Der Abreißkalender des Kapitäns - Walther Kabel - E-Book

Der Abreißkalender des Kapitäns E-Book

Walther Kabel

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Beschreibung

Es war ein Reklamekalender der Firma Patterson, Madras … Ein buntes Ding mit vielen Likörflaschen, die unten Beinchen hatten und vergnügt umhertanzten — ein witziges Bild, das außerdem tadellos zu Käpten O’Kelling paßte, der ja eine ziemliche Schwäche für die Erzeugnisse von Likörfabriken besaß. —
Wie der Kalender zum ersten Male sich meldete, das habe ich bereits am Schluß des vorigen Bandes erzählt: Harst war in Madras von dem berüchtigten Mr. Rellan und dessen Helfershelfern »erledigt« worden, und erst der Abreißkalender zerstreute meine Angst um das Leben meines Freundes, da ich am fünften Februar durch O’Kelling darauf aufmerksam gemacht wurde, daß ein Unbekannter nachts in die Kajüte eingedrungen sein müsse und von dem Kalender vier Blätter zu viel abgerissen habe, so daß nun das Datum des Neunten zu sehen war … Und auf dieses Blatt mit der dicken, großen Zahl Neun hatte der Eindringling außerdem noch mit Bleistift das Wort »Gannawa« hingekritzelt — kaum leserlich … Trotzdem glaubte ich in der Handschrift die Haralds zu erkennen. —

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Der Detektiv

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

Der Abreißkalender des Kapitäns

Band 172

© 2023 Librorium Editions

ISBN : 9782383839149

 

 

Inhalt

Der Abreißkalender des Kapitäns

Der Phalu Dringar.

 

1. Kapitel.

Es war ein Reklamekalender der Firma Patterson, Madras … Ein buntes Ding mit vielen Likörflaschen, die unten Beinchen hatten und vergnügt umhertanzten — ein witziges Bild, das außerdem tadellos zu Käpten O’Kelling paßte, der ja eine ziemliche Schwäche für die Erzeugnisse von Likörfabriken besaß. —

Wie der Kalender zum ersten Male sich meldete, das habe ich bereits am Schluß des vorigen Bandes erzählt: Harst war in Madras von dem berüchtigten Mr. Rellan und dessen Helfershelfern »erledigt« worden, und erst der Abreißkalender zerstreute meine Angst um das Leben meines Freundes, da ich am fünften Februar durch O’Kelling darauf aufmerksam gemacht wurde, daß ein Unbekannter nachts in die Kajüte eingedrungen sein müsse und von dem Kalender vier Blätter zu viel abgerissen habe, so daß nun das Datum des Neunten zu sehen war … Und auf dieses Blatt mit der dicken, großen Zahl Neun hatte der Eindringling außerdem noch mit Bleistift das Wort »Gannawa« hingekritzelt — kaum leserlich … Trotzdem glaubte ich in der Handschrift die Haralds zu erkennen. —

Nunmehr beginne ich also die Geschichte des Abreißkalenders des Kapitäns mit dem Augenblick, wo ich O’Kelling freudestrahlend zurief:

»Harst — — Harst …!!«

Freund Käpten machte dazu ein sehr zweifelhaftes Gesicht …

»Hm, hm,« brummte er, »— — Harst?! — So gern ich diese Ihre Hoffnung teilen möchte, lieber Schraut: aber das Gekritzel da sieht wie von einem Kinde aus! Und dann: weshalb sollte Harst sich nur auf diese Weise gemeldet haben?! Weshalb hält er sich vor uns verborgen, wo er doch wissen muß, in welcher Angst und Sorge Sie um ihn sind?!«

»Er mag seine Gründe haben, O’Kelling … Schauen Sie sich mal dieses G von Gannawa an … Genau so zieht Harst die Schleifen — genau so …! Ich bleibe dabei: es ist seine Schrift …!!«

Ich stand noch immer vor dem Kalender …

Und mit einem Male kam mir ein guter Gedanke …

»Käpten, haben Sie das oberste Blatt angefaßt?« fragte ich …

»Bewahre!«

»Dann werden wir sofort die Probe aufs Exempel machen … Vielleicht finden Sie auf dem Blatt Fingerabdrücke …«

Ich holte aus unserem Requisitenkoffer, der in der Kammer neben der Kajüte aufbewahrt wurde, das nötige »Handwerkszeug« …

Und dann begann die Arbeit, die ich auf das allersorgfältigste ausführte und bei der mir der Käpten interessiert zuschaute …

Ja — Fingerabdrücke ließen sich allerdings sichtbar machen … Nur waren es niemals die Haralds, wie ich auf den ersten Blick erkannte …

Böse Enttäuschung für mich!!

Nicht Harst, sondern ein Fremder …!

