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Nancy Salchow

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Beschreibung

Erstmals zusammen in einem Sammelband: Die Erfolgsromane "Die Millionen-Sünde", "Schweigsam" und "Deal um dein Herz". Kurztext zu "Die Millionen-Sünde": Sie will ihn mindestens genauso sehr wie er sie - wäre da nicht der demütigende Deal, den sie mit seinem Bruder abgeschlossen hat. Vincent: Als ältester Sohn eines milliardenschweren Verlegers ist Vincent das genaue Gegenteil seines Bruders Christopher. Während Vincent sich so viel Bodenständigkeit wie möglich bewahrt und eine eigene Autowerkstatt führt, genießt Christopher den Reichtum und seine Führungsposition im Verlag des Vaters. Als Vincent zufällig mitbekommt, dass Christopher einen Deal für sehr viel Geld mit der verzweifelten Darleen abgeschlossen hat, die jeden Abend halbnackt vor ihm tanzt, wird ihm schnell klar, dass sie keine professionelle Tänzerin, sondern eine verzweifelte Frau ist. Sofort setzt er alles daran, sie aus der entwürdigenden Vereinbarung zu befreien. Doch genau das will Darleen mit aller Kraft verhindern. Was hat die geheimnisvolle Schönheit zu verbergen, die ihn vom ersten Moment an in ihren Bann zieht? Und warum zum Teufel lässt sie sich nicht helfen? Darleen: Als sich Darleen auf einen heiklen Deal mit dem reichen Christopher einlässt, wirft sie alle Hemmungen über Bord, denn das Geld ist gewissermaßen überlebenswichtig für sie - bis sich ausgerechnet Christophers älterer Bruder Vincent einmischt, um sie aus der demütigenden Vereinbarung zu befreien. Und auch wenn der selbstlose Vincent so völlig anders als sein skrupelloser Bruder ist und ihr vom ersten Moment an den Atem raubt, kommt er mehr als ungelegen. Schließlich braucht Darleen den Deal mehr als alles andere - und dafür würde sie fast alles tun ... Eine Geschichte über Leidenschaft, Sehnsucht und den Kampf um das, was falsch und doch richtig ist.

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Inhaltsverzeichnis

Buch 1: Die Millionen-Sünde

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Buch 2: Schweigsam

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Epilog

Buch 3: Deal um dein Herz

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Epilog

Impressum

Nancy Salchow

___________________________

Deals, Sins & Millions

Sammelband mit drei Romanen

Buch 1: Die Millionen-Sünde

Sie will ihn mindestens genauso sehr wie er sie – wäre da nicht der demütigende Deal, den sie mit seinem Bruder abgeschlossen hat.

Vincent

Als ältester Sohn eines milliardenschweren Verlegers ist Vincent das genaue Gegenteil seines Bruders Christopher. Während Vincent sich so viel Bodenständigkeit wie möglich bewahrt und eine eigene Autowerkstatt führt, genießt Christopher den Reichtum und seine Führungsposition im Verlag des Vaters.

Als Vincent zufällig mitbekommt, dass Christopher einen Deal für sehr viel Geld mit der verzweifelten Darleen abgeschlossen hat, die jeden Abend halbnackt vor ihm tanzt, wird ihm schnell klar, dass sie keine professionelle Tänzerin, sondern eine verzweifelte Frau ist. Sofort setzt er alles daran, sie aus der entwürdigenden Vereinbarung zu befreien. Doch genau das will Darleen mit aller Kraft verhindern. Was hat die geheimnisvolle Schönheit zu verbergen, die ihn vom ersten Moment an in ihren Bann zieht? Und warum zum Teufel lässt sie sich nicht helfen?

Darleen

Als sich Darleen auf einen heiklen Deal mit dem reichen Christopher einlässt, wirft sie alle Hemmungen über Bord, denn das Geld ist gewissermaßen überlebenswichtig für sie – bis sich ausgerechnet Christophers älterer Bruder Vincent einmischt, um sie aus der demütigenden Vereinbarung zu befreien. Und auch wenn der selbstlose Vincent so völlig anders als sein skrupelloser Bruder ist und ihr vom ersten Moment an den Atem raubt, kommt er mehr als ungelegen. Schließlich braucht Darleen den Deal mehr als alles andere – und dafür würde sie fast alles tun ...

Eine Geschichte über Leidenschaft, Sehnsucht und den Kampf um das, was falsch und doch richtig ist.

Dieses Buch enthält sehr eindeutige und leidenschaftliche Szenen. Einzelroman. In sich abgeschlossen.

Übereinstimmungen mit real existierenden oder verstorbenen Personen und Institutionen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Prolog

Er streift den Träger meines durchnässten Kleides herab und küsst meine Schulter. Es hat zu regnen begonnen, doch wir stehen noch immer mitten im Wasser, während die Wellen sanft unsere Haut streicheln.

Am Steg befestigt, nicht weit von uns, klappert der Rumpf eines Ruderbootes gegen einen Holzpfahl.

Sanft umfasst er mein Gesicht mit beiden Händen und zieht mich für einen Kuss zu sich heran.

»Warum muss alles nur so schrecklich kompliziert sein?«, frage ich leise.

»Das muss es nicht«, antwortet er. »Und das weißt du auch.«

»Du hast noch immer nicht verstanden, worum es geht, oder?«

»Alles, was ich wissen muss, ist, dass wir hier sind. Du und ich. Der Rest interessiert mich gerade nicht besonders.«

»Den Luxus, den Rest auszublenden, habe ich im Moment leider nicht.«

Er führt meine Hand zu seinen Lippen und küsst meine Finger nacheinander, während ich seufzend die Augen schließe.

Der Sonnenuntergang hat dem Wasser die Wärme genommen, Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus. Aber ist es nicht vielmehr die Ungeduld, die Neugier auf ihn, die mich zittern lässt? Die die Vernunft in die zweite Reihe verdrängt und der Lust das Kommando überlässt?

Ich spüre seine Lippen, wie sie von meiner Stirn auf die Wangen wandern, nur um sich dann auf eine Weise mit meinem Mund zu vereinen, die mir den Verstand raubt.

Ich schiebe meine Finger in seine Hand und verliere mich in einem endlosen Kuss. Und für einen kurzen Augenblick frage ich mich, ob dieser Moment Erinnerung oder Wirklichkeit ist – ob ich gerade zwischen einsamen Laken liege und mich einer absurden Vorstellung hingebe oder ob wir wirklich hier sind.

Nur er und ich und das endlose Meer.

Kapitel 1

Vincent

Es ist der erste Regen seit einer gefühlten Ewigkeit. Nach endlosen Wochen drückender Sommerhitze prasselt er wie eine feuchte Erlösung gegen die Fensterscheiben. Für einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, nach Feierabend kurz zum Strand herunterzufahren und mich in die Fluten zu stürzen. So kurz nach dem Regen bin ich dort sicher ganz allein. Was für eine verlockende Vorstellung.

Gedankenverloren verschränke ich die Hände hinter dem Kopf und lehne mich zurück. Mein Schreibtisch ist übersät mit Kostenvoranschlägen, Bestellformularen und unleserlich bekritzelten Notizzetteln. Alles schreit nach Arbeit, trotzdem brauche ich einen kurzen Augenblick zum Innehalten.

»Boah, Vince!« Franca tippelt auf ihren viel zu hohen High Heels vom Vorzimmer in mein Büro, während ihr langer blonder Pferdeschwanz mit jedem ihrer Schritte dramatisch hin und her schwingt. »Du bist ja immer noch hier. Hörst du mir eigentlich jemals zu?«

»Natürlich höre ich dir zu, Franca.« Irritiert beuge ich mich über den Tisch. »Aber deinem Blick nach zu urteilen anscheinend wieder mal nicht gut genug.«

»Es ist schon zehn vor zwölf und du bist immer noch hier.« Sie stemmt die Hände in die Hüften.

