Der verhängnisvolle Brief - Toni Waidacher - E-Book

Der verhängnisvolle Brief E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. »Max? Wo steckst denn?« Claudia Trenker schaute suchend aus dem Fenster in den kleinen Garten, hinter dem Haus, in dem das Polizeirevier von St. Johann untergebracht war. Zur Dienststelle gehörte eine Wohnung, in der der Bruder des Bergpfarrers mit seiner Familie lebte, solange er den Posten des Revierleiters innehatte. »Was gibt's denn?«, hörte sie endlich seine Stimme. »Ich bin hier mit Sebastian an der Schaukel.« »Komm mal rasch! Telefon!« Unten im Garten zuckte Max Trenker zusammen. »Heut?«, fragte er ungläubig, während er seinen Sohn von der Schaukel nahm und zum Haus eilte. »Wer ist's denn?« Claudia war schon mit dem schnurlosen Telefon nach unten gekommen. »Den Namen hab ich net recht verstanden«, antwortete sie und reichte ihm den Apparat. »Eine Frau …« Der junge Polizeibeamte zuckte wieder zusammen, hatte sich aber schnell wieder in der Gewalt. Nicht, dass Claudia noch etwas bemerkte!

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Der Bergpfarrer – 301 –

Der verhängnisvolle Brief

Claudia Trenker sorgt sich um ihren Max

Toni Waidacher

»Max? Wo steckst denn?«

Claudia Trenker schaute suchend aus dem Fenster in den kleinen Garten, hinter dem Haus, in dem das Polizeirevier von St. Johann untergebracht war. Zur Dienststelle gehörte eine Wohnung, in der der Bruder des Bergpfarrers mit seiner Familie lebte, solange er den Posten des Revierleiters innehatte.

»Was gibt’s denn?«, hörte sie endlich seine Stimme. »Ich bin hier mit Sebastian an der Schaukel.«

»Komm mal rasch! Telefon!«

Unten im Garten zuckte Max Trenker zusammen.

»Heut?«, fragte er ungläubig, während er seinen Sohn von der Schaukel nahm und zum Haus eilte.

»Wer ist’s denn?«

Claudia war schon mit dem schnurlosen Telefon nach unten gekommen. »Den Namen hab ich net recht verstanden«, antwortete sie und reichte ihm den Apparat. »Eine Frau …«

Der junge Polizeibeamte zuckte wieder zusammen, hatte sich aber schnell wieder in der Gewalt.

Nicht, dass Claudia noch etwas bemerkte!

»Trenker«, meldete er sich, mit trockenem Hals.

»Hier Holtmann«, vernahm er eine Stimme, die zu einer älteren Frau gehörte. »Sie sind doch der Polizist, der für uns zuständig ist, net wahr?«

»Tja, da müssten S’ mir erst mal sagen, von wo aus Sie anrufen, Frau Holtmann«, erklärte der Beamte.

Mit dem Anruf konnte er nichts anfangen. An den Wochenenden war das Diensttelefon so geschaltet, dass die eingehenden Anrufe direkt an das nächste Revier weitergeleitet wurden. Und heute war Samstag!

»Ich rufe aus Klingenthal an«, sagte Frau Holtmann. »Sie müssen unbedingt herkommen, die Cindy ist verschwunden!«

»Wer bitte schön ist denn die Cindy? Ihre Tochter?«

»Was?« Die Anruferin war irritiert. »Nein! Wie kommen S’ denn darauf? Cindy ist meine kleine Maus. Ein Zwergpudelmadl, drei Jahre alt. So lang hab ich sie schon, und das Pupperl ist noch nie fortgelaufen. O Gott, hoffentlich ist sie net überfahren worden. Sie kennt sich doch gar net aus, so allein im Straßenverkehr. Oder man hat sie entführt! Ja, das wird’s sein, meine Kleine ist entführt worden!«

Max unterdrückte einen Stoßseufzer.

