

Seither ist eine Menge passiert.

Ich habe getötet.

Und ich habe einen Blick für das Echte entwickelt.

Mick zum Beispiel. Der Typ ist ein Fake. Jede Wette, dass er für seine Bettfrisur tief in den Geltopf greift und die auf Penner gemachten Klamotten beim Designer kauft. Sogar sein Studio ist eine Täuschung. Es ist viel kleiner und schäbiger, als es auf dem Bildschirm wirkt.

Wir sitzen in roten Ledersesseln, unter heißem Scheinwerferlicht, mit einer Ladung Schminke im Gesicht. Ich wollte nicht, aber die sagten, ohne geht nicht. Etwa vier Meter von uns weg steht der Kameramann. Einer dieser wirklich coolen Typen, die sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen, einer mit Cowboyboots und Pferdeschwanz und einem Ich-hab-schonalles-gesehen-Gesichtsausdruck. Er bringt entspannt sein Gerät in Stellung, schiebt mit dem Fuß ein paar Kabel beiseite und hebt dann den Daumen.

Halder klopft mit dem Mittelfinger an den Kopfhörer im Ohr. »Test. Real Talk. Test. Komme ich gut rüber?«

Der Joker in meinem Kopf glaubt immer noch nicht, dass es mir ernst ist. Komm schon, flüstert er. Denk an den Schwur und halte dich an die Abmachung. Eine kleine Lüge mehr . Er leckt mit seiner Zunge über den ausgefransten Mund. Eine klitzekleine Perlenkugellüge. Wenn du die Kette voll hast, wird die Lüge endgültig zur Wahrheit. Er gluckst und kriecht zurück in eine dunkle Ecke meines Kopfs.

Halder hat endlich fertig getestet. »Bist du bereit?«

»Kann losgehen.« Meine Stimme wackelt.

»Nur nicht so voreilig«, bremst mich Halder. »Wir müssen auch dein Mikro checken. Sag mal was.«

»Was?«, frage ich.

»Irgendwas.«

»Jimi Hendrix.«

»Nicht schlecht.« Halder lacht. »Aber das reicht nicht. Gib uns ein bisschen mehr.«

Also zitiere ich den Song vom Watchtower . Die Stelle mit dem Joker, dem Dieb und dem way out of here.

Es gibt keinen way out of here, zischelt der Joker.

»Nicht viele Jungs in deinem Alter kennen Jimi Hendrix«, sagt Mick.

Es gibt auch nicht viele Jungs in meinem Alter, die schon mal jemanden umgebracht haben. Und es gibt nicht viele Jungs in meinem Alter, die wissen, was ich weiß.

»Dreißig Sekunden«, sagt Halder. »Dann geht’s los.«

Noch kann ich die Sache abblasen. Micki-Boy genau die Geschichte auftischen, die ihm alle anderen auch aufgetischt haben, und sie damit endgültig zur Wahrheit werden zu lassen. Die letzte Perle zur Kette hinzufügen. Ich höre den Joker kichern. Fühl dich nicht zu sicher, mein Freund. Es ist Zeit für die Wahrheit.

Halder schaut direkt in die Kamera.

»Es sollte das Spiel aller Spiele werden. Dead.end. Tausende kämpften um einen der vierundzwanzig Startplätze für den abgefahrensten Zockertrip aller Zeiten. Wir alle wissen, wie diese Geschichte endete: in der absoluten Katastrophe. Was jedoch genau geschah, ist eines der bestgehüteten Geheimnisse der Branche. Heute könnte sich das ändern. Weil hier bei mir Carlos Valdez sitzt.«

Egal, wie Mick aussieht, er ist immer noch ein verdammt guter Journalist. Einer der besten. Und er will mich knacken, das sehe ich ihm an. Ich habe ihm nicht verraten, dass ich genau deshalb hier bin. Ich habe es niemandem verraten. Weil es diese Sendung dann nicht gäbe.

Er dreht seinen Kopf zu mir.

»Carlos war mit seinem Team Black Lizzards im dead.end. Willkommen bei Free World TV, Carlos. Stimmt es, dass ihr eine Warnung bekommen habt, ungefähr eine Woche, bevor es losging?«

Der Typ steigt gleich voll rein.

Ich zieh mit. »Ja.«

»Habt ihr sie ernst genommen?«

»Nein.«

»Warum nicht?«

Hättest du so was ernst genommen, Mick?

