Wenn das Glück in den Sternen steht - Toni Waidacher - E-Book

Wenn das Glück in den Sternen steht E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Entschlossen klappte Eva Hartmann ihren Regenschirm zu und betrat das kleine Reisebüro unter den Rathausarkaden am Münchner Marienplatz. Sie stellte den triefend nassen Schirm in den dafür vorgesehenen Ständer, dann reihte sie sich in die Reihe der Wartenden ein. Hoffentlich brauchten die beiden Ehepaare vor ihr nicht zu lange! Unruhig trat Eva von einem Bein aufs andere, bis die Reklameplakate an den Wänden ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen. »Frankreich. Korsika«, las sie. Auch Kroatien, Spanien und Portugal waren vertreten, für eine Kreuzfahrt quer durch die Ägäis waren ebenfalls noch ein paar Kabinen frei. Ein Angebot war verlockender als das andere. Nichts wie weg aus dem deutschen Regensommer und irgendwo im Süden Wärme und Sonne pur tanken! Unter normalen Umständen wäre das auch Evas sehnlichster Wunsch gewesen, diesmal allerdings stand ihre Entscheidung bereits fest. Felsenfest sogar. Sie würde sich von keiner Reklame verführen lassen. Seit gestern wusste sie nämlich ganz genau, wo sie in diesem Jahr ihre Sommerferien verbringen wollte. »Wie kann ich Ihnen helfen?« Die freundliche Stimme des jungen Reisebüroangestellten riss Eva aus ihren Gedanken. Verblüfft stellte sie fest, dass sie bereits an der Reihe war und wandte sich ihrem Gegenüber zu. »Ich …, ich möchte einen Ferienaufenthalt buchen. Für drei Wochen im Juli«, sagte sie.

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Der Bergpfarrer – 284 –

Wenn das Glück in den Sternen steht

Ein Mann wird dir begegnen...

Toni Waidacher

Entschlossen klappte Eva Hartmann ihren Regenschirm zu und betrat das kleine Reisebüro unter den Rathausarkaden am Münchner Marienplatz. Sie stellte den triefend nassen Schirm in den dafür vorgesehenen Ständer, dann reihte sie sich in die Reihe der Wartenden ein.

Hoffentlich brauchten die beiden Ehepaare vor ihr nicht zu lange! Sie sahen irgendwie so unentschlossen aus …

Unruhig trat Eva von einem Bein aufs andere, bis die Reklameplakate an den Wänden ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen.

»Frankreich. Korsika«, las sie. Auch Kroatien, Spanien und Portugal waren vertreten, für eine Kreuzfahrt quer durch die Ägäis waren ebenfalls noch ein paar Kabinen frei.

Ein Angebot war verlockender als das andere. Nichts wie weg aus dem deutschen Regensommer und irgendwo im Süden Wärme und Sonne pur tanken!

Unter normalen Umständen wäre das auch Evas sehnlichster Wunsch gewesen, diesmal allerdings stand ihre Entscheidung bereits fest. Felsenfest sogar. Sie würde sich von keiner Reklame verführen lassen. Seit gestern wusste sie nämlich ganz genau, wo sie in diesem Jahr ihre Sommerferien verbringen wollte. Der einzige Ort, der in Frage kam …

»Wie kann ich Ihnen helfen?«

Die freundliche Stimme des jungen Reisebüroangestellten riss Eva aus ihren Gedanken.

Verblüfft stellte sie fest, dass sie bereits an der Reihe war und wandte sich ihrem Gegenüber zu.

»Ich …, ich möchte einen Ferienaufenthalt buchen. Für drei Wochen im Juli«, sagte sie. »Und zwar in St. Johann im Wachnertal.«

Der junge Mann hinter dem mit Prospekten und Katalogen bedeckten Schreibtisch sah Eva schmunzelnd an.

