Der Bergdoktor 1893 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1893 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Da soll doch gleich der Blitz niederfahren! Ein Urlauber scharwenzelt um seine Tochter herum, und Evi ist viel zu unerfahren, um dessen wahre Absichten zu erkennen.
Anton Birkmoser hingegen, Evis Vater, durchschaut den Schürzenjäger sofort und setzt alles daran, ein Wiedersehen zu verhindern. Kurzerhand verbannt er seine Tochter auf die Alm. Dort soll sie den Sommer über die Kühe hüten und sich ihren Verehrer aus dem Kopf schlagen.
Alles scheint gut zu sein. Da sendet Evi eines Morgens nicht nur frische Milch mit der Materialbahn vom Berg herab - sondern auch ein blutbesudeltes Männerhemd ...

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Seitenzahl: 122

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Inhalt

Cover

Impressum

Vom Vater verdächtigt

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5487-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Vom Vater verdächtigt

Warum der Birkmoser-Bauer seiner Tochter nachspionierte

Von Andreas Kufsteiner

Da soll doch gleich der Blitz niederfahren! Ein Urlauber scharwenzelt um seine Tochter herum, und Evi ist viel zu unerfahren, um dessen wahre Absichten zu erkennen.

Anton Birkmoser hingegen, Evis Vater, durchschaut den Schürzenjäger sofort und setzt alles daran, ein Wiedersehen zu verhindern. Kurzerhand verbannt er seine Tochter auf eine einsame Alm. Dort soll sie den Sommer über die Kühe hüten und sich ihren Verehrer aus dem Kopf schlagen.

Alles scheint gut zu sein. Da sendet Evi eines Morgens nicht nur frische Milch mit der Materialbahn vom Berg herab – sondern auch ein blutbesudeltes Männerhemd …

Sakra, das hat mir noch gefehlt!

Anton Birkmoser schlug den Ordner zu und stemmte beide Hände ins Kreuz. Es fühlte sich an, als würde jemand ein glühendes Eisen hineinbohren und genüsslich herumdrehen. Mit achtundvierzig Jahren sollte ihm sein Rücken nicht so viele Beschwerden verursachen, aber das tat er. Die Schmerzen wurden von Woche zu Woche stärker.

An diesem Abend war es besonders schlimm. Eigentlich hatte Anton vorgehabt, Büroarbeiten zu erledigen, die tagsüber liegen geblieben waren. Er wollte Quittungen abheften und Rechnungen bezahlen, aber er konnte kaum klar denken. Das Reißen im Kreuz machte es ihm unmöglich, sich zu konzentrieren.

Was hatte er noch dagegen im Haus? Eine Flasche Selbstgebrannten und eine Schachtel Ibuprofen? Nicht die beste Wahl. Vom Schnaps würde ihm am nächsten Morgen der Schädel brummen, und von den Tabletten bekam er Magendrücken.

Anscheinend führte kein Weg daran vorbei, dass er sobald wie möglich den Bergdoktor aufsuchte.

Er war seit vielen Jahren bei Dr. Burger in Behandlung – meist nur wegen Kleinigkeiten. Diesmal steckte jedoch mehr hinter seinen Beschwerden. Das spürte er.

Vor einiger Zeit war deswegen schon einmal beim Arzt gewesen. Dr. Burger hatte ihn untersucht, ihm Blut abgenommen und seine Wirbelsäule geröntgt. Anton hatte wenige Tage später wiederkommen sollen, um die Ergebnisse auszuwerten, aber er hatte es wieder und wieder aufgeschoben. Inzwischen waren zwei, nein, drei Wochen seit seinem Termin vergangen. Wo war die Zeit nur geblieben?

Seien wir ehrlich, dachte er, ich habe den Termin net verbummelt, sondern verdrängt, weil ich mir ziemlich sicher bin, wie die Diagnose ausfallen wird. Mein Großvater hatte damals ähnliche Symptome, und daraus ist nix Gutes geworden …

Hastig schob Anton den unliebsamen Gedanken von sich, stemmte sich von seinem Bürostuhl hoch und trat ans Fenster.

In der Ferne flackerten die Lichter eines Flugzeugs über den Bergen. Der Himmel war von einem samtigen Dunkelblau, das eine klare, aber kalte Nacht verhieß. Der Juni brachte heuer kühles Wetter ins Zillertal. In den höheren Regionen schneite es sogar noch hin und wieder.

Der Birkmoser-Hof war davon zum Glück nicht betroffen. Er stand auf einer Anhöhe über St. Christoph. Der Wald schloss das Grundstück auf drei Seiten ein wie ein schützendes grünes Band.

Anton war hier aufgewachsen: mit dem Rauschen des Windes in den Zirben und dem Stampfen der Kühe im Stall. Er liebte sein Heimatdorf und wollte nirgendwo anders leben.

