Der Bergdoktor 1943 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1943 E-Book

Andreas Kufsteiner

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Bei uns im Sorgental - Eine tragische Familiengeschichte, die zutiefst berührt


Schon seit jeher sind die beiden Bauern aus dem kleinen Weiler Sorgental verfeindet. Kaum einer erinnert sich überhaupt noch daran, wie der Streit zwischen dem Steiniger-Kilian und dem Lipponer-Urs einmal angefangen hat. Auch ihre Kinder haben von Geburt an gelernt, sich gegenseitig zu hassen. Nur dass Hass und Liebe manchmal sehr nah beieinander liegen, das haben sie nicht bedacht ...

Als Kilian Steininger nach einem heftigen Schlaganfall das Zeitliche segnet, beschließt der verwegene Jungbauer Fabian Lipponer - trotz der Familienfehde -, um die hübsche Pauline Steininger zu werben. Schließlich ist sie nun eine reiche Erbin, und der Lipponer-Hof könnte einen kleinen Geldsegen gut gebrauchen! Zu seiner Überraschung muss er feststellen, dass Pauline tatsächlich ein sehr patentes Madel ist. Und was als berechnender Schachzug begann, verwandelt sich doch noch in wahre Liebe. Aber hat die eine Chance?

***

Im schönen Zillertal lebt und wirkt der Mann, den Millionen Leser und Fernsehzuschauer seit Jahren lieben: Dr. Martin Burger - Der Bergdoktor. Ein Mann, dessen persönliches Schicksal ihn empfänglich gemacht hat für die Probleme und das Leid seiner Mitmenschen. Ein Arzt, der stets bereit ist, das Äußerste für seine Patienten zu wagen. Das idyllische Dorf St. Christoph dient als Kulisse für die spannenden Geschichten. Hier ist Dr. Martin Burger eine soziale und moralische Instanz - ein aufrechter, geradliniger Charakter, der alle guten traditionellen Werte in sich vereinigt und selbstlos danach handelt.

Mit inzwischen über 1800 Folgen, einer Gesamtauflage von über 55 Millionen Exemplaren und einer gleichnamigen TV-Serie hat "Der Bergdoktor" längst den Gipfel der Berg- und Heimatromane erklommen. Eine echte Erfolgsserie!

Jede Woche erscheint eine neue Folge.
Jede Folge ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen Folgen der Serie gelesen werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 131

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Bei uns im Sorgental

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-7169-7

www.bastei-entertainment.de

Bei uns im Sorgental

Eine tragische Familiengeschichte, die zutiefst berührt

Von Andreas Kufsteiner

Schon seit jeher sind die beiden Bauern aus dem kleinen Weiler Sorgental verfeindet. Kaum einer erinnert sich überhaupt noch daran, wie der Streit zwischen dem Steiniger-Kilian und dem Lipponer-Urs einmal angefangen hat. Auch ihre Kinder haben von Geburt an gelernt, sich gegenseitig zu hassen. Nur dass Hass und Liebe manchmal sehr nah beieinander liegen, das haben sie nicht bedacht …

Als Kilian Steininger nach einem heftigen Schlaganfall das Zeitliche segnet, beschließt der verwegene Jungbauer Fabian Lipponer – trotz der Familienfehde –, um die hübsche Pauline Steininger zu werben. Schließlich ist sie nun eine reiche Erbin, und der Lipponer-Hof könnte einen kleinen Geldsegen gut gebrauchen! Zu seiner Überraschung muss er feststellen, dass Pauline tatsächlich ein sehr patentes Madel ist. Und was als berechnender Schachzug begann, verwandelt sich doch noch in wahre Liebe. Aber hat die eine Chance?

Zenzi Bachhuber ging so eilig durch die Kirchgasse, dass sie sogar den Gruß des Apothekers überhörte. Sie strebte dem Laden der Jeggl-Alma zu, wo sie dringend ein Packerl Zimt kaufen musste.

Wie hatte sie das nur vergessen können! Dabei hatte sie doch den Burgers versprochen, einmal wieder den Kaiserschmarrn nach dem Rezept zuzubereiten, den ihr die Ahndl hinterlassen hatte. Heut zum Abendbrot hatte es so weit sein sollen, doch dann hatte sie entdeckt, dass nicht mehr genügend Zimt vorhanden war.

Der Gemischtwarenladen war im Erdgeschoss eines großen Eckhauses untergebracht, im selben Stockwerk gab es noch ein Friseurgeschäft. Alma Jeggl, die umtriebige Besitzerin, vermietete im Obergeschoss außerdem noch Gästezimmer.