»Du hast recht, ich bin hier. So wie jeden Tag. Die Werkstatt ist voller Autos und auf meinem Schreibtisch türmt sich die Arbeit – wo sollte ich also sonst sein?«

»Na, bei deinem Bruder.« Sie lässt sich seufzend auf den Ledersessel neben der Tür fallen. »Ihr seid in zehn Minuten zum Mittagessen in der Stadt verabredet.«

»Sind wir das?« Ich kratze mich am Kopf. »Jetzt, wo du es sagst ...«

»Ich habe dich mehrmals an den Termin erinnert. Und du hast gestern noch gesagt, dass du diesmal hingehst.«

»Ach komm schon, Franca. Du weißt doch, dass Christopher und ich uns nicht so nahestehen. Warum sollte ich meine Zeit an einem ganz normalen Arbeitstag irgendwo in der Stadt vergeuden?«

»Er sagte, dass es wichtig sei. Es geht um die Familie.«

»Das sagt er doch immer.« Ich mache eine wegwerfende Handbewegung. »Am Anfang habe ich es noch ernstgenommen, aber jedes Mal war es dann doch nur wieder eines dieser überflüssigen Treffen, in denen er mich überreden wollte, in den Familienverlag einzusteigen.«

»Und wenn schon«, sie zuckt mit den Schultern, »dein Journalistik-Studium ist ewig her und du hast danach nie wieder in der Branche gearbeitet. Auch wenn ich bis heute nicht verstehe, warum du dich dann doch gegen den Verlag entschieden hast, muss deinem Bruder doch inzwischen klar sein, dass du dich nicht mehr umstimmen lässt. Außerdem weiß er, dass du mittlerweile deine eigene Autowerkstatt hast. Sag ihm einfach dasselbe, das du ihm immer sagst. Hauptsache, ihr seht euch endlich mal wieder.«

»Jetzt weiß ich, was Kenny meint, wenn er sich immer beschwert, dass du zu harmoniebedürftig bist.« Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. »Nicht mal streiten kann er sich vernünftig mit dir, weil sich bei dir immer alle gut verstehen müssen.«

»Was ist falsch daran?« Sie kneift die Augen zusammen. »Kenny und ich haben übrigens zu jedem aus unserer Familie Kontakt. Familie ist nun mal das Wichtigste, selbst mit Kennys nerviger Mutter telefoniere ich zweimal die Woche.«

»Ach, wenn du das meinst: Kontakt habe ich sowohl zu meinen Eltern als auch zu Chris.«

»Ich meine mehr als ein Telefonat im Monat, Vince. Deine Eltern leben seit ihrem Ruhestand auf Mallorca, oder? Wie lange ist es jetzt her, dass sie dorthin gezogen sind? Drei Jahre? Es wird Zeit, dass du wenigstens den Draht zu Christopher aufrechterhältst. Er ist die einzige Familie, die du noch hast.«

»Ihr seid meine Familie.« Ich zwinkere ihr grinsend zu. »Du und Kenny, und jeder andere hier.«

»Wir sind deine Angestellten.« Sie grinst frech. »Vielleicht tun wir ja nur so, als würden wir dich mögen, weil wir dir unseren Lebensunterhalt verdanken.«

Ich lache. »Trotzdem. Ihr steht mir sehr viel näher, als es bei Christopher jemals der Fall sein wird. Abgesehen davon verstehe ich nicht, warum du immer wieder davon anfängst. Du kennst Chris nicht, er hat vollkommen andere Prioritäten als ich. Wir haben einfach nichts gemeinsam.«

»Aber er ist dein Bruder! Ich bin mir sicher, irgendwann bereust du es, dass du ihn so selten gesehen hast. Und dann ist es womöglich zu spät, weil ihr euch auseinandergelebt habt. Du bist jetzt 32, Vince. Wie lange willst du denn noch warten?«

»Kann schon sein, dass ich es irgendwann bereue – und vielleicht tue ich das sogar jetzt schon. Aber wir führen nun mal zwei völlig verschiedene Leben, das passt einfach nicht zusammen.«

Sie lehnt sich mit Schmollmond zurück, als wäre es ein Problem, das sie mindestens genauso betrifft wie mich. »Du bist echt der erste Mensch, den ich kenne, der eine Reichtum-Allergie hat.«

»Ich habe keine Allergie gegen das Familienvermögen«, antworte ich, »sondern gegen die Tatsache, mich nicht frei entfalten zu können. Das wollte mein Vater nie verstehen, und Chris genauso wenig. Und wenn ich meinen Anteil am Vermögen nur bekomme, wenn ich mich zur Marionette machen lasse, ziehe ich echt lieber mein eigenes Ding durch.«

»Aber du weißt doch gar nicht, ob es wirklich so laufen würde.« Sie fuchtelt theatralisch mit den Armen. »Vielleicht würde es ja schon genügen, nur eine Alibi-Position im Verlag zu übernehmen. Du weißt schon, so etwas wie ein Aushängeschild für die Familie. Jemand, der ab und zu in die Kameras lächelt und wichtige Unterschriften leistet. Dein Vater wäre glücklich und du müsstest dir keine Gedanken mehr über Geld machen.«

»Sorgen ums Geld muss ich mir jetzt auch nicht machen.« Ich seufze. »Warum machst du dir überhaupt Gedanken darüber? Ist es dir etwa lieber, wenn ich so viel Geld habe, dass ich die Autowerkstatt schließen kann, weil ich nicht mehr arbeiten gehen muss?«

»Natürlich nicht.« Sie schlägt die Beine übereinander. »Aber wir könnten mehr Leute einstellen, schneller arbeiten – du weißt schon. All die Dinge, über die du dich ständig ärgerst.«

»Ich ärgere mich nicht, ich stelle nur wie jeder Chef hin und wieder fest, dass etwas nicht rundläuft. Und dann optimiert man eben irgendetwas. Apropos ...« Ich ziehe eine Haftnotiz vom Bildschirm meines PCs. »Weißt du, wie weit Kenny mit dem Volvo ist? Frau Schumann hat um Rückruf gebeten und ich würde sie ungern schon wieder vertrösten.«

»Ich glaube, die Ersatzteile waren vorhin noch nicht da.«

»Immer noch nicht?« Ich stehe auf. »Verdammt, warum sagt mir denn keiner was?«

»Wo willst du denn jetzt hin?« Sie legt ihre Hand auf meine Schulter.

»Na, in die Werkstatt. Kenny wird mir sicher mehr sagen können.«

»Aber was ist mit deinem Bruder?«

»Keine Sorge. Ich rufe ihn gleich an und sage ihm einfach, dass ich heute Abend bei ihm zu Hause auftauche.«

»Aber er wartet doch im Restaurant auf dich.«

»Chris? Auf mich warten?« Ich lache auf. »Der ist doch ständig in irgendwelchen teuren Restaurants, und das mehrmals täglich. Ob ich dabei bin oder nicht, macht da keinen großen Unterschied.«

Seufzend lässt sie die Arme sinken. »Ich schwöre, das ist das letzte Mal, dass ich einen Termin für dich vereinbare.«

»Dein Wort in Gottes Ohren.« Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange. »Wenn du mich suchst, ich bin bei deinem Mann in der Werkstatt.«

Kapitel 2

Darleen

Das olivgrüne Tapetenmuster an der Wand hinter dem schwarzen Ledersofa hat sich in meinen Verstand gebrannt. Ich gebe mir die größte Mühe, es so aussehen zu lassen, als würde ich ihn anschauen, doch in Wahrheit studiere ich die orientalischen Ornamente an der Wand hinter ihm, um die Zeit schneller vergehen zu lassen.

Ich stelle mein Bein auf den Sessel neben mir und werfe mein Haar schwungvoll in den Nacken.

»Du machst das großartig, Kleine.« Er sitzt mit einer Bierflasche in der Hand auf dem Sofa, keine vier Meter von mir entfernt, und mustert mich mit schmierigem Grinsen.

Ich schließe die Augen, während ich mich auf den Sessel setze und mein Bein lasziv in der Luft anwinkele.

Scheiße Mann, auf Youtube hat das irgendwie einfacher ausgesehen.

»Und du bist dir sicher, dass du das vorher noch nicht gemacht hast?« Er jubelt. »Glaub mir, Süße, du bist ein Naturtalent.«

Mein Blick streift ihn flüchtig.

Neutral betrachtet könnte man ihn vermutlich als attraktiv bezeichnen. Die goldbraunen Wellen seines vollen Haars, das ihm lässig ins Gesicht fällt. Das lichtgraue Hemd, das seine athletischen Schultern bedeckt. Doch wer auch immer ihn als gutaussehend bezeichnen würde, bräuchte nur einen einzigen Blick auf das ekelhafte Grinsen zu werfen, mit dem er mir beim Tanzen zusieht, um seine Meinung zu ändern.

Ruhig bleiben! Vergiss den Idioten und denk einfach nur an deine Mission.

Routiniert lehne ich mich mit dem Rücken gegen die Sessellehne und lasse meinen rechten Arm hinter mir am Leder hinabgleiten. Eine laszive Geste, die sich anfühlt wie die einer Fremden. Doch je mehr ich mich bei diesem seltsamen Tanz von meiner eigenen Persönlichkeit entferne, desto glücklicher scheint es ihn zu machen.

»Yeah, Baby!« Er nippt an seinem Bier, ohne den Blick von mir abzuwenden.

Ich unterdrücke den Würgereiz und setze ein mechanisches Lächeln auf.

Nur noch eine halbe Stunde. Du schaffst das!

Doch so sehr ich mich auch bemühe, der Ekel gewinnt immer wieder die Oberhand.

Was, wenn ich einfach abhaue? Hier und jetzt?

Reiß dich zusammen, verdammt. Reiß dich zusammen!

Plötzlich öffnet sich die Tür über der Treppe und eine männliche Stimme dringt hinunter in den Partykeller.

»Chris? Bist du da unten?«

»Vince?« Er stellt die Flasche auf den Tisch vor dem Sofa und springt überrascht auf. »Du bist ja wirklich gekommen. Komm runter zu mir und genieß die Show.«

Der Mann, der die Stufen langsam herunterkommt, ist offensichtlich mit ihm verwandt. Dieselbe markante Mundpartie, dasselbe breite Kinn, dieselbe athletische Figur. Aber da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Sein Haar ist dunkler und weniger in Form. Fast scheint es, als wäre er eben gerade aufgestanden. Ein Wuschellook, der zusammen mit dem Dreitagebart erst richtig verwegen scheint. Statt eines Hemdes und einer Stoffhose wie mein unliebsamer Zuschauer trägt der Fremde ein lässiges Shirt und Jeans.