Einen Zettel, der aussieht, wie diese typischen Drohdinger in den Filmen. Aus Zeitungen und Zeitschriften geschnittene Buchstaben. WENN IHR MITMACHT, WERDET IHR STERBEN. Was für ein Schwachsinn!

Ich blicke in die Kamera, in die Augen des Seelenklempners irgendwo auf der anderen Seite. Ich weiß, dass er zusieht, wenn nicht jetzt, dann sicher später auf YouTube oder in irgendeiner Überwachungszentrale. »Wir dachten, es gehört zum Spiel«, sage ich. Soll der Typ an seinen Schuldgefühlen ersticken.

Mick lehnt sich vor. »Ein tödlicher Irrtum.«

Ich antworte nicht. Weil das keine Frage war.

»Vier Menschen sind ums Leben gekommen.«

Ich schweige weiter. Wenn Mick etwas Bestimmtes wissen will, soll er mich FRAGEN.

»Wie kommt man mit so was klar?«

Scheiße. Falsche Frage.

»Carlos, wie kommt man mit so was klar?«

Man besäuft sich. Legt sich mit jedem an, der garantiert stärker ist. Bekommt ordentlich eins auf die Fresse und saugt den Schmerz auf wie eine Erlösung auf Zeit. Und man gibt sich die Maximalstrafe. Nie mehr zocken. Wobei ich immer noch darüber nachdenke, ob das wirklich eine Strafe ist.

»Man schneidet sich die Seele raus und schaut ihr zu, wie sie verblutet«, antworte ich.

Ist nicht von mir, sondern von Greti.

Blitzlichter blenden mich. Ich bleibe stehen, aber der uniformierte Hüne hinter mir schiebt mich einfach weiter. Wären wir in einem Spiel, würde ich ihn mit ein paar gezielten Schlägen außer Gefecht setzen und verschwinden. Noch bin ich jedoch in der realen Welt, wo zivilisierte Menschen ihre Probleme mit Worten lösen.

In dieser realen Welt habe ich alle meine Rechte freiwillig an Cupid Arcade abgegeben, um unter jenen Ersten zu sein, die heute in eine neue Dimension der virtuellen Welt vorstoßen. Auf mich wartet das Abenteuer meines Lebens. Leider führt der Weg dorthin über eine Pressekonferenz.

Die Blitzlichter sind von den Fotoapparaten und der Hüne, der mich in Richtung Podest drückt, tut das, weil ich vor der Presse etwas sagen soll. Ich. Ausgerechnet ich.

Es war nicht meine Entscheidung, sondern die von Rahel Huber, jener Frau, die uns nach der Ankunft am Bahnhof in Empfang genommen und in einem fensterlosen Raum versammelt hat.

»Für die von Ihnen, die sich keine Namen merken können, noch einmal: Ich bin Rahel Huber.« Ihre laute Stimme überraschte mich, sie passte so gar nicht zu den hohen Absätzen ihrer Schuhe. »Ich leite dieses Projekt. Alles andere später. Erst einmal brauche ich drei von Ihnen für die Pressekonferenz.«

Ich sah mich um. Mir war klar, wen sie wählen würde: die außerirdisch schöne Kriegsgöttin und den geheimnisvollen Manga-Jungen mit den tiefdunklen Augen. Als Dritte kamen die Elfe oder ich infrage.

Ich hoffte auf die Elfe, doch Rahel Huber wählte mich, wahrscheinlich, weil ich auf manche Menschen wie eine Kopie von Lara Croft wirke. Ich versuche nicht, dieses Vorurteil zu korrigieren, denn die Haut der unverwundbaren Heldin ist ein ideales Versteck für das, was meine Eltern das Sprachproblem nennen.

Rahel Huber habe ich, auf meine Weise, dieses Problem zu erklären versucht. »Ich kann das nicht.«

»Das spielt keine Rolle«, antwortete sie. »Du musst nur gut aussehen.«

Natürlich fiel mir darauf eine Antwort ein. Es ist nicht so, dass ich nicht denken kann. Bei mir ist einfach der Teil im Hirn defekt, der die Gedanken zu gesprochenen Sätzen umwandelt, weshalb ich, wann immer möglich, in ganz kurzen Sätzen rede. Auch dann kommt noch vieles zu direkt oder zu unverständlich bei meinem Gegenüber an, oder besser gesagt, nicht an, vor allem bei Fremden. Weil der Huber mein Aussehen wichtiger ist als mein Sprachvermögen, bin ich nun auf dem Weg zu dieser Pressekonferenz, an der ich nicht teilnehmen will.