Alma hatte das Herz auf dem rechten Fleck, das musste auch Martin Burger, der Bergdoktor, zugeben – auch wenn er es nicht gerne sah, dass ihre Süßigkeiten für die Kinder ständig eine Versuchung darstellten. Und dass Alma und Zenzi manchmal zu ausgiebig kosteten, wenn ein neuer Likör im Sortiment war, das war ihm auch nicht recht. Denn die Jeggl-Alma und Zenzi Bachhuber, die gute Seele des Doktorhauses, waren schon Freundinnen, solange man denken konnte.

Zenzi eilte in den Innenhof und öffnete so ungestüm die Ladentür, dass die altmodische Klingel schrill aufkreischte. Vor der Ladentheke drängten sich einige Dörflerinnen zusammen und tuschelten aufgeregt miteinander. Als sie Zenzi erblickten, sahen sie kurz in ihre Richtung, widmeten sich aber gleich wieder ihrem Gespräch.

»Dass der Lipponer schon wieder vor den Kadi zieht, ist kaum zu glauben. Der wirft diesen Rechtsverdrehern noch sein ganzes Hab und Gut in den Rachen! Und das alles nur wegen dem Wegerl zu diesem Stück Brachland«, sagte die Niedermoserin, eine schon etwas betagte Bäuerin, die immer auf dem neuesten Stand war.

In den blassblauen Augen der Leitnerin funkelte es auf. Sie war eine magere, reizlose Frau, die dafür bekannt war, dass Klatsch ihr Lebensinhalt war. Böse Zungen behaupteten sogar, dass sie sich bei der Aussicht, eine unerhörte Neuigkeit als Erste zu erfahren, sogar noch vom Totenbett erheben würde.

»Der Steininger ist auch net besser. Hat er den Lipponer net erst im Frühjahr verklagt mit der Behauptung, dass er eines seiner Felder unter Gülle gesetzt hätt?«, setzte sie fragend hinzu.

»Aber nachweisen hat man’s ihm vor Gericht net können«, wandte die Niedermoserin ein. »Dass die beiden einfach keine Ruh geben! Das ist eine Schand für unser schönes Zillertal!«

»Nun, das ist ja nichts Neues«, meinte die Jeggl-Alma, und ihr Tonfall verriet, dass sie dem Getratsche gern ein Ende bereitet hätte. »Brauchst du noch was, Leitnerin? Ich hab Herrensocken in allen Größen im Angebot.«

»Herrensocken? Dauernd geht meinem Mandl einer verloren. Zu Weihnachten könnt ich ihm wieder mal ein Paar schenken, man muss ja vorausdenken …«

»Vor allem, wenn es schon fast Mai ist«, stichelte die Niedermoserin. »Und Männer freuen sich ja so über Socken.«

Die Leitnerin schenkte ihr keine Beachtung. Mit geneigtem Kopf musterte sie die Socken, die in wirrem Durcheinander in einem großen Korb lagen.

»Ich komm ein andermal vorbei«, sagte sie. »Die Auswahl ist so groß, dass ich mich net gleich entscheiden kann.«

»Schon recht«, erwiderte Alma. Sie wusste allerdings, dass die Leitnerin versuchen würde, den Preis herunterzuhandeln, wenn die anderen nicht dabei waren.

Auch die übrigen Frauen brachen auf, nachdem sie noch einmal ihre Einkaufszettel überprüft hatten.

Zenzi hätte ja gerne noch ein paar Fragen gestellt, denn die nicht enden wollenden Nachbarschaftsstreitigkeiten zwischen den Lipponers und den Steiningers wurden von ihr genauso mitverfolgt wie von den meisten Dörflern.

»Ich hab was Neues hereinbekommen, Zenzi …«, begann Alma.

»Es tut mir leid, aber ich hab’s eilig. Ich hab grad angefangen mit dem Kaiserschmarrn, als ich bemerkt hab, dass ich net genug Zimt hab. Könntest du mir ein Packerl geben? Am Wochenende komm ich vorbei, wenn es dir recht ist. Dann haben wir auch ein bisserl Zeit und können uns in Ruh unterhalten.«

»Das würd mich freuen. Wart, ich hol dir gleich dein Packerl.«

Und dabei beließ es Alma nicht, sondern sie füllte der Zenzi noch ein Tüterl mit Schokoladenkaramellen, die die Doktorkinder besonders liebten. Wie in früheren Zeiten waren große, bauchige Gläser auf der Theke aufgereiht, in denen die verschiedensten Süßigkeiten angeboten wurden – eine wahre Verlockung.