»Aha. Ein Natur- und Wanderfan«, stellte er fest. »Davon gibt es jetzt immer mehr. Aktivurlaub in den Bergen ist wieder groß in Mode. Hoffentlich ist in St. Johann überhaupt noch etwas frei. Immerhin sind wir schon knapp vor der Hauptsaison.«

Eva runzelte die Stirn. »Wie bitte? Es ist vielleicht gar nix mehr frei? Aber das …, das …« Sie schluckte, weil sie den Vorgeschmack der Enttäuschung wie einen dicken Kloß in ihrem Hals spürte. »Ich bin net anspruchsvoll. Es …, es muss gar net unbedingt ein Hotel sein, wissen Sie. Wirklich net«, setzte sie rasch hinzu. »Ich geb mich gern mit einem Zimmer in einer kleinen Pension oder auch auf einem Bauernhof zufrieden. Das ist sowieso viel gemütlicher und uriger. Billiger ist es wahrscheinlich auch.«

Der Reisebüromitarbeiter nickte.

»Da mögen Sie recht haben«, meinte er, während er emsig auf der Tastatur seines Computers herumhackte.

Schließlich schüttelte er bedauernd den Kopf.

»Wie ich vermutet habe, es sieht ziemlich schlecht aus. Auch mit den Fremdenpensionen und Ferienhöfen. Überall steht nur ausgebucht … Tut mir leid, aber …«

Eva war von einer Sekunde auf die andere so niedergeschlagen, dass sie am liebsten losgeheult hätte.

Das durfte doch einfach nicht wahr sein!

Gestern noch war ihr der Notizzettel, den sie beim Betreten des Büros zufällig auf dem Schreibtisch der Chefsekretärin gesehen hatte, wie ein Wink des Schicksals erschienen!

Dringend! Urlaubsbuchung in St. Johann im Wachnertal bestätigen lassen. Einzelzimmer mit Bad, Balkon, Fernseher, Telefon- und Internetanschluss für Herrn Reiser junior. Vom 28. Juli bis zum 10. August, hatte die Chefsekretärin mit ihren runden Schriftzügen festgehalten.

Evas Herz hatte einen Sprung gemacht.

Sofort war ihre Fantasie mit ihr durchgegangen und hatte sie zu den hochfliegenden Plänen angestachelt. Wenn ein Urlaub nicht die Gelegenheit war, endgültig das Eis zu brechen und dem Juniorchef die berühmten drei Worte »Ich liebe dich« zu entlocken, würde der entscheidende Moment wohl nie kommen!

Aber jetzt schien sich alles wieder im Sande zu verlaufen, noch ehe es begonnen hatte …

Seufzend zuckte Eva die Schultern.

»Tja, wenn dieses St. Johann derart überfüllt ist, lässt sich wohl nix machen«, gab sie mit ziemlich dünn klingender Stimme zurück und wandte sich zum Gehen.

Sie wirkte so geknickt, dass sie dem jungen Mitarbeiter ehrlich leidtat. Obwohl er sich nichts davon versprach, schaute er ein weiteres Mal sämtliche Fremdenpensionen durch.

Plötzlich stutzte er.

»Warten Sie! Warten Sie noch einen Moment«, rief er Eva nach, die gerade ihren Regenschirm in die Hand nahm, um wieder in den grauen, trotz der sommerlichen Jahreszeit, unangenehm nasskalten Tag hinauszugehen. »Ich glaube, ich habe da noch etwas gefunden. Eine kurzfristige Stornierung. Erst vor wenigen Minuten ins Internet gestellt. Es handelt sich um ein Einzelzimmer in der Pension Stubler. Für die Zeit vom 18. Juli bis zum 8. August. Das ist zwar nicht ganz genau die Zeit, die Sie mir genannt haben, aber wenn Sie sich mit dem Termin arrangieren könnten …«

Eva fuhr herum.

»Natürlich kann ich das«, erwiderte sie wie aus der Pistole geschossen.

Mit dem Regenschirm eine nasse Spur ziehend, rannte sie zu seinem Schreibtisch zurück.

Der junge Mann konnte sich ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen. »Wunderbar. Es scheint sich bei dieser Pension Stubler allerdings um eine Frühstückspension zu handeln«, sagte er, sofort wieder um eine geschäftsmäßige Miene bemüht. »Für Mittag- und Abendessen müssen Sie selber sorgen. Aber dafür ist der Preis ziemlich günstig. Wenn ich Ihnen das Zimmer also reservieren darf, brauchen Sie nur ja zu sagen und zu unterschreiben.«

Evas Augen leuchteten auf.

