Der Bewegungskindergarten - Renate Zimmer - E-Book

Der Bewegungskindergarten E-Book

Renate Zimmer

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Beschreibung

Bewegung gilt heute als zentrales Medium der Persönlichkeitsentwicklung. Kein Wunder, dass immer mehr Einrichtungen dies in ihrem Konzept berücksichtigen oder als Grundlage ihrer pädagogischen Arbeit betrachten. Renate Zimmer, Deutschlands bekannteste Expertin für Bewegungserziehung, beantwortet in diesem Buch alle wichtigen Fragen: Wie sieht das pädagogische Konzept eines Bewegungskindergartens aus? Wie lässt sich so ein Projekt Schritt für Schritt umsetzen? Wie erfolgt die Zertifizierung? Beispiele aus der Praxis geben anregende Impulse.

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Der Bewegungskindergarten

Pädagogische Ansätze auf einen Blick

Der Bewegungskindergarten

Renate Zimmer

DerBewegungs-Kindergarten

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2022

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Arnold & Domnick, Leipzig

Umschlagkonzeption: SchwarzwaldMädel, Simonswald

Umschlagfoto und Fotos im Innenteil: © Renate Zimmer

Satz: Röser MEDIA GmbH & Co. KG

E-Book-Konvertierung: Röser MEDIA GmbH & Co. KG

ISBN (Print) 978-3-451-39270-2

ISBN E-Book (EPUB) 978-3-451-82642-9

ISBN E-Book (PDF) 978-3-451-82640-5

Inhalt

Einleitung

1 Wie alles anfing: Ein Blick in die Geschichte des Bewegungskindergartens

1.1 Kooperationen zwischen Sportvereinen und Kindergärten

1.2 Vom Sportkindergarten zum Bewegungskindergarten

1.3 Die Weiterentwicklung der pädagogischen Leitidee

2 Bewegung: Ein zentraler Bildungsbereich

2.1 Bedeutung der Bewegung für die kindliche Entwicklung

2.2 Der Stellenwert von Bewegung in den Bildungsvereinbarungen der Bundesländer

2.3 Bewegung als Querschnitt-Thema

2.3.1 Bewegung und Sprache

2.3.2 Bewegung und naturwissenschaftliche Bildung

3 Das pädagogische Konzept des Bewegungskindergartens

3.1 Das Bild vom Kind und das Bildungsverständnis

3.2 Sinneserfahrungen als Grundlage kindlichen Handelns

3.3 Bewegung und kognitive Entwicklung

3.4 Bewegung und körperlich-motorische Entwicklung

3.5 Bewegung und emotionale Entwicklung

3.6 Bewegung und soziale Entwicklung

3.7 Didaktische Prinzipien der Bewegungserziehung

4 Das Konzept in der Praxis

4.1 Die Bausteine des Bewegungskindergartens

4.2 Bewegungsfreundliche Raumgestaltung

4.2.1 Innenräume

4.2.2 Das Außenspielgelände

4.3 Situative Bewegungsgelegenheiten und begleitete, geplante Bewegungseinheiten

4.3.1 Situative Bewegungsgelegenheiten

4.3.2 Regelmäßige, geplante und begleitete Bewegungseinheiten

4.4 Möglichkeiten der Begegnung – Feste und Ausflüge, Spieletage

4.5 Psychomotorische Förderangebote

4.6 Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern

4.7 Öffentlichkeitsarbeit

4.8 Öffnung nach außen – Kooperationen

4.9 Die Qualifikation der pädagogischen Fachkräfte

4.10 Vom Konzept zur Konzeption

5 Ein Tag in einem Bewegungskindergarten

5.1 Bewegungs(t)räume im »Pinguinland«

5.2 Individuelle Bedürfnisse und freies Spielen bestimmen den Tagesbeginn

5.3 Tagesstruktur – Morgenrunde – Gesprächskreis

5.4 Angebote – vom Kletternetz bis zum Holzschiffbau

5.5 Das Außengelände ist immer zugänglich

5.6 Mittagsrunde – Gemeinsames Spielen

5.7 Projekte und besondere Anlässe

5.8 Beobachtung und Dokumentation der Entwicklungsprozesse der Kinder

5.9 Elternmitwirkung und Elterngespräche

6 Qualitätskriterien: Was zeichnet einen guten (Bewegungs-)Kindergarten aus?

6.1 Qualität aus der Kinderperspektive

