Der Bergdoktor 2059 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2059 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

"Unglückshof", so wird der Berghof der Paltingers, zwischen St. Christoph und Hochbrunn gelegen, von den Dörflern genannt. Es scheint ein Fluch darauf zu liegen, denn für seine Bewohner hat das Leben nur Arbeit, Mühsal und Schicksalsschläge zu bieten.
Als Dr. Martin Burger die junge Krankenschwester Ina Eggerer auf den Hof vermittelt, um den Altbauer zu pflegen, hat er kurz ein ungutes Gefühl. Doch wider Erwarten kommt Ina mit dem unleidlichen Grantler zurecht. Und auch Michael, den Jungbauern, findet sie auf Anhieb sympathisch. Soll auf dem "Unglückshof" endlich wieder das Glück einziehen?
Da taucht Michael eines Tages in der Praxis des Bergdoktors auf - völlig aufgelöst und mit einer grausigen Hiobsbotschaft ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Als alles schon zu Ende schien

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag / von Sarosdy

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0795-4

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Als alles schon zu Ende schien

Kann Dr. Burger ihr helfen?

Von Andreas Kufsteiner

»Unglückshof«, so wird der Berghof der Paltingers, zwischen St. Christoph und Hochbrunn gelegen, von den Dörflern genannt. Es scheint ein Fluch darauf zu liegen, denn für seine Bewohner hat das Leben nur Arbeit, Mühsal und Schicksalsschläge zu bieten.

Als Dr. Martin Burger die junge Krankenschwester Ina Eggerer auf den Hof vermittelt, um den Altbauer zu pflegen, hat er kurz ein ungutes Gefühl. Doch wider Erwarten kommt Ina mit dem unleidlichen Grantler zurecht. Und auch Michael, den Jungbauern, findet sie auf Anhieb sympathisch. Soll auf dem »Unglückshof« endlich wieder das Glück einziehen?

Da taucht Michael eines Tages in der Praxis des Bergdoktors auf – völlig aufgelöst und mit einer grausigen Hiobsbotschaft ...

Ganz am Ende des Zillertals, in einem schmalen Seitental, fand sich die idyllisch gelegene Gemeinde St. Christoph, umgeben von sechs markanten Bergen, eingebunden in das majestätische Panorama der Zillertaler Alpen.

Lichte Bergwälder, tiefdunkler Tann und weite, landwirtschaftlich genutzte Felder wechselten sich hier ab. Gepflegte Bauernhäuser, inmitten liebevoll angelegter Gärten, scharten sich um die weiße Dorfkirche mit dem Zwiebelturm. Große, traditionsreiche Höfe mit ihren Feldern, Wiesen und Weiden umgaben das Dorf.

Auch auf den Höhen fanden sich landwirtschaftliche Betriebe. Berghöfe, die teilweise schon seit Generationen im Familienbesitz waren und noch immer bewirtschaftet wurden.

An der Westseite des Feldkopfs, des höchsten Berges im Tal von St. Christoph, standen einige davon. Und auch in den Hochtälern zwischen den Gemeinden fand man sie.

Folgte man der schmalen Bergstraße, von Mayrhofen kommend, passierte man Hochbrunn, Mautz, Altenacker, Bergfelden und Hohenluft, das bereits oberhalb der Baumgrenze lag.

Zwischen St. Christoph und Hochbrunn, weltabgeschieden und nur über einen Hohlweg, mitten durch himmelhohe Föhren geschlagen, zu erreichen, lag der Hof der Familie Paltinger.

Der Abzweig von der Landstraße war für einen Ortsfremden kaum zu finden. Man musste sich schon auskennen, wollte man dem »Unglückshof« einen Besuch abstatten.

In St. Christoph und Umgebung wollte das allerdings niemand.

Dass der schöne, alte Hof mit dem weit ausladenden Schindeldach und den kunstvollen Lüftlmalereien einen so schlechten Ruf hatte, kam nicht von ungefähr. Viele Geschichten gab es, die sich um den Berghof rankten, und keine hatte ein Happy End.