Hier in den Bergen hatte die Hektik der modernen Zeit noch nicht Einzug gehalten. Natürlich gab es neue Melkanlagen, Handys und Anschluss an die Verkehrsbetriebe, aber hier heroben schätzten die Menschen ihre Ruhe. Ebenso wie Anton.

Seiner Frau war das allerdings nicht genug gewesen. Neun Jahre war es inzwischen her, seitdem sie Anton verlassen hatte und mit einem anderen Mann durchgebrannt war. Das hatte er bis zum heutigen Tag nicht verwunden. Er hätte ihr vielleicht verzeihen können, dass sie ihn im Stich gelassen hatte, aber Rita war auch ohne ihr Kind gegangen – und hatte sich in all den Jahren kein einziges Mal nach Evi erkundigt. Das konnte er ihr nicht vergeben.

Es schmerzte Anton, dass sein Kind die Mutter entbehren musste. Das war eine Wunde, die niemals verheilen würde.

Eveline war zu einem lieben Madel herangewachsen. Sie packte fleißig auf dem Hof mit an, und in ihrer Freizeit sah man sie selten ohne ein Buch in der Hand. Meistens steckte sie ihre Nase in einen Liebesroman.

Anton sah das nicht gern. Er befürchtete, dass ihr die Bücher früher oder später Flausen in den Kopf setzen würden. Wie damals ihrer Mutter. Er mochte seiner Tochter die Freude an den Geschichten aber auch nicht nehmen.

Vor seinem Haus knirschten Schritte. In der abendlichen Stille waren sie so deutlich zu hören wie Kanonendonner. Der Bauer horchte auf. Nanu? Wer trieb sich denn zu so später Stunde da draußen herum?

Er schob den Vorhang zur Seite und traute seinen Augen kaum, als er die Leiter bemerkte, die an sein Haus gelehnt worden war. Das Gestell führte nach oben – zur Kammer seiner Tochter!

Anton überlegte nicht lange, sondern handelte sofort: Er riss die Glastür auf, die hinaus in den Garten führte. Ein Schwall kühler Luft kam ihm entgegen. Er legte den Kopf in den Nacken und bemerkte einen Burschen, der geschwind die Sprossen der Leiter erklomm.

Herrschaftszeiten, das war doch der Stöckerl-Max! Was trieb der denn da oben?

Anton war die Frage kaum durch den Kopf gegangen, als ihm die Antwort dämmerte. Der Sohn seines Nachbarn war im selben Alter wie seine Tochter und wollte offenbar bei ihr fensterln.

Na, diese Suppe werde ich dem Burschen versalzen! Anton packte die Leiter, stemmte sich dagegen und kippte sie um. Mit einem lauten Rascheln landeten sowohl Trittgestell als auch Bauernsohn mitten im Rosenbeet!

»Autsch! Dornen! Au!«, jammerte der Zweiundzwanzigjährige und rappelte sich aus dem dichten Grün wieder auf. Seine Augen sprühten. »Warum hast du die Leiter umgekippt. Was soll denn das?«

»Was das soll? Bist du auf den Allerwertesten gefallen oder auf den Kopf?«

»Ich mein ja nur. Hab doch nix Schlimmes gemacht.«

»Nix Schlimmes? Dir werde ich was erzählen, Bursche! Heimlich in die Kammer meiner Tochter einzubrechen!« Drohend schwang Anton die Faust. »Verschwind von meinem Hof, ehe du Bekanntschaft mit meinem Knüppel machst! Na los!«

»Aber ich wollt doch nur …« Max zog den Kopf ein und beschloss offenbar, keine weiteren Einwände vorzubringen, denn er wandte sich um und humpelte davon, seine misshandelte Kehrseite reibend.

»Das wäre erledigt.« Grimmig blickte Anton dem unglücklichen Verehrer nach.

Da hörte er hinter sich einen erschrockenen Laut und drehte den Kopf. Seine Tochter stand an der Terrassentür und blickte bestürzt zu ihm herüber. Evi hatte ein meerblaues Nachthemd an. Ihre langen dunkelblonden Haare waren zu einem Zopf geflochten, und auf der rechten Wange hatte ihr Kopfkissen einen Abdruck hinterlassen. Sie sah so lieb aus, dass sich seine Brust zusammenzog.