Mit jeder Stufe, der er sich dem Boden nähert, wird er langsamer. Als er mich entdeckt, starrt er mich geradezu fassungslos an. Für einen Moment halte ich instinktiv inne, als würde mich allein sein Blick davon abhalten, mich weiter zu bewegen.

»Was zum Teufel ist denn hier los?«, fragt er.

»Wir haben ein bisschen Spaß«, antwortet Christopher und geht auf ihn zu, um ihn zu umarmen, doch als der Fremde einen Schritt zurücktritt, um der Umarmung zu entgehen, frage ich mich, ob sie wirklich verwandt sind.

*

Vincent

Bis auf ein hauchdünnes Kleid mit Spaghettiträgern, das einem Negligé ähnelt und kurz über ihren Knien endet, trägt sie nichts. Ihr langes kastanienbraunes Haar fällt glatt auf ihre nackten Schultern.

Einen Moment lang haftet mein Blick auf ihr, als wäre sie nicht von diesem Planeten. Doch schon im nächsten Augenblick wird mir die seltsame Situation mehr als deutlich bewusst.

»Was ist hier los, Chris?« Ich schaue ihn ungläubig an. »Tanzt diese Frau etwa für dich? Vor einem Ledersessel?«

»Coole Sache, was? Eine Pole-Stange konnte ich auf die Schnelle nicht besorgen. Aber so geht es auch, finde ich.« Er lässt sich mit breitem Grinsen zurück aufs Sofa fallen und legt die Hand neben sich aufs Leder. »Komm schon, Bruderherz, setz dich neben mich und genieß den Anblick. Die Kleine ist ein absolutes Naturtalent, und das, obwohl sie so was noch nie zuvor gemacht hat. Behauptet sie zumindest, auch wenn es mir scherfällt, das zu glauben, so geschmeidig, wie sie sich bewegt.« Er lacht. »Und das Beste ist, dass wir diesen Anblick nicht mit nervigen Bargästen teilen müssen. Dieses sexy Baby ist nur für uns da.« Er hebt die Hand. »Komm schon, Alter, schlag ein!«

Mein Blick wandert erneut zu der Frau, die nun verunsichert hinter dem Sessel steht und nicht so recht weiß, was sie tun soll. In ihren Augen ist das Unbehagen mehr als deutlich zu sehen. Oder ist es sogar Angst? Keine Frage, sie hat wirklich keine Erfahrung in so etwas, sonst würde sie mein Auftauchen nicht derart aus dem Konzept bringen.

»Sag mal, spinnst du jetzt total?«, fahre ich ihn wütend an. »Du bist verlobt, zum Teufel. Und selbst wenn du es nicht wärst, ist das hier absolut unpassend. Dass diese Frau keinen Spaß an diesem Scheiß hat, sieht doch ein Blinder.«

»Glaubst du etwa, sie wäre hier, wenn sie es nicht wollte? Ich habe sie nicht überredet, falls du das denkst.« Er lacht ungläubig. »Mensch, Vince, du bist ja zu einer echten Spaßbremse mutiert. Wir sollten uns wirklich öfter sehen, damit du wieder ein bisschen lockerer wirst. Ich glaube, ich habe dir noch einiges beizubringen.« Er schaut zu der Frau hinter dem Sessel. »Komm schon, Baby, lass dich von meinem Bruder nicht ablenken. Er ist ein kleiner Spießer, aber davon lassen wir uns nicht den Spaß verderben, oder?«

Sie schaut zuerst ihn an, dann mich. Ein Blick, der schwer zu deuten ist. Die Situation ist ihr unangenehm, das ist offensichtlich. Aber warum ist sie wirklich hier?

Zögerlich beginnt sie, sich wieder zum Rhythmus der kaum hörbaren Musik zu bewegen und die schlanken Hüften zu kreisen.

»Verdammt noch mal, das muss aufhören!« Ich gehe einen Schritt auf sie zu. »Hör zu, ich kenne dich nicht, aber egal, was dir mein Bruder dafür zahlt, es ist offensichtlich, dass du nicht hier sein willst. Keine Frau sollte sich so vor einem Mann zur Schau stellen, es sei denn, sie findet selbst Gefallen daran.« Ich werfe Chris einen wütenden Seitenblick zu. »Und noch unpassender ist so ein Arrangement, wenn der Kunde ein verlobter Mann und das hier nicht sein Junggesellenabschied ist.«

Sie möchte etwas antworten, doch verstummt noch im selben Moment.

»Was soll das, Vince?« Chris springt wütend auf. »Darleen und ich haben einen Deal, und der geht nur uns beide etwas an, klar?«

»Ach ja?« Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Und was ist mit Clarissa? Weiß sie auch von diesem sogenannten Deal?«

Sein Gesicht ist rot vor Zorn, sein Atem wird schneller. »Scheiße Mann, Vince, ich dachte, wir treffen uns, um über den Verlag zu reden, stattdessen machst du hier einen auf Moralapostel. Was soll das, verdammt?«

»Sag schon, Chris«, ich werde lauter, »weiß Clarissa davon? Steht eure Verlobung überhaupt noch?«

»Clarissa ist noch für drei Monate in Paris.« Meine Frage scheint ihn nervös zu machen. »Du weißt schon, der Job bei diesem Modemagazin.«

»Das war keine Antwort auf meine Frage.«

»Wer bist du überhaupt, dich hier so aufzuspielen? Du reagierst auf keine meiner Einladungen. Und wenn du dann doch mal auftauchst, mischst du dich in Dinge ein, die dich absolut nichts angehen. Was ist aus dir geworden, Vince?«

»Komisch, dasselbe wollte ich dich auch gerade fragen.« Ich trete einen Schritt näher. »Dass wir absolut nichts gemeinsam haben, war mir ja schon lange klar, aber eigentlich hätte ich gedacht, dass du mit Clarissa endlich sesshaft werden würdest. Ich kenne sie zwar nicht sehr gut, aber glaubst du wirklich, dass sie so einen Verrat verdient hat?« Ich werfe einen Blick auf die Frau, die sich inzwischen eine Strickjacke übergezogen und auf dem Sessel platzgenommen hat. »Mal davon abgesehen, dass das hier absolut entwürdigend ist. Keine Frau sollte so etwas tun müssen.«

»Das klingt ja fast so, als würde sich diese Frau prostituieren. Sie tanzt nur, klar? Was ist falsch daran, wenn ich in Clarissas Abwesenheit ein paar optische Vorzüge genieße? Ist ja nicht so, als würde hier mehr passieren. Ich hole mir lediglich ein wenig Appetit, bis Clarissa wieder hier ist. Nicht mehr und nicht weniger.«

Für einen Moment schäme ich mich für meine direkten Worte, doch als ich erneut zu der Frau im Sessel herüberschaue, weiß ich, dass mein Instinkt einfach stärker ist. Ohne Chris weitere Beachtung zu schenken, gehe ich auf sie zu.

»Hör zu. Das hier muss alles sehr verwirrend für dich sein, weil du mich nicht kennst. Aber wenn du willst, hole ich dich sofort hier raus und bringe dich nach Hause. Wo auch immer du wohnst. Du solltest nicht hier sein. Nicht unter solchen Bedingungen.«

Sie starrt mich mit offenem Mund an, doch ihr seltsames Schweigen hält an und irritiert mich nur noch mehr.

»Tut mir leid, Darleen.« Chris stellt sich zwischen uns. »Ich hatte gehofft, dass der Abend anders laufen würde, aber ich glaube, dass die Stimmung für heute dahin ist. Vielleicht sollten wir einfach morgen weitermachen, okay?«

Sie nickt wortlos, während sie nach ihrer Tasche greift.

»Und du ...«, er wendet sich mir zu, »... solltest vielleicht hierbleiben, damit wir ...«

»Danke, Chris, aber ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt auch gehe.«

Ich schaue zu Darleen, die sich keinerlei Emotionen anmerken lässt. Ohne ein weiteres Wort läuft sie an uns vorbei die Treppe hinauf und verschwindet so schnell, dass ich mich für einen Moment frage, ob sie wirklich hier war oder ich mir alles nur eingebildet habe.

Ich werfe Chris einen letzten bitterbösen Blick zu, dann wende auch ich mich ab und eile die Stufen hinauf, um sie einzuholen.

Kapitel 3

Darleen

Als ich über die schneeweißen Kieselsteine vor der Villa zu meinem Wagen laufe, ist die Sonne bereits fast untergegangen. Nur ein blasslila gefärbter Horizont hinter dem parkähnlichen Grundstück des Anwesens hinterlässt eine Ahnung des Tages.

Irgendwo hinter den Baumkronen wartet das Meer darauf, dass ich mich in die Wellen stürze und den Tag einfach vergesse. Was, wenn ich direkt von hieraus zum Strand fahre? Nur ich und das Meer, das ich mir um diese Zeit höchstens mit ein paar Pärchen beim Abendspaziergang teilen müsste? Wenn ich es schaffe, auf andere Gedanken zu kommen, dann nur mit nackten Füßen im Salzwasser.

Ich öffne die Wagentür und werfe meine Tasche auf den Beifahrersitz, während die Emotionen in mir wie Feuer brennen.

