Der Arzt vom Tegernsee 13 – Arztroman - Laura Martens - E-Book

Der Arzt vom Tegernsee 13 – Arztroman E-Book

Laura Martens

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Beschreibung

Dr. Baumann ist ein echter Menschenfreund, rund um die Uhr im Einsatz, immer mit einem offenen Ohr für die Nöte und Sorgen seiner Patienten, ein Arzt und Lebensretter aus Berufung, wie ihn sich jeder an Leib und Seele Erkrankte wünscht. Seine Praxis befindet sich in malerischer, idyllischer Lage, umgeben von Bergen, Hügeln und kristallklaren Bergseen – in Deutschlands beliebtestem Reiseland, in Bayern, wo die Herzen der Menschen für die Heimat schlagen. Der ideale Schauplatz für eine besondere, heimatliches Lokalkolorit vermittelnde Arztromanserie, die ebenso plastisch wie einfühlsam von der beliebten Schriftstellerin Laura Martens erzählt wird. Die große Serie Der Arzt vom Tegernsee steht für Erfolg – Arztroman, Heimatroman und romantischer Liebesroman in einem! An diesem Nachmittag hatte Dr. Eric Baumann keine reguläre Sprechstunde, sondern behandelte nur Patienten, die Akupunktur oder Neuraltherapie erhielten. Tina Martens, seiner Sprechstundenhilfe, hatte er freigegeben, da sie etwas Wichtiges zu erledigen hatte. So war außer ihm und den Patienten nur noch Franziska Löbl in der Praxis. Sie hatte zwei Kinder und einen älteren Mann, der an Arthrose litt, zur Krankengymnastik bestellt. "Seit ich bei Ihnen in Behandlung bin, geht es mir entschieden besser, Herr Doktor", meinte Marianne Schönfeld. Sie wagte sich kaum zu rühren, aus Angst, die Akupunkturnadeln, die in ihrem Körper steckten, könnten herausfallen. "Ich bin nicht mehr so müde und gereizt wie noch vor einigen Wochen. Außerdem haben meine Nervenschmerzen und Empfindungsstörungen nachgelassen. Und stellen Sie sich vor, seit zwei Tagen kann ich sogar nachts wieder durchschlafen, ohne zuvor eine Schlaftablette genommen zu haben." "Das freut mich, Frau Schönfeld", erwiderte Dr. Baumann herzlich. Er konnte ihr ansehen, daß es tatsächlich mit ihr aufwärts ging. Sie wirkte zwar immer noch wie ein Schatten ihrer selbst, etwas verhuscht und scheu, doch in ihren Augen gab es wieder Leben, und ihre Haut, die gelblich blaß gewesen war, bekam langsam etwas Farbe. Zudem hatte sie auch an Gewicht zugenommen. Ein flüchtiges Lächeln umhuschte die Lippen der Kranken. "Stellen Sie sich vor, ich werde heute abend ausgehen", sagte sie, und plötzlich begannen ihre Augen zu leuchten.

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Der Arzt vom Tegernsee – 13–

Nach all den verlorenen Jahren

Laura Martens

An diesem Nachmittag hatte Dr. Eric Baumann keine reguläre Sprechstunde, sondern behandelte nur Patienten, die Akupunktur oder Neuraltherapie erhielten. Tina Martens, seiner Sprechstundenhilfe, hatte er freigegeben, da sie etwas Wichtiges zu erledigen hatte. So war außer ihm und den Patienten nur noch Franziska Löbl in der Praxis. Sie hatte zwei Kinder und einen älteren Mann, der an Arthrose litt, zur Krankengymnastik bestellt.

