Denkfehler und Klimakrise - Michelle Stern - E-Book

Denkfehler und Klimakrise E-Book

Michelle Stern

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Beschreibung

Wieso machen wir nichts? Die von uns in zwei Jahrhunderten eingeleitete Heißzeit ist aktuell die größte existenzielle Bedrohung der Geschichte. Unser Planet braucht weder Menschen noch Tiere. Menschen und Tiere dagegen brauchen unseren Planeten. Obwohl wir das wissen, unternehmen wir beim Anblick des brennenden Hauses nichts. Es gibt viele Bücher über die Klimakrise, doch zu wenige tauchen in die Tiefe, warum wir so handeln, wie wir es tun. Dieses Buch ist eine Reise ins Herz des menschlichen Seins. Es lädt Dich ein auf einen unterhaltsamen Streifzug durch die Erkenntnisse moderner Psychologie. Wer mehr Verständnis für sich und die Klimakatastrophe sucht, der ist hier richtig. Bist Du bereit, Dich selbst zu treffen? »Man muss nicht in allem mit Michelle Stern übereinstimmen, um von diesem Buch zum Nachdenken angeregt zu werden.« (Andreas Eschbach)

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Zum Buch

Die von uns in zwei Jahrhunderten eingeleitete Heißzeit ist die größte existenzielle Bedrohung der Geschichte. Unser Planet braucht weder Menschen noch Tiere. Menschen und Tiere hingegen brauchen unseren Planeten. Obwohl wir das wissen, unternehmen wir beim Anblick des brennenden Hauses nichts oder zu wenig.

Es gibt viele Bücher über die Klimakatastrophe, doch zu wenige tauchen in die Tiefe, warum wir so handeln, wie wir es tun.

Dieses Buch ist eine Reise ins Herz des menschlichen Seins. Es lädt Dich ein auf einen unterhaltsamen Streifzug durch die Erkenntnisse moderner Psychologie. Bist Du bereit, Dich selbst zu treffen?

Weitere Informationen zum Buch gibt es auf der Homepage www.denkfehlerundklimakrise.de.

Über die Autorin

Michelle Stern schreibt seit Jahren für die SF-Serie PERRY RHODAN. Inzwischen sind in der Hauptserie der Reihe über sechzig Romane von ihr erschienen. Sie hat zahlreiche weitere Romane für Neben- sowie andere Serien verfasst.

Obwohl sie sich selbst als faule Socke ohne Sendungsbewusstsein sieht, die lieber auf der Couch herumhängt, hat sie dieses Projekt neben ihrer Arbeit mithilfe ihres Lebenspartners umgesetzt, weil das Thema wichtig ist.

Weitere Informationen über die Autorin gibt es auf ihrer Homepage www.michelle-stern.de.

Mit Dank an das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das auf SF-Schaffende zugegangen ist, um im Foresight-Prozess III gemeinsam zu ergründen, wie die Welt in fünfzig Jahren aussieht.

Leider sind die von Steuergeldern bezahlten Geschichten und Zeichnungen nach dem Regierungswechsel nicht wie geplant veröffentlicht worden. Eine der Storys findet sich kostenfrei im Internet auf der Homepage www.Michelle-Stern.de unter »Sterngeflüster«.

Vorwort von Andreas Eschbach

Ich will Sie nicht lange aufhalten. Die Zeit drängt. Wir können es uns nicht mehr leisten, abzuwarten, wir müssen handeln.

Und tun es nicht.

Warum nicht? Eben das ist die Frage.

Die Autorin des vorliegenden Buches, Michelle Stern, ist eine von mir sehr geschätzte Kollegin. Wie man in die Zukunft blickt, damit kennt sie sich aus, denn sie gehört zu dem Autorenteam, das die »ewige« Science-Fiction-Serie »Perry Rhodan« fortführt, und in dieser Funktion bereist sie im Geiste regelmäßig andere Galaxien, erforscht unbekannte Planeten und bekommt es immer wieder mit Außerirdischen zu tun. Und sie ist sehr gut darin. Wann immer eine neue Fortsetzung aus ihrer Feder erscheint, nehme ich sie mit Vorfreude zur Hand und werde selten enttäuscht, denn Michelle Stern tut beim Schreiben das, was ich an guter Science-Fiction schätze: Sie schaut ganz genau hin. Sie wandert nicht einfach nur über fremde Welten, um den Plot weiterzuführen, die Helden zu retten, die Bösen ihrer wohlverdienten Strafe zuzuführen und was das Exposé sonst so vorgeben mag, vielmehr versucht sie immer, zu verstehen, wie die jeweilige Welt »funktioniert«, was sie im Inneren zusammenhält – oder gefährdet.

Mit dem vorliegenden Buch richtet sie ihren Blick zur Abwechslung nicht auf ferne Welten, sondern auf die unsere, auf Terra, den dritten Planeten des Solsystems, bewohnt von Menschen, die es, anders als in der »Perry Rhodan«-Serie, noch nicht geschafft haben, sich als Terraner zu verstehen.

Und was sie sieht, erschüttert sie.

Denn: Die Bewohner Terras gehen sehenden Auges einer Katastrophe entgegen.

Es ist eine Katastrophe, die nicht von einem Tag auf den anderen über den Planeten hereinbricht, sondern im Gegenteil – und viel schlimmer – so langsam, dass man die Veränderungen kaum wahrnimmt. Wie die sprichwörtlichen Frösche, die sich in langsam siedendem Wasser zu Tode kochen lassen, blinzeln die Bewohner dieses Planeten in den sonnigen Himmel, wundern sich, dass es immer öfter viel zu warm für die Jahreszeit ist, und – dabei bleibt es.

Zudem ist es eine Katastrophe, die die Bewohner Terras selber ausgelöst haben, indem sie viel zu lange an altertümlichen Technologien festgehalten und die Augen vor deren Auswirkungen verschlossen haben.

Das Problem: Hier wird uns kein Perry Rhodan retten. Es werden auch keine Arkoniden auftauchen, um uns die helfende Hand zu reichen, und (kleiner Abstecher in eine andere, vergleichbare Utopie) auch keine Vulkanier.

Das heißt: Wir müssen es selber hinkriegen.

Wie es so weit hat kommen können: Darüber gibt es schon jede Menge Bücher.

Was man tun müsste: Auch die Literatur darüber ist schier unüberschaubar.

In dem vorliegenden Buch jedoch geht Michelle Stern vor allem einer Frage nach, um die sich bislang, so weit ich das sehe, noch niemand so richtig gekümmert hat, obwohl es vielleicht die wichtigste Frage von allen ist, nämlich: WARUM handeln wir eigentlich nicht?

Denn eigentlich … wissen wir ja alles. Wir wissen, was vor sich geht, und wir wissen auch, was zu tun wäre.

Und doch lassen wir die Dinge lieber laufen.

Warum?

Genau das fragt Michelle Stern, und sie findet aufschlussreiche Antworten. Sie nimmt uns mit auf eine sehr persönliche, sehr engagierte Reise ins Innere unseres Denkens, Fühlens und Wollens, leuchtet in Tiefen unserer Motivationen, in die wir vielleicht noch nie geblickt haben. Man muss nicht in allem mit ihr übereinstimmen, um von diesem Buch zum Nachdenken angeregt zu werden.

Und weil, wie eingangs erwähnt, die Zeit drängt, will ich Sie nicht länger davon abhalten, diese Reise zu beginnen. Also: Schnallen Sie sich an – und blättern Sie um.

»Die Lösung liegt in der Demokratieform, die wir haben. Sie liegt nicht in einem weiteren Organ, das die Gesellschaft repräsentiert, sondern in einem Wandel in der Gesellschaft. Wir sollten an die Gesellschaft glauben. Es gibt kluge Köpfe, es gibt Ideen, es gibt den Willen, sich einzubringen, aber es gibt auch Bequemlichkeit und Unwissenheit und Politikverdrossenheit. Um die repräsentative Demokratie, die wir haben, demokratisch zu halten, um sie funktionieren zu lassen, braucht es eine Gesellschaft, die deren Repräsentanten und Repräsentantinnen keinen Bullshit durchgehen lässt. Die sich der Lobbyismus-Einflüsse bewusst ist, die ›BILD‹-Schlagzeilen müde belächelt, weil sie die Zusammenhänge längst verstanden hat. Die sich keinen Scheiß erzählen lässt, weil sie es besser weiß. Die Lösung ist eine aufgeklärte Gesellschaft!«

Sarah Bosetti ZDF, 2023

»Wir sind blind gegenüber dem Offensichtlichen und blind gegenüber unserer Blindheit.«

Daniel Kahneman, »Schnelles Denken, langsames Denken« . Penguin Verlag, 2012

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung Veränderung

Es ist möglich, jetzt zu handeln. Aber wie? Was genau müssen wir dafür verstehen?

Kapitel 1 Eine Frage, die es in sich hat

Folgen wir unserem menschlichen Kompass? Wir wissen, was wir zu tun hätten. Was hält uns vom Handeln ab? Dasselbe, was uns zum Handeln bringen kann: Gefühle!