Wut, Scham, Ekel, Verwunderung – ich kann mich nicht entscheiden, was mich mehr beschäftigt. So sehr mich dieser Christopher auch anwidert, wirklich aus dem Konzept gebracht hat mich sein Bruder.

Alles in mir schreit nach Flucht.

Gerade als ich einsteigen will, kommt der seltsame Fremde – Vince, das konnte ich aufschnappen – aus dem Haus gerannt und legt die Hand von hinten auf meine Schulter.

»Warte.« Er keucht. »Wir müssen reden.«

»Ich ... ich kann nicht« Ich setze mich auf den Fahrersitz, werfe die Tür zu und stecke den Schlüssel ins Schloss. Doch er scheint sich nicht abwimmeln zu lassen. Entschlossen geht er ums Auto herum, öffnet die Beifahrertür und stellt meine Tasche vor seine Füße, nur um mich auf eine Weise anzuschauen, die mich noch mehr verwirrt.

»Bitte steig aus, ja?« Ich starre ins Leere, nehme ihn lediglich im Augenwinkel wahr.

»Tut mir leid, Darleen«, er schluckt, »so war doch dein Name, oder?« Er ist völlig außer Atem. »Wenn mein Bruder etwas getan hat, um irgendeine Notsituation auszunutzen oder dich bedrängt hat ... ich weiß, das geht mich nichts an, aber irgendwie fühle ich mich verantwortlich. Wir sind immerhin verwandt und ich ...« er fährt sich mit den Fingern durchs Haar, »... ich kann einfach nicht glauben, dass er so etwas tut. Wir stehen uns zwar nicht sehr nahe, aber ...«

»Würdest du jetzt bitte aussteigen?« Ich bemühe mich um Fassung. »Ich will jetzt nach Hause und das alles hier so schnell wie möglich vergessen.«

»Das alles hier? Dann hat er dich also doch gezwungen?«

Ich atme tief ein, krampfhaft darum bemüht, die Beherrschung aufrechtzuerhalten, doch meine Ungeduld ist stärker.

»Es liegt nicht an ihm, dass ich so genervt bin, sondern an dir«, fauche ich schließlich.

Er zuckt irritiert zurück. »Aber ich habe doch gemerkt, wie unwohl du dich da unten gefühlt hast. Du wolltest weg da, das hätte ein Blinder gesehen.«

»Was ich will oder nicht will, geht dich einen Scheiß an, verdammt.« Ich funkele ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Du hast gerade den wichtigsten Deal gefährdet, den ich je in meinem Leben hatte. Mir fehlt jetzt ein Tag im Vertrag – und du bist schuld daran.«

»Vertrag? Deal? Komm schon, keine Frau hat so etwas nötig. Dann suchst du dir eben einen anderen Job. Du willst mir doch nicht allen Ernstes erzählen, dass du das hier gerne tust.«

»Und wenn ich nackt vor der ganzen Stadt tanzen würde, was geht dich das an? Wir kennen uns doch gar nicht. Außerdem werde ich wohl kaum einen anderen Job finden, bei dem ich in drei Monaten eine Million Euro verdiene.«

Er gerät ins Stocken. Schweigend starrt er mich an, als müsste er meine Worte erst einmal übersetzen.

»Eine Million Euro? Du verarschst mich, oder?«

»Wundert dich das etwa? Du bist doch selbst einer von ihnen. Ihr seid milliardenschwer – das Geld nimmt er vermutlich aus der Portokasse.«

»Warum zum Teufel sollte er dir eine Million Euro bezahlen? Das ist doch krank.«

»Natürlich ist es krank, genauso krank wie dein Bruder. Aber er wollte nun mal mich für diesen Deal. Mich – und keine andere. Es war ihm sogar so wichtig, dass er mir bereits die ersten 100.000 gezahlt hat. Und egal, wie krank das alles ist, es ist die einzige Möglichkeit, wie ich ...« Ich verstumme.

»Wie du was?«

Ich hole tief Luft. »Kannst du jetzt bitte aussteigen?«

»Aber ...«

»Steig jetzt endlich aus!«, brülle ich so laut, dass ich mich vor meiner eigenen Stimme erschrecke.

Er will etwas sagen, doch meine Wut scheint ihn nun doch zu überzeugen. Nach kurzem Zögern öffnet er schließlich die Beifahrertür und steigt aus. Mit der Hand auf dem Türgriff hält er noch einen kurzen Moment inne.

»Wenn du Hilfe brauchst ...«, beginnt er.

»Ich komme klar, okay? Würdest du jetzt bitte die Tür zumachen oder muss ich das selbst tun?«

Seufzend schlägt er sie schließlich zu. Von der Seite nehme ich sein irritiertes Gesicht wahr. Unter anderen Umständen hätte ich vermutlich sogar Gefallen an seinem lässigen Look, den durchdringenden Augen und dem männlichen Beschützerinstinkt gefunden, doch hier und jetzt macht mich dieser Kerl einfach nur wütend.

Entschlossen starte ich schließlich den Motor. Im Augenwinkel sehe ich, wie er seine Arme vor der Brust verschränkt und mich besorgt durch die Autoscheibe anschaut, doch schon eine Sekunde später trete ich das Gaspedal durch und rase mit quietschenden Reifen davon. Wenn ich schnell genug fahre, kann ich diesen seltsamen Abend möglicherweise schneller vergessen. Und mit etwas Glück vergesse ich vielleicht auch diesen abartigen Deal – zumindest bis morgen.

Kapitel 4

Darleen

»Nicht dein Ernst!« Jenna lehnt sich gegen einen der Weizensäcke und starrt mich entgeistert an. »Und er ist dir bis auf den Parkplatz gefolgt?«

»Nicht nur das – er hat sich sogar auf den Beifahrersitz gesetzt, um mit mir zu reden.«

»Und du hast ihn nie zuvor gesehen?«

»Nein, bis zu dem Moment, in dem er die Stufen herunterkam, nicht.«

In genau dieser Sekunde betritt einer der Stammkunden den Laden.

»Hallo Herr Schröder«, begrüßt Jenna ihn freundlich, während sie ihre Neugier für einen Moment ausblendet und sich von dem Sack hinter dem Tresen erhebt. »Was kann ich denn heute für Sie tun?«

»Ich brauche mal wieder Starterfutter für Küken. Unsere Hühner erwarten schon das dritte Mal Nachwuchs dieses Jahr.«

»Ach wie schön. Warten Sie, ich hole mal eben die Sackkarre. Wollen Sie gleich mit ins Lager kommen? Dann können wir den Sack gleich zu ihrem Wagen bringen.« Während ich ihr hinterherschaue, wie sie mit dem Kunden verschwindet, stelle ich wieder einmal fest, wie praktisch ihr kurzes schwarzes Haar in unserem Job ist. Keine Strähnen, die sich aus dem Zopfgummi lösen, wie es bei mir ständig der Fall ist. Und überhaupt scheint Jenna zumindest körperlich sehr viel besser für diesen Job geeignet zu sein als ich. Auch wenn sie relativ schlank ist, sind ihre Oberarme muskulös genug, um jeden Futtersack problemlos anzuheben.

»Dafür bist du unser Genie für Buchhaltung und Co.«, ist Jennas immergleiche Antwort auf meine Feststellung, dass ich den Job im Laden nur habe, weil es der Hof meines Vaters ist, während sie eigentlich viel besser geeignet ist. Und dann lachen wir beide. Immer und immer wieder.

Heute jedoch ist mir nicht nach Lachen zumute. Viel zu sehr hängen meine Gedanken noch immer dem gestrigen Abend nach. Es war das vierte Mal, dass ich vor Christopher getanzt und meinen Ekel unterdrückt habe – und doch ist es nicht seine Anwesenheit, sondern die seines Bruders, die mir noch immer im Kopf herumschwirrt.

Wie kann jemand mit einem so stark ausgeprägten Beschützerinstinkt mit einem Typen wie Chris verwandt sein?

Der Blick, mit dem er mich vom Beifahrersitz aus betrachtet hat, brennt mir noch immer auf der Seele.

Warum setzt er so viel daran, mich zu beschützen? Mich, eine völlig Fremde, die verzweifelt genug war, sich auf seinen skrupellosen Bruder einzulassen? Und warum zum Teufel kann ich das leuchtende Grün seiner Augen selbst jetzt noch sehen, als wäre es erst fünf Minuten her, dass er so nah neben mir gesessen hat?

Unter anderen Umständen hätte ich mich vielleicht über seine Aufmerksamkeit gefreut. Ganz sicher sogar. Aber so ...

»Das wäre auch erledigt.« Jenna wedelt mit einem Zwanziger vor meiner Nase herum, als sie in den Laden zurückkommt. »Schröder hat wieder mal äußerst großzügig aufgerundet.«

Gedankenverloren öffne ich die Kasse und lege den Schein zu den anderen.

