Der Bergpfarrer 270 – Heimatroman - Toni Waidacher - E-Book

Der Bergpfarrer 270 – Heimatroman E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 10 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Unter anderem gingen auch mehrere Spielfilme im ZDF mit Millionen Zuschauern daraus hervor. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. In Spannungsreihen wie "Irrlicht" und "Gaslicht" erzählt er von überrealen Phänomenen, markiert er als Suchender Diesseits und Jenseits mit bewundernswerter Eleganz. Es war eine liebgewordene Pflicht für den guten Hirten von St. Johann, jeden Mittwochnachmittag ins Altenheim nach Waldeck zu fahren. Sebastian Trenker wurde schon mit großer Spannung erwartet, die Kaffeetafel im großen Speisesaal war bereits gedeckt, und manchmal war noch ein besonderer Gast eingeladen, ein junger Künstler vielleicht, der musizierte, ein Autor oder Autorin, die aus ihren Werken lasen, oder ein Chor brachte ein Ständchen. Am meisten begeisterte es die alten Leute aber, wenn der Bergpfarrer von seinen Abenteuern erzählte, die er auf seinen Touren immer wieder erlebte. Oft waren es fröhliche Geschichten, manchmal nachdenkliche oder auch wirklich spannende. Indes hatte Sebastian bisher alle gefährlichen Erlebnisse in den Bergen glücklich überstanden, und die Zuhörer hingen förmlich an seinen Lippen, wenn er davon berichtete. Bevor der Geistliche wieder nach Hause fuhr, hatten die Bewohner des Heimes die Gelegenheit, die Beichte abzulegen oder Pfarrer Trenker auch nur um einen Rat zu fragen, wenn sie irgendwelche Sorgen und Probleme hatten. Stets versuchte Sebastian auf seine Art zu helfen, rasch und unkompliziert. Für diese Gespräche war eigens ein kleiner Raum vorgesehen, der sich an den Saal anschloss. Als Sebastian ihn betrat, glitt ein Lächeln über seine Lippen. In einem Sessel saß Anna Lohmeyer und blickte ihm erwartungsvoll entgegen. Schon beim Kaffeetrinken hatte die betagte Dame immer wieder seinen Blick gesucht, und der Geistliche hatte geahnt, dass sie etwas auf dem Herzen hatte. Nachdem sie die Beichte abgelegt hatte, nickte er der Frau aufmunternd zu. "Na, Anna, kann ich sonst noch was für dich tun?", erkundigte er sich. Anna Lohmeyer war weit über achtzig Jahre alt. Früher hatte sie in direkter Nachbarschaft zur Familie des Bergpfarrers gelebt. Das Land der Lohmeyers grenzte an den Trenkerhof, den Sebastians Eltern bewirtschaftet hatten. "Ach, Sebastian, ich weiß gar net, ob da überhaupt jemand helfen kann", antwortete sie bekümmert.

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Der Bergpfarrer – 270 –

Gefahr aus der Vergangenheit

Kathi will ein neues Leben beginnen

Toni Waidacher

Es war eine liebgewordene Pflicht für den guten Hirten von St. Johann, jeden Mittwochnachmittag ins Altenheim nach Waldeck zu fahren. Sebastian Trenker wurde schon mit großer Spannung erwartet, die Kaffeetafel im großen Speisesaal war bereits gedeckt, und manchmal war noch ein besonderer Gast eingeladen, ein junger Künstler vielleicht, der musizierte, ein Autor oder Autorin, die aus ihren Werken lasen, oder ein Chor brachte ein Ständchen.

Am meisten begeisterte es die alten Leute aber, wenn der Bergpfarrer von seinen Abenteuern erzählte, die er auf seinen Touren immer wieder erlebte. Oft waren es fröhliche Geschichten, manchmal nachdenkliche oder auch wirklich spannende. Indes hatte Sebastian bisher alle gefährlichen Erlebnisse in den Bergen glücklich überstanden, und die Zuhörer hingen förmlich an seinen Lippen, wenn er davon berichtete.

Bevor der Geistliche wieder nach Hause fuhr, hatten die Bewohner des Heimes die Gelegenheit, die Beichte abzulegen oder Pfarrer Trenker auch nur um einen Rat zu fragen, wenn sie irgendwelche Sorgen und Probleme hatten. Stets versuchte Sebastian auf seine Art zu helfen, rasch und unkompliziert.