»Frau Holtmann, bitte beruhigen S’ sich«, sagte er. »Wir wollen doch net gleich das Schlimmste annehmen. Und eigentlich sind S’ bei mir auch ganz falsch. Für Klingenthal sind die Kollegen aus Garmisch zuständig.«

»Ach. Tatsächlich? Was mach ich denn jetzt?« Die Stimme klang wirklich verzweifelt.

»Erst einmal regen S’ sich net auf«, meinte der Bruder des Bergpfarrers. »Und dann geben S’ mir Ihre genaue Adresse, ich ruf dann die Kollegen an und schick sie zu Ihnen.«

»Ja? Würden S’ das wirklich tun?«

»Aber freilich.«

»Ach, das ist aber nett von Ihnen, Herr Wachtmeister. Vielen Dank auch.«

Max hatte den Eindruck, als wollte die alte Dame einfach auflegen.

»Halt!«, rief er hastig. »Erst Ihre Adresse.«

Er schrieb Name und Anschrift der Frau auf einen Zettel und versprach, alles in die Wege zu leiten. Nachdem er die Kollegen in Garmisch Partenkirchen verständigt hatte, ging der Polizist wieder in den Garten hinaus, wo Claudia inzwischen mit ihrem gemeinsamen Sohn, der nach seinem Onkel benannt worden war, auf der Schaukel saß.

»Was war denn?«, erkundigte sich die Journalistin. »Klang ja richtig aufgeregt, die Frau Holtmann.«

Max lächelte und erzählte, was die Anruferin gewollt hatte. Dann reckte er die Arme und stieß einen Seufzer aus.

»Sag mal, Spatzl, willst heut wirklich auf den Tanzabend im ›Löwen‹ geh’n?«, fragte er.

Claudia sah ihn forschend an.

»Hast gar keine Lust?«, wollte sie wissen. »Bist doch wohl net krank?«

Ihr Mann fasste sich an die Stirn.

»Na ja, Fieber hab ich net …«

Ihr Blick wurde kritischer. Seit ein paar Tagen schien irgendwas nicht zu stimmen. So hatte sie Max noch nie erlebt. Er war fahrig, fast schreckhaft, dann saß er manchmal nur stumm und in sich gekehrt da, war mit seinen Gedanken ganz woanders.

»Vielleicht sollte ich mal den Toni anrufen«, bemerkte die Journalistin. »Net, dass du da was ausbrütest.«

Toni Wiesinger war nicht nur der Arzt in St. Johann, er und seine Frau, Elena, waren auch die besten Freunde von Claudia und Max. Zusammen hatten die beiden Frauen ein junges Madel engagiert, das auf die beiden Kinder, den kleinen Sebastian und die knapp ein Jahr ältere Antonia Wiesinger aufpasste, damit die Mütter wieder ihren Berufen nachgehen konnten. Und in der Regel passte Andrea auch an den Samstagabenden auf, wenn die beiden Paare etwas gemeinsam unternehmen wollten.

Doch anscheinend war das heute – zumindest für die jungen Trenkers – nicht notwendig.

*

»Ich weiß wirklich net, was mit ihm los ist.«

Claudia blickte ihren Schwager fast verzweifelt an.

»Er sagt, er hat nix. Aber das glaub ich net, so still wie der Max manchmal dasitzt, so kenn ich ihn gar net.«

Sebastian Trenker strich sich nachdenklich über das Kinn. Der Bergpfarrer und seine Schwägerin standen auf der Terrasse des Pfarrhauses. Zuvor hatte die ganze Familie zusammen zu Abend gegessen, jetzt wollte man eigentlich zum Hotel hinüber, wo der allwöchentliche Tanzabend stattfand. Doch eben hatte der Geistliche erfahren, dass sein Bruder keine Lust auf diese Gaudi hatte.

»Es ist mir auch schon aufgefallen, dass da was net stimmt«, meinte er. » Max war nie so schweigsam, wie in den letzten Tagen. Hast denn wirklich keine Erklärung dafür?«

Die Journalistin schüttelte den Kopf.

»Ich kann’s mir überhaupt net erklären«, antwortete die attraktive junge Frau.