»Also?« Jenna greift nach der Kanne und gießt uns etwas Kaffee nach. »Wo waren wir stehengeblieben?«

»Du bist ganz schön neugierig, weißt du das?«

»Na komm schon, Darleen, du kannst doch nicht mit so einer Geschichte anfangen und dich dann darüber wundern, dass ich jedes einzelne Detail wissen will.« Seufzend zieht sie sich einen Stuhl unter den Regalen hervor und setzt sich. »Auch wenn ich noch immer nicht wirklich begeistert von deinem Deal mit diesem schmierigen Typen bin.«

»Du weißt, dass ich keine andere Wahl habe.«

»Es gibt immer eine andere Wahl.« Sie legt die Stirn in Falten. »Und wenn ich daran denke, dass das alles nur passiert ist, weil ich dich mit in diese Bar geschleppt habe, dreht sich mir noch immer der Magen um.«

»Es ist nicht deine Schuld, Jenna. Und das weißt du auch. Ich selbst habe diese Entscheidung getroffen. Niemand hat mich dazu gezwungen. Außerdem finde ich, dass es nicht immer stimmt, dass man eine andere Wahl hat, zumindest hier nicht. Dieser Deal kam genau zur rechten Zeit – und ich werde einen Teufel tun, mir diese Chance durch die Lappen gehen zu lassen. Manchmal heiligt der Zweck eben die Mittel.«

»Trotzdem muss es doch eine andere Möglichkeit geben.«

»Keine, die so schnell und effektiv ist.«

»Und du bist dir sicher, dass sich dieser Christopher an den Deal halten wird? Für mich klingt diese Summe immer noch absolut absurd.«

»Das erste Geld habe ich ja schon, außerdem haben wir einen Vertrag.«

»Und was, wenn er auf einmal mehr von dir will? Was wenn ...« Sie verstummt.

»Das haben wir bereits abgeklärt. Ich tanze für ihn, nicht mehr und nicht weniger. Und zwar exakt so lange, wie seine Verlobte noch außer Landes ist.«

»Oh Gott, die arme ahnungslose Frau. Stell dir mal vor, du müsstest diesen Kerl heiraten!«

»Na ja, hässlich ist er ja nicht und ich nehme nicht an, dass sie von seinen seltsamen Vorlieben weiß. Und selbst wenn, er ist der Sohn eines milliardenschweren Verlegers. Eine Ehe mit ihm wird ihr sicher viele Vorteile bringen. Vielleicht ist sie sogar genauso skrupellos wie er.«

»Trotzdem ist es irgendwie gruselig, dass er sich ausgerechnet dich ausgesucht hat. Fast so, als wäre er von dir besessen oder so. Ich meine, er hätte sich doch auch eine professionelle Tänzerin suchen können.«

»Bitte, Jenna, lass uns nicht weiter über diesen Kerl reden, ja? Wenigstens tagsüber versuche ich so gut es geht, nicht an meinen neuen Zweitjob zu denken.«

Eine Weile schaut sie mich wortlos an. Es ist derselbe besorgte Blick, mit dem sie mich seit Tagen mustert und für den ich sie schon einige Male ermahnt habe.

»Na gut.« Sie atmet geräuschvoll aus. »Wenn wir schon nicht über diesen Schmierlappen reden, erzähl mir bitte endlich von seinem Bruder. Der scheint ja echt so was wie der strahlende Ritter zu sein, wenn er sich so um dich sorgt.«

»Wer weiß, vielleicht war sein Auftauchen ja auch nur ein Teil der Show.«

»Glaubst du das echt?«

Ich überlege kurz.

»Nein.« Ich lehne mich gegen den Tresen. »Eigentlich nicht. So verrückt es auch war, dass er auf einmal aufgetaucht ist, irgendwie habe ich ihm jedes Wort geglaubt.« Ich schaue ins Leere. »Das ist ja das Verrückte.«

»Und er hat diesen Christopher wirklich angeschrien?«

Ich nicke. »Er ist total ausgeflippt. Ich habe nicht alles von ihrem Gespräch mitbekommen, aber es scheint, als stünden sie sich nicht besonders nahe. Was auch nicht sehr verwunderlich ist, wenn man bedenkt, wie unterschiedlich ihre Ansichten sind.«

»Und trotzdem hast du dir nicht von ihm helfen lassen?«

»Spinnst du? Soll ich etwa den besten Deal meines Lebens riskieren?«

»Na ja, ob es wirklich der beste Deal ist, wird sich erst noch zeigen.«

»Wie gesagt, er hat mir bereits 100.000 gegeben. Ich glaube, dass ich ihm zumindest in dieser Hinsicht trauen kann.«

»Selbst wenn alles wie geplant abläuft, hast du überhaupt schon darüber nachgedacht, wie du deinem Vater den plötzlichen Geldsegen erklären willst?«

»Keine Ahnung.« Ich zucke mit den Schultern. »Vielleicht habe ich ja im Lotto gewonnen.«

»Dafür müsstest du ja erst mal Lotto spielen.«

»Dann habe ich eben kürzlich angefangen und sofort Glück gehabt.«

Sie atmet schwer aus, doch schon wenige Sekunden später packt sie die Neugier erneut. »Und wie ging es weiter mit diesem ...«

»... Vince.«

»Vince?« Sie seufzt verklärt. »Oh mein Gott, da hört man ja praktisch das gute Aussehen schon im Namen.«

»Sei nicht albern. Du tust ja gerade so, als wäre das ein Märchen oder so. Wahrscheinlich werde ich ihn niemals wiedersehen, und das ist auch gut so. So wie der sich gestern aufgespielt hat, hat es mich gewundert, dass er mir den Deal nicht gleich an Ort und Stelle versaut hat.«

»Aber süß ist es schon von ihm, dass er dich beschützen wollte, das musst du zugeben.«

»Unter anderen Umständen vielleicht, aber so, wie die Dinge stehen, war es einfach nur gefährlich. Er hätte mir echt alles ruinieren können.«

»Vielleicht war es aber auch einfach nur Schicksal, dass ihr euch begegnet seid.« Sie lächelt verträumt. »Moment mal, wenn er sein Bruder ist, ist er doch auch steinreich, oder? Vielleicht kann er ja ...«

»Nein, kann er nicht, Jenna. Für gewöhnlich schließen ehrenhafte Männer keine schmutzigen Deals ab. So etwas tun nur Kerle wie dieser Chris.«

»Ehrenhaft?« Sie zwinkert mir wissend zu. »Du scheinst ja trotz allem eine ziemlich gute Meinung von ihm zu haben.«

»Wie gesagt. Unter anderen Umständen ...« Ich greife nach meinem Kaffeebecher. »Aber was bringt es, jetzt darüber zu spekulieren? Ich kann einfach nur hoffen, dass heute Abend alles glattlaufen wird. Noch so ein Vorfall und Christopher hat bald selbst keine Lust mehr auf den Deal.«

»Na ja, aber wie gesagt, wenn dieser Vince sein Bruder ist, heißt das, dass er reich ist. Und das wiederum bedeutet ...«

»Keine Sorge, Jen«, ich hebe die Hand, »das habe ich längst gecheckt.«

»Du hast was gecheckt?« Sie schaut mich überrascht an.

»Na ja, ich habe diesen Vince gegoogelt. Genauer gesagt: Vincent Haidhof.«

»Dann hattest du die Idee, dass er dir vielleicht helfen kann, also selbst auch schon?«

»Ich habe ihn natürlich nicht wegen seines Geldes gegoogelt, klar?«

»Sondern?« Sie hebt grinsend die Augenbrauen.

»Ich war halt neugierig. Was ist schon dabei?«

»Sag schon, was hast du herausgefunden?«

»Na ja, dass mich der Eindruck, dass sich die beiden Brüder nicht sehr nahestehen, nicht getäuscht hat. Warum genau das so ist, weiß ich natürlich nicht. Ich weiß nur, dass er 32 Jahre alt ist, eine eigene Autowerkstatt führt und in keinerlei Verbindung zum Verlag seines Vaters steht. Gerüchten zufolge soll er somit auch auf das Familienvermögen verzichtet haben.«

»Echt?« Jenna beugt sich neugierig vor. »Wer verzichtet denn freiwillig darauf, ein Milliardär zu sein?«

»Vielleicht hat er einfach andere Ziele im Leben. Vielleicht ist auch irgendetwas passiert, das die Familie entzweit hat.« Ich lache bitter. »Vielleicht hat ja schon sein Vater fremde Frauen in seinem Partykeller tanzen lassen und Vince damit verschreckt.«

Jenna seufzt bedrückt. »Ach Süße. Bist du wirklich sicher, dass du das alles mit Humor nimmst? Ich glaube ja, dass du nur so tust und in Wahrheit ziemlich schwer damit zu kämpfen hast.«

»Nun dramatisier das mal nicht so, okay?« Ich setze ein möglichst unbeschwertes Lächeln auf. »Ist ja nicht so, dass ich nackt bin, während ich vor ihm tanze. Im Endeffekt ist es viel harmloser, als du vielleicht denkst.«

Sie senkt den Blick auf ihren Kaffeebecher. »Wenn das dein Vater wüsste.«

»Du wirst es ihm nicht erzählen, hörst du?« Ich werde lauter. »Jenna, ich schwöre, wenn du es ihm erzählst, dann ...«

»Schon gut, schon gut.« Sie weicht erschrocken zurück. »Ich schweige wie ein Grab. Ich will ja schließlich nicht, dass der arme Mann einen Herzinfarkt erleidet.«

Mein Atem wird wieder ruhiger. »Glaub mir, Jenna, das würde ihn umbringen.«

»Ein Grund mehr, mit dem Schwachsinn aufzuhören.«

»Es sind doch nur drei Monate.« Ich räuspere mich. »Das ist praktisch nichts.«

Sie lehnt sich seufzend zurück. »Ich hoffe nur, dass du diesen Deal nicht irgendwann bereuen wirst.«

Kapitel 5

Vincent

Als sich die gläserne Schiebetür vor mir öffnet, scheint es, als wäre ich gestern das letzte Mal hier gewesen. Mit jedem Schritt, den ich mich weiter in das mächtige Gebäude bewege, scheinen mich die Erinnerungen mit ganzer Macht zu packen.