Wer aber …?! —

O’Kelling betrachtet die schwarzen Tupfen auf dem Kalenderblatt …

»Also so werden die Dinger zum Vorschein gebracht …« meint er kopfschüttelnd. »Man lernt immer noch etwas dazu, obwohl man schon so’n alter Esel ist und …«

… Er stockt plötzlich … »Schraut, das sind niemals die Fingerspuren eines Europäers,« erklärt er lebhafter … »Jeder Europäer hat hier in diesem Klima besonders nachts — und der Fremde kann nur nachts hier in der Kajüte gewesen sein — feuchte Finger … Hätte ein Weißer die drei Finger auf das Papier gedrückt, um es festzuhalten und um das eine Wort hinkritzeln zu können, so würden sich die Fingerspitzen auf diesem schlechten, faserigen Papier auch von selbst durch den Schweiß abgezeichnet haben … Nur Eingeborene schwitzen nicht … Sie können mir schon glauben, lieber Schraut …«

Ich glaubte ihm …

Und dachte unwillkürlich sofort an Mr. Rellans Helfershelferin und Geliebte, an das Rodia-Mädchen, die ja eine Farbige von der Insel Ceylon war, genau wie auch das Wort Gannawa der Name eines in der Wildnis Ceylons liegenden Dorfes der Rodia war.

O’Kelling deutete mein Schweigen falsch …

»Sie erscheinen von meiner Ansicht nicht viel zu halten …« knurrte er … »Machen Sie doch mal die Probe — selbst jetzt am Tage …«

Ich beruhigte ihn … »Ich zweifle keinen Augenblick an der Richtigkeit Ihrer Annahme, bester Käpten … Ich bin sogar jetzt überzeugt, daß wahrscheinlich die Rodia hier dieses »Gannawa« in aller Eile niedergeschrieben hat … Nur — weshalb mag sie die vier Blätter vorher abgerissen und das »Gannawa« gerade auf das Blatt des Neunten gekritzelt haben?! — Darüber sinne ich jetzt nach.«

O’Kelling lehnte sich in die Ecke des Rohrsofas zurück.

»Derlei Fragen gehen über meinen Horizont,« sagte er ehrlich und rieb ein Zündholz an, um seine Pfeife wieder in Brand zu setzen …

Ich seufzte unwillkürlich …

»Ja, wenn wir Harald hier bei uns hätten,« meinte ich traurig … Und abermals überwältigten mich die Angst und die Verzweiflung um den seit drei Tagen Verschwundenen …

»Mut!« rief der brave Käpten da. »Nur nicht den Kopf hängen lassen, Schraut! Nur die Hoffnung nicht verlieren! Sie sind doch schließlich auch ein erfahrener Detektiv, und Sie werden Harsts Arbeitsmethode genügend kennen, um …«

Ich unterbrach ihn … Blitzartig war in meinem Hirn eine Kette von neuen Gedanken entstanden, war das wie ein klares Bild aufgetaucht, was man als »Theorie« bezeichnet …: das Ergebnis von logischen Kombinationen!

»O’Kelling,« meinte ich halb triumphierend, »wir werden nach Kolombo fahren …! Mir ist da soeben eine Art Erleuchtung gekommen … Nehmen Sie mal folgendes an: Das Rodia-Mädchen, Rellans Geliebte, hat jetzt aus den Zeitungsberichten davon Kunde erhalten, daß Edward Granveller, den wir Mr. Rellan nennen, sich in Jane Weacfield verliebt hatte, — in die Braut des Radscha Mar Shing Dabsal … Ihre Eifersucht erwacht … Zum Schein bleibt sie Rellan treu und hilft ihm, Harst irgendwie nach ihrem Heimatdorfe Gannawa zu schaffen. Bevor sie jedoch Madras verlassen, schleicht sie sich hier in Ihre Kajüte und läßt uns die Nachricht zurück, daß Harst am neunten in Gannawa zu finden sein wird! Das heißt: wir sollen am neunten in Gannawa sein!«

Der Käpten glotzt mich starr an …

Sein Hirn arbeitet langsam …

Schließlich begreift er, versteht er …

»Bravo, Schraut, — bravo! Das ist ’ne Sache, die Hand und Fuß hat …! — Schraut, wir fahren …! Mein Kutter schafft den Weg bis Kolombo in zwei und ein halb Tagen … Wir brauchen uns also gar nicht sonderlich zu beeilen …«

Wir beschließen denn auch, erst am nächsten Morgen in aller Frühe Madras zu verlassen … Denn wir hoffen, es könnte Harst inzwischen doch noch glücken zu entfliehen, — — falls er noch am Leben …

Auch dieser Tag neigt sich seinem Ende zu …

Dämmerung kriecht über Stadt und Hafen hin …

Vom Meere her naht eines der kurzen tropischen Gewitter …

Ungeheure Regenmassen fluten herab …

Donnerschläge erschüttern die Luft, als ob das Firmament bersten wollte … Blitze durchfurchen die pechschwarze Finsternis und erlöschen rasch wieder wie gewaltige Magnesiumlichter …

O’Kelling und ich sitzen vor der Kajüte unter dem Sonnensegel … Der Regen prasselt wie Hagel auf das straff gespannte Leinen … Das Deck des Kutters schwimmt.

In der Kajüte brennt kein Licht. Die Tür steht weit offen, damit die Kühle des Gewitterregens Eingang fände in den stickigen Raum …

Da … an uns vorüber huscht eine Gestalt …

Der Laufplanke zu …

Ein Inder …

»Satan!!« brüllt der Käpten … »Der braune Satan kam aus der Kajüte … Der Schuft hatte sich bei dieser Finsternis an uns vorbeigedrückt …!«

Mein erster Gedanke da — — der Kalender!

Mit ein paar raschen Schritten bin ich in der Kajüte … Meine Taschenlampe flammt auf …

Hinter mir steht O’Kelling …