Kapitel 2 Wie sag ich’s meinen Kindern?

Eine Geschichte aus der Zukunft. Welche Gefühle löst ein Gedanke an eine mögliche Zukunft aus, in der wir die Welt verloren haben? Wir müssen emotional wissen, was wir zu verlieren haben und welches Risiko wir gerade eingehen. Was könnten wir stattdessen in der Zukunft gewinnen?

Kapitel 3 Von Büchern und Geschichten

Über unser Gehirn und seine Marotten. Wir nutzen unseren Verstand als Werkzeug, um uns besser zu fühlen. Er löst Kognitive Dissonanz auf. Durch Geschichten.

Kapitel 4 Grüße aus der Zukunft

Unsere Gehirne lieben Geschichten. Also lass sie uns nutzen, um die Arbeitsweise unserer Denkorgane besser zu verstehen. Ist diese Kurzgeschichte eine neutrale Erzählung? Findest Du ihre größte Schwäche?

Kapitel 5 Die Gerichtsinvasion

Welche Denkfehler stecken in der Story?

Kapitel 6 Vom Blitzschlag zur Partnerwahl

Wir packen die Denkfehler aus Kapitel 5 aus und nehmen sie auseinander: Referenzpunktverzerrung, Confirmation-Bias, Person schlägt Sachverhalt, Mustererkennung, Bestätigungsfehler, Verfügbarkeitsheuristik, Erwartungshaltung, Substitutionsfehler.

Kapitel 7 Die Schildkröte auf Inter-Meet

Wie könnte die Welt aussehen, wenn wir gemeinsam handeln? Die Geschichte bietet einen Gegenentwurf zum Mutter-Tochter-Szenario aus Kapitel 2, in dem die Welt durch Energiekriege und Nicht-Handeln zerstört worden ist. Schlagworte: Verlustaversion, Regression zum Mittelwert, Barnum-Effekt, Halo-Effekt.

Kapitel 8 Die Lesung und die Tüte

Warum machen wir eigentlich so viele Denkfehler? Welcher Mechanismus liegt hier zugrunde? Das Kapitel liefert eine knappe Erklärung und Beispiele. Welchen Schluss können wir daraus ziehen? Schlagworte: System 1 und System 2, lausige intuitive Statistiker, Basisrate.

Kapitel 9 Von Ärztinnen und Bausteinen

Anekdoten, wie unsere Denkfehler und Verzerrungen im Alltag wirken können. Wir halten Menschen für rational, obwohl sie das nachweislich nicht sind. Schlagworte: Trennung von Wissenschaft und Wissenschaftlern, Informationen einordnen, rationales Selbstbild korrigieren, Negativitätsverzerrung.

Kapitel 10 Im Wahllokal

Polit-Satire zum Thema der Parteienlandschaft. Parteien bestehen aus Menschen. Menschen machen Denkfehler und sind suchtanfällig. Sucht umfasst auch Geltung und Macht und die Gier nach Geld. Die Geschichte zeigt die politische Situation überspitzt aus Sicht einer Bürgerin. Schlagworte: Grundproblem Klimakatastrophe, Tragik der Allmende, Technikgläubigkeit, Rebound-Effekt, künstliche Ressourcen-Verknappung, Verantwortung.

Kapitel 11 Plötzlich Bürgerin

Das Problem mit der Parteienprofilierung. Was wir von einer demokratischen Partei erwarten dürfen. Wo die Grenzen der Demokratie liegen: in unseren Köpfen! Jeder einzelne Mensch wird noch zu oft von seinen Denkfehlern beherrscht. Schlagworte: Fehldenk-Gesellschaft, Misskommunikation, Ungewissheit aushalten, Klima-Lobbyismus, Plattformen, Mitmachen.

Kapitel 12 Bernd und die Zahnseide

Wir wollen gern helfen. Aber wie verändern wir uns? Immerhin sind wir Teil des Problems. Erkennen wir unsere Fehlschlüsse? Schlagworte: kleine Schritte, Steuern, Allgemeingut, Alternativlosigkeit, öffentliches Fernsehen, Medien, Klimanothilfe.

Kapitel 13 Eiszeitalarm

Eine Geschichte und ein Perspektivwechsel. Wie erleben Außerirdische unser Problem?

Kapitel 14 Von der Wahrheit zur Spiegel-Welt

Wie wir uns austricksen. Wahrheit, Relativität und Kontext im Alltag. Es geht nicht um abstrakte philosophische Konzepte, sondern um das, was wir im täglichen Leben anstellen, oft unter dem Einfluss von Kognitiver Dissonanz. Eine Anekdote verdeutlicht unsere Unfähigkeit zur Selbstreflexion, also eine unbewusste Inkompetenz. Die wird verstärkt durch Angst vor Fehlern. Das ist schade, denn wir können hier viel lernen. Schlagworte: Zufall, Vorsehung, Bestätigungsfehler, Barnum-Aussagen, Systemabhängigkeit, Bindungsunvermögen.

Kapitel 15 Noch mehr Chaos

Von uns und unseren »Tricks« geht es wieder hinaus, ins Außen. In unserem Umfeld kann einiges willkürlich schief gehen. Dazu kommt, dass wir in Gruppen anders handeln als allein. Schlagworte: Verringerte Hilfsbereitschaft, Ignoranz der Basisrate, Priming, Ankern, Noise.

Kapitel 16 Ab durch den Dschungel

Um mit unseren falschen Vorstellungen aufzuräumen, müssen wir sie erst mal wahrnehmen und akzeptieren. Dabei helfen einfache Prinzipien. Das Kapitel stellt eine solche Möglichkeit vor. Schlagworte: Meditation, Gelassenheit, Grenzen der Meditation.

Kapitel 17 Erkenntnisse und Missverständnisse

Beispiele für Denkfehler im Alltag und die Antwort auf die Frage, was die Welt regiert. Wie wirken unsere falschen Ideen und Denkfehler? Können wir Ideen und Denkfehler bei anderen wahrnehmen? Schlagworte: Ideen, Zeug, Kognitive Dissonanz, Rückschaufehler, Basisrate.

Kapitel 18 Am Klimaabgrund

Persönliche Erfahrungen. Wir wissen seit über dreißig Jahren in großem Maßstab, was auf die Welt zukommt. Der Club of Rome warnte sogar weit früher. Was machen wir damit? Wie könnten wir die Perspektive wechseln? Schlagworte: Teilen, Veränderung möglich machen, Begeisterung, Green-Washing, Kompetenz-Illusion, Zufall.

Kapitel 19 Der Dom der Zeit

Von Drachen und Einhörnern. Retten wir unseren Seelenzwilling? Setzen wir uns für andere Menschen ein, weil Leben wertvoll ist? In dieser Geschichte macht sich Malte auf den Weg.

Kapitel 20 Mit Freude lernen

Aufruf zum Mitmachen! Wissen umsetzen. Erschaffen wir Kairos. Jetzt!

Anhang zum Herausschneiden oder Kopieren

Raum für Notizen. Wichtige Denkfehler und Themen im Überblick auf einem Blatt. Hilfreiche Punkte.

Quelleneinordnung

Einleitung

Veränderung

In diesem Buch geht es um den Klimawandel. Inzwischen heißt er Klimakrise und ist eine schier unvorstellbare Katastrophe. Es gibt viele Bücher zu dem Thema, doch wie die Klimakatastrophe weder innehält, müde wird oder schläft, müssen wir weitermachen und unser Bestes geben. Nur so ist eine zukünftige Welt möglich, in der Menschen in Frieden und gesund leben, ohne Kiemen zu entwickeln oder auf lange Sicht zu Methanatmern zu werden.

Zugegeben, das mit den Methanatmerinnen dürfte weit in der Zukunft liegen. An der Stelle: Ich bin Science-Fiction-Autorin. Eigentlich schreibe ich Bücher, in denen ich den Realitätsschalter gerne mal ausknipse. Ich habe mich gefragt, was ich durch meine Erfahrung besser hinbekomme, als andere Autorinnen. Wie ich mich einbringen kann in die Katastrophenhilfe, die wir derzeit so bitter brauchen und in der wir seit Jahrzehnten vom Staat kläglich allein gelassen worden sind. So kläglich, dass dieses Buch entstanden ist. Denn ich hätte es in einer gesunden Demokratie mit einer Regierung, die ihrem Job nachkommt, nie geschrieben. Aber auch in einem Staat mit anders handelnden Bürgern und Bürgerinnen wäre es nicht entstanden.

Brauchen wir andere Bücher? Was müssen wir verstehen, um unser Verhalten zu verändern?

Wir machen seit Jahrzehnten weiter wie zuvor und wählen in Deutschland große Parteien, die uns spätestens seit 1998 bewiesen haben, dass sie sich der Verantwortung nicht stellen. Sie geben auf, sobald ein bisschen Gegenwind weht, sich Lobbyisten einmischen oder schnelles Geld lockt. Dabei hätte es sich gelohnt, sich für die Menschen im eigenen Land sowie der Welt einzusetzen. Und für eine Zukunft, die über den Zeitraum einer Wiederwahl hinausgeht. Es wäre weise gewesen, nicht auf bezahlte Propaganda von Konzernen oder anderen Staaten zu hören. Staaten wie Russland, die mit fossilen Stoffen wie Öl und Gas Geld verdienen. Stattdessen hätten die gewählten Volksvertreter der Wissenschaft zuhören sollen.