6.2 Qualität aus der Erwachsenenperspektive

6.3 Qualität aus fachwissenschaftlicher Perspektive: Nationaler Kriterienkatalog

6.4 Gütesiegel und Markenzeichen – Qualitätsmerkmale eines Bewegungskindergartens

6.5 Ergebnisse empirischer Studien

6.6 Beobachten und Dokumentieren der Entwicklungsprozesse als Merkmal von Qualität

6.6.1 MotorikPlus – ein ganzheitlicher Ansatz der Beobachtung

6.6.2 Ressourcenorientierte Sicht

6.6.3 Kontinuierliche Beobachtung und Dokumentation

6.6.4 Ineinandergreifen von Beobachtung und Entwicklungsbegleitung

6.6.5 Beitrag zur Qualitätssicherung

Fazit

Literatur

Über die Autorin

Einleitung

Noch nie hatten Kinder so viele Sachen zum Spielen. Noch nie gab es so viele Einrichtungen, die sich um ihre Freizeit, ihre musischen und sportlichen Aktivitäten kümmern. Auf der anderen Seite waren Kinder noch nie so arm an Möglichkeiten, sich im Alltag ihre Umwelt mit allen Sinnen und ihrem Körper zu erschließen.

Frei verfügbare Spiel- und Bewegungsräume sind kaum mehr vorzufinden. Dagegen wächst der Einfluss der Medien, auch die Technisierung und Motorisierung nehmen im Alltag zu. Bereits Kleinkinder verbringen den Tag vorwiegend im Sitzen. Die Folgen sind unverkennbar: Immer häufiger leiden Kinder schon vor dem Eintritt in die Schule an Übergewicht, an Beeinträchtigungen der Wahrnehmungsfähigkeit, an Konzentrationsmangel. Besonders betroffen sind Kinder, die aus Familien mit eingeschränktem Wohnraum und schwierigen sozio-ökonomischen Verhältnissen kommen.

Kindertageseinrichtungen als erste öffentliche Erziehungsinstitution außerhalb der Familie tragen in diesem Zusammenhang eine besondere Verantwortung. Hier ist es am ehesten möglich, zivilisationsbedingten Bewegungsmangel auszugleichen und Kindern täglich Raum und Gelegenheit für eine ganzheitliche Entwicklung zu geben, die auch Erfahrungen mit dem Körper und mit allen Sinnen umfasst.

Bewegung spielt in jeder Kindertageseinrichtung eine Rolle – sie ist ein elementarer Bildungsbereich, der in der pädagogischen Konzeption berücksichtigt werden muss. Einige Einrichtungen wollen allerdings mehr tun, um ganz bewusst einen Akzent auf Bewegung zu setzen und damit negativen Entwicklungstendenzen entgegenzuwirken oder ganz einfach Kindern die Chance auf einen aktiven, lebendigen, bewegungsfreudigen Alltag zu geben; und zwar ganz unabhängig von den Möglichkeiten, die das Kind durch sein Elternhaus erfährt. So haben viele Einrichtungen in den vergangenen Jahren ein individuelles eigenes Profil entwickelt, das einen Schwerpunkt zugunsten von Bewegung, Sinneserfahrung und naturnahem Spielen aufweist. Es entstanden unter anderem Konzeptionen wie der „Waldkindergarten“, der „Naturkindergarten“ oder die „Psychomotorische Kindertageseinrichtung“. Beeinflusst war diese Entwicklung auch von den positiven Erfahrungen, die in den Nachbarländern Deutschlands, in Norwegen, Dänemark und Schweden, mit dem selbstverständlichen Aufenthalt der Kinder in der Natur, draußen, zu jeder Jahreszeit und Witterung gewonnen wurden.

In Deutschland kam es vor allem in Kooperation mit Sportverbänden und Sportvereinen zur Gründung von Bewegungskindergärten. Sie erfahren derzeit einen großen Zuspruch, in den einzelnen Bundesländern unterstützen auch die Bildungs- und Kultusministerien die Initiativen, die einerseits von den Sportorganisationen, andererseits aber auch von Kindertageseinrichtungen selbst ausgehen.

Gemeinsames Ziel ist es, die Bedeutung von Bewegung für die Gesundheit, aber auch für die Entwicklung und Bildung der Kinder hervorzuheben.

