Du bist mein ganzes Glück - Toni Waidacher - E-Book

Du bist mein ganzes Glück E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Markus Bruckner schaute seine Besucherin verschwörerisch an. »Gell', Frau Kerner, es ist Ihnen klar, daß das alles unter uns bleiben muß«, sagte er. »Über den wirklichen Grund Ihres Aufenthalts darf kein Wort nach außen dringen.« Die blonde Mittzwanzigerin, die in einem der bequemen Sessel im Büro des Bürgermeisters von St. Johann saß, schlug die Knie übereinander und strich den Rock glatt. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm und eine cremefarbene Bluse. Ein goldenes Kettchen war das einzige Schmuckstück. »Selbstverständlich, Herr Bruckner«, erwiderte Elke Kerner. »Von mir erfährt niemand etwas. Offiziell mache ich hier ein paar Tage Urlaub. Es ist ja auch ein schöner Ort, Ihr Sankt Johann.« »Nicht wahr!« Markus Bruckner war ans Fenster getreten und sah hinaus. Gerade hielt vor dem gegenüberliegenden Hotel ein Reisebus und eine Schar Touristen stieg aus. Der Bürgermeister drehte sich wieder um. »Und wir werden dafür sorgen, daß das auch in aller Welt bekannt wird«, sprach er weiter. »Finden Sie mir nur einen geeigneten Standort für das Hotel.«

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Der Bergpfarrer Extra – 61 –

Du bist mein ganzes Glück

Kann Elke sein gebrochenes Herz heilen?

Toni Waidacher

Markus Bruckner schaute seine Besucherin verschwörerisch an.

»Gell’, Frau Kerner, es ist Ihnen klar, daß das alles unter uns bleiben muß«, sagte er. »Über den wirklichen Grund Ihres Aufenthalts darf kein Wort nach außen dringen.«

Die blonde Mittzwanzigerin, die in einem der bequemen Sessel im Büro des Bürgermeisters von St. Johann saß, schlug die Knie übereinander und strich den Rock glatt. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm und eine cremefarbene Bluse. Ein goldenes Kettchen war das einzige Schmuckstück.

»Selbstverständlich, Herr Bruckner«, erwiderte Elke Kerner. »Von mir erfährt niemand etwas. Offiziell mache ich hier ein paar Tage Urlaub. Es ist ja auch ein schöner Ort, Ihr Sankt Johann.«

»Nicht wahr!«

Markus Bruckner war ans Fenster getreten und sah hinaus. Gerade hielt vor dem gegenüberliegenden Hotel ein Reisebus und eine Schar Touristen stieg aus. Der Bürgermeister drehte sich wieder um.

»Und wir werden dafür sorgen, daß das auch in aller Welt bekannt wird«, sprach er weiter. »Finden Sie mir nur einen geeigneten Standort für das Hotel.«

Elke Kerner trank einen Schluck aus der Kaffeetasse, die vor ihr auf dem Tisch stand und legte dann die Fingerspitzen aneinander.

»Hm, sechshundert Betten, ist das nicht ein bißchen zu gewagt für Ihren kleinen Ort«, gab sie zu bedenken. Immerhin fehlt es hier ja noch an attraktiven Freizeitmöglichkeiten.«

»Das kommt alles noch«, winkte der Bürgermeister ab. »Bis jetzt kommen die Leut’ wegen der guten Wandermöglichkeiten, die wir hier haben. Sie soll’n mal sehen, was erst hier los ist, wenn das Hotel steht, mit allen erdenklichen Attraktionen. Ich hab’ schon mit dem Reisinger-Sepp gesprochen, das ist der Wirt von dem Hotel, in dem Sie wohnen, der Sepp zieht mit. Das wird vom Allerfeinsten. Schwimmbad, Sauna, Solarium. Einen Golfplatz werden wir anlegen, und eine große Diskothek. Tanz und gute Laune bis in den frühen Morgen – das ist’s, was die Leut’ wollen. Schauen S’ nur einmal, was da auf Mallorca los ist, mit den ganzen Urlaubern. Warum soll das hier net auch geh’n.«

»Also, ob das, was da in Spanien geschieht, hier auch funktioniert, wage ich zu bezweifeln«, versuchte die Frau den Enthusiasmus des Bürgermeisters von Sankt Johann zu bremsen. »Ganz zu schweigen davon, ob so etwas überhaupt erwünschenswert ist. Was ich mit attraktiven Freizeitmöglichkeiten meine, bezieht sich vielmehr auf das hiesige Angebot für Wintersportler. Es fehlen Skipisten, Seilbahn und all die anderen Sachen, die einen Wintersportort für Touristen erst anziehend machen.«

Markus Bruckner schüttelte den Kopf.