»Wann genau hast denn diese Veränderung beim Max festgestellt?«

Claudia wiegte nachdenklich den Kopf hin und her.

»Wenn ich’s genau überleg, dann hat’s wohl in der letzten Woche angefangen«, sagte sie. »Als der Artikel in der Zeitung stand …«

Sebastian nickte verstehend. Seine Schwägerin meinte einen Zeitungsartikel, der über Max in einem großen Münchner Blatt erschienen war, nachdem sein Bruder einen Buben vor dem Ertrinken im Achsteinsee gerettet hatte. Diese Heldentat war in mehreren Zeitungen gewürdigt worden.

Doch was hatte das mit Max’ merkwürdigem Verhalten zu tun?

Freilich, der Bruder mochte es nicht, so im Rampenlicht zu stehen. Andererseits war er als Polizeibeamter eine öffentliche Person. Auch wenn Max also wenig Wert auf den Rummel legte, der um ihn getrieben wurde, so war das noch keine Erklärung dafür, dass er sich so einigelte.

Der gute Hirte von St. Johann musste plötzlich schmunzeln.

»Was ist?«

Claudia sah ihren Schwager irritiert an, doch der winkte ab.

»Ich hab nur grad daran denken müssen, dass der Max ja bald Geburtstag hat«, sagte Sebastian. »Sechsunddreißig wird er. Vielleicht macht ihm das zu schaffen.«

Die junge Frau schmunzelte ebenfalls.

»Da könntest freilich recht haben«, stimmte sie zu. »Der arme Kerl verkraftet es sicher net, dass er immer älter wird.«

Der Geistliche legte seinen Arm um ihre Schultern.

»Siehst, Claudia«, meinte er, »es gibt für alles eine Erklärung. Und jetzt lass ihm seinen Willen. Macht euch einen schönen Abend daheim, und morgen schaut die Welt schon wieder anders aus.«

Claudia nickte.

»Danke, Sebastian. Ich war wirklich schon ganz verzweifelt. Aber jetzt, wo ich weiß, was den Max plagt, kann ich besser damit umgehen. Wir werden’s uns daheim gemütlich machen, und ich frag mal vorsichtig an, wie Max sich seine Geburtstagsfeier eigentlich vorstellt.«

»Ja, tu das. Und bei Gelegenheit müssen wir zwei uns zusammensetzen und überlegen, wie wir ihm eine Freude machen können.«

»Am besten zusammen mit Elena und Toni.«

»Und vielleicht holen wir sogar noch den Thomas und den Florian dazu«, schlug Sebastian vor. »Seine alten Schulkameraden werden sich bestimmt daran beteiligen wollen.«

»Eine prima Idee«, lächelte seine Schwägerin und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Das wird für den Max eine Riesenüberraschung!«

Sie gingen wieder ins Haus. Sophie Tappert hatte schon den Abwasch erledigt und spielte mit dem kleinen Sebastian.

»Von mir aus kann er gern hierbleiben«, sagte die Haushälterin.

Wenn Andrea Klein einmal ausfiel, hatte sie es schon oft und gerne übernommen, den Buben und die kleine Antonia zu hüten.

»Das ist wirklich lieb«, erwiderte Claudia, »aber wir haben beschlossen, heut mal den Tanzabend ohne uns stattfinden zu lassen.«

Sie sah ihren Mann an.

»Net wahr, Schatzl?«

Max blickte überrascht von der Zeitung auf, in der er geblättert hatte.

»Ja, gern«, antwortete er. »Wenn’s dir nix ausmacht …?«

Die Journalistin schüttelte den Kopf.

»Nein, nein. Ich hab grad zum Sebastian gesagt, dass wir es uns daheim gemütlich machen wollen.«

Sie zwinkerte ihrem Mann zu.

»Du weißt schon, worüber wir neulich gesprochen haben …«

Der Bruder des Bergpfarrers verstand sofort und lächelte sie liebevoll an.

»Freilich weiß ich, was du meinst«, nickte er und blinzelte ihr ebenfalls zu.