Die Bedeutung von Bewegung für die kindliche Entwicklung, für das Lernen und den Erwerb grundlegender Kompetenzen ist auch von der Wissenschaft aufgegriffen und mit empirischen Belegen untermauert worden. Auf der Basis der Erkenntnisse aus Pädagogik und Psychologie sind theoretische Grundlagen für die didaktische Planung und Gestaltung von Bewegungsangeboten erarbeitet worden, auch für die Praxis der Bewegungserziehung wurden in den letzten Jahren zahlreiche Fachveröffentlichungen publiziert.

So sind also gute Voraussetzungen geschaffen worden, damit Kindertageseinrichtungen aus unterschiedlichen Trägerlandschaften für sich selbst ein individuelles Konzept erarbeiten können, das ganz auf ihre Bedürfnisse und die der betreuten Kindern und ihrer Eltern abgestimmt ist.

Die meisten pädagogischen Fachkräfte sind sich der Bedeutung von Bewegung für die gesunde Entwicklung eines Kindes bewusst. Die Bewegungsbedürfnisse der Kinder werden sowohl bei der Raumgestaltung als auch bei den täglichen Angeboten mehr als früher berücksichtigt. Dennoch stellt sich die Frage, ob die Angebote eines Regelkindergartens ausreichen, um die Bewegungsarmut unserer alltäglichen Lebenswelt auszugleichen und den vielfältigen Möglichkeiten einer Entwicklungsförderung durch Wahrnehmung und Bewegung gerecht zu werden.

Im pädagogischen Konzept des Bewegungskindergartens werden Wahrnehmung und Bewegung als elementare Erkenntnis- und Ausdrucksmöglichkeiten des Kindes betrachtet und in den Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit gestellt. Ziel ist es, Kindern mehr Raum für Bewegung und für Sinneserfahrungen zu verschaffen, ihre elementaren Bedürfnisse stärker als bisher zu berücksichtigen und zudem das Bildungspotenzial von Bewegung zu nutzen.

Dieses Buch ist als Leitfaden und Unterstützung für pädagogische Fachkräfte gedacht, die ihrer Kindertageseinrichtung das Profil eines Bewegungskindergartens geben wollen. Nach einem Überblick über die Entstehungsgeschichte des Bewegungskindergartens und seiner Weiterentwicklung geht es zunächst um die Bedeutung von Bewegung für die kindliche Entwicklung. Der in den Bildungs- und Orientierungsplänen aufgeführte Bildungsbereich »Bewegung« wird beschrieben und die Verbindung zu anderen Bildungsbereichen wie Sprache aufgezeigt. Im Zentrum des Buches steht das pädagogische Konzept des Bewegungskindergartens, wie es von der Verfasserin in zahlreichen Veröffentlichungen begründet und beschrieben worden ist. Es basiert auf der anthropologischen Vorannahme des Kindes als Bewegungswesen und dem Verständnis von Bildung als aktive Aneignung der Welt. Dieses Konzept wird mit seinen theoretischen Grundlagen erläutert und in seinen Kern-Annahmen beschrieben, um darauf aufbauend Bausteine eines Bewegungskindergartens abzuleiten – beides zusammen kann die Grundlage für die Erstellung einer individuellen Konzeption des Bewegungskindergartens darstellen.

Dabei spielt auch die Frage nach der Qualität eine wichtige Rolle. Nach einer kurzen Übersicht über die Dimensionen der Qualität, die im allgemeinen fachwissenschaftlichen Diskurs Geltung haben, werden Beispiele aus verschiedenen Bundesländern zur Formulierung von Qualitätssiegeln und Gütekriterien vorgestellt, die die Grundlage für eine Zertifizierung der Einrichtungen als „Bewegungskindergarten“ oder als „Bewegungsfreundliche Kita“ bilden. Diese Kriterien werden durch weitere, eher prozessorientierte Merkmale von Qualität, die in einem Bewegungskindergarten von Bedeutung sind, ergänzt.

Das Buch will pädagogischen Fachkräften Mut machen, mehr Bewegung in den Kita-Alltag zu bringen und den Schritt zu einem „Bewegungskindergarten“ zu wagen. Zugleich erhalten die Leserinnen und Leser Anregungen für die Erstellung einer pädagogischen Konzeption auf der Grundlage eines theoretisch fundierten Konzepts unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen der jeweils eigenen Einrichtung.

Möge das Buch dazu beitragen, dass Spiel und Bewegung als unersetzliche elementare Grundprinzipien der pädagogischen Arbeit in Kindertageseinrichtungen an Bedeutung gewinnen, dass ihr Bildungswert erkannt und ihre Rolle beim Erreichen wichtiger Bildungsziele wie Autonomie, Selbstständigkeit und Kompetenzentwicklung der Kinder noch stärker berücksichtigt wird. Vor allem soll es dabei unterstützen, Kindern eine unbeschwerte, freudvolle, bewegte Kindheit zu ermöglichen.