Ich weiß, dass ich damit rechnen musste. Wir haben alle einen Vertrag unterschrieben, ganze zwölf Seiten lang, dicht beschrieben, mit einer Unmenge von Paragrafen und Unterparagrafen. Sebi ist das Schriftstück mit uns durchgegangen, Punkt für Punkt. Einer dieser Punkte regelt auch unseren Umgang mit der Presse.

Wir dürfen nur nach Absprache und mit Einwilligung der Firma Cupid Arcade mit Medienleuten reden. Die Firma kann uns zwingen, Interviews zu geben, und sie kann es uns verbieten. Dazu braucht sie keine Gründe. Sie darf sogar bestimmen, was wir sagen.

Die Regeln zum Umgang mit den Medien sind ein Spiegelbild für den ganzen Vertrag, der uns mehr oder weniger alle Freiheit auf eigenständige Entscheidungen nimmt, oder anders formuliert: Wer bei diesem Projekt mitmachen will, muss dafür seine Rechte aufgeben. Kein Mensch mit auch nur einer Faser Verstand hätte seinen Namen unter ein solches Regelwerk gesetzt. Wir haben es trotzdem getan, denn es geht um dead.end, das Spiel, von dem alle sprechen, weil es so unglaublich anders sein soll. Das Spiel, das alle testen wollen, aber nur ein paar wenige testen dürfen. Wir sind dabei, weil wir bei dem Wettbewerb um die Teilnahme unter den ersten sechs Teams waren. Ich glaube, wir hätten so ziemlich alles unterschrieben.

Der Hüne drückt mich auf einen Stuhl hinter einer Tischreihe, zwischen den Manga-Jungen und einen dieser Männer, die mein Vater sein könnten, sich aber als ewige Jugendliche geben. Bei ihm äußert sich das in einem rostroten Hemd mit offenem Kragen, unter dem ein schwarzes T-Shirt hervorschaut, ausgewaschenen Jeans und Bikerboots. Gelockte Haare fallen ihm in die Stirn, die affige Brille erinnert an Bono von U2. Das Namensschild vor ihm weist ihn als Dr. Samuel Hendriksson aus. Psychologe, tippe ich.

Ich frage mich, ob die Schilder verkehrt herum stehen, und drehe meines um, aber auch auf der anderen Seite steht mein Name. Greti Berger, Black Lizzards. Ich stelle das Namenstäfelchen zurück und werfe einen Blick auf das Schild des Manga-Jungen. Mo Zanetti, Cargo44.

Das Blitzlichtgewitter lässt nach. Rahel Huber nimmt elegant auf dem für sie reservierten Stuhl in der Mitte des Podiums Platz, stellt sich als Mitarbeiterin der Firma Cupid Arcade und Projektleiterin der Operation Countdown vor und begrüßt die Anwesenden im Namen des Unternehmers Edgar Maurus Weymann, dem Inhaber von Cupid Arcade, »der, wie Ihnen sicher bekannt ist, die Öffentlichkeit meidet.« Mit einer lockeren Armbewegung deutet sie auf uns. »Jedes Spiel ist nur so gut, wie es bei der Zielgruppe ankommt. Im Fall von dead.end bei Jugendlichen ab sechzehn. Drei Vertreter dieser Altersgruppe, die eine Teilnahme bei unserem Spieltest gewonnen haben, werden Sie heute kennenlernen. Greti Berger, 17, Tessa Mayer, auch 17, und Mo Zanetti, 18.«

Ich fühle mich wie ein Tier im Zoo und verkrieche mich hinter meine Lara-Croft-Maske, doch auch sie kann nicht verhindern, dass mein Gesicht rot anläuft. Der Mann neben mir ist tatsächlich Psychologe, so viel bekomme ich am Rande noch mit. Er hat ein paar Bücher geschrieben und wird die Operation Countdown begleiten.

Ein Journalist mit Dreitagebart, Vogelnestfrisur und Kleidern, die jene des Psychologen oberspießig aussehen lassen, hebt die Hand.