»Ich nehme das Zimmer«, entgegnete sie, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern. »Ich kann Ihnen gar net sagen, wie sehr ich mich freue. Sie … Sie sind mein rettender Engel, Sie sind ein Schatz, Sie …«

Einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte Eva dem Angestellten um den Hals fallen, doch der Schreibtisch verhinderte den stürmischen Dank.

»Ich habe hier noch zwei Prospekte für Sie«, sagte der junge Mann schmunzelnd. »Eines von St. Johann und dem Wachnertal. Mit Wanderkarte. Und ein weiteres von der Pension Stubler.« Er hielt Eva die beiden Prospekte hin. »Damit Sie sich vorab schon einmal ein Bild machen können. Vorfreude ist immer noch die schönste Freude.«

Eva nickte dankbar, nahm die Broschüren entgegen und verstaute sie sorgfältig in ihrer Handtasche. Sie erschienen Eva wie ein kostbarer Schatz, fast wie das Unterpfand ihres Glücks.

Dass sie in dem voll ausgebuchten Touristenort in allerletzter Minute doch noch ein Fremdenzimmer ergattert hatte, konnte nur ein gutes Omen sein! Jetzt lag es an ihr, alles Weitere geschickt in die Hand zu nehmen. Aber das würde sie schon schaffen!

*

»Hallo, Eva! Na endlich! Das hat aber ganz schön lange gedauert! Hat es wenigstens geklappt mit deinem Ferienaufenthalt in den Bergen?«

Sonja Behrens sah ihre beste Freundin und Bürokollegin fragend an, aber Eva musste erst einmal tief Luft holen, ehe sie antworten konnte.

»Ja, es hat geklappt, Sonja«, gab sie schließlich zurück. »Wenn auch nur mit knapper Not. Stell dir vor, ich hab doch tatsächlich das letzte freie Zimmer in einem voll ausgebuchten Urlaubsort ergattert. Wenn man da net von Glück sprechen kann …«

Sonja nickte. »Und ob. Man darf also, was den ersten Schritt ins Liebesglück betrifft, bereits gratulieren. Irgendwie warst du schon immer ein Sonntagskind«, meinte sie grinsend und rückte Eva den Stuhl neben ihr zurecht.

Die beiden jungen Frauen hatten sich in der Firma einen Tag frei genommen. Sie hatten abgemacht, sich nach Evas Abstecher ins Reisebüro in einem schönen Café in der Nähe des Reisebüros zu treffen. Das Café am Marienplatz bot einen wunderschönen Blick auf die Skulptur der Madonna Bavariae und auf die Figuren des Schäfflertanzes im Rathausturm.

»Was möchtest du denn essen oder trinken, Eva?«, fragte Sonja, als die Freundin ihre Jacke ausgezogen und sich gesetzt hatte.

Eva warf einen raschen Blick aus dem Fenster in Richtung Rathausuhr.

»Nichts Großes. Ich trinke wohl besser nur schnell einen Kaffee«, gab sie zurück. »Sonst kommen wir noch zu spät zu unserem …«

Eva verfiel in geheimnisvolles Flüstern. Dann sahen sich die beiden jungen Frauen mit verschwörerischen Blicken an und kicherten wie zwei Schulmädchen in sich hinein.

»Zu unserer Verabredung mit Madame Adelaide«, vollendete Sonja schließlich hinter vorgehaltener Hand.

Sonja, die sehr viel auf Horoskope und Astrologie hielt, hatte in der Lektüre der »Astro-Aktuell« durch Zufall die Adresse einer, wie ihr schien, genialen Wahrsagerin entdeckt. Die Schicksalsprophetin rühmte sich, selbst von bedeutenden Persönlichkeiten aus Politik und Showbusiness regelmäßig um Rat gefragt zu werden, und dabei nahezu hundertprozentige Trefferquoten zu erzielen.