»Vaterl? Warum hast du das gemacht?«

»Was? Den Hallodri davon abgehalten, bei dir einzubrechen?«

»Er wollte mich doch nur besuchen.«

»Nur ist gut. Du bist zu schade für einen Schürzenjäger wie ihn. Der Bursche weiß noch nix vom Leben und muss sich erst seine Hörner abstoßen, ehe er einen ordentlichen Ehemann abgibt.«

»Wer hat denn vom Heiraten gesprochen?« Evis Wangen färbten sich dunkelrot. »Max wollte nur nett sein.«

»Junge Burschen wollen nie nur nett sein, wenn sie sich selbst in die Kammer eines Madels einladen.«

»Du hättest ihn net von der Leiter stoßen dürfen. Wir kennen Max seit vielen Jahren. Er würde mir nie etwas tun.«

Das sah Anton anders. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was der Nachbarssohn von seiner Tochter gewollt hatte. Das musste sich der Bursche jedoch schleunigst aus dem Kopf schlagen. Für ein Gspusi war seine Evi zu schade, und zum Heiraten war Max auch nix.

Der Nachbarhof war heruntergekommen und alles andere als ein gutgehender Bauernhof. Es würde Anton nicht wundern, wenn seinen Nachbarn bald das Dach über dem Kopf einstürzte. Dass sein Nachbar nichts dagegen unternahm, war ihm ein Rätsel.

»Du bist zu unerfahren und gutgläubig für einen Burschen wie den Max«, hielt er seiner Tochter vor. »Glaub mir, Dirndl, ich weiß, was in ihm vorgeht. Ich war auch mal in seinem Alter.«

»Du kannst mich net ewig einschließen«, sagte Evi leise.

Daraufhin schob der Bauer das Kinn vor. Lieber wäre es ihm gewesen. O ja! Der Gedanke, dass einer der jungen Burschen aus dem Dorf ihre Gutherzigkeit ausnutzen und sie verletzen könnte, bereitete ihm stärkere Schmerzen als sein Kreuz. Und das fühlte sich mittlerweile so an, als wären die einzelnen Wirbel seines Rückgrats verschoben!

Anton biss die Zähne zusammen, dass es knirschte.

Evi blickte ihn wissend an.

»Geh zum Bergdoktor«, mahnte sie. »Das ist schon lange fällig.«

»Hm-m«, machte er vage.

»Ich kann den Hof versorgen, wenn du weg bist.«

»Das wird net möglich sein.«

»Warum denn net?«

»Weil ich dich net in der Nähe dieses Schürzenjägers haben will. Du wirst im Sommer auf die Alm gehen.«

»Auf die Alm? Aber es gibt keine Fahrstraße hinauf. Die Hütte ist so abgelegen, dass nie jemand dorthin kommt. Die einzige Verbindung zur Außenwelt ist die Materialbahn zwischen der Hütte und unserem Hof. Auf der Alm werde ich weit weg von allen und jedem sein.«

»Richtig.« Genau das war sein Plan, aber das behielt Anton wohlweislich für sich. »Die Alm muss wieder bewirtschaftet werden. Wir haben sie viel zu lange brachliegen lassen. Die Wiesen sind saftig und perfekt für unsere Kühe. Es wäre eine Schande, das Land brachliegen zu lassen.«

»Aber ich möchte net monatelang auf die Alm, Vaterl. Dort hat man tage- und wochenlang niemanden zum Reden. Bitte, zwing mich net dazu.«

»Viele wären froh über einen Aufenthalt da oben. Du wirst Ruhe, die Berge und frische Luft im Überfluss haben. Es wird dir gefallen, wart’s nur ab.«

Anton nickte bekräftigend. Für ihn war es beschlossene Sache: Seine Tochter würde den Sommer auf der Alm verbringen.

Dabei ahnte er freilich noch nicht, welche Turbulenzen sein Plan nach sich ziehen sollte …

***

Das ist net fair!

Evi haderte im Stillen mit ihrem Vater, weil er sie auf die Alm schickte. Zugegeben: Es wäre schade gewesen, die herrlichen Wiesen nicht zu nutzen, aber musste er sie deswegen gleich für Monate in die Einöde zwingen?

Ein tiefer Seufzer entfuhr der Zweiundzwanzigjährigen.

Vaterl würde mich am liebsten einsperren und den Schlüssel wegwerfen, dachte sie. Ich weiß, er hat Angst um mich, dabei bin ich alt genug, um auf mich selbst aufzupassen. Früher hat er mich ermutigt, meinen eigenen Weg zu gehen, aber seitdem Mutterl fort ist, hat er sich verändert. Er traut niemandem mehr. Am allerwenigsten den jungen Burschen aus unserem Dorf.

Vor ihr wurde die Herde langsamer. Eine braun-weiß gefleckte Kuh blieb stehen und zupfte an einem Haselbusch. Ihre Gefährtinnen taten es ihr gleich. Dabei lag vor ihnen noch ein weiter Aufstieg zur Alm. Sie konnten es sich nicht leisten, stehen zu bleiben.