»Ich versteh’ ihre Einwände, Frau Kerner. Dennoch, eines zieht das andere nach. Wenn das Hotel erstmal steht, dann finden sich genügend Investoren, um die Skipiste und Seilbahn zu bauen. Wenn Sie sich alles anschauen, werden Sie mir recht geben. Die beiden Gipfel, der Himmelsspitz und die Wintermaid, laden geradezu ein, dort Pisten anzulegen.«

Elke Kerner erhob sich und reichte Markus die Hand.

»Gut, Herr Bruckner, dann machen wir es so, wie verabredet. Ich schaue mir die Gegend an, und in etwa einer Woche erhalten Sie ein ausführliches Exposé, in dem ich meine Vorschläge und Anregungen darlege.«

»Ist recht, Frau Kerner.«

Er legte einen Finger an den Mund.

»Und zu niemandem ein Wort.«

»Selbstverständlich nicht. Sie können sich darauf verlassen.«

*

Ein wenig nachdenklich schlenderte die junge Frau über die Straße. Irgendwie schien dieser ganze Auftrag zu vage und ominös. Allein diese ganze Geheimhaltung! Elke schmunzelte – sie war doch keine Spionin.

Oder doch? Beinahe kam sie sich so vor. Im Auftrag des Bürgermeisters sollte sie herausfinden, an welcher Stelle ein geeigneter Platz für den Bau eines Riesenhotels war. Davon durfte niemand etwas erfahren. Warum, fragte die Frau sich. Gäbe es vielleicht Widerstand gegen ein solches Projekt? Der Gemeinderat würde hinter der Sache stehen, sagte zumindest der Bürgermeister. Aber was war mit den anderen Leuten hier? Würden die Markus Bruckner und seinen ehrgeizigen Plänen Steine in den Weg legen?

Elke Kerner blieb einen Moment stehen und schaute sich um. Ein schöner, beschaulicher Ort, dieses Sankt Johann, dachte sie. Nicht so groß, daß man als Fremder den Überblick verlieren konnte, aber auch nicht zu klein. Ihr Blick fiel bewundernd auf die Kirche, die auf einem kleinen Hügel beinahe in der Ortsmitte erbaut war. Das schneeweiße Gemäuer überragte alle anderen Gebäude. Elke nahm sich vor, die Kirche bei Gelegenheit zu besichtigen.

Sie setzte ihren Weg zum Hotel fort und vernahm plötzlich einen lauten Pfiff. Entgegen ihrer Gewohnheit drehte sie sich um und schaute in das grinsende Gesicht eines jungen Burschen.

»Teifi, Teifi«, sagte er. »Wie kommt so ein hübsch’s Madel in unser klein’s Dorf?«

»Sie werden es nicht glauben«, antwortete sie. »Mit dem Auto.«

Damit ging sie weiter. Innerlich lachte sie. Es war nicht das erste Mal, daß ihr so etwas passierte. Die attraktive Frau war es gewohnt, die Blicke der Männer auf sich zu ziehen.

Als sie das Hotel betrat, stand der Bursch’ immer noch auf der Straße und schaute ihr hinterher.

So ein Madel, so ein blitzsauber’s! schoß es dem Fornbacher Martin durch den Kopf. Und so schlagfertig. Hoffentlich war’s am Samstag beim Tanz dabei. Dann wird’s schon ihr blaues Wunder erleben!

Langsam drehte er sich um und ging weiter. Dabei rieb er sich voller Vorfreude die Hände.

*

In der Hotelhalle herrschte ein dichtes Gedränge. Die gerade angekommenen Gäste belegten ihre Zimmer. Überall standen Koffer und Reisetaschen herum, während es von Stimmen summte und brummte, wie in einem Bienenhaus. Sepp Reisinger stand hinter der Rezeption und gab die Zimmerschlüssel aus.

Elke Kerner, die hinter einem Pulk Gäste stand, bekam plötzlich einen Stoß in den Rücken, als die Eingangstür aufschwang. Ein junger Mann drängte herein, in beiden Händen Koffer.

»Verzeihen Sie, bitte«, entschuldigte er sich. »Ich konnte wirklich nicht sehen, daß jemand so dicht an der Tür steht.«

Elke schaute ihn an. Er lächelte charmant zurück.

»Es ist ja nichts passiert«, sagte sie.

Der neue Gast hatte seine Koffer abgestellt. Er machte eine Verbeugung.

»Carsten Henning«, stellte er sich vor.

Elke nickt und nannte ihren Namen, dann wandte sie sich wieder der Rezeption zu, an der es merklich ruhiger wurde. Die meisten Gäste hatten ihre Zimmerschlüssel und strebten die Treppe hinauf.

»Ach, Frau Kerner«, sagte Sepp. »Sie möchten bestimmt auch Ihren Schlüssel.«

Er reichte ihn über den kleinen Tresen.