Mein Physiklehrer sagte vor dreißig Jahren, wie sich das Wetter in Deutschland aufgrund der klimatischen Bedingungen verändern wird. Er sagte, dass Wasserstoffautos nicht durch Zusammenstöße explodieren. Ich saß da auf dem harten Holzstuhl und hörte ihm zu. Draußen schneite es. Der Großteil der damaligen Regierung tat anderes. Er hörte naturwissenschaftlich ausgebildeten Menschen weder genug zu noch nahm er sie ernst.

Die Politik, die für den Schutz des Allgemeinguts und für Menschenleben erhaltende Spielregeln zuständig ist, ignoriert das Problem seit Jahrzehnten hartnäckig. Sie setzt »Auf-Sicht-Fahrerei«, Verlustangst und Ignoranz. Inzwischen missachtet sie sogar bestehende Gesetze.1

Während wir uns nicht ändern, ändert sich die Welt gewaltvoll. Wir sind mitten drin in der selbstgemachten Heißzeit. Regen im Sommer wird zur Atomkraftwerkssicherheit gefährdenden Mangelware, Waldbrände zum neuen Normal und Unvernunft zum Dauerbrenner. So wie sich ohne Wasser kein an einem Fluss liegendes Atomkraftwerk kühlen lässt, können wir ohne vernünftiges Nachdenken keinen echten Fortschritt darin erzielen, unser Verhalten zu ändern. Der Super-GAU klopft seit Jahrzehnten an, und er klopft immer lauter.

Es gibt eine ganz einfache Wahrheit zum Thema Klimakatastrophe:

»Entweder ändern wir unser Verhalten und verzichten darauf, uraltes CO2 in Form von Öl, Gas, Kohle und auch Plastik in die Atmosphäre zu pumpen, oder unsere Erde verändert sich weiter. Und das in einer Weise, die kein lebensbejahender Mensch wollen kann.

Diese Veränderungen werden nur eine Seite der GAU-Medaille sein. Uns erwarten stark wachsende Flüchtlingsströme, Energiekriege, Kämpfe um Ressourcen wie Trinkwasser und sinkender Wohlstand. Dadurch sind immer mehr Unruhen, Krisen und Kriege vorprogrammiert.«

Aus der Nummer kommt keiner mehr raus.

Das Ganze hat nichts, rein gar nichts, mit irgendeiner Partei zu tun. Wenn Du ein Mensch bist, der leben will, und der ungern mithilft, das Leben anderer abzuschaffen, wirst Du das nicht wollen. Es ist darüber hinaus ein Verstoß gegen das Recht auf Leben und damit das Grundgesetz.

Inzwischen sind die Änderungen so massiv, dass jeder und jede, der und die offen ist, das sieht. Tendenz: Es kann noch viel, viel schlimmer kommen! Die Klimakatastrophe kennt keinen Deckel nach oben. Wir stehen erst am Anfang. Das Höllentor schwingt auf. Der Weg wird heißer und extremer.

Die Politik in Deutschland ignoriert im Gegensatz zu der in der Schweiz und anderen europäischen Ländern die Größe und Art des Problems großflächig weiter. Es wird sich zu wenig um parteiübergreifende Spielregeln gekümmert, die die Wachstumswut zerstörerischer Wirtschaft zügeln und für die Einhaltung von Gesetzen sorgen. Es fehlt der Wille, leicht verständliche Informationen zu liefern, was auf dem Spiel steht und vor allem: Was jeder und jede tun kann!

Schlimmer noch: Oft genug geben Politiker Fehlinformationen, wie etwa, Atomkraft sei günstiger als Energie aus Wind und Sonne, Biogas und Batterien. Öffentliche Debatten werden von Politkern der CSU, CDU, FDP und AfD bewusst missverstanden und absichtlich zersetzend geführt. So brachte zum Beispiel der bekannte CDU-Politiker Jens Spahn den zerstörerischen Begriff »Klimadiktatur« ein. Wortkeulen wie »Moornazis«, »Gutmenschen«, »Tofu-Terroristen« und »links-grün versifft« klingen leider viel zu oft aus Fernsehlautsprechern oder tauchen schwarz auf weiß in Zeitungen auf.

Konservative, die etwa die AfD kritisieren, werden in eine linke Ecke gedrängt.

Diese Art der unwissenschaftlichen »Stammtisch«-Politik mit den Mitteln Übertreibung und aus dem Kontext reißen, erschafft gefährliche Geschichten, statt Hilfe zu versprechen.

Aber was genau ist das, das wir unternehmen könnten?

Was tun?

Es liegt auf der Hand, dass wir uns ändern sollten, um den Schaden zu begrenzen und eine für uns bessere Welt zu erschaffen, nicht nur in Bezug auf die Klimakatastrophe. Aber wie? Der Wissenschaftler Professor Harald Lesch fragt in einer seiner vielen Sendungen zum Thema Klimakrise: »Haben wir den Klimawandel verpennt?«

Definitiv haben wir das! Und viele schlafen selig weiter, obwohl das Schnellfeuergewehr neben uns für jede Menge Krach sorgt. Das muss aufhören.

Harald Lesch spricht in einer seiner Sendungen von den Göttern Kairos und Chronos. Chronos ist der Gott, der den Ablauf der Zeit und der Lebenszeit versinnbildlicht. Kairos dagegen ist ein Gott, den wir an seiner Locke, am Schopf, packen sollen. Er ist die zum Gott verkörperte günstige Gelegenheit. Doch reicht das in Bezug auf die Klimakatastrophe? Genügt es für eine Welt ohne Kriege und gewaltvolle Umwälzungen, die Millionen bis Milliarden menschliche Leben kosten könnten?

Was wäre, wenn wir Kairos, den Gott des richtigen Augenblicks, beim Schopf packen würden, ohne auf den richtigen Moment warten zu müssen? Die Götter sind Geschichten, von Menschen erzählt. Sie sind erfunden. Auch der »richtige« Augenblick ist eine Geschichte. Ich behaupte: Jeder Moment ist so gut oder schlecht wie der andere, und das macht uns frei zu handeln.

Was, wenn wir Kairos erschaffen?

Jetzt!

1 Da ich SF-Schriftstellerin und keine Wissenschaftsjournalistin bin, stören mich Fußnoten. Am Ende des Buchs gibt es eine Quellenangabe mit Einordnungen, in der auch etwas zum Thema der missachteten Gesetze und zu meinem Umgang mit tradiert männlicher Sprache steht.

»Will die Welt retten. Habe bloß das dumme Gefühl, dass die Welt sich nicht retten lassen will.«

Tagebuchnotiz der Autorin, 1993

»So spread your wings and fly – breite Deine Flügel aus und fliege«

Christopher Curtis, Lehrer für Ki-Aikido, Hawaii, 2021

Kapitel 1

Eine Frage, die es in sich hat

»Wo möchtest Du lieber mitmachen: Dabei, mit mir zusammen viele Millionen Menschen und Milliarden Tiere bis zur Jahrhundertmitte zu töten, oder vielen Millionen Menschen und Milliarden Tieren das Leben zu retten?«

So gefragt, dürfte die Antwort nicht sonderlich schwierig sein. Die meisten werden sicher antworten, dass sie lieber zusammen mit mir viele Million Menschen und Milliarden Tiere retten als töten wollen.

Tatsächlich sind wir alle auf der »dunklen Seite der Macht« unterwegs. Wir – Du und ich – helfen seit vielen Jahrzehnten mit, Hunderttausende bis Millionen Menschen im Jahr weit vor ihrer Zeit in den Sarg oder die Urne zu befördern. Wir denken bloß nicht so gern darüber nach, wenn wir die Heizung aufdrehen, ins Auto steigen, den Baumarkt samt seiner aus China eingeflogenen Produktpalette stürmen, neue Schuhe im Sonderangebot aus zweifelhaften Produktionsketten ergattern oder uns das leckere Steak aus Brasilien auf den Teller hauen, für das wieder ein Stück Regenwald mehr Geschichte ist.

Noch weniger nehmen wir wahr, dass wir Schulen, Krankenhäuser und Straßen nutzen. Bauten aus Beton und Stahl, durch deren Bau CO2 in die Atmosphäre kam, wie für das Haus, in dem wir wohnen. Auch jetzt liest Du diesen Text entweder auf Papier oder auf einem Bildschirm. Beides benötigt Ressourcen.