Evi war am vergangenen Nachmittag nach dem Melken losmarschiert, ihre Schützlinge vor sich her treibend. Übernachtet hatte sie in einem Heustadel. Der Weg hinauf zur Alm war an einem Tag nicht zu schaffen. Zumindest nicht mit der Herde. Wozu auch hetzen? Vor ihnen lag ein endlos langer Sommer auf der Alm …

Der direkte Weg vom Dorf herauf war erheblich kürzer, verlief jedoch über einen steilen Abhang, den selbst erfahrene Kletterer mieden. Die Nordwand war berüchtigt für ihr unsicheres Gelände. Mit den Kühen war der Weg um die Wand herum die einzige Möglichkeit, auf den Berg zu gelangen.

»Pack mer’s, Liabei!« Evi schnalzte mit der Zunge. »Wir gehen weiter!«

Die junge Milchkuh zupfte weiter einem Zweig und ließ sich nicht stören. Erst als Evi sie sacht mit ihrem Stab anstupste, setzte sich Liabei wieder in Bewegung, und ihre Gefährtinnen folgten ihr.

Der Sennerinnenstab war aus festem Zirbenholz gearbeitet und leistete Evi seit zwei Jahren gute Dienste: als Sicherung beim Kraxeln, zum Dirigieren der Tiere und einmal zur Abwehr eines streunenden Hundes, der es auf ein Kälbchen abgesehen hatte.

Evi erschauerte, als sie an die Begegnung zurückdachte. Sie hatte das Jungtier verteidigt und dabei am Arm einen tiefen Hundebiss davongetragen. Die Narbe sah man noch heute. Der Bergdoktor hatte eine Infektion glücklicherweise verhindert, aber die Schmerzen nach dem Biss waren eine unliebsame Erinnerung.

Zwei Milchkühe und vierzehn Jungtiere sollte Evi den Sommer über hüten. Dazu kam der Esel, der ihr Gepäck trug: Evi hatte ihn »Nummer sieben« genannt, nach einem Tier aus ihrer Lieblingsserie »Der Mann in den Bergen«.

Auf dem Rücken von Nummer sieben war ein Käfig mit drei Hühnern festgegurtet, dazu Evis Koffer und Taschen mit Kräutersamen und Werkzeug, Medizin und Bettzeug. Keine Lebensmittel. Die würde ihr Vater später mit der Materialbahn auf den Berg schicken.

Evis Rucksack war ebenfalls vollgepackt. Sie trug schwer und musste immer wieder stehen bleiben, um zu verschnaufen.

Am liebsten hätte sie den Hof gar nicht verlassen. Sie sorgte sich um ihren Vater. Er hatte Schmerzen im Rücken. Das versuchte er zwar zu verbergen, aber sie bemerkte, wie er zusammenzuckte, wenn es ihm ins Kreuz schoss, und wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat, wenn er Mist wuchtete oder etwas am Haus reparierte.

Anton hatte ihr versichert, allein zurechtzukommen, aber Evi war sich da nicht so sicher. Der Bauernhof machte eine Menge Arbeit. Zu viel für einen allein!

Hoffentlich hielt ihr Vater wenigstens das Versprechen, das er ihr gegeben hatte, und suchte den Bergdoktor auf!

Dr. Burger war ihr Hausarzt, seit sie ein kleines Madel gewesen war. Er war geduldig und fand für jeden Patienten aufmunternde Worte. Ganz egal, wie elend sie sich fühlte, bei ihm hatte sie stets das Gefühl, dass alles gut werden würde. Er konnte gewiss auch ihrem Vater helfen. Anton Birkmoser musste ihn nur aufsuchen!

Evi stieg weiter bergauf. Das Gelände wurde felsiger. Die Bäume wurden weniger. Hier oben wuchsen überwiegend Gras, Moos und Almrosen, deren leuchtend rote Blüten die Hänge überzogen.

Das Tal blieb unter Evi zurück. Die Gehöfte wurden kleiner und wirkten bald wie Spielzeughäuser, die jemand willkürlich dahingewürfelt hatte. Die Dorfstraße war nur noch ein schmaler Streifen Grau, der sich zwischen den Hängen hindurchschlängelte.

Es war so still, dass Evi das Keuchen ihres Atems hören konnte, das sich mit dem fröhlichen Läuten der Kuhglocken mischte. Sie schritt kräftig aus, weil an diesem Tag noch eine Menge Arbeit auf sie wartete.

Endlich tauchte die Almhütte vor ihr auf. »Birkmoser-Alm 1892«, stand in verschnörkelten Lettern über der Eingangstür.

Die Buchstaben waren in das Holz geschnitzt. Eine windschiefe Zirbe stand neben dem Eingang. Der Wind spielte mit den Flechten, die von den Zweigen hingen.

Tür und Fensterläden der Hütte waren verrammelt. Seit zwei Sommern war niemand mehr hier oben gewesen. Vom Weidezaun standen nur noch wenige umgestürzte Pfosten und stacheliger Draht, der aus dem kniehohen Grün ragte.