»Nicht jetzt, Herr Halder«, schmettert ihn Rahel Huber ab. »Sie können Ihre Fragen nach dem offiziellen Teil stellen.«

Halder? Ich schaue genauer hin und erkenne den Moderator von Free World TV, dem Online-Fernsehsender. Mick Halder ist Carlos’ Held. Carlos behauptet, keiner ist so cool wie er. Wie der TV-Star unbeeindruckt und entspannt seine Beine streckt und die Hände hinter dem Nacken verschränkt, ist tatsächlich ziemlich cool.

Rahel Huber lässt sich davon nicht beirren. »Ein Schweizer Unternehmen, das mit den globalen Playern mithalten kann?«, leitet sie ihre vorbereitete Rede ein. »Ja, mehr noch: ein Schweizer Unternehmen, das auf dem Gebiet der Computerspiele zu den tonangebenden Entwicklern gehören wird? Wenn man Ihnen das vor ein paar Jahren gesagt hätte, hätten Sie mitleidig gelächelt.« Stolz schaut sie in die Runde und verkündet das, was die Medienvertreter bestimmt schon in ihren Unterlagen gelesen haben. »Meine Damen und Herren: Mit dead.end wird Cupid Arcade ganz weit oben auf der Liste der einfluss- und erfolgreichsten Spieleentwickler stehen.«

Wenn Rahel Huber über die ausbleibende Reaktion auf ihren Paukenschlag enttäuscht ist, lässt sie es sich nicht anmerken. Sie setzt ihre Ansprache fort, benutzt dabei Schlagwörter und Phrasen wie innovativ, noch nie dagewesen, den Markt entscheidend verändern; den ganzen PR-Kram eben, bevor sie endlich zu dem kommt, weswegen die Presse hier ist.

»Die große Herausforderung beim Entwickeln von dead.end lag nicht nur in der einzigartigen Grafik. Es ging vor allem auch darum, ein Spiel zu erschaffen, das den Nerv der heutigen Jugend trifft – ein Game, das seinen Ursprung in einer durchaus vorstellbaren Zukunft hat. Gleichzeitig soll es eine klare Absage an sinnlose Ballerspiele sein.«

Die Hände der Medienleute schnellen in die Höhe, doch Rahel Huber geht über diesen offensichtlichen Wunsch nach einer Fragerunde hinweg, indem sie einfach weiterredet.

»Ob uns das gelungen ist, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Vierundzwanzig Jugendliche zwischen sechzehn und zwanzig Jahren, darunter die drei Anwesenden, werden den Prototypen von dead.end testen. Aufgrund ihrer Rückmeldungen werden wir allerletzte Modifikationen vornehmen, bevor dead.end Anfang November auf den Markt kommt und parallel dazu die Webseite dead.end.com online geht. Deshalb der Name Operation Countdown. Wir leiten heute die letzte, entscheidende Phase der Planung ein.«

Diesen Unsinn wird ihr hoffentlich keiner abnehmen. Ich auf jeden Fall tue das nicht. Wir sind ein PR-Gag, mehr nicht.

Der Psychologe neben mir meint, der Operation Countdown etwas Tiefgang verpassen zu müssen, und spricht von Verantwortung und Medienkultur. Damit will er wohl die Eltern beruhigen und die Presse in eine Art Mitpflicht nehmen. Ich bin weder eine Mutter noch eine Journalistin, zudem habe ich Aussagen wie die von Dr. Hendriksson schon von anderen Erwachsenen gehört, zum Beispiel von Politikern, die denken, sie wissen Bescheid, also klinke ich mich aus dem Geschehen aus und versuche herauszufinden, weshalb es ein Manga-Junge, den ich noch nie zuvor gesehen habe, schafft, mich nervös zu machen.

»... Ego-Shooter-Games, Mo?«

Den Anfang der Frage habe ich verpasst, doch das Wort Ego-Shooter reißt mich zurück in das aktuelle Geschehen. Ich warte auf die Antwort von Mo. Er beugt sich zum Mikrofon vor.

»Nichts Besonderes«, sagt er heiser.

Ich schiele zu Rahel Huber hinüber und bemerke, wie sie ihre Mundwinkel verkniffen nach unten zieht. Die Medienmeute ist bei dem Thema angekommen, aus dem sie die Schlagzeile basteln kann.

»Und du, Tessa?«, meldet sich einer aus der zweiten Reihe.

»Ich spiele sie.« Die Kriegsgöttin klingt, als ob damit alles gesagt ist.