»Seit ich bei Ihnen in Behandlung bin, geht es mir entschieden besser, Herr Doktor«, meinte Marianne Schönfeld. Sie wagte sich kaum zu rühren, aus Angst, die Akupunkturnadeln, die in ihrem Körper steckten, könnten herausfallen. »Ich bin nicht mehr so müde und gereizt wie noch vor einigen Wochen. Außerdem haben meine Nervenschmerzen und Empfindungsstörungen nachgelassen. Und stellen Sie sich vor, seit zwei Tagen kann ich sogar nachts wieder durchschlafen, ohne zuvor eine Schlaftablette genommen zu haben.«

»Das freut mich, Frau Schönfeld«, erwiderte Dr. Baumann herzlich. Er konnte ihr ansehen, daß es tatsächlich mit ihr aufwärts ging. Sie wirkte zwar immer noch wie ein Schatten ihrer selbst, etwas verhuscht und scheu, doch in ihren Augen gab es wieder Leben, und ihre Haut, die gelblich blaß gewesen war, bekam langsam etwas Farbe. Zudem hatte sie auch an Gewicht zugenommen.

Ein flüchtiges Lächeln umhuschte die Lippen der Kranken. »Stellen Sie sich vor, ich werde heute abend ausgehen«, sagte sie, und plötzlich begannen ihre Augen zu leuchten.

»Und wer ist der Glückliche?« fragte Eric, ohne sich seine Überraschung anmerken zu lassen. Obwohl Marianne Schönfeld erst zweiundvierzig war, hatte sie bisher immer den Eindruck vermittelt, als hätte sie bereits mit ihrem Leben abgeschlossen.

»Woher wissen Sie, daß es ein Mann ist?« erkundigte sie sich. »Es könnte auch eine Freundin sein.«

»Allerdings«, gab er zu.

»Aber Sie haben recht, Herr Doktor«, sagte Marianne. »Vor zwei Wochen ist mir ein alter, ziemlich wertvoller Holzschmuckkasten, der noch von meiner Großmutter stammt, hinuntergefallen und zerbrochen. Ich erkundigte mich nach einem guten Schreiner. Man nannte mir Werner Weiß. Er wohnt etwas außerhalb von Rottach-Egern. Gestern hat er mir das Kästchen zurückgebracht. Es ist fast wie neu. Er hat es sogar poliert. Als ich ihm sagte, was für eine gute Arbeit er geleistet hat, fragte er mich, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm heute abend essen zu gehen.«

»Ich kenne Herrn Weiß. Er ist ein wirklich netter Mann.«

Marianne nickte. »Trotzdem frage ich mich, ob es richtig gewesen ist, seine Einladung anzunehmen.« Sie seufzte auf. »Immerhin ist es über zwanzig Jahre her, seit ich zuletzt mit einem Mann ausgegangen bin.«

»Schon aus diesem Grund ist es gut, daß Sie seine Einladung angenommen haben, Frau Schönfeld«, meinte der Arzt. »Der Mensch ist nicht dazu geschaffen, allein zu bleiben.« Er befreite sie vorsichtig von den Akupunkturnadeln.

»Das sagen ausgerechnet Sie, Herr Doktor?« Die Patientin sah ihn verwundert an. »Sie sind nur ein, zwei Jahre jünger als ich und auch noch ledig.«

»Was nicht heißen muß, daß es auch so bleiben wird«, erwiderte er. »Es ist eben nur noch nicht die Richtige gekommen.« Flüchtig dachte er an Lydia, die Frau, mit der er verlobt gewesen war. Sie hatte ihn wegen eines anderen verlassen. Doch das lag jetzt schon Jahre zurück und gehörte bereits der Vergangenheit an.

Sie wechselten noch ein paar Worte, dann verabschiedete sich Dr. Baumann von Marianne Schönfeld und ging in sein Sprechzimmer hinüber, um ein wichtiges Telefonat zu führen, bevor er den nächsten Patienten aufrief, eine ältere Frau, die er mit Neuraltherapie behandeln mußte.

Franziska Löbl hatte ihren letzten Patienten zur Tür gebracht und brühte jetzt Kaffee auf. Während er durch den Filter rann, füllte sie das Krankenblatt des kleinen Mädchens aus, das bei ihr wegen einer Fehlstellung seines linken Fußes in Behandlung war. Momentan mußte die Kleine noch eine Schiene tragen, doch in ein zwei Jahren würde sie wie ihre Geschwister herumrennen können.