Für diese Gespräche war eigens ein kleiner Raum vorgesehen, der sich an den Saal anschloss. Als Sebastian ihn betrat, glitt ein Lächeln über seine Lippen. In einem Sessel saß Anna Lohmeyer und blickte ihm erwartungsvoll entgegen. Schon beim Kaffeetrinken hatte die betagte Dame immer wieder seinen Blick gesucht, und der Geistliche hatte geahnt, dass sie etwas auf dem Herzen hatte.

Nachdem sie die Beichte abgelegt hatte, nickte er der Frau aufmunternd zu.

»Na, Anna, kann ich sonst noch was für dich tun?«, erkundigte er sich.

Anna Lohmeyer war weit über achtzig Jahre alt. Früher hatte sie in direkter Nachbarschaft zur Familie des Bergpfarrers gelebt. Das Land der Lohmeyers grenzte an den Trenkerhof, den Sebastians Eltern bewirtschaftet hatten.

»Ach, Sebastian, ich weiß gar net, ob da überhaupt jemand helfen kann«, antwortete sie bekümmert.

Der Raum in dem sie saßen hatte ein Fenster zum Garten hinaus. Draußen schien die Sonne, und durch das geöffnete Fenster wehte ein laues Lüftchen herein. Der Geistliche nahm Annas Hand in die seine und drückte sie fest. Die alte Bäuerin kannte ihn, als er noch ein Bub und sein Bruder Max noch gar nicht geboren war. Anna war einer der wenigen Menschen, die den Bergpfarrer duzten.

»Was ist es denn, das dich bedrückt?«, wollte er wissen.

Anna holte tief Luft und griff nach dem Taschentuch, das in ihrem Schoß lag.

»Es ist wegen der Kathi«, antwortete sie leise. »Das Madel macht mir große Sorgen!«

»Ist etwas mit deiner Enkelin? Ich hab’ sie lang’ net mehr geseh’n. Besucht sie dich denn hin und wieder?«

»Schon«, nickte die alte Frau. »Aber manchmal wär’s mir lieber, sie käme net hierher …«

Verwundert blickte Sebastian sie an.

»Aber warum denn das?«

Langsam und stockend berichtet Anna Lohmeyer von den Besuchen ihrer Enkeltochter, und was der gute Hirte von St. Johann da zu hören bekam, entsetzte ihn.

Demnach musste Kathi Lohmeyer an einen Mann geraten sein, dem sie geradezu hörig war. Es musste etwas mit Geld zu tun haben, das das Madel einem gewissen Rainer Gerster schuldete. Überhaupt hatte die Bäuerin den Eindruck, dass dieser Mann die Besuche der Enkelin im Altenheim nur duldete, damit sie ihre Großmutter um Geld angehen konnte.

Immer größer wurden die Summen, die Kathi forderte. Wenn Anna Lohmeyer sich weigerte, drohte sie, dass dieser Besuch ihr letzter gewesen sei.

Sebastian kannte Kathi, die inzwischen etwas über zwanzig Jahre alt sein musste, noch als Kind. Er fragte sich, wie sie in diese Situation geraten war, die sie zwang, von der Großmutter Geld zu fordern. Das sah ihr so gar nicht ähnlich.

Kathi war vor Jahren aus dem Wachnertal verschwunden, kurz nachdem ihr Vater überraschend verstorben war. Hanna Lohmeyer, ihre Mutter, hatte den Hof nicht mehr halten können und musste verkaufen. Zwischen ihr und Kathi hatte es ständig Streit gegeben, und so weit Sebastian sich erinnerte, war Hanna bald darauf schwer erkrankt und ein Jahr später verstorben. Auf der Beerdigung hatte er noch einmal mit Kathi gesprochen, aber sie war nicht gewillt gewesen, wieder nach Hause zurückzukehren. In München habe sie eine neue Heimat gefunden und wolle dort leben. Sie spiele mit dem Gedanken, dort ein Geschäft zu eröffnen.

Ob sie diesen Mann damals schon gekannt hatte?

»Die Kathi hat doch aus dem Erbe ihrer Mutter noch Geld erhalten«, bemerkte er. »Wie sie mir erzählte, als wir die Hanna dem Herrgott anempfohlen haben, wollte sie sich damit in München eine Existenz aufbauen. Was ist denn eigentlich daraus geworden?«

Anna Lohmeyer winkte ab.