»Na, Lara Croft brauchen wir ja nicht zu fragen«, ruft Halder.

Ich fixiere ihn mit meinem Blick, während ich warte, bis sich die Wörter bei mir richtig eingeordnet haben. »Ich habe kein Sturmgewehr zu Hause. Und Sie?«, kommen sie aus meinem Mund, etwas langsam, aber in der genau richtigen Reihenfolge.

Ein paar Medienleute lachen. Halder auch.

In der hintersten Reihe steht ein Mann in einem schlecht sitzenden Anzug auf. »Frau Huber, Sie reden von einer einzigartigen Grafik und einem völlig neuen Konzept. Was ist so einzigartig und neu an diesem Spiel?«, fragt er.

»Das werden Ihnen unsere Jugendlichen nach der Testphase verraten.« Sie blickt auf die Uhr. »Es tut mir leid«, sagt sie. »Die Zeit ist leider abgelaufen. Unser Reisebus wartet. Haben Sie Verständnis dafür, dass wir die Teilnehmer während der Operation Countdown vor Ihnen abschirmen. Sie werden Ihnen nach der Testphase für Interviews zur Verfügung stehen. Wie Sie den Medieninformationen entnehmen können, erhält dann auch jeder von Ihnen eine Filmdokumentation über Operation Countdown.« Sie übersieht bewusst die in die Höhe gestreckten Hände. »Während die Spieler im Einsatz sind, können Sie sich jederzeit gerne an unsere Pressesprecherin Irene Manser wenden. Herzlichen Dank.«

Im Blitzlichtgewitter, das von Neuem losbricht, stoße ich mit Mo zusammen. Die Berührung fühlt sich an wie ein elektrischer Schlag.

Ich glaub’s nicht. Ich bin am Arsch der Schweiz. Dort, wo die Art Leute lebt, die Jugendlichen ein Ausgehverbot ab zehn Uhr abends aufdrückt.

Vor einer Viertelstunde ist der Bus von der Autobahn runter. Jetzt tuckern wir in Richtung Berge, an einem Hügel mit einer Burgruine vorbei, durch ein kleines Kuhdorf mit einer weißen Kirche. Ein paar Hundert Meter weiter biegen wir von der Hauptstraße ab. Kommen an einem Schild vorbei, auf dem Militär steht.

Durch die Narbe über meiner Hüfte geht ein schmerzhaftes Ziehen. Meine Paranoia brennt mir ein Bild ins Hirn: das einer unterirdischen Anlage, die uns verschlingen und nie mehr ausspucken wird.

Ich würde ja gerne glauben, dass die Panik mit mir durchgeht, aber in mir drin köchelt die Angst nicht grundlos. Unsere Notebooks und Handys wurden schon vor der Pressekonferenz eingesammelt. Ist also nichts mit Hilferufabsetzen, falls das hier zu etwas wird, das mir nicht gefällt. Und Militär gefällt mir gar nicht.

Mam würde zu solch irren Gedanken sagen: Du spielst zu viel. Schaust zu viele Filme. Geh mal raus. In die Natur. Komm auf andere Gedanken. Und dann würde sie Steve diesen auffordernden Blick zuwerfen, diesen Sag-du-mal-was-Blick, doch Steve ist klug genug, sich aus der Sache herauszuhalten.

Unser Bus hält auf einem riesigen Platz in einer Waldlichtung. Rechts ein Felsabbruch, links die Berge, vor uns ein Gebäudekomplex wie aus einem Gruselfilm, um uns Wald. So viel zum Thema Natur. Nicht in die Natur, dafür zum Gebäude, passen die schwarz gekleideten Sicherheitsleute, von denen es beinahe so viele gibt wie Bäume.

Natürlich fällt mir genau jetzt diese kindische Warnung ein, die vor einer Woche im Briefkasten lag.

»Was ist?«, zischt Tessa. »Warum steigst du nicht aus?«

Ich will nicht aussteigen.

Weil man uns dann verschwinden lassen wird.

Vielleicht stelle ich das am besten gleich klar: Ich hab einen an der Waffel. So wie Leute, die mit sich selbst reden, oder Leute, die sich einen imaginären Hund zulegen und ihn dann spazieren führen.