»Eine gute Idee, Franziska«, lobte Dr. Baumann, als die junge Krankengymnastin, die seit einem Unfall in ihrer Kindheit nicht mehr sprechen konnte, in sein Zimmer trat. »Kaffee ist genau das richtige, um meine müden Lebensgeister wieder zu erwecken.«

»Ich kann eben Gedanken lesen«, schrieb Franziska auf den kleinen Block, den sie immer bei sich trug. Sie hatte sich auch eine Tasse Kaffee mitgebracht und setzte sich Eric gegenüber an den Schreibtisch. »Frau Schönfeld scheint es besser zu gehen.«

Dr. Baumann warf einen kurzen Blick auf den Block. Er nickte. »Ja, das wurde auch Zeit. Sie hätte mit ihren Beschwerden viel früher zu uns kommen müssen. Weißt du, daß sie früher bei meinem Vater in Behandlung gewesen ist?«

Franziska schüttelte den Kopf.

»Doch, aber dann ist sie von heute auf morgen nicht mehr gekommen. Das Ganze liegt allerdings schon über zwanzig Jahre zurück. Ich muß damals etwa achtzehn oder neunzehn Jahre alt gewesen sein. Marianne Schönfeld ist eine bildhübsche, junge Frau gewesen. Sie war mit einem Mann verlobt, der in München gearbeitet hat. Soviel ich weiß, bei der Bahn, da will ich mich jedoch nicht festlegen. Sie wollten zu Weihnachten heiraten, damit das Kind, das sie erwartete, ehelich geboren werden konnte. Es sollte nicht sein. Ihr Verlobter wurde bei einem Banküberfall angeschossen, lag einige Zeit im Koma und starb. Kurz darauf hatten ihre Eltern auf der Fahrt nach München einen schweren Autounfall. Ihr Vater starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus, ihre Mutter erlitt eine schwere Rückgratverletzung, die sie an den Rollstuhl fesselte.«

»Ich wußte nur, daß Doris Schönfeld jahrelang im Rollstuhl gesessen hat«, antwortete Franziska schriftlich. »Manchmal habe ich Marianne Schönfeld gesehen, wenn sie ihre Mutter spazierengefahren hat. Sie haben mir beide immer schrecklich leid getan.«

»Sie konnten einem auch beide von Herzen leid tun«, bestätigte Eric.

»Kein Wunder, daß Marianne Schönfeld nur noch ein Wrack ist. Seit dem Tod ihres Verlobten wird sie nicht mehr sehr viel zum Lachen gehabt haben.« Franziska dachte an ihren Vater, der nach einem Traktorunfall auch noch ab und zu auf den Rollstuhl angewiesen war, obwohl er sich jetzt schon ganz gut auf Krücken bewegen konnte. Es war keineswegs einfach gewesen, ihn während der langen Wochen, in denen er geglaubt hatte, nie wieder laufen zu können, zu versorgen. Sie sah den Arzt an. »Du hattest davon gesprochen, daß Frau Schönfeld beim Tod ihres Verlobten schwanger gewesen ist. Was ist aus dem Kind geworden?«

»Es starb gleich nach der Geburt«, antwortete der Arzt. »Allerdings hörten wir nur davon, denn damals war Marianne Schönfeld schon nicht mehr die Patientin meines Vaters, und ihre Mutter lag noch in der Reha-Klinik. Nach ihrer Rückkehr wechselte auch sie den Arzt.«

»Seltsam, nicht wahr?«

Dr. Baumann nickte. »Ja, wenn ich so darüber nachdenke, ist es wirklich seltsam. Ich weiß noch, daß mein Vater niemals verstanden hat, weshalb die beiden Frauen es plötzlich vorzogen, einen Arzt in Rottach-Egern aufzusuchen.« Er hob die Schultern. »Nun, vielleicht wollten sie ganz einfach die Vergangenheit hinter sich lassen.«

Franziska stellte ihre Tasse auf dem Tisch ab. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, da steckt sicher mehr dahinter«, schrieb sie. »Es sollte dir zu denken geben, daß sie jetzt, nach dem Tod ihrer Mutter, wieder den Arzt gewechselt hat!«

»Das ist nichts Ungewöhnliches dabei, Franziska. Doktor Fischer ist letzten Monat fünfundsechzig geworden und will demnächst seine Praxis aufgeben.«

»Vermutlich hast du die Krankenunterlagen Frau Schönfelds von ihm angefordert. Bist du dir sicher, daß sie vollständig sind?«

»Was die letzten zehn Jahre betrifft, auf jeden Fall.«

»Und die Jahre davor?«

Dr. Baumann hob amüsiert die Augenbrauen. »Man könnte meinen, du hättest den Beruf gewechselt und wärst zur Polizei gegangen«, sagte er. »Vor zehn Jahren hat es in der Praxis von Doktor Fischer gebrannt. Die meisten seiner Krankenakten sind ein Raub der Flammen geworden.«

»Wie praktisch«, schrieb Franziska.