Falls Du verwundert fragst, wie ich auf die hohen Todeszahlen komme: Es sterben laut Hochrechnungen, die ich persönlich für zu tief gegriffen halte, derzeit weltweit etwa 300.000 Menschen im Jahr an den Folgen der Nutzung von fossilen Brennstoffen, Tendenz steigend. Es könnten in wenigen Jahren Millionen werden, falls es nicht jetzt schon Millionen sind. Es gibt eine Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO der Vereinten Nationen von 2014 nach der allein sieben Millionen Menschen im Jahr an den Folgen von Luftverschmutzung sterben. Ich kenne Fernsehbilder von chinesischen Städten, da ist keine Sonne zu erblicken vor lauter Smog. Dieser Smog besteht auch aus Treibhausgasen. Wer schon einmal das zweifelhafte Vergnügen hatte im Hafengebiet von Neapel unterwegs gewesen zu sein, der weiß, was ich meine.

Getreu nach dem Motto: »Trau keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast«, sind die verstorbenen Menschen der WHO-Studie offensichtlich nicht in die mir bekannten Schätzungen eingerechnet. Sie sind ja deutlich höher. Das heißt, es wird penibel getrennt zwischen den Menschen, die aufgrund der Nutzung von fossilen Stoffen, etwa Abgasen durch Autos und Industrie, früher das Zeitliche segnen, und denen, die wegen der Klimaveränderungen unmittelbar sterben.

Konkret heißt das: Hunderttausende oder mehr Menschen verdursten, verhungern oder sterben an den Folgen von Mangelernährung, weil es auch und gerade in finanzschwachen Ländern wie etwa Indien zu Dürren kommt. Sie ertrinken, weil es mehr Hochwasser gibt wie im Sudan, in Bangladesch oder im Ahrtal. Sie verbrennen beziehungsweise ersticken, da sich Brände ausbreiten, wie in Australien, Griechenland und Kanada. Sie sterben am Hitzschlag oder an Kreislauferkrankungen, da es heißer ist, wie in Syrien, aber auch in Ländern wie Deutschland und Österreich. Und sie fallen vermehrt auftretenden Naturkatastrophen wie Orkanen zum Opfer. Extremwetter kann durch die klimabedingt instabilen, sich abschwächenden Jetstreams entstehen. Jetstreams sind dynamische Starkwindfelder der oberen Atmosphäre. Ein weiterer Faktor sind die aufgeheizten Meere, die zu Stürmen führen.

Was für die Menschen gilt, gilt für die Tiere umso mehr. Das Artensterben ist bekannt. Es gibt Schildkrötenarten, bei denen die Temperatur darüber entscheidet, ob sie männlich oder weiblich werden. Ist das Ei vor dem Schlüpfen dauerhaft zu warm, kommt nur ein Geschlecht herausgekrabbelt. Und wann war die Frontscheibe das letzte Mal von oben bis unten mit Insekten beklebt, nachdem Du von der Autobahn gekommen bist? Das ist lange her, oder? Fünfundsiebzig Prozent der Insekten sind hierzulande schon weg.

Klimawandel, oder besser ausgedrückt, die Klimakatastrophe, haben wir, weil wir fossiles Öl und Gas benutzen. Im Winter soll es schön kuschelig warm sein, wenn der Weihnachtsmann den Rauschebart in den Schornstein steckt. Wir fahren Auto mit Benzin oder Diesel, also mit fossilen Brennstoffen. So weit, so bekannt. Natürlich hat die Industrie einen großen Anteil, zum Beispiel die Beton- und Stahlindustrie, die Tourismusbranche, die Textilindustrie, die Landwirtschaft und so fort. Aber: Würde es diese Industrie in dieser Form geben, wenn wir sie nicht brauchen würden?

Warum eigentlich ist die Industrie in Deutschland nicht schon spätestens in den 90er Jahren gezwungen worden, jedes bisschen fossiles CO2 auf der Stelle und sofort auszugleichen? Zum Beispiel durch das Pflanzen von Bäumen oder andere Maßnahmen wie die Anlage von zusätzlichen Mooren, Algenbecken oder Algenfarmen im Meer? Weshalb gibt es keine Steuer, die entsprechend hoch genug ist, um für schädliche Produkte einen echten Ausgleich zu schaffen? Ist die Politik dafür allein verantwortlich?

Auch wir sind ein Teil des Problems. So viel zu den schlechten Nachrichten. Die guten Nachrichten ergeben sich logisch daraus: Wenn wir ein Teil des Problems sind, dann sind wir auch ein Teil der Lösung!

Nun könnten wir sagen: »Ich kann doch nichts dafür. Da machen ja alle mit. Niemand ist doch wirklich klimaneutral oder übernimmt echte Verantwortung.«

»Was kann ich denn schon tun?«

Vor allem, weil die Politik als Ganzes seit Jahrzehnten darin versagt, das Thema ernsthaft anzugehen. Obwohl es ihre Aufgabe wäre und die wissenschaftlich basierte sowie zutiefst logische Lösung vom Klima-Expertenrat seit Jahren auf der politischen Ebene bekannt ist. Alles, was Klima- und Umwelt schädigt, was Allgemeingut zerstört, Menschen tötet und zu einem extrem vorzeitigen Ende der menschlichen Art führen kann, gehört eingepreist und auf Dauer durch steigende Preise erst stark reduziert, dann abgeschafft oder voll ausgeglichen! Für unvermeidlich anfallendes »Klimagift« in der Phase der Umstellung muss es einen echten Ausgleich geben, der entsprechend aus den Mehreinnahmen durch höhere Preise finanziert wird! Im Fall Klima ist das ein echter CO2-Ausgleich zum Beispiel durch zusätzliche Moore oder Algen, die ihm Meer versenkt oder im Boden vergraben werden.

Lebens- und damit Allgemeingutförderndes sollte belohnt oder begünstigt werden, damit es von der Bevölkerung angenommen wird. Todbringendes ist »schlecht«. Lebenbringendes oder Lebenerhaltendes ist »gut«. Und zwar nicht in einem abstrakten, moralischen Sinn, sondern konkret für uns Tiere namens Menschen. Weil wir im Großen und Ganzen lieber atmen und herumlaufen, als tot und starr mit für immer geschlossenen Augen im Sarg herumzuliegen.

Der Klima-Expertinnenrat in Deutschland predigt seit Jahren die entsprechend hohe Einpreisung von fossilem CO2. Und das bei einer gleichzeitigen Entlastung der finanzschwachen Menschen, damit sich alle die Weltrettung leisten können. Schon 1998 hat ein grüner Politiker diese Lösung vorgeschlagen.

Was für CO2 gilt, sollte für alle anderen Treibhausgase wie etwa Methan gelten. Leider ist bisher keine große Partei so sozial oder christlich gewesen, das Thema ernsthaft anzugehen und auf der Höhe der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse dranzubleiben. Wirtschaftliche Deals und Lobbyismus sowie andere Probleme sind stets drängender als die Erhaltung der menschlichen Art. Ein falsches Wirtschaftsverständnis blockiert die Rettung von Millionen Menschenleben. Wir werden von der Politik gezwungen, zuzuschauen, wie sich die Zukunft unserer Kinder und Nachkommen traurig winkend verabschiedet.

Es bleibt ein Gefühl von Ohnmacht. Wie in etlichen Bereichen weicht hier die öffentliche Meinung von der veröffentlichten ab. Viele von uns hätten gern einen konsequenteren Schutz – und bekommen ein ums andere Mal ein bis zwei deftige Watschen namens behaupteter »Realität« und vorgeblich »unmöglicher Machbarkeit« um die Ohren gehauen. Um es klar zu sagen: Falsche Informationen und irreführende Weltvorstellungen!

Lobbyisten kippen sinnvolle Gesetzesentwürfe. Schon in den 90ern hat mir mein Wirtschaftskunde-Lehrer gesagt: »Wenn Du mal Bundeskanzlerin werden willst, musst Du Jura studieren.« Unser Staat scheint seit Jahrzehnten überwiegend von Juristen gelenkt zu werden, von denen sich viele offenbar nicht um die Folgen ihres Handelns kümmern. Geld, Macht und Jobs großer Konzerne korrumpieren Politiker.

Nachdem es 1998 82,2 Prozent Wahlbeteiligte gab, sank die Zahl der Wähler für gute zehn Jahre dauerhaft. Ins Amt gehoben wurde 1998 eine rot-grüne Regierung, und ich war damals voll Hoffnung, dass sie das wichtige Thema Klima angehen würde. Zuvor mit der CDU schien es sozial nur abwärts zu gehen. Die SPD sollte - so die damalige Hoffnung in meinem Umkreis - die Wende bringen. Stattdessen wurden soziale und umwelt- sowie klimarelevante Themen vernachlässigt.

Bis heute gibt es eine deutlich niedrigere Wahlbeteiligung als 1998. Für mich zeigt dieses Sinken der Wahlbereitschaft vor allem Enttäuschung. Es gibt eine starke Desillusionierung. Korruption, beschönigend Lobbyismus genannt, ist in Deutschland Alltag. Politik und Teile der Presse stehen zu selten hinter der öffentlichen Meinung und zu einer von Wissenschaft gestützten Logik, auf die wir uns im Gesetz geeinigt haben.