»Damit hat ja das Drama erst angefangen«, sagte sie verbittert. »Eine Boutique, in der die Leute gebrauchte Kleidung kaufen und verkaufen konnten, hat die Kathi eröffnet. Das hat aber net geklappt, und schon nach einem halben Jahr musste sie wieder schließen.«

Sie seufzte erneut.

»Es ist ja kein schlechtes Madel«, setzte sie hinzu. »Hat bloß viel Pech gehabt im Leben. Das fing schon mit dem Tobias an, der sie hat sitzen lassen, kurz vor der Hochzeit.«

Sebastian wusste, dass Kathi wohl mal verlobt gewesen war und schon vor der Hochzeit stand. Tobias Anderer, so hieß der Bräutigam, der sich dann aber doch von ihr abgewendet und eine andere geheiratet hatte.

Der Geistliche strich der alten Bäuerin tröstend über die Hand.

»Ich fahr’ nach München und red’ mit der Kathi«, versprach er. »Vielleicht kann ich sie überzeugen.«

Anna Lohmeyer lächelte dankbar. Sebastian schrieb sich die Adresse der Enkelin auf und verabschiedete sich von ihr.

*

Auf der Fahrt zurück nach St. Johann dachte der Bergpfarrer an die Ereignisse der vergangenen Tage zurück.

Auf einer seiner Wanderungen hatte er festgestellt, dass sich irgendwas auf der längst aufgegebenen Hirschkopfalm tat. Die halbverfallene Hütte war teilweise ausgebessert worden, und die Tür mit einem neuen Vorhängeschloss versperrt. Genauso der Eingang zum Reifelager.

Schon zuvor hatte der Geistliche immer wieder einen Ausflug auf die Alm gemacht. Er bedauerte sehr, dass dort alles dem Verfall preisgegeben war. Umso erfreuter war er, da es ganz den Anschein hatte, dass nun dort neuen Leben einziehen sollte.

Doch weit gefehlt!

Eine ›Wachnertaler Bergkäseproduktion‹ schien der neue Besitzer zu sein, jedenfalls stand dies auf einem Schild, das am unteren Ende des Wirtschaftsweges aufgestellt war und jedem Unbefugten die Weiterfahrt oder den Durchgang verbot.

Um dieses Verbot durchzusetzen, hatte man eigens einen Wachdienst organisiert!

Sah es auf den ersten Blick so aus, als würde die Alm tatsächlich wieder in Betrieb genommen, so fanden Sebastian und sein Bruder sehr schnell heraus, dass dort oben kein Käse produziert wurde – wohl aber eingelagert …

Jede Nacht kamen Kleinlaster, die italienische Kennzeichen führten, und luden Käselaibe im Reifelager ab. Wie Sebastian feststellte, wurden aber gleichzeitig ebenso viele Käse aus dem Lager herausgeholt und abtransportiert. Was diese Aktion bedeuten sollte, erfuhren Sebastian und Max vorerst nicht. Erst eine Meldung über im großen Stil gefälschte Käse der geschützten Marke ›Gruyère‹, die der Bruder des Bergpfarrers per E-Mail aus dem Präsidium in der Stadt bekam, brachte Licht in diese ominöse Angelegenheit. Doch als die Trenkerbrüder zur Hirschkopfalm hinauffuhren, war das Reifelager dort leer geräumt, und die Betrüger hatten alle Spuren verwischt.

»Gibt’s was Neues von den Produktpiraten?«, fragte Sebastian seinen Bruder.

Noch bevor er ins Pfarrhaus gegangen war, hatte er kurz im Polizeirevier vorbeigeschaut. Max schüttelte den Kopf.

»Die Spur verliert sich hier bei uns«, antwortete er. »In Lichtenstein kommen die Kollegen net voran. Die zuständigen Behörden dort mauern und verweigern die Zusammenarbeit.«

Das kleine, von Österreich und der Schweiz umgebene Fürstentum, war der Firmensitz der ›Wachnertaler Bergkäseproduktion‹.