Bei mir sind es jedoch keine Hunde oder sonstigen Haustiere, sondern irgendwelche kruden Ängste, die mich aus heiterem Himmel anfallen. Ich hab diesen Ängsten einen Namen gegeben. Paranoia. Das macht die Sache nicht einfacher, aber wenigstens hat das Grauen jetzt einen Namen.

Tessa rammt mir ihren Ellbogen in die Seite.

»Die verarschen uns«, sage ich und bleibe sitzen.

Dass ich Schiss habe, behalte ich für mich. Tessa kann mit so was Lachhaftem wie Angst nichts anfangen.

»Tun sie nicht.«

Tessa argumentiert nicht. Nie. Sie sagt, wie etwas ist. Oder wie sie denkt, dass es ist. Das macht das Streiten mit ihr ganz schön mühsam. Im schlimmsten Fall hört sie sich einhundertundeins Punkte an, die man für eine Sache vorbringt, und antwortet dann: »Aber ich will es anders machen.« Ohne »Weil …«. Sie hat so eine totale Sicherheit, die sie nicht zweifeln lässt. Auch beim Spielen. Weshalb sie meistens besser ist als ich.

Sie gewinnt auch jetzt. Ich stehe auf und mache ihr Platz. Warte darauf, dass sie sich von ihrem Sitz am Fenster erhebt und an mir vorbeigeht.

»Du zuerst«, sagt sie.

Schon klar. Wenn nicht die Erste, die aussteigt, dann die Letzte. Ich tue ihr den Gefallen und klettere vor ihr aus dem Bus. Während ich zu den anderen hinübergehe, bemerke ich den spöttischen Blick, den mir Lara Croft zuwirft. Ich erwidere ihn, gleite an ihren Augen ab, streife die muskulösen Oberarme und bleibe an den Brüsten hängen. Versinke kurz in diesen perfekten Kurven und zwinge meinen Blick wieder hoch, zurück zu den Augen, doch für Lara Croft bin ich offensichtlich uninteressant. Sie beobachtet die Sicherheitstypen.

Normalerweise fühle ich es, wenn Tessa sich anschleicht. Diesmal erwischt sie mich. »Sie gefällt dir«, flüstert sie und drückt ihre Zungenspitze an meinen Nacken. Nur schnell, eine Erinnerung daran, zu wem ich gehöre.

Ich habe keine Lust auf die Wahrheit. Also sage ich: »Nein.«

Natürlich durchschaut Tessa mich. »Ihr Arsch ist wirklich beeindruckend.«

Sie will mich wütend machen. Es gelingt ihr, und das macht mich noch wütender. Dass sie genau weiß, wo sie ihre Nadelstiche anbringen muss, und ich jedes Mal darauf reagiere, egal, wie sehr ich mir vornehme, es nicht zu tun. Mir wird grad ziemlich schmerzhaft klar, was mein Problem ist. Ich bin am falschen Ort, auf der falschen Mission, mit der falschen Frau und einer Paranoia in Hochform. Die einzig richtige Reaktion wäre die Flucht, aber ich fliehe nicht, sondern folge den anderen in eine Kantine.

Seit dem letzten Weltkrieg hat hier keiner mehr was verändert. Mit einer Ausnahme.

Überall hängen modernste Überwachungskameras. Ich bin bei Big Brother gelandet.

Yuki und Carlos steuern den Tisch ganz hinten beim Fenster an. Sebi und ich folgen ihnen, vorbei an den Teams, von denen jedes seinen eigenen Look hat: Hip-Hopper, Möchtegern-Skins, Goths, Fantasygestalten, Großstadtnomaden.

»Ich habe sie gezählt«, flüstert Sebi. »Auf jeden von uns kommt einer von den Sicherheitsleuten.« Mit einer hastigen Handbewegung schiebt er seine Brille nach oben. »Hast du die Kameras gesehen? Und dann dieser Psychofreak …«

Ich erfahre nicht, was Sebi über unseren Psychologen mit dem nordischen Nachnamen sagen will, denn er stolpert über den Stiefel eines Bewachers. Seine rudernden Arme finden Halt an meinen Schultern. Einen Moment lang taumeln wir zwischen den Tischreihen wie zwei betrunkene Tanzbären. Wir fangen uns kurz vor dem Sturz auf, legen die letzten paar Schritte unfallfrei zurück und setzen uns zum Rest unseres Teams.

»Ruhe!«, schnarrt es durch den Raum.