Hinter vorgehaltener Hand erzählte man sich allerlei Schauermärchen über den Hof und seine Bewohner, die allerdings erst bei fortgeschrittenem Bierkonsum so recht farbig und lebendig werden wollten.

Nüchtern betrachtet unterschied sich das Leben auf dem Paltinger-Hof nicht wirklich von dem auf allen anderen Berghöfen. Die Arbeit an steilen Wiesen und Weiden war hart, die Einsamkeit setzte den Menschen auf der Höhe zu, vor allem im Winter. Es kam häufig vor, dass man über Wochen eingeschneit und von der Außenwelt abgeschnitten war.

Doch das war nicht alles. Und da lief dann die Fantasie der Wirtshauspoeten so recht zu großer Form auf.

Als junger Mann hatte der heutige Altbauer Josef Paltinger die schöne Hoftochter Marisa Ertl aus St. Christoph heimgeführt. Sie hatte eine ordentliche Mitgift in die Ehe mitgebracht und ein heiteres, sonniges Gemüt gehabt. Er schien sein Glück gemacht zu haben, der schneidige Berghofbauer, dessen Charme die Madeln gleich reihenweise erlegen waren. Als Marisa ihm dann auch noch einen strammen Erben in die Wiege gelegt hatte, schien dieses Glück perfekt.

Doch bald hatte sich das Blatt gewendet. Der Paltinger hatte ein unruhiges Gemüt und immer Abwechslung gebraucht. Er konnte seiner Frau nicht lange treu sein.

Marisa hatte gelitten. Ein halbes Dutzend Fehlgeburten, die gefolgt waren, hatten ihren zarten Körper ausgezehrt. Mit nicht einmal vierzig Jahren hatte die Bäuerin die Augen für immer geschlossen. Sie hatte einen kleinen Buben zurückgelassen, der sich ganz verloren gefühlt hatte mit einem verständnislosen, egoistischen Vater.

Der Paltinger hatte sich bald nach dem Tod seiner Frau eine junge Hauserin auf den Hof geholt. Marianne Hold war ein fesches Weib gewesen, das sich wenig für die Hausarbeit und noch weniger für den kleinen Buben interessiert hatte. Mehr hatte ihr der Sinn nach all den teuren Geschenken gestanden, mit denen der Bauer sie für ihr Wohlwollen ihm gegenüber verwöhnt hatte.

Bald hatte sie davon geträumt, einzuheiraten und den schlecht bezahlten Job als Hauserin gegen die gesicherte Position einer Berghofbäuerin zu tauschen. Dass der Paltinger aber nicht daran gedacht hatte, noch einmal zu heiraten, hatte sich gezeigt, als sie in die Hoffnung gekommen war.

Der Bauer hatte sie kurzerhand vor die Tür gesetzt und wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben.

Nach Mariannes erzwungenem Abgang war Josef Paltinger zunehmend grantig geworden und hatte Bier und Enzian in großem Maße zugesprochen, was ihn dauerhaft gereizt und ungerecht werden ließ. Schließlich hatte er es auf diese Weise geschafft, sein Gesinde zu vergraulen, und musste hernach wieder selbst in die Hände spucken, sollte sein Hof nicht vor die Hunde gehen.

Die harte Arbeit hatte dafür gesorgt, dass er vom Alkohol losgekommen war, geläutert war er deshalb aber noch lange nicht gewesen. Weiter war er hübschen jungen Madeln nachgestiegen und hatte sich kaum um seinen Buben gekümmert, der meist sich selbst überlassen geblieben war.

Dass aus Michael Paltinger am Ende noch ein vernünftiger Mensch geworden war, war gewiss nicht das Verdienst seines Vaters.