Elke bedankte sich und nickte dem jungen Mann noch einmal zu. Der schaute ihr lange hinterher.

»Sie sind Herr Henning?« fragte der Wirt. »Herzlich willkommen.«

»Ja, ich habe ein Zimmer reserviert. Für eine Woche.«

»Ja, hier steht’s. Einzelzimmer mit Dusche. So bitt’schön.«

Er nahm den Schlüssel vom Brett und gab ihn Carsten Henning.

»Vom Hotel ›Stadt Hamburg‹, in Hamburg, gebucht«, stellte Sepp Reisinger mit einem Blick auf seine Unterlagen fest. »Arbeiten Sie gar dort?«

»Ich bin der Geschäftsführer des ›Stadt Hamburg‹.«

Sepps Miene erhellte sich.

»Dann sind wir ja Kollegen. Da müssen wir uns mal am Abend unterhalten. Bei einem Glas Wein vielleicht?«

»Gerne. Aber jetzt bin ich ein wenig müde. Die Fahrt von Norddeutschland hier herunter, war doch recht anstrengend.«

»Natürlich, Herr Henning, einen schönen Aufenthalt in Sankt Johann.«

»Danke«, antwortete Carsten von der Treppe her. »Was ich bis jetzt gesehen habe, war schon sehr vielversprechend.«

Sepp Reisinger schaute ihm nachdenklich hinterher.

Wie mochten die Worte gemeint sein? Der Löwenwirt hatte sehr wohl den Blick bemerkt, den sein neuer Gast der Frau Kerner hinterher geworfen hatte…

Wie auch immer. Sepp freute sich, einen Fachmann im Haus zu haben, mit dem er sich einmal austauschen konnte. Wer weiß, vielleicht konnte der Herr Henning ihm noch ein paar Tips geben. Immerhin war das ›Stadt Hamburg‹ ein erstklassiges Hotel, das einen weltweiten Ruf genoß. Es war geradezu ein Glücksfall, daß der Geschäftsführer dieses Hauses ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt – wo das neue Hotel für St. Johann geplant wurde – hier Urlaub machte.

Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, setzte sich Sepp Reisinger in sein Büro und gab sich den Träumen hin, die er zusammen mit dem Bürgermeister ausgeheckt hatte – St. Johann zu einem touristischen Zentrum zu machen.

Herrliche Zeiten werden kommen, dachte er dabei.

*

Carsten Henning nickte zufrieden, als er das Zimmer betreten hatte. Es war groß und hell, die Einrichtung modern. Außer dem Bett und Kleiderschrank gab es eine Leseecke mit Tisch und Sessel, sowie einen Schreibtisch, der am Fenster stand. Fernsehgerät und Telefon boten zusätzlichen Komfort.

Der junge Mann machte sich daran, seine beiden Koffer auszuräumen. Dabei schüttelte der den Kopf. Das war ja viel zu viel Gepäck, das er da für eine Woche Urlaub eingepackt hatte. Wie oft hatte er mit Petra deswegen eine Auseinandersetzung gehabt, weil sie für drei Tage auf Sylt Taschen und Koffer mitnahm, als wolle sie eine Weltreise antreten. Darüber würde er sich jetzt aber nicht mehr aufregen müssen…

Carsten hielt in seiner Tätigkeit inne und setzte sich auf den Rand des Bettes. Petra Hagen, zweite Tochter einer angesehenen Hamburger Kaufmannsfamilie, sie war seine große Liebe gewesen. Doch das schien alles so lange her. Carsten dachte nur noch selten an die junge, dunkelhaarige Frau, mit der er bis vor ein paar Wochen noch verlobt war. Hatte er sie wirklich schon vergessen, oder war es mehr ein Schutz, den er sich selbst auferlegte, um nicht in Kummer und Verzweiflung zu versinken?

Er hatte Petra geliebt, aus tiefstem Herzen, und war doch bitter enttäuscht worden. Als er sie in den Armen seines besten Freundes überraschte, brach für ihn eine Welt zusammen. Jeder Versuch seines Schwiegervaters in spe, den Riß zu kitten und zu retten, was zu retten ist, scheiterte an Carstens Widerstand. Er hatte seiner Verlobten vertraut, und dieses Vertrauen war gründlich mißbraucht worden. Für ihn gab es keinen Weg zurück, mochte Petra ihr Handeln noch so sehr bereuen, wie sie ihm immer wieder versuchte, am Telefon zu erkären. Ein-, zweimal hörte er zu, ohne ein Wort zu erwidern, die nächsten Male legte er den Hörer auf die Gabel, wenn er ihre Stimme vernahm.

Für eine Weile zog er sich in sein Schneckenhaus zurück, doch seine Tätigkeit als Geschäftsführer eines Hotels von Weltruf, ließ es nicht zu, daß er sich vergrub. Er mußte repräsentieren, Gäste empfangen, Geschäftsessen absolvieren.