Ich straffe meine Schultern und werde schneller, den Blick starr auf die letzte Tür des Korridors gerichtet.

»Vincent?«

Ich erkenne ihre Stimme, noch bevor ich zur Seite blicke.

»Pauline!« Mit zögerlichem Lächeln bleibe ich neben ihrem offenen Büro stehen.

»Wolltest du dich etwa hier reinschleichen, ohne Hallo zu sagen?« Sie kommt mit ausgebreiteten Armen auf mich zu. »Komm schon her, mein Junge.«

Ich erwidere ihre Umarmung mit echter Freude.

»Nicht zu fassen, wie gut du aussiehst.« Ich lege die Arme auf ihre Schultern und betrachte sie lächelnd. »Und du willst mir wirklich erzählen, dass du letztes Jahr sechzig geworden bist?«

»Ssssssch!« Sie zwickt mich in den Oberarm. »Sonst hört dich noch jemand und kommt auf die Idee, mich in den Ruhestand zu schicken.«

»Dich? Eher machen hier die Pforten dicht. Du gehörst doch praktisch zum Inventar, Pauline.«

Sie lacht auf dieselbe Weise wie früher, laut und eindringlich, aber von Herzen kommend. Das schulterlange dunkle Haar sitzt noch immer perfekt, die Taille ist die einer Zwanzigjährigen und bringt das weinrote Kostüm besonders zur Geltung.

»Weißt du eigentlich, dass ich selbst auf meine alten Tage noch davon träume, dass du irgendwann einer meiner Chefs wirst?« Sie seufzt verklärt. »Schon damals, als ich noch im Vorzimmer deines Vaters saß, wusste ich, dass mal etwas ganz Besonderes aus dir wird.«

»Was ja auch stimmt.« Ich zwinkere ihr zu. »Ich habe meine eigene Autowerkstatt. Das ist genau mein Ding, weißt du?«

»Was auch immer du tust, ich bin stolz auf dich, mein Großer.« Sie umarmt mich erneut. »Du musst unbedingt mal wieder bei Eddie und mir vorbeischauen. Ich habe noch ganz viele alte Fotos zu Hause von dir und Chris. All die langen Abende, die ihr in meinem Büro auf eure Eltern gewartet habt, weil die wieder mal in irgendwelchen Meetings festsaßen. So albern es auch klingt, ich denke sehr gern daran zurück.«

»Das ist überhaupt nicht albern.« Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange. »Und ich verspreche dir, dass ich euch bald mal wieder besuche. Ich sehe dich ohnehin viel lieber außerhalb dieser Mauern, das weißt du.«

Sie seufzt. »Und du würdest so gut hierher passen, mein Junge.«

»Glaub mir, Pauline, nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt. Aber das ist auch nicht der Grund, warum ich gekommen bin.« Ich schaue den Flur hinauf. »Ist Chris da?«

»Vermutlich telefoniert er gerade wie so häufig, aber im Haus ist er auf jeden Fall.«

»Danke.« Ich drücke ihre Hand. »Wir setzen die Unterhaltung bald fort, okay?«

Sie schaut mir mit sentimentalem Blick hinterher, während meine Schritte wie von selbst schneller werden. So dankbar ich auch für aufrichtige Menschen wie Pauline bin, an diesem Morgen sind es andere Gedanken, die mich leiten.

Als ich seine Tür erreicht habe, zögere ich einen Moment, nur um mich schon wenig später an die Wut zu erinnern, die mich hergeführt hat.

Ohne anzuklopfen stürme ich hinein.

»Vince!« Er schaut überrascht von seinem Telefon auf, wendet sich kurz darauf aber wieder dem Hörer zu. »Ich ruf dich zurück, okay? Habe gerade Besuch bekommen.«

Er legt auf und erhebt sich. »Erst sehe ich dich wochenlang nicht und dann gleich an zwei Tagen hintereinander. Was verschafft mir die Ehre, Bruderherz?«

»Ich bitte dich, Chris, sei doch nicht immer so theatralisch, ja? Ich bin keiner deiner Geschäftspartner. Es gibt keinen Grund, mir Honig ums Maul zu schmieren, okay?« Ich gehe zum Fenster und schaue zum Hafen hinüber, der nur wenige Fußminuten entfernt ist. »Außerdem weißt du genau, warum ich hier bin.«

»Ach ja?« Er lässt sich wieder zurück auf seinen breiten Ledersessel fallen. »Weiß ich das wirklich?«

»Komm schon, Chris, wir waren gestern noch nicht fertig.«

»Du hast recht: Darleen und ich waren noch nicht fertig, weil du uns gestört hast.«

»Was soll das heißen – noch nicht fertig?« Hastig drehe ich mich zu ihm um. »Das klingt ja fast so, als würde da doch mehr zwischen euch laufen.«

»Natürlich nicht.« Er hebt abwehrend die Hände. »Auch wenn es dich streng genommen nichts angeht, sage ich dir gern noch einmal, dass diese Frau nur für mich tanzt. Was ist schon dabei?« Er legt den Telefonhörer zur Seite, um ungestört zu sein. »Und mal ehrlich, Vince, findest du nicht auch, dass du dich ein bisschen zu sehr für diesen Deal interessierst? Ich mische mich ja schließlich auch nicht in deine Geschichten ein.«

»Geschichten?« Ich stütze mich mit beiden Händen auf seinem Schreibtisch ab. »Was soll das heißen, Geschichten? Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals eine Frau halbnackt in meinem Keller getanzt hat.«

»Na ja, aber ein Kind von Traurigkeit bist du auch nicht gerade, oder? Wenn ich nur an die Schlägerei damals vor der Hafenkneipe denke.«

»Der Typ hatte der Kellnerin zwischen die Beine gegrabscht. Du kennst Josie doch selbst noch. Wir sind mit ihr zur Schule gegangen. Wärst du etwa still sitzen geblieben, während ein Fremder sie einfach betatscht?« Ich lache bitter. »Obwohl ... wenn ich recht darüber nachdenke, vermutlich hättest du ihm noch applaudiert. Sehr viele Skrupel scheinst du jedenfalls nicht zu haben.«

»Komm schon, Vince, jetzt tust du mir Unrecht. Und das weißt du auch.«

»Ach ja?« Ich lehne mich rücklings gegen das Fensterbrett und betrachte ihn abfällig. »Tue ich das wirklich? Dass wir uns nicht sehr ähnlich sind, wusste ich ja schon immer, aber dass du zu so etwas fähig bist, hätte selbst ich nicht gedacht.«

»Zu so etwas fähig – wie das klingt.« Er verschränkt die Hände hinter dem Kopf. »Findest du nicht, dass du maßlos übertreibst?«

»Ich würde mich ja nur halb so sehr aufregen, wenn es eine professionelle Tänzerin wäre, die so etwas hundertmal im Jahr macht. Aber diese Frau stand ja wie unter Schock, das hat doch ein Blinder gesehen. Ich kam mir vor wie im Keller eines Serienkillers, der sein Opfer tanzen lässt, bevor er ihr die Kehle durchschlitzt.«

»Serienkiller?« Er lacht ungläubig auf. »Sag mal, hörst du dir eigentlich zu? Langsam wird’s peinlich, Vince.«

Ich bemühe mich um ruhigen Atem.

Cool bleiben! Wenn du ihn zu wütend machst, erreichst du nie, was du willst.

»Du hast recht.« Ich atme tief ein. »Ich übertreibe vielleicht, aber ...« Ich verstumme, während meine Gedanken erneut zu Darleen wandern. So sehr sie sich auch gegen meine Hilfe gewehrt hat, in ihren Augen konnte ich mehr als deutlich sehen, wie unglücklich sie mit der Situation ist. Aber warum zum Teufel kann ich es nicht einfach gut sein lassen? Warum halte ich mich nicht einfach raus, wie es jeder andere tun würde?

»Aber was?« Chris schaut mich fragend an.

»Es ist nur einfach so, dass ich mit ihr draußen noch ein paar Worte gewechselt habe.«

»Du hast mir ihr geredet?« Er runzelt die Stirn. »Hör mal, Kumpel, dir ist schon klar, dass das mein Deal ist, ja? Wenn du hier also nur ein Riesentheater abziehst, um sie selbst für eine kleine Extra-Show zu gewinnen, werde ich das erfahren – und dann ...«

»Reg dich ab, Chris. Ich würde niemals auf dieses Niveau absinken und sie für mich tanzen lassen.«

Er legt den Kopf schräg und betrachtet mich skeptisch.

