Dein Schmerz wird bleiben - Andrea Taraška - E-Book

Dein Schmerz wird bleiben E-Book

Andrea Taraška

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Beschreibung

Sascha sieht auf der anderen Straßenseite seinen besten Freund und reisst sich von der Hand seiner Mutter los, um zu ihm zu laufen. Der Junge wird von einem Auto erwischt.

Nach diesem Unfall bricht Laura in ihrer Heimatstadt alle Brücken ab, um in einer andere Stadt wieder Fuß zu fassen. Dort vereinsamt sie und es dauert eine lange Zeit, bis sie wieder ins Leben zurückkehrt.

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Andrea Taraška

Dein Schmerz wird bleiben

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Dein Schmerz wird bleiben

 

 

 

 

 

 

 

 

Vor dem Schlafengehen warf ich noch einen raschen Blick ins Kinderzimmer. Sascha schlief friedlich in seinem Bett.

Beruhigt ging ich weiter ins Bad, Matthias wartete bereits im Schlafzimmer auf mich.

Ich merkte ein leichtes Kribbeln in meinem Bauch und mein Herz raste.

Deshalb lächelte ich leicht vor mich hin, ließ weiterhin warmes Wasser auf mich herab prasseln. Matthias schaffte es doch noch immer, meine Gedanken durcheinander zu wirbeln, unsere Beziehung war ausgesprochen harmonisch, deren Krönung unser Sohn Sascha war.

Ungeduldig rief Matthias nach mir, und ich ließ mir bewusst noch mehr Zeit, stellte fest, dass ich mich auf unsere Abendunterhaltung freute.

 

*

 

Aufgeregt hüpfte Sascha vor mir her. Wir waren auf einer belebten Straße unterwegs in die Innenstadt.

Dort wollten wir uns mit Matthias treffen, um einen kleinen Einkaufsbummel zu machen.

Sascha blieb plötzlich stehen, aufgeregt hüpfte er von einem Bein aufs andere.

„Schau, Mama, dort drüben geht Simon“, rief er begeistert aus und deutete mit seiner kleinen Kinderhand auf die gegenüberliegende Straßenseite.

 

Simon war der beste Freund meines Sohnes.

Sie gingen in die gleiche Klasse und waren seit dem Kindergarten eng befreundet. Interessiert wandte ich mich in die Richtung, in die Sascha schaute und suchte nach seinem Kameraden.

Doch ehe ich ihn ausmachen konnte, rannte Sascha los, stürmte zur Straße, wollte auf die andere Seite laufen.

Leider vergaß er, auf die Autos zu achten.

So hörte ich nur ein Quietschen von Reifen, einen lauten Knall, als ein Auto auf das vor ihm fahrende auffuhr.

Saschas Schreie gingen in der darauffolgenden Aufregung völlig unter.

 

Fassungslos und wie vom Donner gerührt blieb ich stehen, wusste nicht, was sich um mich herum abspielte.

Erst als mich jemand heftig rüttelte, erwachte ich aus meiner Erstarrung.

Verwirrt schaute ich einem Mann in die Augen, er redete wild auf mich ein, doch ich begriff nicht, was er von mir wollte.

Wild gestikulierend deutete er auf die Straße.

Am Rande nahm ich die Sirenen der Einsatzfahrzeuge wahr, die langsam auf uns zuzukommen schienen, als mir das Geschehene endlich bewusst wurde.

Schreiend lief ich auf das auf dem Asphalt liegende Kind zu, das von dem Auto einige Meter weiter weggeschleudert worden war.

Saschas Körper lag ziemlich verdreht vor mir, und er bewegte sich nicht mehr.

Verzweifelt nahm ich seinen Kopf, legte ihn auf meinen Oberschenkel, inzwischen hatte ich mich auf den Boden gekniet und auf die Fersen gesetzt.

Wo bleibt der Krankenwagen, fragte ich mich ungeduldig und nervös, um mich herum nahm ich schon gar nichts mehr wahr.

 

Ich streichelte liebevoll über die Wangen des Jungen.

Aus reiner Routine ließ ich meine Augen über den Körper meines Kindes wandern, bemerkte keinerlei Verletzungen.

Aber warum wachte er nicht auf?

Leise seufzte ich auf.

Sachte bewegte er sich, stöhnte laut, sein Gesicht verzog sich schmerzhaft.

Sascha öffnete die Augen, sah mich wie aus weiter Ferne an.

„Mama, warum sitzt du auf der Straße, du machst dich doch schmutzig!“, stellte er fest.

Sein Kopf fiel zur Seite, ein leises Seufzen war zu hören.

Dann kam von Sascha kein Lebenszeichen mehr.

Aus großen Augen starrte ich auf ihn herab. Alles um mich herum verschwamm, und ich nahm nichts mehr um mich herum war.