Ich drehe mich um. Der Hüne, von dem ich inzwischen weiß, dass er Sven Frick heißt und der Sicherheitsverantwortliche für die Operation Countdown ist, steht bei der Tür. Sein prüfender Blick bleibt an mir hängen. Kalte graue Augen schauen mich an wie einen langweiligen Gegenstand. Ich bin sicher, dass diese scheinbare Interesselosigkeit antrainiert ist. Frick nimmt jedes Detail von mir wahr und speichert es auf einer inneren Festplatte. Was er nicht weiß: Ich kann das auch.

Knappe zwei Meter groß, Mitte dreißig, sehr kurze blonde Haare, durchtrainiert. Befehlsempfänger mit guter Bezahlung und dem Traum von Führerschaft. Ich will diesem Mann nicht den geringsten Anlass geben, sich intensiver mit mir zu beschäftigen, und senke meinen Blick. Frick wird das als Zeichen der Unterwerfung verstehen.

Die Gespräche verstummen. Nur zwei Hip-Hopper lassen sich in ihrer Diskussion über den Größten und Besten ihrer Zunft nicht stören.

»Sind alle scheiße!«, brüllt Frick.

Die Hip-Hopper fahren herum, den Mund offen zum Widerspruch, doch bevor sie etwas antworten können, das ihnen Probleme einbrocken würde, tritt Rahel Huber neben Frick.

»Ich würde gerne anfangen.«

Fricks Kopf zuckt in einer Art militärischem Nicken auf und ab. Zackig führt er die Projektleiterin zu einem Podest am Ende des Raums. Während Rahel Huber die kleine Bühne betritt, stellt sich Frick mit verschränkten Armen daneben.

»Ich begrüße Sie recht herzlich in der Militäranlage Praditsch.« Rahel Huber versucht sich an einem Lächeln. »Ich kann mir vorstellen, wie gespannt Sie auf das sind, was Sie erwartet. Erst einmal ist das eine Art Registrierung in Form eines Eintrittschecks. Danach erhalten Sie weitere Informationen.«

»Und wie funktioniert dieser Check?« Mos Stimme ist nicht mehr ganz so heiser wie bei der Pressekonferenz.

»Wir haben zwei Schleusen eingerichtet, eine für die weiblichen Projektteilnehmerinnen und eine für die männlichen Projektteilnehmer.«

»Projektteilnehmerinnen sind immer weiblich«, sagt Yuki so leise, dass nur ich sie hören kann.

Ich habe andere Sorgen. Schleusen?

Was für Schleusen? Wozu?

»Keine große Sache. Ein Arzt wird Sie kurz anschauen und Sie gegen FSME, oder einfacher gesagt, gegen Zeckenbisse impfen. Dann ziehen Sie die Kleider an, die wir für Sie bereitgelegt haben.«

»Zecken?«, fragt Mo. »Ich denke, wir sollen zocken. Nicht in einem Wald herumkriechen.«

Der Mund der Projektleiterin wird zum Strich.

»Und warum andere Klamotten? Mir gefallen meine.«

»Es gibt eine Ausstiegsklausel in unserem Vertrag.« Rahel Hubers Stimme klirrt vor Kälte. »Möchten Sie davon Gebrauch machen?«

Das Lachen, das Mo mit seinen Bemerkungen ausgelöst hat, bricht ab. Alle starren ihn an. Mal sehen, ob er Mut hat.

»Ja«, antwortet er.

»Wollen Sie eine derart folgenschwere Entscheidung nicht lieber erst mit Ihrem Team besprechen?«, fragt Rahel Huber. »Wenn Sie jetzt aussteigen, ist Ihre ganze Gruppe aus dem Spiel.«

»Er bleibt«, verkündet Tessa, die lässig an der Wand lehnt und aussieht, als gehe sie all das nichts an.

Niemand bewegt sich.

Ich höre den Atem der Leute um mich herum, warte mit den anderen auf Mos Antwort.

»Wenn sie es sagt.« Er zuckt mit den Schultern.

Wenn sie es sagt? Er ist also doch nicht so mutig, wie er mit seinen provokativen Fragen vorgibt.

Rahel Huber verschränkt die Arme und schaut in die Runde. »Möchte sonst noch jemand etwas wissen?«

Ich schweige, wie alle anderen auch. Keiner fragt nach den Kameras. Keiner erkundigt sich, warum wir von einer halben Armee bewacht werden. Keiner will Näheres über die Schleusen wissen. Zu lange haben wir diesem Moment entgegengefiebert, um jetzt einfach aufzugeben.