Carsten beschloß, daß es das beste sei, sich für eine kurze Zeit zurückzuziehen und auszuspannen. Am liebsten irgendwo weit fort. Einen Kochcommis, der in St. Johann zu Hause war, hatte es in den hohen Norden verschlagen, und obwohl er sich in Hamburg wohlfühlte, sprach er doch immer wieder davon, wie schön es in seiner Heimat sei. So kam Carsten auf die Idee, seinen Urlaub in dem kleinen Ort in den Alpen zu verbringen. Und was er auf der Fahrt hierher und seit seiner Ankunft sah, hatte ihm schon sehr gefallen.

Damit meinte er aber nicht die junge Frau, der er die Tür so unsanft in den Rücken gestoßen hatte. Sie sah toll aus, ohne Zweifel, aber das Kapitel Frauen hatte sich für die nächste Zeit erledigt. So bald würde er sein Herz nicht wieder verschenken, das stand für Carsten Henning fest.

*

Sebastian Trenker wanderte die Hohe Riest hinauf, einem Waldstück, das unterhalb der Zwillingsgipfel, Himmelsspitz und Wintermaid, lag. Es war ein heller, sonniger Morgen, den der Pfarrer unbedingt für diese Wanderung nutzen wollte. Seit einer guten Stunde war er schon unterwegs, und er hatte beschlossen, seine erste Rast bei der Berghütte zu machen, die er bald erreichen mußte. Dabei freute er sich auf ein ausgiebiges Frühstück mit Kaffee, Brot und Speck.

Nach einer Biegung hatte er sein Ziel erreicht. Vor dem Hintergrund der imposanten Berge stand die Holzhütte, die Wanderern Schutz vor Unwetter, oder auch ein Lager für die Nacht bot. Unmittelbar davor war ein kleines Wiesenstück. Dort machte der Geistliche es sich bequem. Schnell war der Rucksack aufgeschnürt. In der Thermoskanne duftete der heiße Kaffeee, und dem Papier, in das der Speck eingewickelt war, entströmte ein appetitliches Aroma nach Rauch. Mit einem Taschenmesser schnitt Sebastian ein gutes Stück davon ab, ebenso von dem krossen Brot, das seine Haushälterin gebacken hatte. Langsam und genußvoll ließ er es sich schmecken. Dabei schaute er auf das herrliche Panorama der Berge und der bewaldeten Höhen.

Er hatte gerade sein Mahl beendet, als ein merkwürdiger Laut ihn aufhorchen ließ. War da wirklich etwas, oder hatte er sich getäuscht?

Nein, da war es wieder. Es klang wie ein unterdrücktes Stöhnen. Sebastian war nicht sicher, aber er glaubte, daß das Geräusch aus der Hütte käme.

Ein wildes Tier vielleicht? Unmöglich war das nicht. Die Hütte hatte zwar eine Tür, aber ein Fuchs oder Marder konnte sich schon mal durch irgend ein Loch dort hinein verirren und dann den Weg hinaus nicht wiederfinden.

Pfarrer Trenker näherte sich vorsichtig der Hüttentür. Den Gedanken an ein wildes Tier verwarf er jedoch. Solche Geräusche verursachte nur ein Mensch.

Ein Mensch, der Hilfe brauchte.

»Hallo, ist da jemand?« rief er durch die offene Tür.

Die Berghütte bestand aus einem größeren Raum, in dem roh gezimmerte Tische und Stühle standen, und mehreren Nebenkammern, in denen Strohbetten auf müde Wanderer warteten. Von dort kamen die seltsamen Laute.

Sebastian stieß die Tür zu der Kammer auf und trat ein. Auf dem Strohbett lag ein Mann in merkwürdig verkrümmter Haltung. Der Pfarrer näherte sich ihm.

»Grüß’ Gott, sind Sie verletzt? Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«

Der Mann richtete sich mühsam von seinem Lager auf und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Er mochte so um die sechzig Jahre alt sein und machte einen recht heruntergekommenen Eindruck. Er war nicht rasiert und roch er sehr streng, wie Pfarrer Trenker mit einem Nasenrümpfen feststellte.

»Mein Bein«, antwortete er und zeigte auf seine zerrissene Hose. »Ich hab’s mir bei der Kletterei aufgeschlagen.«

»Lassen S’ mal sehen.«

Trotz des Geruchs, der von dem Mann ausging, setzte Sebastian sich an seine Seite und hob vorsichtig die Hosenfetzen von dem Bein ab.

»Du lieber Himmel!« entfuhr es ihm.

Die Wunde sah fürchterlich aus. Blutverkrustet und angeschwollen. Die Haut ringsherum hatte eine bläuliche Färbung angenommen.