»Das ist doch seltsam«, wunderte sich der Bergpfarrer, »es gibt schließlich internationale Abkommen zur Verbrechensbekämpfung, denen auch dieses Land zugestimmt hat.«

»Das ist richtig«, nickte Max. »Allerdings ist den Leuten dort die Beweislage net eindeutig genug. Mit andren Worten gesagt: Hätten wir bei uns den gefälschten Käse entdeckt und als Beweismittel sichergestellt, besser noch, einen der Fahrer festgenommen, wären die Kollegen aus Lichtenstein eher zu einer Zusammenarbeit bereit gewesen. Aber so …«

Sebastian verzweifelte über soviel Bürokratismus.

»Aber weshalb ich eigentlich hergekommen bin«, fuhr er fort, »könntest du für mich mal wieder deinen Computer arbeiten lassen?«

Der junge Polizist runzelte die Stirn.

»Um was geht’s denn nun schon wieder?«, wollte er wissen und verdrehte die Augen. »Du weißt doch, dass ich das eigentlich net darf. Du bringst mich noch in Teufelsküche!«

Der gute Hirte von St. Johann schmunzelte.

»Keine Angst«, meinte er augenzwinkernd, »ich hol’ dich auch wieder raus. Du weißt ja, dass ich da beste Beziehungen hab’.«

Max bemerkte, dass der Gesichtsausdruck seines Bruders ernst wurde.

»Also, worum handelt’s sich?«, fragte er.

Sebastian erzählte ihm von seinem Gespräch mit Anna Lohmeyer. Noch während er sprach, hatte sein Bruder schon den Polizeicomputer eingeschaltet und tippte den Namen ein, den Sebastian ihm genannt hatte.

Plötzlich pfiff er durch die Zähne.

»Da schau her!«, sagte er. »Der Herr ist wirklich kein unbeschriebenes Blatt.«

Der Bergpfarrer wurde hellhörig.

»Was genau steht da?«

Max drehte den Bildschirm so, dass sein Bruder selbst lesen konnte.

»Um Himmels willen«, entfuhr es Sebastian Trenker, »das ist ja noch schlimmer, als ich befürchtet hab’!«

Rainer Gerster war bereits mehrfach wegen Betrugs und Urkundenfälschung vorbestraft. Derzeit wurde gegen ihn wegen dubioser Internetgeschäfte ermittelt, allerdings fehlten die Beweise, um ihn zu überführen. Gerster stand im Verdacht, eine Scheinfirma gegründet zu haben, die Interessenten als Produkttester anwarb. Gegen eine sogenannte ›Schutzgebühr‹ sollten sie neuartige Produkte testen, die sie anschließend behalten durften. Die Gebühr betrug nicht einmal fünfzig Euro, ein vergleichsweise geringer Betrag, denn der Wert der Testprodukte lag, laut Firmenangabe, über dem Zigfachen der Schutzgebühr.

Indes stimmte das freilich nicht, denn die Leute, die das Geld überwiesen hatten, erhielten Tage später ein Paket, dessen Inhalt wahrscheinlich nicht mal fünf Euro gekostet hatte. Wertloser Plunder, statt der versprochenen ›hochwertigen‹ elektronischen Geräte, fand sich in den Paketen der enttäuschten Empfänger. Offenbar schämten sich viele, auf diesen Trick hereingefallen zu sein, und verzichteten auf eine Anzeige bei der Polizei. Doch einer Handvoll Leute war es egal gewesen, ob sie sich blamierten, sie hatten den Betrug bei der Polizei gemeldet. Niemand wusste zu sagen, wie hoch die Dunkelziffer war, aber man nahm an, dass die Firma, in deren Unterlagen immer wieder der Name Rainer Gerster auftauchte, diese dubiosen Geschäfte bereits seit einigen Jahren betrieb.

»Was hast du jetzt vor?«, fragte Max seinen Bruder.

Sebastian zuckte die Schultern.

»Das weiß ich noch net genau«, antwortete er. »Zuerst schau’ ich mir die Internetseite dieses ›Unternehmens‹ an. Dann seh’ ich weiter.«

Er verabschiedete sich von Max, nachdem dieser ihm noch die Anschrift der Firma in München mitgeteilt hatte. Nach dem Abendessen setzte sich der Geistliche in seinem Arbeitszimmer an den Computer und recherchierte.

Indes waren die Informationen, auf die er stieß, nicht sehr ergiebig, immerhin tauchte der Name Kathi Lohmeyer zu Sebastian Beruhigung dort nicht auf. Er hatte schon befürchtet, sie könne in die Angelegenheit verwickelt sein.