*

»Grüß Gott«, lächelte Ria Stubler den jungen Burschen freundlich an. »Sie sind der Herr Berghofer, net wahr?«

»Richtig«, gab er lächelnd zurück. »Thomas Berghofer, aus München.«

»Und Sie haben für zwei Wochen gebucht. Hatten S’ denn eine gute Anfahrt?«

»Aber ja. Auf der Autobahn war net viel los, und nachher, auf der Landstraße, da konnt ich richtig gemütlich fahren und mir Zeit lassen.«

Die Wirtin hatte den Zimmerschlüssel vom Brett genommen und ging voran, die Stiege hinauf. Thomas Berghofer folgte ihr, einen Koffer in der rechten Hand.

Er war Ende zwanzig, eins achtzig groß und hatte eine sportliche Figur. Das markante Gesicht wurde von zwei dunklen Augen dominiert, die schnell recht direkt oder ernst blicken konnten.

Jetzt hatte Thomas allerdings allen Grund zur Freude. Das letzte Staatsexamen war geschafft, und der junge Arzt wollte erst einmal ausspannen und Urlaub machen, bevor er eine neue Stelle in einem Münchner Krankenhaus antrat.

»So, da sind wir schon«, sagte Ria und ließ den Gast eintreten. »Ich hoff, es gefällt Ihnen.«

Thomas sah sich um und nickte beifällig. Das Zimmer war modern eingerichtet, ohne den landestypischen Stil zu verleugnen. Die Möbel waren mit Bauernmalereien verziert, an den Wänden hingen Bilder, die Motive aus dem Leben der Bergbauern zeigten, vor den Fenstern wehten bunte Vorhänge. Es gab Fernsehen, Telefon und sogar Internetanschluss. Ein kleines, aber ausreichendes Bad gehörte zum Komfort.

»Doch«, antwortete der Arzt, »Es gefällt mir sogar sehr gut. Man sieht ja auf den ersten Blick, wie viel Liebe in der Gestaltung des Zimmers steckt. Hier werde ich mich bestimmt die nächsten Tage sehr wohlfühlen.«

Die Wirtin bedankte sich für das Kompliment und erklärte, zu welchen Zeiten die Gäste frühstücken konnten, und dass der Zimmerschlüssel auch für die Haustür passe, wenn es abends mal spät werden sollte.

»Und falls Sie mal eine Bergtour unternehmen wollen, dann sagen S’ mir am Abend vorher Bescheid. Ich richt Ihnen dann was zum Frühstück her, damit S’ net mit leerem Magen losgeh’n müssen.«

Thomas bedankte sich. Nachdem Ria Stubler wieder nach unten gegangen war, machte er sich daran, seinen Koffer auszupacken. Dabei dachte er flüchtig daran, dass dieser Urlaub eigentlich ganz anders geplant gewesen war. Doch ehe alles wieder hochkommen konnte, schüttelte er den Gedanken an Iris ganz rasch wieder ab und trat stattdessen hinaus, auf den umlaufenden Balkon.

Von dort aus hatte man einen herrlichen Blick auf die Berge, die zum Greifen nahe schienen. Himmelsspitz und Wintermaid hießen die Zwillingsgipfel. Die schneebedeckten Gipfel schienen den blauen Himmel zu berühren. Ein leichter Wind trug den Duft von frisch gemähtem Heu und würzigen Blumen und Kräutern mit sich.

Thomas atmete tief durch.

Nein, die Vergangenheit sollte ruhen. Er wollte sich erholen und dann mit frischem Elan an die neue Aufgabe gehen.

Er ging wieder hinein, sah kurz die Prospekte durch, die auf dem Tischchen am Fenster lagen und zeigten, welche Aktivitäten man in St. Johann und Umgebung unternehmen konnte, dann steckte er seine Geldbörse ein, ließ nach kurzem Überlegen das Handy ausgeschaltet auf dem Tisch liegen und verließ das Zimmer.