Nun stand der Jungbauer im sechsundzwanzigsten Jahr, ein fleißiger, besonnener, kluger Bursche. Er hatte die Landwirtschaftsschule in Schwaz mit Auszeichnung hinter sich gebracht und führte den Hof schon seit einer ganzen Weile erfolgreich.

Dass er trotz seines guten Aussehens noch einschichtig war, lag einerseits an seiner ernsten und zurückhaltenden Art. Tanzfeste oder andere Geselligkeiten mied er, denn das Poussieren und Schöntun lag ihm – ganz im Gegensatz zu seinem Vater – nicht im Blut. Und andererseits war es freilich der Ruf des Unglückshofes, der die Madeln trotz allem eher abschreckte.

Keine wollte dort Bäuerin sein. Schon gar nicht, seit Josef Paltinger zum Pflegefall geworden war. Das ausschweifende Leben hatte bei dem Altbauern schließlich seinen Tribut gefordert. Nach mehreren Schlaganfällen hatte er den Hof übergeben und sich aufs Altenteil zurückziehen müssen. Nun lag er den ganzen Tag im Bett und schrie nach Bedienung.

Für Michael, der es schwer hatte, in der Saison einige Kräfte einzustellen, und der sonst die ganze Hofarbeit allein stemmen musste, war das ein unmöglicher Zustand.

***

Dr. Martin Burger, der Bergdoktor von St. Christoph, hatte nicht nur Josefs Leben mit einer raschen Erstversorgung gerettet und zudem verhindert, dass die Spätfolgen zu gravierend ausgefallen waren. Er hatte auch bei einem seiner letzten Hausbesuche auf dem Paltinger-Hof dazu geraten, eine Pflegerin einzustellen. Der Alte hatte davon nichts wissen wollen.

»Geldverschwendung!«, hatte er gezetert. »Der Bub kann sich um mich kümmern. Oder ist das vielleicht zu viel verlangt?«

Michael hatte sich nicht auf Diskussionen mit seinem Vater eingelassen, denn er wusste aus Erfahrung, dass dies doch zu nichts führte. Stattdessen hatte er mit dem Bergdoktor alles Wesentliche besprochen und wollte erst jetzt, da die Sache spruchreif war, noch einmal in Ruhe mit seinem Vater reden.

An diesem sonnigen, aber kalten Wintermorgen brachte er dem Alten wie gewöhnlich das Frühstück ans Bett. In der kalten Jahreszeit hatte Michael naturgemäß etwas mehr Zeit, sich um seinen Vater zu kümmern. Die Arbeit auf den Feldern ruhte, nur das Stallvieh wollte versorgt werden. Und das hatte das Bergbauer schon erledigt, als er mit einem Tablett die Kammer seines Vaters betrat.

Josef nutzte die eheliche Schlafkammer nun allein. Das Doppelbett war gegen ein Pflegebett ausgetauscht und alles ein wenig wohnlich eingerichtet worden.

Michael hatte sich Mühe gegeben. Sein Vater sollte Abwechslung haben, so gab es auch einen Fernseher, viele Bücher und Zeitschriften und vor allem Kreuzworträtsel, denn die löste der Alte für sein Leben gern. Er nannte das, »den Gehirnmuskel trainieren«.

Wirklich zufrieden war Josef mit alldem aber nicht. Und er ließ seine ständige schlechte Laune an dem einzigen Menschen aus, den er noch zu Gesicht bekam: an seinem Sohn.

»Vater, wir müssen was bereden«, erklärte Michael ihm nun betont sachlich. »Es geht um die Pflegerin, die sich in Zukunft um dich kümmern wird.«

Der Alte trank einen Schluck Kaffee und ließ das Haferl dann auf die Untertasse fallen, das es klirrte und ein Teil des Kaffees überschwappte.

»Viel zu heiß. Willst du mich verbrühen?«, knurrte er unleidlich.