Renate Zimmer

1

Wie alles anfing: Ein Blick in die Geschichte des Bewegungskindergartens

Den Anfang auf dem Weg zum Bewegungskindergarten machten in Deutschland die Sportvereine und -verbände. Ihr Anliegen war es schon vor vielen Jahren, für mehr Bewegung in Kindergärten zu sorgen. So nahm die Deutsche Sportjugend schon früh kritisch Stellung zu der aus ihrer Sicht mangelhaften Ausbildung von pädagogischen Fachkräften im Bereich Bewegung und Bewegungserziehung und der entsprechend geringen Beachtung der kindlichen Bewegungsbedürfnisse in den Kindertageseinrichtungen. Obwohl immer schon aktive, neugierige Kinder mit einem hohen Bewegungsbedürfnis den Kindergarten besuchten, war der Kita-Alltag jedoch vor allem durch häufige sitzende Tätigkeiten, durch Stuhlkreisspiele oder Bastelaktivitäten bestimmt. Dazu kam die räumliche Enge: Die Gruppenräume waren meist mit Tischen und Stühlen vollgestellt, denn für jedes Kind musste ein Sitzplatz an einem Tisch vorhanden sein (Deutsche Sportjugend 1975).

Fortschrittliche Pädagoginnen und Pädagogen forderten damals als Mindeststandard sogenannte »Bewegungsecken« im Gruppenraum, die für Bewegungsspiele genutzt werden konnten (Marona 1994, S. 133f.). Die Sportorganisationen appellierten an die Träger, mehr Möglichkeiten für Bewegung im Kindergarten zu schaffen, und sie forderten die Fachschulen für Sozialpädagogik dazu auf, die bewegungspädagogische Ausbildung zukünftiger Erzieherinnen und Erzieher zu verbessern. In diese Zeit fällt die Gründung der ersten »Sportkindergärten«, die sich im Laufe der Jahre in unterschiedliche Modelle und Konzepte ausdifferenzierten.

1.1 Kooperationen zwischen Sportvereinen und Kindergärten

Der erste Sportkindergarten entstand 1972 in Freiburg. Träger war die „Freiburger Turnerschaft“, ein Verein für Turnen, Spiel und Sport. Anliegen der Verantwortlichen des Vereins war es, die Bewegungsentwicklung der Kinder in der vorschulischen Erziehung stärker zu fördern und durch vielfältige Sportangebote zu stützen. Dabei sollten die räumlichen und personellen Ressourcen eines größeren Sportvereins für die Verbesserung der Bewegungsangebote im Kindergarten genutzt werden.

Wenig später wurde der „Sport- und Spielkindergarten des Osnabrücker Turnerbundes“ gegründet. Der Verein „Osnabrücker Turnerbund“ legte einen Schwerpunkt auf Bewegungs- und Sportangebote für Familien und jüngere Kinder: Schwangerschaftsschwimmkurse, Babyschwimmen, Mutter-Kind-Turnen, Bewegung und Spiel für Kinder im vorschulischen Alter, Rollschuhlaufen und Tanzen für Kinder, Psychomotorikgruppen – nur selten gab es zu dieser Zeit Vereine, die so eindeutig Kinder und junge Eltern als Zielgruppe hatten. Da lag es nahe, dass einige engagierte Vereinsmitglieder zusammen mit dem Vorstand auf die Idee kamen, noch etwas mehr für die Entwicklungsförderung von Kindern zu tun. Häufig war von den Sportorganisationen bemängelt worden, dass das Bewegungsangebot in den Kindergärten aufgrund der räumlichen Voraussetzungen und fehlender Geräte unbefriedigend war (Deutsche Sportjugend 1975). An diesem Punkt wollten die Verantwortlichen des Vereins Abhilfe schaffen. War doch alles, was Kinder für Bewegung brauchten, in räumlicher und materieller Hinsicht bereits vorhanden. Warum sollten diese idealen Voraussetzungen – Turnhallen, ein Schwimmbad, ein Tanzraum, eine Rollschuhhalle, eine Vielzahl an Sport- und Bewegungsgeräten – nicht genutzt werden, um Kindern einen bewegteren Kita-Alltag zu bieten?