Sonja war plötzlich total neugierig gewesen. Ihr Geburtstag stand kurz bevor! Da musste sie doch wissen, was im neuen Lebensjahr auf sie wartete!

Um sich ganz allein dorthin zu wagen, hatte ihr dann allerdings doch der Mut gefehlt, also hatte sie ihre Freundin Eva eingeweiht und sie um ihre Begleitung gebeten.

Eva hatte sofort zugestimmt. Sie war zwar weit weniger astrologiegläubig als Sonja, aber wenn es um die Liebe ging …

Womöglich konnte diese Madame Adelaide auf irgendeine natürliche oder übernatürliche Art herausfinden, ob Frank Reiser, ihr Juniorchef, sich wirklich in sie verliebt hatte!

Es konnte doch nicht sein, dass sie sich sein Interesse an ihr nur einbildete! Und dass sie seine Blicke missdeutete, die in der Kantine immer wieder in ihre Richtung wanderten!

Auch bei der Feier zum 50-jährigen Firmenjubiläum hatte er fast nur mit ihr getanzt und ihr tief in die Augen geschaut. Das konnte doch kein Zufall gewesen sein!

Jede Einzelheit seines Gesichts hatte sich ihr eingeprägt: seine wasserblauen Augen, sein pechschwarzes, leicht welliges Haar, seine schmale Nase und sein markantes, von männlicher Entschlossenheit zeugendes Kinn.

Es gab keine Frau in der ganzen Firma, die Frank Reiser nicht attraktiv gefunden hätte. Das ganze weibliche Personal umschwärmte ihn, aber er blieb normalerweise kühl und zurückhaltend wie ein Eisberg. Nur bei ihr machte er eine Ausnahme.

Wenn sie nur endlich Gewissheit hätte, ob er sie wirklich …

Verwirrt fuhr Eva aus ihren Gedanken auf, als die Bedienung die bestellte Tasse Kaffee geräuschvoll vor ihr auf den Tisch stellte.

»Danke. Ich …, ich zahle gleich«, erklärte sie zerstreut und suchte in ihrer Handtasche nach dem Geldbeutel.

Hastig stürzte sie den Kaffee hinunter, während sie Sonja auf deren Fragen hin von ihrem Besuch im Reisebüro berichtete.

Als Eva und Sonja das Café Glockenspiel wieder verließen, mussten sie sich, die Regenschirme wie Schutzschilde vor ihren Köpfen, durch den noch stärker gewordenen Regen kämpfen. Sie ließen sich aber nicht beirren. Zielstrebig schlugen sie die Richtung zum Viktualienmarkt ein, in dessen Nähe Madame Adelaide wohnte.

»Meinst du, dass die Hellseherin etwas Schlimmes für mich in den Sternen sieht? Irgendein Unglück vielleicht?«, fragte Sonja plötzlich unsicher gegen den peitschenden Wind an.

»Quatsch«, erwiderte Eva resolut. »Und falls doch, glauben wir es einfach nicht. Wir glauben nur das Gute.«

Die Freundinnen lachten.

Wenig später stiegen sie in einem alten, aus der Zeit der Jahrhundertwende stammenden Mietshaus eine steile hölzerne Treppe in den dritten Stock hinauf.

Einen Moment blieben Sonja und Eva reglos vor Madame Adelaides Tür stehen ohne zu wissen, worauf sie eigentlich warteten. Dann drückte Eva entschlossen den Klingelknopf.

Die Türglocke sang eine zarte Melodie, worauf die beiden jungen Frauen sofort eingelassen wurden.

Sie wunderten sich über das helle und freundliche Ambiente der Wohnung und auch über die noch recht junge Madame Adelaide. Sie trug kein langes wallendes Gewand, sondern Jeans und T-Shirt und hatte so gar nichts Französisches an sich, sondern begrüßte sie in anheimelndem oberbayerischem Dialekt.

Erst der süßlich-würzige Duft der von Madame Adelaide entzündeten Räucherstäbchen und ihr abwesender, fast entrückter Blick, als sie für Eva und Sonja ein Horoskop erstellte und die Tarotkarten befragte, ließen die erwartete geheimnisvolle Aura doch noch entstehen.