Aber auch Gersters Name war nicht zu finden. Aber als der Geistliche im Impressum nachschaute, stieß er auf etwas, das ihm einen überraschten Laut entlockte …

Das ›Institut zur Prüfung elektronischer Produkte‹ hatte seinen Firmensitz – in Lichtenstein!

Reiner Zufall?

Sebastian Trenker mochte nicht an einen Zufall glauben und er war sicher, hier auf eine Spur gestoßen zu sein, die letztendlich auch zu den Hintermännern der ›Wachnertaler Bergkäseproduktion‹ führen könnte.

*

Kathi Lohmeyer wischte sich müde über das Gesicht. Kaum vier Stunden hatte sie schlafen können, nachdem Rainer gestern Abend nach Hause gekommen war. Die halbe Nacht hatte die junge Frau dann Pakete packen müssen.

Natürlich fragte sie sich, wer solch einen Plunder bestellte?

Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Leute so etwas kauften: Haarbürsten aus billigstem Plastik, die keine fünfzig Cent wert waren, Kinderspielzeug, das so brüchig war, dass es schon zerbrach, wenn man beim Einpacken nicht aufpasste, oder Miniradios aus Kunststoff, die nicht einmal richtig funktionierten!

Allerdings schien das Versandgeschäft zu florieren, überlegte Kathi. Mehr als hundert Päckchen hatte sie in der Nacht gepackt, die noch am frühen Morgen von einem Lieferwagen abgeholt worden waren. Da Rainer mitgefahren war und auch kaum vor dem Abend wieder zurückkommen würde, beschloss die junge Frau das hartnäckige Klingeln an der Haustür zu ignorieren und im Bett zu bleiben.

Während sie versuchte, wieder einzuschlummern, überlegte sie, wieso Rainer immer so wenig Geld hatte. Kathi arbeitete seit geraumer Zeit als Bedienung in einer Kneipe. Das Geld, was sie dort selber verdiente, butterte sie in den Haushalt, er gab nichts dazu. Im Gegenteil, mindestens einmal im Monat drängte er sie, nach Waldeck zu fahren und die Großmutter um Geld zu bitten. Hatte sie etwas bekommen, stand Rainer schon mit aufgehaltener Hand da und nahm es ihr wieder ab. Selbst das Trinkgeld, das sie von den Gästen bekam, musste Kathi an ihn abliefern.

Wie gerne hätte sie dem ein Ende gemacht und wäre wieder nach Hause zurückgekehrt!

Nach Hause – das war in St. Johann. Freilich, den Hof gab es für sie nicht mehr, dort wohnten längst andere Leute. Aber bestimmt würde sie irgendwo eine Anstellung finden und könnte in Frieden leben und glücklich sein.

Aber genau das war unmöglich!

Die Summe, die sie Rainer schuldete, schien überhaupt nicht kleiner zu werden. Jedes Mal, wenn Kathi es wagte, ihn deswegen zu fragen, gab es eine hässliche Szene, und er beschuldigte sie, undankbar zu sein und zu vergessen, dass er sie aus dem Sumpf gerettet habe.

Es stimmt ja auch, dachte sie dann, ohne ihn wäre ich längst am Ende.

Die Secondhand-Boutique, die sie eröffnet hatte, war nicht besonders gut gelaufen. Schon nach ein paar Monaten war Kathi pleite gewesen, obwohl sie alles versucht hatte, das Geschäft anzukurbeln. Die letzten Reste hatte sie noch auf Flohmärkten angeboten, doch dort hatte sie auch nicht mehr Glück, als im Laden.

Rainer Gerster, den sie kennengelernt hatte, als er in die Boutique kam und sich nach einer Lederjacke erkundigte, die im Schaufenster hing, hatte sich als rettender Engel erwiesen, der ihr das Geld gab, mit dem sie die Gläubiger bezahlen konnte.

Allerdings wusste Kathi inzwischen nicht mehr zu sagen, was das kleinere Übel gewesen wäre, die Bekanntschaft mit Rainer oder der Gang zum Insolvenzgericht?

Plötzlich fuhr sie von dem Sofa hoch, auf dem sie lag.

War sie tatsächlich wieder eingeschlafen?