In unmittelbarer Nachbarschaft der Gebäude des Sportvereins wurde so ein Spiel- und Sportkindergarten gebaut. Das Interesse der Öffentlichkeit an dem neu errichteten Kindergarten war groß, ebenso die Nachfrage nach Kindergartenplätzen. Die Konzeption des Kindergartens wurde bei der Gründung folgendermaßen beschrieben: „Spielkindergarten bedeutet, dass die Kinder wie in jedem anderen Kindergarten spielen und beschäftigt werden. Sie werden über das Freispiel hinweg zu musischen und manuellen Tätigkeit angeregt und pädagogisch gefördert. Neben aller Freiheit lernen sie eine gewisse Ordnung und das Leben miteinander. Sportkindergarten heißt, dass die Kinder sich täglich eine halbe bis eine Stunde sportlich betätigen und ihren Bewegungsdrang entfalten können und dürfen. So werden die Kinder von ausgebildeten Fachkräften in rhythmischer Gymnastik, Schwimmen, Rollsport und im allgemeinen Turnen angeleitet. Es wird keinerlei Zwang ausgeübt, denn die Kinder sollen ja Freude an der sportlichen Betätigung haben und behalten“ (aus der Festzeitung »20 Jahre Spiel- und Sportkindergarten«).

Das pädagogische Konzept des Kindergartens folgte dem in den 1970er Jahren dominierenden Verständnis der Bewegungserziehung, das auf die Vermittlung sportmotorischer Fertigkeiten ausgerichtet war. Ausgehend von der These, dass es notwendig sei, grundlegende motorische Fähigkeiten auszubilden und zu üben, wurde die Förderung der Grundformen der Bewegung angestrebt. Kinder sollten sich bereits in frühen Lebensjahren in diesen auch als »Grundtätigkeiten« bezeichneten Bewegungsformen üben, da hierauf die sportliche Fertigkeitsentwicklung aufbaue (Diem 1980).

Diese Akzentuierung trat dann in den folgenden Jahren in den Hintergrund. Statt einer Erziehung zum Sport wurden zunehmend die weitreichenden pädagogischen Möglichkeiten bewusst, die sich mit der Bewegungsförderung verbinden. Bewegung wurde als wichtiges Mittel der Entwicklungsförderung von Kindern erkannt und anerkannt. Die Zielrichtung veränderte sich also in die Richtung einer „Erziehung durch Bewegung“.

1.2 Vom Sportkindergarten zum Bewegungskindergarten

Heute hat sich die Landschaft der Kindergärten, die Bewegung zum Schwerpunkt ihrer pädagogischen Arbeit machen, weiter ausdifferenziert. Auch die Anzahl ist erheblich gestiegen: So sind allein in Nordrhein-Westfalen bisher bereits mehr als 980 Kindergärten mit dem Gütesiegel „Bewegungskindergarten“ ausgezeichnet worden.

Anstelle der in der Tradition der Sportvereine stehenden Bezeichnung „Sportkindergarten“ hat sich der Begriff „Bewegungskindergarten“ durchgesetzt. Daneben sind Bezeichnungen wie „Bewegungsfreundliche Kita“ oder „Bewegungsorientierte Kita“ zu finden. Auch die Trägerlandschaft ist vielfältiger geworden: Neben dem organisierten Sport zeigen auch andere Träger der freien Jugendhilfe (Kirchen, Wohlfahrtsverbände), die Kommunen und vor allem private Träger Bereitschaft und Interesse daran, dass ihre Kindertageseinrichtungen ein bewegungsorientiertes Profil entwickeln (Schaffner 2004; Zimmer 2006).

Als eines der ersten Bundesländer griff die Sportjugend Nordrhein-Westfalen das Thema „Bewegungskindergärten“ in großem Umfang auf. Eine spezielle Übungsleiterlizenz „Bewegungserziehung im Kleinkind- und Vorschulalter“ sollte dazu beitragen, die Qualifikation von pädagogischen Fachkräften im Bereich der Bewegungserziehung zu verbessern. Partnerschaften zwischen Sportvereinen und Kindergärten wurden ins Leben gerufen, ein Leitfaden hierfür wurde entwickelt (Balster & Beckmann 1998). Das Programm „NRW bewegt seine Kinder“ wurde aufgelegt, in dem die Kooperation von Kindertageseinrichtungen und kinderfreundlichen Vereinen besonders unterstützt wird. Unter Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (siehe Kapitel 6