Zenzi bedankte sich erfreut und kehrte dann ins Doktorhaus zurück. Dort erfuhr sie, dass Dr. Burger erst eine Stunde später nach Hause kommen würde, da ihn ein Notfall aufgehalten hatte. Das ließ Zenzi genug Zeit, um in aller Ruhe das Essen zuzubereiten und den Tisch zu decken.

Während sie herumwerkelte, dauerte es nicht lange, bis die fast neunjährige Tessa mit schief geneigtem Kopf auf der Küchenschwelle stand und sie beobachtete. Sie war ein reizendes Kind mit dunklen Brombeeraugen und schwarzbraunen Locken, denen sie den Kosenamen »Schneckerl« verdankte.

Tessa war nicht die leibliche Tochter der Burgers, sondern ein Findelkind, das sie aufgenommen hatten. Doch das war längst vergessen, sie gehörte untrennbar zur Familie.

»Warst du vorhin bei der Jeggl-Alma?«, fragte sie mit einem schelmischen Grinsen.

Zenzi musste ein Lächeln unterdrücken.

»Ich hab bloß ein Packerl Zimt geholt«, gab sie gleichmütig zur Antwort und fuhr mit ihrer Arbeit fort.

Tessas jüngerer Bruder Philipp, der Filli genannt werden wollte, erschien hinter ihr. Filli kam ganz auf seine Mutter heraus, mit seinem Blondschopf und den braunen Augen. Er freute sich schon darauf, bald Schulanfänger zu sein, denn er gehörte zu den Kindern, die immer alles ganz genau wissen wollten.

»Aber die Jeggl-Alma gibt dir doch immer etwas mit«, meinte er und ließ seine Blicke neugierig in der Küche umherschweifen.

Zenzi hatte schon mehrere Verstecke angelegt, um die begehrten Schokoladenkaramellen vor den Kindern zu verstecken, denn ihr Vater war strikt dagegen, dass sie sich mit Süßigkeiten die Zähne ruinierten. Doch Tessa und Filli waren überaus findig, und so hatte sich Zenzi immer wieder etwas Neues ausdenken müssen.

»Ich hab’s aber eilig gehabt, deshalb …«

Ihr Gespräch wurde von Sabine Burger unterbrochen, die die zweieinhalbjährige Laura auf der Terrasse gefüttert hatte und nun mit ihr auf dem Arm ebenfalls zu ihnen trat.

Das Nesthäkchen gähnte und rieb sich die Augen.

»Gleich fallen ihr die Äuglein zu«, stellte Zenzi fest. »Das Tschapperl muss dringend ins Bett.«

Sabine küsste die Kleine auf ihre flaumigen Löckchen.

»Und genau dort geht es jetzt auch hin«, bestätigte sie lachend und stieg mit ihrer Jüngsten die Treppe hoch, die zu den Schlafzimmern führte.

Wieder allein, sah sich Zenzi den Blicken der beiden Kinder ausgesetzt, und wie immer gab sie schließlich nach.

»Die Alma hat mir schon ein Tüterl in die Hand gedrückt. Da bekommt jeder von euch ein Betthupferl nach dem Essen. Aber nur eins!«, fügte sie streng hinzu. »Net, dass ihr mir hier wieder alles durchwühlt.«

»Du bist halt doch die Beste«, rief Tessa aus.

»Und du bist net nur eine Naschkatze, sondern auch eine Schmeichelkatze, Tessa. Und jetzt deckt ihr zwei den Tisch, aber ein bisserl flink.«

»Und Kompott gibt’s auch dazu?«, vergewisserte sich Tessa noch.

Zenzi knurrte, und das Mädchen eilte lachend ins Esszimmer.

Bald war der Tisch schön gedeckt. In der Mitte prangte ein üppiger Strauß später Tulpen in tiefem Dunkelrot, die Sabine im Garten hinter dem Haus gepflanzt hatte.

Die Zwischentür ging, Martin Burger war zurück. Er war ein hochgewachsener, sportlich aussehender Mann mit markanten Zügen, der wesentlich jünger als seine einundfünfzig Jahre wirkte. Sabine, die sechzehn Jahre jünger war als er, versäumte nie, ganz beiläufig zu erwähnen, wie attraktiv sie ihn fand.

Sofort umringten die Kinder ihren Vater und überfielen ihn mit allerhand neugierigen Fragen, nur der Rauhaardackel Poldi übertönte sie noch mit seinem Gekläff. Und dann kam Sabine die Treppe herunter und gab ihrem Mann einen zärtlichen Kuss auf die Wange.