Selbst wenn die »Meinung«, dass Leben geschützt werden sollte, sich oft scheu hinter der Angst vor Veränderung versteckt, denke ich, dass sie eine Art Konsens, also eine Übereinstimmung, war und ist. Kaum jemand findet Totschlag oder Mord »gut«. Wir finden es »schlecht«, ein Kind so zu vernachlässigen, dass es verhungert. Wenn das geschieht, erwarten wir eine strafrechtliche Konsequenz. Mit dieser Erde, ihren Ressourcen und der Atmosphäre, die wir teilen, gehen wir es weit lockerer an. Wenn deswegen Hunderttausende Kinder verhungern, schauen wir weg.

Zeitungen wie die »BILD« stehen offen zu einer Partei und schlagen gezielt aus persönlichen Gründen auf unliebsame Parteien ein. Sie bringen ihren Favoriten voran. Bewusst greifen sie bestimmte Politiker an, um von ihren Günstlingen abzulenken. Ein Beispiel hierfür ist die Rücktrittsforderung an Herrn Wissing. Sobald diese aufkam, konterte die »BILD« aus dem Nichts mit einer groß aufgemachten Rücktrittsforderung für Vizekanzler Habeck. Dafür verbreitete sie fleißig falsche Informationen. Ohne überhaupt zu wissen, wie eine Wärmepumpe arbeitet, gab es da Artikel wie »Kippt Habecks Heizungs-Irrsinn.«

Aber diese Form von Massenmanipulation ist nur die Spitze des Eisbergs. Es ist eine Spitze, um die es in diesem Buch lediglich am Rand geht. Es gibt ein viel massiveres Problem, das in unser aller Bewusstsein rücken sollte. Sozusagen ins »Kollektive Bewusste«.

Viele großartige Journalistinnen wissen zu wenig über die Arbeitsweise unseres Gehirns. Sie erliegen dem Schwarmeffekt. Wie eine Horde Affen über eine Büchse Limo fallen sie über ein Thema her und verzerren dadurch die öffentliche Wahrnehmung. Sie schaffen einseitige Verfügbarkeiten. Verstärkend kommen ungünstige Arbeitsbedingungen dazu. Wenn es darum geht, Leute anzusprechen, um Geld zu verdienen, muss ich Themen wählen, von denen Leute angesprochen werden.

Leider können wir die Politik und die Presse nicht verändern. Die sind von den Geschichten spinnenden Schicksalsgöttinnen gegeben. Und wir gehören hier ja gar nicht ins Bild. Oder? Sind auch diese drei Sätze falsche Informationen und irreführende Weltvorstellungen?

Woraus genau bestehen »Presse« und »Politik«? Und wie kommt die veröffentlichte Meinung zustande, die von der öffentlichen abweicht? Haben wir womöglich selbst manchmal gleichzeitig zwei Meinungen? Viele kennen das Zitat von Johann Wolfgang von Goethe aus »Faust«: »Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust.«

Was, wenn nicht nur »die Politiker« sondern auch »die Bürger« sich in falsche Ideen verrennen? Was wäre, wenn wir alle eins sind, Menschen nämlich, und Menschen von Grund auf anders sind, als wir denken? Wir glauben, wir hätten den Durchblick. Das ist eine Illusion. Diese Illusion ist gefährlich.

Und noch einmal:

»Was kann ich denn schon tun?«

Die Lage ist dramatisch. Schon seit Jahrzehnten. Wir alle, die sich der Wissenschaft, dem Mitgefühl und der Logik öffnen, wissen das. Ich denke, vielen geht es wie mir: Sie würden gerne mehr tun. Viel mehr! Aber was?

Eine Menge verdammt guter Antworten auf diese Frage gibt es im Buch von Frank Schätzing »Was, wenn wir einfach die Welt retten?«. Wer sich nicht intensiv mit dem Thema Klimakatastrophe beschäftigt hat, und damit, was er oder sie konkret tun kann, sollte dieses Buch unbedingt lesen!

Wie jetzt? Ich mache in meinem Buch Werbung für ein anderes? Warum schreibe ich dann das hier? Ich bin Schriftstellerin, also kann ich einigermaßen gut schreiben. Das Urteil bleibt letztlich Dir vorbehalten. Meine Stärken sind weder umfassende Recherchen noch Naturwissenschaft. Das überlasse ich gern Frank Schätzing, Doktorin Mai Thi Nguyen-Kim und Professor Harald Lesch – die ich alle drei schätze und im Internet ausdrücklich empfehle.

Ich bin keine Naturwissenschaftlerin, kann mich zwar dem universitären, elitären Habitus entsprechend dank eines abgeschlossenen Studiums ausdrücken – will das aber gar nicht! Diese Art von Büchern, die durch ihre Sprache Gräben schaffen, haben wir zu viel. Hier geht es um Klartext.

Ich schreibe dieses Buch für die Menschen, die eine erweiterte Sichtweise suchen zur

größten Tragödie unserer Zeit: der vermeidbaren Abschaffung des paradiesischen Lebensraums für Menschen und die uns derzeit bekannten Tiere.

Wobei wir nicht vergessen sollten, dass auch wir Tiere sind. Wir grenzen uns bloß gerne ab.

Was macht es uns liebenswerten Affenverwandten so schwer, uns zu verändern und unsere Welt ganz zu lassen, damit wir in Zukunft frohgemut in ihr herumlaufen, atmen und Netflix gucken können? Weshalb verharren wir im Gefühl von Ohnmacht und Machtlosigkeit, und suchen Schuldige, obwohl wir selbst jede Menge tun könnten? Wie funktioniert überhaupt der menschliche Geist, der hinter solchen Phänomenen steckt? Wer oder was ist verantwortlich für unser Handeln?

Dieser und anderen Fragen gehe ich nach, und zwar unterhaltsam. Ich möchte nicht nur Deinen Verstand ansprechen, sondern auch Deine Gefühle. Dieses Buch will etwas Komplexes vermitteln:

Einsichten!

Denn Wissen und Wissenschaft sind unglaublich wichtig, aber sie helfen nur bedingt, solange wir nicht weise sind und danach handeln. Dafür aber brauchen Menschen Gefühle.

Weise werden wir nicht durch eine Aufzählung von Fakten. Weder durch Korrektheit, Logik, noch durch Zahlen oder Statistiken. Wir brauchen das alles, es ist wichtig und es darf keineswegs unterschätzt werden. Erinnerung und Begreifen jedoch hängen an den Gefühlen. Ohne Gefühle wird es schwer. Es ist nicht der Verstand, der uns regiert, selbst wenn wir das gerne hätten. Viele klammern sich an diese falsche Überzeugung wie ein ertrinkendes, blondes Kleinkind in einer durch veränderte Starkwindfelder verursachten Sturmflut an ein großes Stück Plastikmüll.

Zum Glück ist seriöse, wissenschaftliche Forschung so offen, dass sie das belegt. Denn die Forschung hat nicht zu interessieren, was wir, die Forschenden, gerne hätten, sondern, was wirklich da ist! Sonst ist sie keine echte Forschung. Punkt. Und genau dafür dürfen wir die Wissenschaft lieben, mit all ihren Macken und Fehlern. Denn, Hand aufs Hirn: Wissenschaftlerinnen sind Menschen. Und damit Affenverwandte wie Du und ich, die Fehler machen können.

Jetzt geht es darum etwas zu begreifen, von dem ich mir wünsche, dass es in Deiner Erinnerung bleibt. Deshalb werde ich das tun, was wir alle schrecklich gern machen, worin ich meine Stärke sehe, und was schon seit Zeiten des Gilgamesch-Epos und der Bibel ein ganz großer Renner ist: Geschichten erzählen.

Vorab gibt es eine verkürzte Zusammenfassung, was genau die Klimakrise auslöst. Wer sich viel mit dem Thema beschäftigt hat, der kann diesen Abschnitt getrost überspringen und zur ersten Geschichte gehen.

Eine wichtige Sache vorweg: Ich bin eine große Freundin des emotionalen Erzählens. Aber ich beziehe mich auf Informationen, die einen wissenschaftlichen Konsens haben! Entgegen der »BILD« mache ich etwas nicht schlecht, wenn ich nicht einmal weiß, wie es funktioniert. Ich recherchiere. Diese sachbezogenen Fakten möchte ich nicht mit störenden Fußnoten belegen. Deshalb sind die verwendeten Quellen am Ende für jedes Kapitel aufgelistet und werden thematisch eingeordnet. Eine solche Quelle ist das Buch »Nie wieder keine Ahnung« von Jennifer Sieglar und Tim Schreder.

Auf den Punkt gebracht

Im Buch »Nie wieder keine Ahnung« benutzen die Autoren das Bild einer Badewanne, um das Problem der Atmosphären-Erwärmung zu veranschaulichen. Wir füllen Wasser in eine Wanne, deren Ablauf verstopft ist. Irgendwann ist die Wanne voll und läuft über. Das Wasser steht für die Wärme der Treibhausgase CO2 und Methan. Diese Gase wirken eben nicht so ungefährlich in unserer Atmosphäre, wie manche das gern hätten. Dank ihnen entsteht mehr Wärme, die nicht fortkann. Der Abfluss ist zu. Die Gase heizen unsere Erde auf wie eine Glaskuppel, die in der Sonne steht. Der »Innenraum« wird immer heißer.