»Ich hab mit dem Bergdoktor abgemacht, dass ich nachher bei ihm vorbeikomme und mir die Schwester mal anschaue, die er für dich ausgesucht hat. Er weiß ja am besten, was du brauchst.«

Josef verzog den Mund und deutete auf die Semmel.

»Wie Gummi. Wer soll denn das essen?«

»Sie kommt aus Schwaz, ist ausgebildete Krankenschwester und hat schon Erfahrung in der Pflege, obwohl sie noch jung ist.«

Der Altbauer lachte krächzend.

»Die Butter hat einen Stich. Was ist das? Nennst du das ein Frühstück? Oder willst du mir vielleicht das Essen abgewöhnen, eh?«

»Vater, bitte, hör halt zu.«

»Ich hab alles gehört«, meinte der daraufhin unfreundlich und stopfte sich den Schinken in den Mund. »Hm, viel zu fettig. Also, Bub, du magst dir was Nettes auf den Hof holen, ein junges Madel im weißen Kittel, adrett und fein gerundet, ja? Mei, ich versteh's schon. Aber tu bitt schön net so, als ob du mir damit einen Gefallen erweisen willst.«

Am liebsten hätte Michael seinem Vater das Wort abgeschnitten, aber dann hielt er sich doch zurück und ließ ihn ausreden.

»Ich kann mit der holden Weiblichkeit leider nix mehr anfangen, bin ja nur noch ein Wrack.« Der Alte hielt das gekochte Ei hoch. »Woher stammt das? Hast du es vielleicht der Amsel vor dem Fenster aus dem Nest gestohlen?«

Michael erhob sich mit einem Seufzer. Es hatte wohl keinen Sinn, mit seinem Vater war an diesem Morgen einfach nicht vernünftig zu reden.

»Was ist? Krieg ich keine Antwort?«, blökte der hinter seinem Sohn her. »Was sind das für Sitten, sich einfach wortlos hinauszuschleichen?«

Michael blieb in der offenen Kammertür stehen und seufzte.

»Also, ich warte, leg los.«

Damit brachte er den Alten kurz aus dem Konzept.

»Was meinst du?«

»Gewiss findest du an der Marmelade noch was auszusetzen. Hernach kann ich dann wohl gehen, oder?«

Josef Paltinger kniff die Augen zusammen.

»Mach nur weiter so, du Malefiz!«, wetterte er. »Wirst schon sehen, was du damit erreichst. Am End hast du deinen eigenen Vater auf dem Gewissen, denk an meine Worte!«

»Deshalb bemüh ich mich ja um eine Pflegerin. Dann musst du mich nimmer so oft sehen und brauchst dich net aufzuregen«, spöttelte der Bauer und zog die Kammertür hinter sich ins Schloss.

Drinnen hörte er seinen Vater zetern, doch er wusste aus Erfahrung, dass dieser sich am schnellsten beruhigte, wenn ihm keiner zuhörte. Und Michael hatte jetzt etwas anderes zu tun, als sich von seinem Vater beschimpfen zu lassen.

Er musste sich gleich auf den Weg nach St. Christoph machen, denn er war spät dran. Michael hoffte sehr, dass die Pflegerin hart im Nehmen war, sonst würde sie vor diesem Patienten gewiss schnell Reißaus nehmen.

***

In der Kirchgasse von St. Christoph, ganz in der Nähe der Apotheke und des Gotteshauses, stand das Doktorhaus.

Vor mehr als fünfzig Jahren von Pankraz Burger im schlichten Gebirgsstil erbaut, diente es seither der Familie Burger als Heim und war zugleich Anlaufstelle für Patienten von nah und fern.

Inzwischen genoss Pankraz seinen wohlverdienten Ruhestand im Kreise der Familie, sein Sohn Martin hatte die Praxis übernommen. Der Bergdoktor, wie er von den Menschen im Tal anerkennend genannt wurde, war Mediziner mit Leib und Seele. Jeder konnte zu ihm kommen, egal ob er Beschwerden oder Sorgen hatte. Dr. Burger war immer da und stand jedem mit Rat und Tat zur Seite.