Wie sehr er dieses Familienleben liebte, auch wenn es hin und wieder recht laut zuging! Das hatte er lange vermisst …

Einst war er in erster Ehe glücklich verheiratet gewesen, doch dann war seine Frau Christl an Geburtskomplikationen gestorben und hatte das Kindl mit sich genommen. Martin hatte es nicht mehr ausgehalten in der Heimat, die er doch so sehr liebte, und war nach München gegangen, um dort seinen Facharzt als Chirurg zu machen.

Erst als sein Vater die Praxis nicht mehr allein hatte führen wollen, war Martin nach St. Christoph zurückgekehrt. Er hatte das Doktorhaus um einen Anbau erweitert, in dem Röntgen- und Laborräume untergebracht waren. Auch einen kleinen Operationssaal und zwei Krankenzimmer für Notfälle gab es, von den Dörflern allgemein die »Mini-Klinik« genannt.

Sein Beruf hatte jahrelang völlig im Mittelpunkt seines Lebens gestanden, auf ein persönliches Glück hatte er nicht mehr zu hoffen gewagt … bis er der jungen Wiener Anästhesistin Sabine begegnet war, die in St. Christoph ihre Tante Rika besuchte.

Für beide war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sabine hatte alles aufgegeben, was bisher ihr Leben ausgemacht hatte – ihre Stellung in einer Wiener Klinik, die Freunde und die kulturellen Angebote und Zerstreuungen dieser Großstadt. Sie war zu ihm nach St. Christoph im Zillertal gezogen und hatte es noch nie bereut.

Ein schriller Schrei aus der Küche riss ihn aus seinen Tagträumen.

»Zenzi …«, stieß er hervor und eilte zu ihr.

»Beinah ist mir der schöne Kaiserschmarrn auf den Boden gefallen! Heut geht aber auch fast alles schief«, beklagte sie sich, und der Knoten, der sonst fest an ihrem Hinterkopf saß, zeigte deutliche Auflösungserscheinungen.

»Das hat sich ja wie ein Notfall angehört«, sagte Martin trocken.

»Spotte du nur«, erwiderte sie gekränkt. Dabei hielt sie krampfhaft die Platte mit dem Kaiserschmarrn an sich gepresst, als könnte sie ihr doch noch entgleiten.

Zenzi hatte eine ganz besondere Stellung im Doktorhaus. Sie hatte den verwaisten elfjährigen Martin an Mutter statt aufgezogen, und die beiden waren sich sehr zugetan.

Nicht nur Zenzis Kleidung und ihre Frisur waren altmodisch, sondern auch ihre Ansichten. So hatte sie sehr strenge Vorstellungen von Kindererziehung, die sie zwar bei jeder Gelegenheit von sich gab, aber glücklicherweise nie anwandte. Denn sie liebte »ihre Familie«, vor allem aber die Kinder, über alles.

»Wo ist denn der Vater, damit wir alle zusammen essen können?«, fragte Martin, nachdem er sich am Esstisch niedergelassen hatte.

»Schon bei Fuß«, ertönte eine wohlklingende Stimme.

Pankraz Burger, der Vater des Bergdoktors, war aus seinem Kabinettl hervorgetreten, das sich an das Wohnzimmer anschloss. Er war ein stattlicher Mann von siebenundsiebzig Jahren mit deutlich gewölbter Leibesmitte, was die Folge seiner Esslust war.

Pankraz war ein liebevoller Großvater, der mit den Enkeln gerne lange Spaziergänge durch die herrliche Bergnatur unternahm und sich nicht scheute, die kleine Laura im Buggy vor sich herzuschieben. Poldi folgte ihnen natürlich unverdrossen.

Das große Interesse des Seniors galt der Heimatgeschichte, und so schrieb er schon lange an einer Chronik des Zillertals. Tessa und Filli liebten es, wenn er ihnen aus der Chronik vorlas. Allerdings waren manche Überlieferungen so unheimlich, dass sie als Gute-Nacht-Geschichte wenig taugten und die beiden eher um den Schlaf brachten.

Poldi begab sich auf seinen Lieblingsplatz neben Pankraz, denn meistens wurde ihm dann verstohlen etwas unter den Tisch gereicht. Das sah Sabine sehr ungern, denn sie ließ sich häufig über die Gesundheitsgefährdung durch Übergewicht aus, wobei sie manchmal sogar wenig schmeichelhafte Vergleiche zwischen ihrem Schwiegervater und dem Rauhaardackel zog.

Dennoch waren sich die beiden herzlich zugetan, denn Sabine hatte aus seinem Sohn wieder einen glücklichen Mann gemacht. Obendrein hatte sie Pankraz auch noch die Enkel geschenkt – ein Glück, auf das er nicht mehr zu hoffen gewagt hatte.