Ich fühle mich wie in einer Klapsmühle aus dem letzten Jahrhundert. Lange, kahle Flure. Die Farbe irgendwas zwischen Weiß und Grau. Verputz, der sich von den Wänden löst, auf den Boden bröckelt. Vergitterte Fenster, zu weit oben, um nach draußen sehen zu können. Das einzig Neue hier sind die vielen Überwachungskameras.

Vielleicht liege ich nicht ganz falsch. Vielleicht stecke ich im Trakt für durchgeknallte Soldaten und gleich wird ein Vergessener aus einer der Türen auf der linken Seite schießen, Sabber im Gesicht, die Augen so verdreht, dass man nur noch das Weiße sieht. Vorsichtshalber behalte ich die Türen im Auge, während ich hinter den anderen den Gang entlanggehe.

Links. Rechts. Links. Rechts. Ich merke, wie ich meinen Schrittrhythmus meinen Vorgängern angleiche, und wechsle ihn. Ein paar Kindsköpfe reißen doofe Witze, einige winken in die Kameras, einer ruft: »Hallo, Mutti!«

Blödmänner. Wobei es auch sein kann, dass ich der Blödmann bin. Es wäre nicht das erste Mal.

Wie eine aufgeregte Herde Schafe laufen wir hinter Frick her, diesem Söldnertypen, der sich aufführt wie der Oberboss. Gleich hinter ihm gehen die Skins, fast so breitbeinig und zackig wie er, bereit, diesem Führer wohin auch immer zu folgen.

Vor der Tür am Ende des Flurs bleibt Frick stehen. Klaubt eine Liste aus der Brusttasche seines schwarzen Hemdes. Kneift die Augen zusammen. Liest den ersten Namen.

»Marco Anghern. Team StanGang.«

Ein Hopper löst sich aus der Herde. Alles an ihm hängt. Die Hose, das T-Shirt, die Schultern, die Augenlider. Dafür sitzt die Frisur perfekt. Ich denke schon, der latscht dem Söldner geradewegs gegen den Brustkasten, da hält er an, hebt die Hand und salutiert.

»Zur Stelle, Sir.«

Neben Fricks linkem Augenwinkel zuckt ein Muskel. Wortlos deutet er mit dem Kopf in Richtung Tür.

»Aye, aye, Sir!« Der Hopper dreht sich zu uns um, hebt den Arm und reckt die Faust in die Luft. »See you in hell, brothers.« Sein Gesicht verzieht sich zu einer dämonischen Fratze.

Darauf kannst du wetten, Kumpel! Ich schaue ihm nach, wie er verschwindet. Dann checke ich meine Uhr. Ziemlich genau drei Minuten später ruft der Söldner den nächsten Kandidaten auf. Und dann den nächsten.

Ich verfluche meine Paranoia, die mir den Hals zuschnürt und den Gaumen austrocknet. Rede mir ein, dass alles im grünen Bereich ist. Ich kann mein Team nicht hängen lassen, nur weil in mir drin mal wieder der innere Sicherungskasten explodiert.

Der Söldner ackert die Liste alphabetisch ab. Zanetti. Ich werde der Letzte sein. Also lehne ich mich gegen die Wand. Stecke meine zitternden Hände in die Hosentaschen und schaue mich um. Suche nach Notausgängen und Winkeln, die nicht von der Kamera erfasst werden. Frage mich, was hinter den Türen ist und ob sie verschlossen sind. Beobachte den Rest der Herde, der immer kleiner wird. Der Skin mit der Narbe über der Augenbraue hat mich im Visier. Um seinen Mund liegt ein verächtlicher Zug. Ich weiß, was er denkt. Feige Nuss.

»Oliver Kleinmann. Team Cargo44.«

Oli schlendert locker zur Tür. Kein Witz, kein Grinsen, kein letztes Umdrehen. Er ist Mr Cool. Cooler als die Hopper, cooler als die düsteren Goths. Er kopiert keine Styles, er macht sie. Weshalb er mal von einem In-Magazin porträtiert wurde. Seither ist er so was wie ein Star und deshalb war er gewaltig angepisst, dass ich zur Pressekonferenz durfte und er nicht. Dabei wollte ich da gar nicht hin.