Im Grunde ist die menschengemachte Heißzeit überhaupt nicht komplex. Sie einzubremsen, das scheint komplex. Und ihre Auswirkungen sind es im Detail, weil alles mit allem verbunden ist. Eine Heißzeit zu machen, ist für uns dagegen leicht.

Grundrezept: Man nehme Treibhausgase wie CO2 und Methan, die vorher nicht in der Luft waren, weil das nicht verbrannte Öl und Gas unter der Erde lag, und pumpe sie über Verbrennung in die Atmosphäre. Fertig. Die Wärme der Sonne kommt in die Atmosphäre rein, aber durch die vielen Treibhausgase nicht mehr raus. Die Moleküle der Treibhausgase schwingen durch die Wärme schneller.

Das ist in normalem Maß sinnvoll und ein echter Segen, denn dadurch haben wir eine Atmosphäre, an die wir uns evolutionär angepasst haben. Auf dem Mond, der keine richtige Atmosphäre hat, können wir nicht leben. Wir brauchen eine Atmosphäre, sonst ist es nachts tödlich kalt und tags tödlich heiß. Und natürlich müssen wir atmen. Das ist auf dem Mond unmöglich.

Es geht beim Klimaproblem nur um die »zusätzlichen« Treibhausgase, also das Zeug, das seit Ewigkeiten in Form von Öl, Kohle oder Methan in der Erde eingeschlossen war und eben NICHT in der Atmosphäre vor sich hinschwang oder beim Absinken die Meere versauert hat. Seit etwa 1850 kommen mehr und mehr fossile Stoffe wie Gas, Öl und Kohle durch Verbrennung und Verrottung von Plastik in Form von Treibhausgasen in die Atmosphäre. Allein der CO2-Gehalt hat laut Bundesumweltamt über 50 Prozent zugenommen. Die Zahl wächst jedes Jahr, und zwar genau so lange, bis wir damit aufhören.

Konsequenz: Im Jahr 2050 wird es im Schnitt etwa 3 Grad wärmer sein als um das Jahr 1850. Um das einordnen zu können, sollten wir wissen, dass es die Dinos »in einem Land vor unserer Zeit« vier Grad wärmer hatten. Dahin kämen wir recht schnell. Bei vier Grad mehr im Jahresdurchschnitt könnten die Krokodile den nördlichen Polarkreis erobern. Sie waren da schon mal, und mit unserer Hilfe sind sie auf dem besten Weg in Rekordzeit eine neue, alte Heimat zu finden. Womöglich vor dem nächsten Jahrhundert, wenn ihre kurzen Beine sie so schnell tragen, oder sie ein argloser Reisender als Haustier dorthin verschleppt. Vielleicht gibt es sie irgendwann wie Ochsenfrosch-Kaulquappen in Eiform im Internet zu bestellen. Die menschliche Verkaufswut schreckt vor nichts zurück, wenn es keine Regeln gibt.

Ein Temperaturanstieg um drei Grad hätte katastrophale Folgen. Große Teile des Planeten würden für Menschen unbewohnbar sein. Schon heute, wo es je nach Quelle und Berechnung »nur« eine etwa 1,3 bis 1,5 Grad erhöhte Durchschnittstemperatur zur vorindustriellen Zeit gibt, haben wir in Deutschland einen Rekordsommer nach dem anderen. Regen in Maßen ist Mangelware. Wenn, dann kommt es zu Stürmen und Sturmfluten, dank der veränderten Jet-Streams und des warmen Meeres, oder zu lang anhaltenden Regenperioden. Ein Trend, der sich deutlich verstärken dürfte.

Um in einem kleinen Zwischenspiel ein Bild zu vermitteln, was unser persönlicher Beitrag ist: Stell Dir vor, Du gehst durch den Wald. Mit einer Freundin, einem Freund, Deinem Hund – wie es Dir gerade in den Sinn kommt. Alle fünf Meter bleibst Du stehen und wirfst eine dünne Plastiktüte ins Grün. Nach einem Kilometer hast Du zweihundert Plastiktüten zwischen Bäumen, Büschen und Immergrün verteilt. Wenn jede Plastiktüte ein halbes Gramm wiegt, sind das 100 Gramm.

Wie oft hast Du das schon gemacht? Wahrscheinlich noch nie. Und es käme Dir komisch vor. Sowas tun wir doch nicht, oder? Natürlich tun wir es. Mit jedem Kilometer, den wir Auto fahren oder fliegen, machen wir genau das.

Mit. Jedem. Einzelnen. Kilometer.

Fliegst Du von Frankfurt nach New York, macht das umgerechnet eine Million und zweihundertvierzigtausend Tüten, die Deinen Weg markieren. Würden wir das wirklich tun, würden sich die Bewohner unter Dir vermutlich beschweren. Da fossiles CO2 aber unsichtbar ist, interessiert das keinen.

Bei einem Kilometer gehen vereinfacht und grob im Schnitt 100 Gramm fossiles CO2 in die Umwelt. Zusätzlich heizen wir noch und benötigen an ganz unterschiedlichen und teils unerwarteten Stellen die Fossilhilfe, die unseren Lebensraum zerstört.

Aktuell blasen weltweit wir je nach Quelle jedes Jahr etwa 51 Milliarden Tonnen Treibhausgase zusätzlich in die Atmosphäre. Jeder in Deutschland kommt laut dem Bundesumweltamt auf 11,6 Tonnen. Wir Affenverwandte müssen dabei möglichst schnell auf Null kommen. Das heißt, wir müssen Treibhausgase stark senken, vorhandene Treibhausgassenken wie Moore und Wälder erhalten sowie herstellen, und für neue, kreative Senkungen zum Beispiel durch Algenfarmen, Algentanks und industrielle Verfahren sorgen. Die brauchen wir für finanzschwache oder ignorante Länder wie Deutschland. Auf diese Art können wir Verfehlungen in der Übergangszeit ausgleichen und langfristig helfen.

Eine kurze Anmerkung zu den finanzschwächeren Ländern: Sie könnten ein weit geringeres Problem sein. Für sie ist es einfach, klimaschädliche Technologien zu überspringen. Dafür müssten die finanzstarken Nationen entsprechende Technologien zur Verfügung stellen.

Noch eine Anmerkung, denn ich höre schon den Einwand unseres inneren Kapitalismuslobbyisten: »Wir können das doch nicht verschenken!« Müssten wir gar nicht. Andere Länder haben oft etwas zu bieten. Zum Beispiel Sonne und Meer. Wo ließen sich leichter große Algenbecken bauen, deren Erträge dann als Nahrung oder Dünger verwendet werden, als Futter für Biogasanlagen dienen, oder wo Wasserstoff für die Industrie hergestellt werden könnte? Alle Wüsten der Erde, die an ein Meer angrenzen, eignen sich. Und: Eine Zusammenarbeit, die unsere Welt besser machen soll, funktioniert eh nur auf Augenhöhe.

Soweit in Kurzform zum Problem und seiner möglichen Lösung. Kommen wir zur Vertiefung und Verinnerlichung zur ersten Kurzgeschichte dieses Buchs. Sie braucht zum besseren Verständnis eine kurze Einführung, ehe es losgeht. Die Geschichte spielt in einer ausgedachten Zukunft im Jahr 2100. Dort ist jede Menge Methan aus den Meeresböden durch die globale Erwärmung nach oben gekommen und die Erde deutlich lebensfeindlicher als hier und heute.

Statt seit dem Jahr 2020 drei Prozent des BIPs zu investieren – so viel wie für Urlaub – haben Länder wie Deutschland selig geschlafen und behauptet, das sei zu teuer. Die Folgen: Ab 2040 steigt der Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) für Folgeschäden und einen späten Wettlauf gegen Wasser-, Brand- und Sturmschäden massiv. Bis 2080 brennen neunzig Prozent der deutschen Wälder nieder oder werden durch Stürme verwüstet.

Das Weltwunder Delta-Werke versagt den Dienst. Weite Teile der Niederlande werden im Jahr 2048 wegen häufiger Springfluten aufgegeben, ebenso Küstenteile von Deutschland. In beiden Ländern steigt der Anteil der Kosten durch Klimaveränderungen des BIP zwangsweise ab 2046 auf 70 bis 80 Prozent. Das Wort Rente gerät in Vergessenheit und löst nostalgisch verklärte Blicke aus. Der Lebensstandard sinkt und sinkt.

Es gibt seit 2030 internationale Anschläge verübt von der Gruppe »Future Fight«, die 2050 in einer Explosionsreihe in den Regierungsvierteln von Berlin, Paris, Washington, Peking, Moskau sowie weiteren Hauptstädten gipfeln.

Weltweit sind drei Milliarden Menschen auf der Flucht, vier Milliarden haben mindestens ein Mal ihre Häuser verloren, ehe es im Jahr 2060 zum Dritten Weltkrieg kommt.

In diesem Szenario belauschen wir das Gespräch einer Mutter mit ihrer kleinen Tochter. Inzwischen liegt der Krieg viele Jahre zurück.