Langsam spazierte er durch die Straßen, die von Urlaubern und Tagesgästen nur so wimmelte. Offenbar war St. Johann ein beliebtes Reiseziel. Thomas betrachtete die herrlichen Lüftlmalereien an den Häusern, die gepflegten Gärten und den sauberen Platz um das Rathaus, an dem am morgigen Dienstag der wöchentliche Markt stattfand, wie ein Hinweisschild verkündete, damit Autofahrer rechtzeitig ihre Wagen entfernten.

Nach einem Gang durch die Passage des kleinen Einkaufszentrums, kehrte der Arzt zum Hotel zurück, an dem er auf seinem Spaziergang schon vorübergekommen war.

Der Biergarten war geöffnet, und über den Zaun, der zusätzlich noch eine immergrüne Hecke hatte, konnte Thomas sehen, dass er gut besucht war. Dennoch trat er ein und schaute sich um. Auf der Seite, an der die langen Tischgarnituren, standen, herrschte am meisten Betrieb. Rechts standen kleine runde Tische, mit jeweils vier bequem aussehenden Korbsesseln herum. Dort waren noch mehrere Plätze frei. Thomas ging hinüber und setzte sich unter einen hohen Baum, der reichlich Schatten spendete. Es war immer noch warm, obgleich sich der Sommer langsam dem Ende neigte.

Am Vormittag hatte er München verlassen, die Fahrt nach St. Johann hatte kaum mehr als zwei Stunden gedauert. Jetzt war es früher Nachmittag und eigentlich die richtige Zeit für eine kleine Mahlzeit.

Der junge Arzt nahm dankbar nickend die Speisekarte entgegen, die eine Haustochter ihm reichte, und bestellte bei ihr ein Radler. Das Tagesangebot klang vielversprechend; hausgemachtes Wildragout mit Nussspätzle und Preiselbeeren. Thomas hielt sich an diese Empfehlung und wurde nicht enttäuscht.

Während er es sich schmecken ließ, überlegte er, wie er die nächsten vierzehn Tage gestalten wollte. Wandern gehörte zu seinen Leidenschaften, wie überhaupt jegliche sportliche Betätigung. Allerdings kam eine Bergtour wohl eher nicht in Betracht, dazu hätte er sich längst vor Urlaubsantritt anmelden müssen. Indes war es ja ganz anders geplant gewesen …

Er ärgerte sich, dass er plötzlich doch wieder an Iris dachte, und versuchte, den Gedanken zu verdrängen, was ihm allerdings nur halbherzig gelang. Zu präsent war sie immer noch, zuviel hatte sich zwischen ihnen ereignet, als dass er es so einfach fortwischen konnte.

Reiten, überlegte er, wäre vielleicht eine gute Alternative. In einem der Prospekte war ein Hotel beschrieben, das zu einem Reiterhof gehörte. Es hieß sogar Ferienhotel »Reiterhof«, und er beschloss, es gleich am nächsten Tag aufzusuchen.

Und auf jeden Fall wollte er schwimmen. Ein See ganz in der Nähe versprach ungetrübte Badefreuden, und bestimmt gab es noch andere Möglichkeiten, die Gegend auf Schusters Rappen zu erkunden.

Ja, es sollte ein Urlaub werden, an den er noch lange denken konnte und der ihn von dieser seelischen Last befreite!

*

Max Trenker schloss seufzend die Tür hinter sich und setzte sich an den Schreibtisch. Der Bruder des Bergpfarrers hatte einen arbeitsreichen Vormittag hinter sich. Schon am frühen Morgen musste er nach Waldeck fahren, wo ein verwirrt wirkender alter Mann, der im »Waldecker Hof« abgestiegen war, seine Rechnung nicht bezahlen konnte. Wie sich herausstellte, war der Senior aus einer Einrichtung für Demenzkranke fortgelaufen. Die Polizei in Garmisch war schon in helle Aufregung versetzt und hatte fieberhaft nach dem Vermissten gesucht. Wie der Mann nach Waldeck gekommen war, hatte man bisher noch nicht klären können.