Eric lachte auf. »Davon abgesehen, daß dieser Brand bestimmt nicht gelegt worden ist, um die Krankenakten von Frau Schönfeld zu vernichten, habe ich auch manchmal den Eindruck, als würde es da noch etwas geben, womit sie nicht fertig wird.«

Die junge Krankengymnastin nickte. »Ich bin überzeugt, daß

in ihrer Geschichte noch ein

Puzzlesteinchen fehlt«, schrieb sie. »Nun, wie ich dich kenne, wirst du irgendwann darüber stolpern.« Sie stand auf, um nach Hause zu fahren.

»Warten wir es ab«, erwiderte er und klappte Mariannes Krankenakte zu.

*

Julia Wagner warf einen Blick aus dem Fenster des kleinen Restaurants, in dem sie frühstückte. Es regnete seit Tagen. Wie es aussah, würde es sich auch an diesem Tag nicht aufklaren. »Unser Besuch in Rottach-Egern scheint nicht gerade unter einem guten Stern zu stehen, Amir«, sagte sie zu dem sechs Monate alten Rottweiler-Mischling, der unter dem Tisch lag und an einem Kauknochen nagte.

Amir hob den Kopf, stieß mit der Schnauze zärtlich gegen das Schienbein der jungen Frau und widmete sich wieder dem Knochen.

»Wundert mich nicht, daß du dir über den Regen keine Gedanken machst«, meinte Julia. »Schließlich bin ich es ja auch, die am Steuer sitzen muß.« Sie überlegte, ob sie nicht lieber noch einen Tag länger in Holzkirchen bleiben sollte, wo sie übernachtet hatte, weil der Regen am Vorabend so heftig geworden war, daß sie kaum noch etwas hatte erkennen können, sagte sich dann jedoch, daß es zum Tegernsee nur noch ein paar Kilometer waren.

»Hätten Sie gern noch etwas Kaffee?« fragte die Wirtin.

»Gern.« Julia reichte ihr die Tasse.

»Ein Wetter ist das wieder.« Die Wirtin seufzte auf. »Wenn ich etwas hasse, dann ist es Regen.«

»Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, dann geht es mir genauso«, gestand Julia. »Es regnete schon, als wir in Hamburg abgefahren sind. Allerdings hatte ich nicht erwartet, daß uns das schlechte Wetter bis nach Rottach-Egern begleiten würde.«

»Machen Sie dort Ferien?«

»Mehr oder weniger«, antwortete die junge Frau. »Ich möchte meine Mutter besuchen.«

»Vermutlich haben Sie Ihre Mutter schon sehr lange nicht mehr gesehen.«

Julias Gesicht verschloß sich. »Das kann man wohl sagen«, meinte sie.

Die Wirtin fühlte, daß die junge Frau nicht über ihre Mutter sprechen wollte. »Soll ich Ihrem Hund noch etwas Fleisch bringen?« erkundigte sie sich.

Amir kroch unter dem Tisch hervor. »Wuw«, machte er und wedelte freundlich mit der Rute.

»Sieht aus, als hätte Amir Sie verstanden.« Julia lachte. Sie griff nach der Schüssel, die der Rottweiler längst geleert hatte, und gab sie der älteren Frau. »Du bist ein Schlingel«, meinte sie und nahm seinen Kopf in beide Hände.

Es dauerte nicht lange und die Wirtin kehrte mit einem halbvollen Napf zurück. »Wie sind Sie auf den Namen Amir gekommen?« fragte sie und stellte den Napf zu Boden. Der Rottweiler schlang das Fleisch so hastig hinunter, als hätte er seit Tagen nichts mehr zwischen die Zähne bekommen.