»Nur weil die Katastrophe noch nicht da ist, heißt es nicht, dass sie nicht passiert. Das Denken bis zur nächsten Wahl oder bis zum nächsten Dorffest muss aufhören. Wer das Gemeinwohl im Auge hat, muss vorsorgen.«

Susanne Götze, »Wenn das Wasser kommt«. Rowohlt-Verlag, 2021

Kapitel 2

Wie sag ich’s meinen Kindern?

»Früher gab es einmal Eis auf dem Pol. Es war wie ein Schild, das uns schützte. Es hat die Sonnenstrahlung zurück ins All geschickt. Jetzt ist das weg, und das ist schlimm.«

»Was ist passiert?«

»Die Menschheit. Sie hat Gift in die Luft geblasen, viele Jahrzehnte lang. Von 1965 bis 2040 erst im teilweisen und später im vollen Bewusstsein der Folgen. Schon im Jahr 2022 sind Millionen Menschen an den direkten und indirekten Folgen der Klimakatastrophe gestorben, besonders in den armen Ländern. Aber auch in den reichen Staaten gab es immer mehr Orkane, Brände, Dürren und Überflutungen wegen des veränderten Jet-Streams.«

»Warum haben die Menschen denn Gift in die Luft geblasen? Mochten sie die Luft nicht?«

»Sie haben vergessen die Luft und die grüne, von Tieren bevölkerte Erde mit ihren Riffen und Wäldern wertzuschätzen. So wie sauberes Wasser oder Impfstoffe gegen tödliche Krankheiten, die in der Vergangenheit Millionen Menschenleben gerettet haben. Und sie haben weggesehen, der Politik entweder vertraut oder sie verteufelt. Die einen dachten, es wäre nicht so schlimm, sonst würde die Regierung etwas unternehmen, oder wenigstens umfangreich über das Ende der Welt informieren. Andere sahen, wie schlimm es war, und wandten sich enttäuscht von der Politik ab. Sie gingen nicht mehr wählen, weil jede Regierung bewies, dass sie sich nicht genug kümmerte. Es gab kein Interesse daran, Entscheidungen zu treffen, die gegen die Öl-, Kohle- und Autoindustrie gingen. Vielleicht fehlte ihnen an manchen Stellen die Phantasie. Ganz davon abgesehen, legten manche Politiker und Parteien den anderen bwusst Steine in den Weg. Wenn Du damals in der Politik warst, war Deine Luft immer vergiftet. Statt sich gegenseitig zu unterstützen und bei der Sache zu bleiben, um die Welt und Menschenleben durch vernünftige Regeln zu retten, ging es um Macht, um Geld und um Ansehen. Man wollte wieder gewählt werden, ganz gleich, was dafür zu Bruch ging.«

»Also haben die Menschen damals die Luft vergiftet und zugesehen, wie alles schlimmer wurde, weil sie lieber gemein sein wollten als vernünftig?«

»Unter dem Strich kam das dabei heraus.«

»Mama, Du hast das Wort Riffen gesagt. Was ist das?«

»Ich zeig dir später ein Holo-Vid. Riffe waren echt schön.«

»War dieser fehlende Eisschild schuld am großen Krieg von 2060? Als in Asien das mit den Influenza-Viren losging, und die dann bewusst in der ganzen Welt verteilt worden sind? Nachdem Europa, Nordamerika und Russland keine Flüchtlinge mehr aus klimazerstörten Ländern aufgenommen haben?«

»Eigentlich nicht. Weißt Du, wenn die Welt ab 2020 mehr getan hätte, wenn sie in den Jahren bis 2050 wirklich aufgehört hätte, Gift in die Luft um die Erde zu pusten, oder wenigstens konsequent für Klimaneutralität gesorgt hätte, dann hätte es diesen Krieg nicht gegeben. Aber es hat niemand genug unternommen. Vor allem wurde die Technologie nicht geteilt, damit die armen Länder nicht dieselben Fehler machten wie die reicheren. Es war ein Gehacke wie in der damaligen Politik, in die keine mitfühlende Bürgerin gerne reinwollte. Wer geht schon freiwillig in eine Todeszone?«

»Also sind vier Milliarden Menschen in wenigen Wochen gestorben, weil die damals zu wenig gemacht haben?«

»Ja. Im Grunde schon. Wir hätten das verhindern können. Genau wie vieles andere.«

»Was hätte man denn machen sollen?«

»Hinsehen. Aufwachen. Seine Häuser dämmen, Fußbodenheizungen rein, Wärmepumpen und Elektroautos fahren. Neue Gebäude errichten, die mit dem Solarüberschuss im Sommer selbst Wasserstoff für den Winter produzieren. Neue Wege gehen und sinnvolle Alternativen finden. Bürokratie abschaffen.

Mehr Solarkraftwerke und Biogasanlagen bauen, Speicherkraftwerke nutzen. Statt Stromenergie durch Windkraft bezahlt wegzuschmeißen, sie dank Wärmespeicherung als Ersatz für Erdgas nehmen. Die Stahlindustrie endlich auf Wasserstoff umstellen, den Ölkonzernen kein Geld geben, damit sie statt Benzin und Diesel Plastik herstellen, das unsere Welt noch mehr verpestet hat. Fossiles CO2 sinnvoll und vor allem hoch genug einpreisen. Die Hürden für Erneuerbare und Speichertechnologien senken. Und und und ... Es gab viel, was hätte getan werden können. Aber stattdessen hat man sich lieber auf die wenigen, teils bezahlten Leugner konzentriert, als die zu überzeugen, die vielleicht hätten Fahrrad statt Auto fahren können. Oder ein anderes Auto. Und die sich hätten einsetzen können, wenn sie ihre Verantwortung angenommen und ihre Macht erkannt hätten. Wenn sie nur aufgehört hätten, Parteien zu wählen, die das Vertrauen längst verspielt hatten und durch ihre Wissenschaftsfeindlichkeit und -ignoranz für einen Niedergang der Gesellschaft sorgten. Vielleicht hätten sich die Parteien ja verändert, wenn sie gemerkt hätten, dass sie weniger gewählt werden. Heute nennen wir diese Zeit die ›Blackout‹-Ära. Man hat immer wieder versucht, die Menschen damals unnötig zu verängstigen, statt sich auf das zu konzentrieren, was zum Beispiel mit Hilfe von Biogas machbar gewesen wäre. Überhaupt wäre es möglich gewesen, gemeinsam länderübergreifend zu handeln.«

»Glaubst Du, die Menschen, die nicht hingeschaut haben, wollten nicht mitschuldig am vielen Sterben sein?«

»Vielleicht. Womöglich waren viele tief in sich sehr traurig und verzweifelt. Es war eine ganz andere Welt früher. Eine sehr schöne Welt. Mit unendlich mehr Tieren als heute und weniger Wüsten. Hätten diese Menschen zugegeben, dass die Wahrheit nun einmal die Wahrheit ist, und dass sie mitgeholfen haben und mithalfen, die Erde zu zerstören … na ja. Ich denke, sie wollten lieber tragische Heldinnen oder unwissende Opfer sein, als böse Schurken.«

»Waren alle Menschen damals Schurken?«

»Nein. Und doch irgendwie ja. Sie haben sich gegenseitig in Hilflosigkeit gehalten, sich kleiner gemacht, als sie waren. Immer den anderen das Feld überlassen und die Köpfe in den Plastikmüll gesteckt. Um handeln zu können, musst Du sehen, was da ist. Du musst ein Problem erkennen und es wahrhaben, ehe Du es lösen kannst.«

»Aber … Das ist doch klar!«

»Dir schon. Die Menschen damals waren anders als die Menschen heute. Sie haben sich regelmäßig selbst belogen. Vielleicht hat uns das der Influenza-Krieg von 2060 gelehrt. Wenigstens dafür war der dritte Weltkrieg gut. Aber es wäre schön gewesen, wenn wir es anders gelernt hätten. Im Grunde war damals alles da: Das Wissen über die Denkfehler. Menschen, die unabhängig von Regierung und Konzernen bestehende Tatsachen wissenschaftlich eingeordnet haben. Zum Beispiel Frank Schätzing, Professor Harald Lesch, Professorin Claudia Kemfert und Doktorin Mai Thi Nguyen-Kim. Es hätte gereicht, sie ernst zu nehmen – und dann geschlossen als Gesellschaft zu handeln. Bloß ein paar Videos, die man damals kostenfrei im sogenannten Internet anschauen konnte, hätten genügt, um die Wissenschaftsignoranz und den Lobbyismus der meisten Parteien aufzudecken.