Plötzlich lag Spannung in der Luft.

Nachdem die Wahrsagerin Sonja ein neues Lebensjahr mit vielen positiven Umwälzungen vorausgesagt hatte, wandte sie sich Eva zu.

»Sie reisen schon bald in die Berge, nicht wahr? Die Berge werden Ihnen Glück bringen«, sagte sie. »Glück in der Liebe. Ich sehe sogar eine baldige Hochzeit in Ihren Sternen. Vielleicht noch in diesem Jahr. Aber trotzdem kommt einiges anders als geplant. Und es erwartet Sie noch eine große Überraschung.«

Eva fühlte, wie ihre Hände feucht wurden und ihr Herz wie wild zu schlagen begann.

Liebesglück in den Bergen!

Das konnte nur bedeuten, dass sie und Frank Reiser sich in St. Johann tatsächlich näherkommen würden! Und dann eine Hochzeit! Das hieß, dass alle ihre Träume sich erfüllen würden. Eva Reiser … So würde sie vielleicht in ein paar Monaten schon heißen. Klang der Name nicht wie Musik?

Als Eva kurze Zeit später neben Sonja wieder ins rege Treiben des Münchner Viktualienmarkts hinaustrat, spannte sie gedankenverloren den Schirm auf, obwohl es inzwischen endlich aufgehört hatte zu regnen. Sie nahm überhaupt nichts mehr wahr, so verstrickt war sie in ihre Hoffnungen und Träume. Erst als Sonja ihr lachend einen Schubs gab und auf ein paar Passanten deutete, die sich über den aufgespannten Regenschirm amüsierten, wurde Eva ihr Missgeschick bewusst. Mit hochroten Wangen klappte sie den Schirm zu.

»Diese Madame Adelaide war zwar nicht gerade billig«, meinte Sonja, während sie sich bei Eva unterhakte, »aber das, was sie über meine Zukunft gesagt hat, war mir jeden Euro wert. Positive Umwälzungen – da könnte ich mir schon einiges vorstellen. Ein besser bezahlter Job zum Beispiel, eine schönere Wohnung, eine neue Liebe …« Sonja schaute Eva an, die so verträumt neben ihr her lief, als schwebe sie ein paar Zentimeter über dem Boden. »Du denkst wieder einmal nur an deinen Frank«, seufzte sie. »Ich muss allerdings zugeben, dass Madame Adelaides Voraussage in deinem Fall wirklich sehr eindeutig war. Nur was die Überraschung angeht, kann ich mir, ehrlich gesagt, nichts Richtiges vorstellen.«

Eva konnte es genauso wenig, aber es war ihr auch nicht wichtig. Was kümmerte sie diese Überraschung! Ende gut, alles gut: Das war das Einzige, was zählte!

Eva und Sonja nützten den Rest ihres freien Tages noch für einen kleinen Stadtbummel. Sie trennten sich erst am späten Nachmittag. Eva war jedoch noch immer so aufgeregt, dass sie sich nicht entschließen konnte, nach Hause zu gehen.

Eine Weile schlenderte sie noch kreuz und quer durch die Fußgängerzone und kaufte sich schließlich zur Feier des Tages eine komplette Wanderausrüstung mit Bundhose, Bergschuhen, Rucksack und Bergstöcken. Wenn sie erst in St. Johann war, musste sie Frank Reiser doch zeigen, dass sie seine Liebe zu den Bergen und sein Interesse am Bergwandern und Bergsteigen teilte!

Mit Tüten überladen verließ Eva das Sportgeschäft.

Vom Übermut gepackt, erstand sie im Trachtenladen nebenan gleich noch ein hübsches weiß und grün kariertes Dirndlkleid, das ausgezeichnet zu ihrem blonden Haar und ihren grünen Augen passte. Bestimmt gab es in einem so gut besuchten Touristenort wie St. Johann eine passende Gelegenheit, es auszuführen! Einen Heimatabend vielleicht oder ein Tanzvergnügen …