Heute war kein guter Tag für Poldi. Statt des erhofften Würstls erhielt er nur ein bisserl von dem Kaiserschmarrn, den er ziemlich freudlos verzehrte. Dann stand er auf und trottete zu seinem Körbchen unter dem Treppenaufgang im Flur – dort konnte er ungestört schmollen.

»Jessas, der Poldi! Ich hab vergessen, etwas für ihn herauszulegen«, sagte Zenzi, der Poldis Rückzug nicht entgangen war.

»Der Poldi ist wohlgenährt genug. Dem schadet es nichts, wenn er einmal fastet«, meinte Sabine mit einem bezeichnenden Blick auf ihren Schwiegervater.

»Wie grausam und kaltherzig du sein kannst«, sagte Pankraz so melodramatisch, dass alle lachen mussten.

Zenzis Kochkünste wurden wieder einmal von allen gelobt, und man war in bester Stimmung. Zwar wollten Tessa und Filli danach noch lange nicht zu Bett gehen, doch als der Großvater ihnen versprach, ihnen eine Geschichte aus der Chronik vorzulesen, waren sie rasch versöhnt.

»Aber net so eine gruselige, dass die armen Hascherln net einschlafen können oder Albträume bekommen«, sagte Zenzi mahnend.

»Nein, in der Legende wird erzählt, wie ein Madel von einem jungen Mann aus einem reißenden Gebirgsbach gerettet wird und nach vielen Prüfungen seine Frau wird«, erklärte Pankraz.

»Sehr romantisch«, erwiderte Zenzi trocken.

Das Geschirr wurde abgeräumt und in die Küche getragen, und der Bergdoktor holte eine Flasche Wein aus dem Keller. Bald darauf kam auch Pankraz die Treppe hinunter und verkündete, dass die Kinder eingeschlafen seien.

»Ich bin mit der Geschichte noch nicht einmal zu Ende gekommen«, sagte er höchst zufrieden. »Und die Laura schläft auch wie ein kleines rosiges Engerl.«

Man saß noch eine Weile bei einem Glaserl Wein im Wohnzimmer beisammen und unterhielt sich.

Zenzi setzte mehrmals vergeblich zum Sprechen an, unterließ es aber immer wieder.

»Du warst heut wohl bei der Jeggl-Alma, dir scheint ja förmlich etwas auf der Zunge zu brennen«, spöttelte Martin nach einem Blick auf ihr Gesicht. Der Bergdoktor nannte den Laden immer die »Brutstätte des Klatsches«.

Zenzi ließ sich nicht lange bitten.

»Der Lipponer und der Steininger liegen sich schon wieder in den Haaren«, berichtete sie. »Dieses Mal geht es um ein Wegerl zu einem Stück Brachland …«

»Jessas, dass die Zwei aber auch keine Ruh geben können! Was die sich schon alles gegenseitig angetan haben«, fiel ihr Pankraz aufgebracht ins Wort. »Das sind die schlimmsten Nachbarn hier im ganzen Tal.«

»Was ist denn die eigentliche Ursache für die Streitereien?«, fragte Sabine. »Irgendetwas muss doch vorgefallen sein.«

»Eigentlich sind die Familien in dem kleinen Weiler immer gut miteinander ausgekommen. ›Bei uns im Sorgental gibt es keinen Unfrieden, wir halten zusammen‹, hieß es immer. Aber das hat sich grundlegend geändert.«

»Angeblich haben sich der Lipponer und der Steininger in dasselbe Madel verliebt in ihrer frühen Jugend«, wusste Zenzi zu berichten.

»Wenn ich daran denk! Ich bin zu Hilfe gerufen worden, denn die beiden hatten sich so geprügelt, dass einer von ihnen schwer verletzt war und in die Klinik gebracht werden musste«, sagte Pankraz und schüttelte in Erinnerung daran den Kopf.

»Und? Wer hat das Madel am Ende bekommen?«, wollte Sabine wissen.

Zenzi lachte auf. »Keiner von den beiden. Dem Madel sind dadurch die Augen aufgegangen, gerade noch rechtzeitig. Sie hat später nach Mayrhofen geheiratet und soll ganz glücklich geworden sein, soviel ich weiß.«

»Das muss die beiden jungen Männer doch hart getroffen haben, und sicher hat jeder dem anderen die Schuld dafür gegeben. Aber geheiratet haben sie dann am Ende auch, oder?«, fügte Sabine fragend hinzu.