Aber es waren zu viele mit anderen Dingen beschäftigt, die ihnen wichtiger erschienen. Außerdem war das mit dem Wissen damals wie das mit der Luft. Die Menschen haben es durch Lügen vergiftet. Manche sogar ganz bewusst und gegen Bezahlung von anderen Ländern. Die meisten haben zu wenig getan, um die Lügen herauszufiltern, obwohl es Plattformen gab, die zu nichts anderem da waren.«

»Glaubst Du, die Menschheit hat verdient, was sie bekommen hat?«

»Das ist eine unsinnige Frage. Wir haben getan, was wir taten. Unsere Welt, wie sie jetzt ist, ist die Folge.«

»Gibt es irgendwann wieder mehr Tiere außer in den Reservaten und Zuchtbecken? Wird es Fische und Lebenszonen im Meer geben? Vielleicht sogar diese Riffe?«

»Vielleicht. Wenn wir lange genug durchhalten. In drei oder vier Jahrhunderten, wenn die Versäuerung abgeklungen ist. Aber jetzt setz die Methanmaske wieder auf, Schatz. Wir wollen ein bisschen von dem Gift filtern, das durch das Auftauen der Permafrostböden und der Meeresablagerungen in die Luft gekommen ist.«

****

Ich weiß jetzt nicht, wie es Dir nach dieser Geschichte geht. Als ich sie geschrieben habe, war ich traurig.

Das angesprochene »Gift« ist natürlich CO2. Das, was dazu kommt, ist Methan durch auftauende Permafrostböden und Meeresgrundeinlagerungen. Das heizt dann die Atmosphäre weiter auf. Maximal, wenn alles Inlandeis schmelzen würde, wären wir grob bei 66 Metern, die der Meeresspiegel ansteigen würde. Die Niederlande liegen jetzt schon zum Teil darunter und arbeiten mit Deichen und Sperrwerken gegen Hochwasser und Sturmfluten. Die Frage dürfte nicht sein ob, sondern, langfristig betrachtet, wann der größte Teil des Landes dauerhaft unbewohnbar sein wird. Jedenfalls wenn wir nicht endlich entschlossen handeln. Ähnliches gilt für viele Städte, die am Meer gebaut sind und Landstriche, in denen Meerwasser ins Grundwasser gedrückt wird. Es gäbe außerdem eine anhaltende Versäuerung der Meere und etliche andere unschöne Begleiterscheinungen.

Kurzum: Schluss mit dem Paradies.

Hier gibt es nur die Schnellversion, den meisten ist die Komplexität bekannt. Falls nicht: Das im Vorwort erwähnte Buch von Frank Schätzing »Was, wenn wir einfach die Welt retten?«, macht das großartig. Absolut lesenswert. Bitte kaufen oder ausleihen. Wir haben einen Staat, der keineswegs nur Böses tut, sondern uns oft unterstützt, zum Beispiel mit öffentlichen Bibliotheken, die wir für wenig Geld nutzen dürfen.

Warum habe ich diese Geschichte gewählt? Das Thema Klimakatastrophe ist nicht nur sehr komplex, sondern auch abstrakt. Wie wird es in einigen Jahrzehnten oder Jahrhunderten auf der Erde aussehen? Ist das fossile CO2 in der Atmosphäre wirklich so schlimm?

Kurzantwort: Es könnte so aussehen wie oben in der Geschichte beschrieben oder anders unangenehm. Und ja: Es ist so schlimm. Das CO2 da oben über unseren Köpfen, oder das hier unten dicht am zu häufig versiegelten Boden, verschwindet nicht, bloß weil wir es weder sehen noch riechen. Es würde nur weniger werden, wenn wir es mühsam in aufwändiger Arbeit und winzigen Mengen Pipette für Pipette oder Alge für Alge aus der Atmosphäre ziehen. Selbst mit Katalysatoreffekt und neuen Methoden wird das eine ganze Weile dauern. Deshalb wäre es sinnvoll, kein neues hineinzupumpen und auch kein Methan oder anderes atmosphärenschädliches Gas. Es wäre sinnvoll, Wälder und Moore zu schützen, da wo es geht. All das ist bestens bekannt.

Dass es schlimm wird, ist durch Tausende Studien von unabhängigen Forschern und Forscherinnen belegt. So gibt es laut der »Wikipedia« eine Studie aus dem Jahr 2013 mit allein fast 12.000 Beiträgen (Abstracts) von sogenannten Peer-Review-Artikeln.

Der wissenschaftliche Konsens, dass der Klimawandel menschengemacht ist, beträgt 99 Prozent. Studien, die zu abweichenden Ergebnissen kommen, sind entweder fehlerhaft oder nicht reproduzierbar. Wie es allerdings ganz genau kommen wird, ist schwer vorherzusagen. Mir geht es in der Geschichte nicht um hundertprozentige Korrektheit, sondern um zwei wesentliche Punkte, die ich herausgreifen möchte und die in diesem Buch eine Rolle spielen werden:

1. Trauer, Angst und Verdrängung.

2. Unser Umgang mit uns und miteinander.

Widmen wir uns zunächst Thema 1: Trauer, Angst und Verdrängung.

Trauer ist ein Gefühl, das wir nicht gern haben. Wir sind dann zum Beispiel lieber wütend oder tun, als wäre die Empfindung gar nicht da. Unter der Wut oder der Ignoranz kann jede Menge Trauer liegen, oft auch Angst. Vereinfacht können wir hier von Verdrängung sprechen. Ich mag nicht traurig oder ängstlich sein, da bin ich lieber wütend. Ich verdränge also meine Trauer oder meine Angst oder beides.

Das ist aus vielen Gründen schade und gleichzeitig schädlich. Es ist schade, weil ich etwas verpasse und mir die Chance nehme, es später leichter zu haben.

Ein Beispiel aus meinem Leben: 2019 ist mein Mann Marco mit 42 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Verantwortlich für den Herzinfarkt war seine Alkoholsucht. Er hat über viele Jahre hinweg heimlich Wodka getrunken und konnte davon selbst dann nicht lassen, als offensichtlich wurde, wohin das führte und seine Sucht bekannt war.

Ich kenne weit mehr Männer, die an Herzinfarkten, Leberschäden und inneren Blutungen durch Alkoholsucht starben, als solche, die an Corona, Grippe oder hohem Alter verstorben sind. Das Volksklischee des arbeitslosen Alkoholikers ist ein Irrglaube. Daran festzuhalten, hat mit Selbstschutz zu tun. Es kann jeden treffen, auch uns. Ob Pilotin, Chefarzt oder Bauarbeiterin – der Alkohol eint sie alle und viele arbeiten bis zum letzten Herzschlag und versuchen vor der Gesellschaft und sich selbst zu verbergen, dass sie das Trinken nicht lassen können.

Alkohol ist sicher eine weit häufigere Todesursache, als gemeinhin angenommen wird. Nach Angabe der Weltgesundheitsorganisation WHO stirbt alle zwölf Sekunden ein Mensch an Ethanol und seinen Folgen auf den Körper.

Ich möchte auf eine wichtige Gemeinsamkeit der Themen CO2- und Alkoholmissbrauch aufmerksam machen. Zuständig für die gesellschaftlichen Spielregeln und das Wissen über Vorgänge und Zusammenhänge sind Politik und Gesetzgebung. Diese sollten ihre Bürger und Bürgerinnen durch sinnvolle Informationen, Regeln und Gesetze unterstützen. Das ist das Gegenteil davon, durch Ignoranz oder die Verherrlichung von Bierzelten und Motorgeräuschen ihr Ableben zu beschleunigen, und Kosten für alle zu schaffen.

Dazu gehört, dass die Nichteinhaltung von Gesetzen Konsequenzen hat. Das ist jedem intuitiv klar. Aber leider ist es in Deutschland nicht immer so. Ein Beispiel von vielen hierfür ist die Verfehlung der gesetzten Klimaziele durch den Sektor Verkehr im Jahr 2023.

Zurück zum Thema Trauer. Natürlich war ich traurig. Mein Marco war tot. Er war ein sehr warmherziger Mensch, der gern kochte und grillte, Musik hörte, Konsolenspiele spielte, verreiste, Pflanzen goss – er war einfach einer von uns und für mich der fünfzigprozentige Teil eines ganz speziellen »Wir«.

Diese Trauer anzunehmen ist eine hilfreiche Erfahrung, weil ich mich darin selbst annehme. Sie abzulehnen und zu verdrängen, ist eine Erfahrung, die alles schlimmer machen kann. Trauer belastet unser Immunsystem ohnehin schon. Wir sind deshalb anfälliger für Krankheiten. Grob vereinfacht ist Trauer Stress, und von Stress wissen wir, dass er schädliche Auswirkungen haben kann.

Bin ich nun traurig, also gestresst, und lehne die Trauer ab, schaffe ich mehr Stress. Und das schlimmste: Die verdrängte Trauer kann Jahre später dafür sorgen, dass ich völlig aus der Bahn gekickt werde. Sie verschwindet nicht. Sie wartet bloß, allein und missachtet in ihrer Ecke, bis es ruhiger wird im Leben, weniger Stress da ist, und springt uns dann umso heftiger an. Deshalb lohnt es sich immer, sich mit der Trauer auseinanderzusetzen.

Ein anderer wichtiger Punkt ist der, dass wir – wie im Fall der Klimakatastrophe –, weniger tun können. Unsere Handlungsfähigkeit sinkt. Wie das? Wenn ich tief in mir drin traurig bin, weil die Eisbären und die kleinen, süßen Pandas aussterben, trainierte junge Männer in Feuern ersticken, alte Frauen in Hochwassern ertrinken und kleine Kinder und