Seufzend trete ich näher und setze mich auf den Besucherstuhl vor seinem Tisch. »Ich bin hier, um dich zu fragen, wie es überhaupt zu diesem Deal gekommen ist.«

»Warum interessiert dich das überhaupt? Normalerweise rennst nicht du den Frauen hinterher, sondern umgekehrt.«

»Ich renne niemandem hinterher. Ich will einfach nur verstehen, was hier läuft.«

»Mein Bruder, der Frauenversteher. Wenn ich mich recht erinnere, hattest du ja noch nie große Probleme, beim anderen Geschlecht Fuß zu fassen. Die Mädels sind immer schon auf dich abgefahren, und das sogar dann, wenn du in verwaschenen Jeans und schmierigem Shirt in einer Bar auftauchst.« Er presst die Lippen zusammen. »Vincent Haidhof, der geheimnisvolle Rebell, dem die Frauen nur so zu Füßen liegen.«

»Erstens übertreibst du maßlos und zweitens bin ich im Gegensatz zu dir nicht auf jedes Abenteuer eingegangen, das sich mir geboten hat.«

»Falls du dich erinnerst, bin von uns beiden ich derjenige, der bald heiraten wird – schon vergessen?«

»Was sich sicher sehr schnell ändern wird, wenn Clarissa von deiner neuen Freizeitbeschäftigung erfährt.«

»Du hast doch nicht etwa vor, ihr was zu sagen, oder?« Er bemüht sich, seine Wut zu unterdrücken.

»Ich kenne Clarissa doch kaum«, antworte ich. »Außerdem bin ich nicht wegen ihr hier, sondern wegen Darleen.«

Er öffnet die Schreibtischschublade und holt sein silbernes Zigarettenetui heraus. »Ich kapiere nicht, warum dich das so sehr interessiert. Du kennst die Kleine doch gar nicht.«

Er hat recht, ich kenne sie nicht. Vermutlich sollte ich einfach umdrehen und so schnell verschwinden, wie ich gekommen bin. Und doch wehrt sich alles in mir gegen den Gedanken, die Sache auf sich beruhen zu lassen.

»Es geht mir auch gar nicht so sehr um sie«, antworte ich, »sondern darum zu verstehen, wie das passieren konnte. Ist dir denn noch gar nicht in den Sinn gekommen, wie so etwas deiner seriösen Position im Verlag schaden könnte, wenn das herauskommt?«

Eine Weile schweigt er, während ich mich über meine eigenen Worte wundere. Was zum Teufel tue ich hier eigentlich? Eins steht fest: Nichts könnte mich weniger interessieren als das Risiko, dass jemand Christophers Ruf ruinieren könnte.

»Wie soll es denn herauskommen?« Er zuckt mit den Schultern, während er sich eine Zigarette anzündet. »Unser Vertrag hat eine Verschwiegenheitsklausel. Außerdem wäre ihr die Sache viel zu peinlich, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen.«

»Wie hast du sie überhaupt kennengelernt? Ich meine, ihr wirkt ja nicht unbedingt wie alte Freunde.«

Er nimmt einen langen Zug und lehnt sich mit selbstgefälligem Grinsen zurück.

»Ist noch gar nicht lange her«, antwortet er. »Es war ein langer Tag im Büro und ich hatte Lust auf ein paar Cocktails. Da bin ich noch runter zum Strand in Claudios Bar gegangen. Na ja, und da saß sie mit einer Freundin im Séparée neben mir. Versteh mich nicht falsch, ich hatte nicht vor, Clarissa zu betrügen. Trotzdem war ich sofort fasziniert von dieser Frau.«

»Und da hast du sie angesprochen?«

»Nicht sofort. Ich bekam nur mit, dass sie gerade ihr Herz über ein ernsthaftes Problem ausschüttete, das sie schwer belastet.«

»Ein Problem?«

»Ganz genau. Ein ziemlich großes sogar. Ich fände es aber falsch, das jetzt einfach so breitzutreten, das verstehst du doch, oder?« Er zwinkert mir wichtigtuerisch zu.

Ich seufze. »Ja ja, für dein ausgeprägtes Feingefühl bist du ja auch überall bekannt.«

»Sagen wir so«, fährt er fort, »es wurde einfach deutlich, dass die nötigen finanziellen Mittel all ihre Sorgen vertreiben würden. Armes Ding.« Er seufzt theatralisch. »Gerade mal 27 und den Kopf schon voller Zukunftsängste.«

Meine Gedanken schweifen ab: Was für ein Problem könnte so groß sein, dass sie sich auf solch einen Deal mit einem Mann einlässt, den sie gerade erst kennengelernt hat?

Ich räuspere mich. »Und da hast du dich mal eben neben sie gesetzt und ihr gesagt: Hey Süße, was hältst du davon, von jetzt an jeden Abend in meinem Partykeller für mich zu tanzen? Ist auch ne richtig dicke Stange Geld für dich drin.«

»Ganz so war es natürlich nicht, ich musste das Ganze natürlich etwas subtiler angehen. Ich habe die beiden auf einen Drink eingeladen.«

»Und sie haben die Einladung angenommen? Einfach so?«

»Ihre Freundin war wohl der ausschlaggebende Punkt. Sie war viel offener als Darleen und auch um einiges redseliger.« Er grinst wissend. »Aber sie war nun mal nicht der Grund, warum ich mich zu ihnen gesetzt habe. Es kam also darauf an, alles sehr vorsichtig und durchdacht anzugehen.«

Die Ungeduld packt mich. Was tue ich hier eigentlich? Den selbstverliebten Anekdoten meines großspurigen Bruders zuhören, obwohl in der Werkstatt ein überfüllter Schreibtisch auf mich wartet?

»Lass mich raten«, sage ich. »Du konntest die Tatsache, dass du zur Haidhof-Familie gehörst, wieder mal nicht für dich behalten.«

»Oh, das war gar nicht nötig.« Er zupft den Kragen seines Hemdes zurecht. »Diese Jenna, so heißt ihre Freundin, meinte ständig, dass ich ihr irgendwie bekannt vorkäme ...«

Ich rolle mit den Augen. »Was dir natürlich sehr gelegen kam.«

»Na ja, was kann ich denn dafür, wenn sie Klatschblätter liebt?«

»Dann wissen sie zweifellos auch von Clarissa und deiner Verlobung.«

»Sicher tun sie das. Aber ich war ja auch nicht in der Bar, um mir eine Frau fürs Leben zu suchen.« Er zwinkert mir zu.

Ich versuche, mich zu erinnern, warum ich hergekommen bin. Alles an diesem Gespräch fühlt sich unpassend und seltsam an. Ich sollte gehen und all die Gründe vergessen, die mich hergeführt haben.

Doch als er erneut ihren Namen sagt, halte ich für einen Moment lang inne.

»Darleen schien ziemlich unruhig und auch nicht wirklich anwesend zu sein«, sagt er.

Ich schaue auf.

»Es war einfach mehr als deutlich zu merken, dass sie mit den Gedanken ganz woanders war«, erklärt er. »Irgendwann konnte ich dann nicht anders und habe sie auf das Problem angesprochen, das ich«, er macht Gänsefüßchen mit den Fingern, »versehentlich mitangehört hatte.«

»Und sie hat dir einfach so davon erzählt?«

»Na ja, widerwillig und auch leicht irritiert, aber da ich ja eh schon Bescheid wusste, rückte sie dann schließlich mit der Sprache raus.«

»Und wie kam es dann zu diesem verrückten Deal?«

»Der Abend war lang und das Ganze begann mehr oder weniger als Scherz.« Er nimmt einen langen Zug von seiner Zigarette und bläst den Rauch in die Luft. »Es fing damit an, dass ich ihr einfach einen gut bezahlten Job im Verlag gebe und sie damit all ihre Probleme lösen könnte. Daraufhin meinte sie, dass kein normaler Job einfach so ihre Sorgen aus der Welt schaffen könnte, auch kein gut bezahlter. Na ja, sie tat das Ganze wie gesagt eher als Scherz ab und war auch leicht beschwipst.«

»Was du natürlich ausgenutzt hast.«

»Ach du nennst es ausnutzen, wenn ich dieser Frau eine Lösung für all ihre Probleme anbiete?«

»Du hast das mit dem Tanz-Deal doch nicht gleich am selben Abend gesagt!« Ich schaue ihn entgeistert an.

»Na ja, so direkt nicht. Aber ich sagte ihr, dass ich ihr helfen könnte und dass ich durchaus Verständnis dafür hätte, wenn sie erst mal skeptisch ist, weil ich ja trotz meines Bekanntheitsgrades ein Fremder für sie bin.« Er drückt die Kippe in dem breiten Kristallaschenbecher neben seinem Bildschirm aus. »Deshalb habe ich ihr angeboten, am nächsten Tag hier in meinem Büro mit ihr darüber zu reden, welche Optionen es geben könnte. So ein offizielles Büro weckt ja schon mal mehr Vertrauen als eine dunkle Bar.«

Ich spüre, wie sich mein Magen zur Faust ballt. Allein die Vorstellung, dass sie voller Hoffnung zu ihm gekommen ist, nur um dann ihre menschliche Würde an der Türklinke abzugeben.

»Und sie ist gekommen?« Ich schaue ihn fragend an.