 

Dass der Rettungswagen bereits gekommen war, merkte ich erst, als einer der Sanitäter versuchte, mich von Sascha wegzuziehen.

Ich setzte all meine Kräfte ein, um genau das zu verhindern.

 

Mit sanfter Gewalt gelang es der Mannschaft des Rettungswagens dann doch. Während ein Sanitäter bei mir blieb, beruhigend auf mich einredete, kümmerten sich die anderen samt dem mitgekommenen Arzt um meinen Jungen.

An der ernsten Miene des Notarztes merkte ich, dass jede Hilfe zu spät gekommen war. Langsam erhob er sich, kam zu mir und begann ebenfalls auf mich einzureden.

Heute weiß ich nicht mehr, was er damals gesagt hatte.

Die Worte waren nicht wirklich bis zu mir vorgedrungen.

 

Irgendwann, ich konnte nicht mehr sagen, wie viel Zeit seit dem Unfall vergangen war, zupfte mich jemand an meiner Jacke. Irritiert sah ich mich um.

Endlich bemerkte ich Simon. Der Junge schaute mich aus großen Augen an.

„Was ist mit Sascha?“, fragte er mich zaghaft. Er wagte nicht, zur Straße zu schauen, wo Sascha bereit mit einer Plane zugedeckt worden war.

Ich hatte nicht gemerkt, dass Simon mit seiner Mutter die Straße überquert hatte. Erwartungsvoll blickte der Junge zu mir auf, wartete auf eine Antwort.

Langsam ging ich in die Knie, um Simon besser in die Augen sehen zu können.

Doch ich brachte kein Wort über die Lippen, ein Kloß steckte in meinem Hals.

Ich spürte, wie mir Tränen aufstiegen und sich ihren Weg über meine Wangen bahnte. Vergeblich versuchte ich sie auch wieder wegzublinzeln.

Nach wie vor suchte ich nach Worten, ohne welche zu finden.

Hilflos schaute ich zu Simons Mutter auf, in der Hoffnung, dass sie mir die schwierige Antwort abnehmen würde.

„Sascha ist vor ein Auto gelaufen, und er wird nicht wieder wach werden“, hörte ich sie auch schon sagen.

Bei ihren Worten krampfte sich mein Magen zusammen, und ich löste den Blick.

 

„Weißt du, Simon, Sascha ist jetzt ein Engel, der auf einem der vielen Sterne irgendwo dort oben am Himmel sitzt und auf uns herabschaut!“, fuhr Simons Mutter fort.

Ich hatte keine Ahnung, ob der achtjährige Junge diese Worte auch verstand.

Sein Blick schweifte ab, schweigend starrte er auf die kleine Person, die unter der Plane verborgen war.

„Und er kommt nie mehr wieder, um mit mir zu spielen?“, hörte ich ihn fragen.

„Nein …“

Zeitgleich schüttelte ich beinahe automatisch meinen Kopf.

Die richtigen Worte brachte ich einfach nicht über die Lippen. Ich verstand nicht, was um mich herum geschah. Es war, als würde ich das Geschehen durch einen dichten Nebel beobachten.

Wie sollte ich Simon auch erklären, dass er gerade seinen besten Freund verloren hatte, dass mein Kind mich nie wieder begrüßen würde, wenn ich vom Dienst nach Hause kam.

Als ich endlich wieder meinen Kopf hob, bemerkte ich Simons traurige Augen, die mich betroffen musterten.

Einen kurzen Augenblick musterten wir uns schweigend.

Ich merkte, dass mich sein Blick durchdrang, als säße ich nicht vor ihm.

„Komm her“, flüsterte ich mit tränenerstickter Stimme, zog ihn einfach an mich und umarmte ihn.

Die Nähe des Jungen tat mir irgendwie gut, auch wenn er mir Sascha nie wieder zurückbringen konnte.

Endlich lösten sich die ersten Tränen, und ich begann hemmungslos zu weinen, Simon noch immer an mich gedrückt!

Am Rande merkte ich das leichte Beben seines Körpers.

 

Was in den folgenden Stunden geschah, ging an mir vorüber.

Viele Menschen standen um mich herum, versuchten mich zu trösten, es gelang keinem von ihnen!

Irgendwann lag ich in Matthias Armen. Ich hatte keine Ahnung, wann er gekommen war. Auch seine Worte drangen nicht bis zu mir vor.

Ich stand einfach neben mir, das Geschehen lief an mir vorüber.

Und ich war auch nicht bereit, mich irgendjemandem anzuvertrauen, verdrängte die Dinge einfach.

So merkte ich auch nicht, dass durch meine Isolation die bisher gute Beziehung zu Matthias ungeheuer litt.