»Ich habe ihn in einem Buch gelesen«, antwortete Julia. »Ein Prinz hieß so. Der Name bedeutet der Erleuchtete.«

Amir hob die Schnauze aus dem leeren Napf und setzte sich auf sein dickes Hinterteil. Er machte einen ungemein würdevollen Eindruck. Allerdings hielt dieser nur so lange an, bis er den Fleischbrocken entdeckte, der neben den Napf gefallen war. Gierig schnappte er danach, dann machte er sich wieder über den Kauknochen her.

Die junge Frau beendete in Ruhe ihr Frühstück und warf auch noch einen Blick in die Zeitung. Sie hatte es nicht sonderlich eilig, weil sie immer noch hoffte, daß der Regen endlich aufhören würde.

Plötzlich versiegte der Regen von einer Minute zur anderen. Die Wolken zogen weiter, und die Sonne kam hervor. Ein prächtiger Regenbogen überspannte den Himmel und ließ das Grau in Grau der letzten Tage vergessen.

»Komm, Amir, bevor man es sich wieder anders überlegt.« Julia stand auf. Eilig beglich sie die Rechnung und trug ihr Gepäck zum Wagen. Amir verschwand noch einmal zwischen den Büschen, um anderen Hunden anzuzeigen, daß er hiergewesen war.

»Amir, wo bleibst du denn?« Julia öffnete die Fondtür. »Auf!« Sie wies in den Wagen.

Der Rottweiler sprang auf den Rücksitz und ließ sich widerwillig angurten. Ergeben legte er sich hin, die Schnauze zwischen den Vorderpfoten vergraben.

»Ich weiß, daß du den Gurt haßt, Amir.« Die junge Frau nahm hinter dem Steuer Platz. »Aber es geht nun mal nicht anders. Ich muß mich ja auch angurten.«

Amir stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus.

»Alter Angeber.« Julia startete den Motor. Gleich darauf fuhr sie vom Parkplatz und bog in die Straße nach Gmund ein.

Die junge Frau hätte die Fahrt zum Tegernsee gern genossen, aber mit den Gedanken war sie bei ihrer Mutter. Sie hatte Angst vor der Begegnung mit ihr und wußte doch gleichzeitig, daß kein Weg daran vorbeiführte. Sie mußte ihre Mutter endlich kennenlernen, um ihr all die Fragen zu stellen, die ihr seit Jahren auf der Seele brannten.

Von der Höhe der Straße aus konnte Julia den See bereits sehen. Mit einem Mal fühlte sie sich viel ruhiger. Sie überlegte, ob sie nicht für einige Zeit am Tegernsee bleiben sollte. Es war ja nicht nötig, daß sie sich ein Zimmer in Rottach-Egern nahm. Vielleicht konnte sie sich ein Ferienhäuschen in Bad Wiessee oder Gmund mieten.

Die junge Frau hielt am Straßenrand und stieg aus. Amir kam auf die Beine. Er wollte ebenfalls aus dem Wagen. Enttäuscht begann er zu wimmern, weil Julia keine Anstalten machte, ihn von seinem Gurt zu befreien.

»Wir fahren gleich weiter«, versuchte Julia ihn zu beruhigen und blickte auf den See und die umliegenden Ortschaften. Sie fragte sich, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn es ihr vergönnt gewesen wäre, hier aufzuwachsen.

Was half es, sich darüber den Kopf zu zerbrechen? Julia stieg wieder in den Wagen, um weiterzufahren. »Hoffentlich finde ich mit dir Gauner überhaupt für die Nacht eine Unterkunft«, sagte sie zu Amir, während sie auf die vor Nässe glänzende Straße schaute. An einigen Stellen hatte es die Sonne noch nicht geschafft, sie zu trocknen. »Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn ich mich vorher nach einem Zimmer erkundigt hätte.« Auf der Fahrt von Hamburg hatte sie festgestellt, wie schwierig es sein konnte, mit einem Hund zu reisen. Es gab nicht viele Hotels, Gasthäuser und Pensionen, die vierbeinige Gäste duldeten.