Er nickt. »Gleich am nächsten Morgen.«

»Und sie hat sich einfach so auf den Deal eingelassen?«

»Natürlich war sie skeptisch, sehr sogar. Nicht nur, was die eigenen Skrupel angeht, sondern auch die Tatsache, ob sie das Geld auch wirklich erhalten würde. Aber als ich ihr dann gleich vor Ort den ersten Scheck über 100.000 ausgestellt habe, begann sie, ernsthaft über meine Idee nachzudenken.«

»Idee nennst du das also.« Ich hole tief Luft. »Für mich klingt das eher nach dem Drehbuch für einen sehr merkwürdigen Film.«

»Ein oscarverdächtiger Film, wenn du mich fragst. Um ehrlich zu sein hatte ich bei unserer ersten Begegnung selbst noch nicht genau gewusst, welche Art von Deal ich gern mit ihr eingehen würde. Alles, was ich wusste, war, dass ich diese Frau wiedersehen muss. Und das möglichst mehr als einmal. Der Plan war, in den Genuss ihrer atemberaubenden Schönheit zu kommen, ohne dafür in alte Muster verfallen zu müssen. Die Fehler meiner jungen Jahre will ich nicht wiederholen, weißt du?«

»Und du denkst, es ist eine kluge Alternative für deine chronische Untreue, stattdessen eine Frau halbnackt für dich tanzen zu lassen?«

»Na ja, es ging mir einfach nur darum, reinen Gewissens mit Clarissa skypen zu können, ohne das Gefühl zu haben, sie zu hintergehen.« Er reibt sich das Kinn. »Und weißt du was? Genau dieses reine Gewissen habe ich – ganz egal, wie du darüber denkst. Ich helfe dieser Frau, ihre Probleme zu lösen. Und sie hilft mir dabei, meine Langeweile zu vertreiben, ohne meine künftige Frau zu betrügen. Und Clarissa ...«, er lächelt stolz, »Clarissa ist einfach toll. Sie ist die perfekte Partnerin für mein gesellschaftliches Leben. Und ich weiß, dass sie eine fantastische Mutter sein wird. Ich kann es kaum erwarten, eine Familie mit ihr zu gründen.«

Eine Weile schaue ich ihn schweigend an. Meine Gedanken sind zu verwirrend, um etwas zu antworten.

»Merkst du eigentlich nicht, wie absurd das alles ist?«, entfährt es mir schließlich. »Gerade redest du noch davon, wie absolut unverfänglich es ist, eine fremde Frau jeden Abend vor dir tanzen zu lassen und im nächsten Atemzug schwärmst du von Clarissas Mutterqualitäten. Das ist doch krank.«

»Krank?« Er neigt den Kopf zur Seite und betrachtet mich skeptisch. »Du nennst das krank? Ich sage dir, was krank ist, mein Lieber. Krank ist es, einen Job in einer miefigen Autowerkstatt einer hohen Position in einem der renommiertesten Verlage Deutschlands vorzuziehen.«

»Tja, nur ein weiterer Aspekt dafür, wie unterschiedlich wir beide sind, Chris. Und soll ich dir was sagen? Nach den neuesten Erkenntnissen über dich bin ich sogar noch dankbarer dafür, anders als du zu sein.«

Christopher atmet geräuschvoll aus, während er den Blick fast schon symbolisch durch sein geräumiges Büro schweifen lässt. Der mächtige Ledersessel hinter dem breiten Mahagoni-Schreibtisch ist nur eines von vielen protzigen Einrichtungsgegenständen, die durch die deckenhohen Fenster besonders gut zur Geltung kommen. Die wandbreiten Gemälde obskurer Maltechniken. Kniehohe Kristallvasen neben dem Bücherregal.

»Nein, mein Lieber«, sagt er schließlich, »so sehr ich es auch versuche: Ich kann einfach keinen erkennbaren Grund entdecken, warum dein Leben besser als meins sein sollte. Deinem Dasein fehlen all die Vorzüge, die mir das Aufstehen jeden Morgen leichter machen.« Er lacht zynisch. »Je mehr ich darüber nachdenke, kann ich sogar fast verstehen, warum sich dein Beschützerinstinkt bei Darleen geregt hat. Während ich sofort ihre optischen Vorzüge erkannt und sozusagen den ungeschliffenen Diamanten in ihr gesehen habe, hast du dich von der Tatsache fesseln lassen, einer Frau deinesgleichen gegenüberzustehen.«

»Einer Frau meinesgleichen?« Eine tiefe Falte schiebt sich zwischen meine Augen. »Was soll das heißen?«

»Na ja, dass sie auch einen stinknormalen Job am Rande der Stadt hat, genau wie du. Ein langweiliger Hofladen mit frischen Eiern, Tierfutter und Milbenpuder.« Er grinst zynisch. »Passt doch ziemlich gut zu einem Job in einer staubigen Autowerkstatt, wenn du mich fragst. Nur im Gegensatz zu dir erkennt Darleen eine einmalige Chance, wenn sie sich ihr bietet.«

Noch immer wütend über seine arrogante Art erkenne ich nicht sofort, dass sich der Grund, aus dem ich gekommen bin, soeben erfüllt hat. Für einen kurzen Moment verliere ich mich in lähmender Stille, bis ich schließlich wie wach geworden aufspringe.

»Du hast recht, Chris.« Ich unterdrücke ein Grinsen. »Ich würde eine einmalige Chance nicht mal dann erkennen, wenn du sie mir direkt ins Gesicht werfen würdest.«

Er schaut mich fragend an, doch ich habe keine Zeit für weitere Erklärungen. Fest entschlossen eile ich zur Tür und verlasse das protzige Büro meines noch protzigeren Bruders. Schließlich habe ich eine Mission zu erfüllen.

Kapitel 6

Darleen

Als ich den Schlüssel aus der Ladentür ziehe, bleibe ich noch einen Moment lang stehen. Jenna ist bereits vor zehn Minuten zurück in die Stadt gefahren, um sich wieder mal mit einem Typen zu treffen, den sie über ihre Tinder-App kennengelernt hat. Sicher der zehnte Kerl diesen Monat – und noch immer ist sie voller Optimismus, dieses Mal den Richtigen zu finden.

Anstatt zu meinem Wagen zu gehen, schaue ich auf und lasse meinen wehmütigen Blick hinüber zur Wohnsiedlung wandern, in der sich reetgedeckte Häuser mit alten Bauernscheunen abwechseln. Die perfekte ländliche Idylle nur unweit des Meeres, das sich selbst hier, fast einen Kilometer vom Naturstrand entfernt, mit einer salzigen Brise bemerkbar macht.

Wieder packt mich derselbe Kleinmädchentraum, irgendwann mit meiner eigenen kleinen Familie in genau so einem reetgedeckten Haus zu wohnen und jeden Nachmittag mit Mann und Kindern eine Radtour zum Wasser herunter zu machen. Auf dem Gepäckträger ein Picknickkorb voller Obst und Sandwiches.

Doch schon im nächsten Augenblick überkommt mich die altvertraute Sorge.

Was, wenn der Plan doch nicht wie gedacht funktioniert? Was, wenn Christopher den Vertrag am Ende nicht einhält? Welche rechtlichen Chancen hätte ich schon gegen einen Mann wie ihn?

Ich versuche, die konfusen Gedanken zu verjagen. Es ist nicht der richtige Moment, um sich zu sorgen. Immerhin habe ich bereits die ersten 100.000 – und es wird Zeit, sie endlich zu nutzen.

Ich stecke den Ladenschlüssel in meine Handtasche und krame nach meinem Autoschlüssel. Mit dem Blick in die Tasche gerichtet gehe ich in Richtung Parkplatz, nur um kurz vor meinem Wagen überrascht stehenzubleiben.

In der grellen Spätnachmittagssonne kommen seine markanten Gesichtszüge besser zur Geltung als am Vorabend. Auf seinen Augen liegt ein Schatten, der ihn noch geheimnisvoller wirken lässt, als er mit erwartungsvollem Blick auf mich zukommt.

»Was tust du denn hier?« Ich starre ihn mit offenem Mund an. »Und wie hast du mich überhaupt gefunden?«

Die Schritte, mit denen er sich nähert, sind bedächtig.

»Es ist der dritte Laden, den ich abklappere.« Er lächelt vorsichtig. »Schön, dass ich dich noch erwische. Das muss wohl Schicksal sein.«

Schicksal.

Augenblicklich muss ich an Jennas Worte denken.

Vielleicht war es Schicksal, dass ihr euch begegnet seid.

»Ich habe dir doch schon gesagt, dass dieser Deal sehr wichtig für mich ist«, sage ich schnell, bevor meine Verwirrung die Oberhand gewinnt. »Wenn du also bitte aufhören würdest, dich da einzumischen, wäre ich dir wirklich sehr dankbar. Das ist eine Sache zwischen deinem Bruder und mir.«

»Ich kann deine Abweisung verstehen.« Er kommt näher, bis zwischen uns nur noch wenige Zentimeter Abstand sind. Der Blick, mit dem er mich betrachtet, bringt mich für einen Moment aus dem Konzept.

»Ach ja?« Ich versuche, mir meine Verunsicherung nicht anmerken zu lassen.