In jungen Jahren hatte der hochgewachsene, fesche Arzt selbst die Schattenseiten des Lebens kennengelernt. Als elfjähriger Bub hatte er den frühen Tod seiner Mutter verkraften müssen und später dann den tragischen Verlust seiner ersten Frau Christl, die im Kindbett gestorben war.

Diese einschneidenden Erlebnisse hatten seinen Charakter geformt und ihn zu einem ernsten, besonnenen Menschen gemacht, der wie ein Fels in der Brandung des Lebens wirkte.

Freilich brauchte auch er einen Halt und Unterstützung, um in seinem anspruchsvollen Beruf stets volle Leistung bringen zu können. Und beides fand er in seiner Familie, bei seiner über alles geliebten zweiten Frau Sabine und den drei munteren Kindern Tessa, Filli und Laura.

An diesem Vormittag Mitte Januar ging es im Anbau des Doktorhauses, wo Dr. Burgers Praxis untergebracht war, bereits hoch her. Das Wartezimmer war voll, es war Grippesaison.

Als Dr. Burger vor Jahren die Praxis übernommen hatte, war diese grundlegend renoviert worden und bestand nun neben Warte- und Sprechzimmer auch noch aus einem Labor, einem Röntgenraum, einem komplett eingerichteten kleinen OP sowie zwei Krankenzimmern für die stationäre Unterbringung.

Diese »Mini-Klinik«, wie die Dörfler oft scherzhaft sagten, war für alle Eventualitäten ausgerüstet. Das Wichtigste dabei war freilich der Arzt, der hier wirkte. Denn ohne ihn konnte auch die modernste Praxis nicht funktionieren. Und die Menschen im Tal schworen auf ihren Bergdoktor.

Bärbel Tannauer, Dr. Burgers patente Sprechstundenhilfe, begrüßte Michael Paltinger mit einem strahlenden Lächeln.

Bärbel war zwar in festen Händen, doch der fesche Jungbauer vom Unglückshof gefiel ihr ausnehmend gut. Schade nur, dass er so verschlossen und zurückhaltend war. Die hübsche blonde Bärbel fand nämlich, dass er durchaus eine Sünde wert war ...

»Grüß dich, Bärbel«, sagte er nun freundlich. »Ist der Doktor zu sprechen? Ich komm wegen der Pflege für meinen Vater.«

»Warte kurz, er ist gleich frei.«

»Soll ich ins Wartezimmer gehen?«

»Besser net, da kannst du dir nur was vorhusten lassen. Bleib nur hier, du störst net.« Ein schmelzender Blick traf ihn, den er aber gar nicht bemerkte.

»Hast recht. Ich kann's mir fei net leisten, krank zu werden. Wer soll sonst bei uns auf dem Hof die Arbeit schaffen?«

»Was dir fehlt, Michi, ist eine patente Frau, auf die du dich verlassen kannst!«

»Eine Frau?« Er seufzte. »Ja, das wär wohl was.«

In diesem Moment verließ Toni Angerer das Sprechzimmer. Der Großbauer und ehrenamtliche Ortsvorsteher von St. Christoph kämpfte seit Jahren mit Rückenschmerzen, die von seinem Übergewicht begünstigt wurden.

Dr. Burger hatte ihm schon verschiedene Diäten verordnet, doch sein Hang zu Deftigem und Süßen war stets stärker gewesen als die Disziplin. Nun verließ er mit einem Zettel und saurer Miene die Praxis.

»Vermutlich ein neuer Diätversuch«, meinte Bärbel schmunzelnd. »Der Chef gibt halt nie auf. Nutzen wird's wenig.«

»Wenn der Angerer sich dran hält, schon«, meinte Michael.

»Tja, wenn ...« Die Arzthelferin bedachte ihn mit einem vielsagenden Blick. »Wollen wir wetten? Kannst eini gehen.«