Der Bright-Side-Running-Club - Josie Lloyd - E-Book

Der Bright-Side-Running-Club E-Book

Josie Lloyd

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Beschreibung

»Ein erstaunlicher, herzzerreißender und inspirierender Roman« Jenny Colgan

Über Liebe, Zusammenhalt und die Kraft der Freundschaft

Das Leben läuft gut, findet Keira – ihr kleiner Keramikladen floriert, sie hat ein glückliches Familienleben und gute Freundinnen –, bis die Diagnose Brustkrebs ihr den Boden unter den Füßen wegzieht. Obendrein will ihre Geschäftspartnerin sie über den Tisch ziehen, und die ältere Tochter steckt mitten in der Pubertät. Die Therapie mit den Herausforderungen des Alltags in Einklang zu bringen ist nicht einfach, doch Keira möchte ihr Leben nicht von der Krankheit bestimmen lassen.

Und so rennt sie dagegen an, im wahrsten Sinne des Wortes – mit drei anderen Frauen gründet sie den »Bright-Side-Running-Club«. Voller Zuversicht nehmen sie den Kampf gegen die Krankheit auf, unterstützen einander und machen sich gegenseitig Mut. Und immer mehr Frauen schließen sich ihnen an …

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Seitenzahl: 539

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ähnliche


Cover

Titel

Josie Lloyd

Der Bright-Side-Running-Club

Roman

Aus dem Englischen von Christel Dormagen

Insel Verlag

Impressum

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Die Wiedergabe von Gestaltungselementen, Farbigkeit sowie von Trennungen und Seitenumbrüchen ist abhängig vom jeweiligen Lesegerät und kann vom Verlag nicht beeinflusst werden.

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Die englische Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel The Cancer Ladys’ Running Club bei HQ.Die amerikanische Ausgabe erschien 2023 unter dem Titel The Bright Side Running Club bei Crooked Lane Books.

eBook Insel Verlag Berlin 2025

Der vorliegende Text folgt der deutschen Erstausgabe, 2025.

© der deutschsprachigen Ausgabe Insel Verlag Anton Kippenberg GmbH & Co. KG, Berlin, 2025Copyright © 2023 by Unomas Productions Ltd

Der Inhalt dieses eBooks ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Wir behalten uns auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.Für Inhalte von Webseiten Dritter, auf die in diesem Werk verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich, wir übernehmen dafür keine Gewähr. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Umschlaggestaltung: Zero Media, München, unter Verwendung des Originalumschlags von Alcove Press

eISBN 978-3-458-78296-4

www.insel-verlag.de

Widmung

Für Birgit, Jane, Hannah, Maddie und Paula

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Inhalt

Informationen zum Buch

Cover

Titel

Impressum

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Silvester

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Danksagung

Informationen zum Buch

Der Bright-Side-Running-Club

Liebe Leserin, lieber Leser,

es ist mir eine Herzensangelegenheit, Ihnen diesen Roman persönlich vorzustellen. Zwar ist alles darin fiktiv, aber Keiras Brustkrebsdiagnose und die anschließende Behandlung beruhen auf meiner eigenen Geschichte. Als ich die Diagnose Brustkrebs erhalten hatte, riet mir eine Mutter am Schultor, ich müsse mich fit halten. Dabei wäre ich am liebsten unter die Bettdecke gekrochen und nie wieder aufgetaucht; doch dann habe ich mich überreden lassen, an den Strand zu gehen – ich lebe in Brighton –, und dort lernte ich die Laufgruppe kennen, die mich zu diesem Roman inspirierte. Ihr ist dieses Buch gewidmet.

Mit einem bisschen Training und entschiedener Unterstützung durch diese erstaunlichen, tapferen, höchst unterschiedlichen Frauen nahm ich dann gemeinsam mit ihnen am Brighton-10-Kilometer-Lauf teil. Das war unmittelbar vor meiner dritten Chemo, und ich hatte einen kahlen Schädel; doch genau wie im Buch beschrieben, erhielt ich sehr bald eine überwältigende Menge liebevoller, Mut machender Nachrichten von den anderen Läuferinnen.

Besonders eine Frau blieb fast die ganze Strecke in meiner Nähe. Sie strotzte vor Gesundheit und erzählte mir, sie sei während der gesamten Dauer ihrer Therapie gelaufen; sie legte mir nahe, unbedingt dranzubleiben. Und für den letzten Teil der Laufstrecke hat sie auf mich gewartet. Sie erzählte mir, wie sie am Tiefpunkt ihrer Behandlung einmal in einem Café von einer Fremden angesprochen worden sei. Diese Frau habe ihr einen kleinen silbernen Schmetterlingsanhänger geschenkt: »Einen Hoffnungsschmetterling«, habe sie ihn genannt.

Und dann löste die Läuferin ihre Kette mit dem Anhänger, legte sie mir um den Hals und sagte, sie habe sie drei Jahre lang getragen, jetzt sei es an der Zeit, sie weiterzureichen. Der Anhänger sei nun mein kleiner Hoffnungsschmetterling. Ich müsse Vertrauen haben und daran glauben, dass mein Leben nach dem Krebs ein besseres sein werde. Nachdem wir uns umarmt und ein paar Tränen vergossen hatten, entfernte sie sich. Bis heute weiß ich nicht einmal ihren Namen. Doch meine kleine Schmetterlingskette trage ich jeden Tag – sie ist ein Talisman, der mich an jenen außerordentlichen Moment des Glaubens an das Leben erinnert. Er erinnert mich daran, immer nach vorn und nie zurückzuschauen. Und nun, da es mir besser geht, werde auch ich ihn bald weiterreichen.

Damals empfand ich das dringende Bedürfnis, diese Erfahrung zu teilen, einen ehrlichen Roman über Krebs zu schreiben, darüber, wie er einen Menschen, ebenso wie Freundinnen und Freunde, die Familie und die Kolleginnen und Kollegen auf die verschiedensten Weisen treffen kann. Einen Roman nicht nur für solche, die selbst Erfahrung mit Krebs haben, sondern auch für alle anderen. Alle, die (genau wie ich früher) schon bei dem Wort »Krebs« in Panik geraten. Doch da jeder Zweite von uns im Lauf seines Lebens an Krebs erkranken wird und jede achte Frau im Vereinigten Königreich an Brustkrebs, ist dies ein Thema, das uns alle betrifft und das offengelegt gehört. Wir müssen darüber reden, unsere Erfahrungen teilen, es weniger bedrohlich machen.

Denn es handelt sich eben nicht um eine ausschließlich schlechte Nachricht. Bei unserem hervorragenden Gesundheitssystem und dank erstaunlicher Behandlungsmethoden überleben nicht nur sehr viele Menschen den Krebs, sondern gehen aus dieser Erfahrung auch mit einem positiveren Lebensgefühl hervor. Und diese meine Geschichte verdanke ich einigen von ihnen. Es ist eine Geschichte von Freundschaft und Hoffnung. Ich wünsche mir sehr, dass sie Ihnen gefällt.

In Zuneigung Josie x

Silvester

»Schnell! Es ist gleich so weit«, rufe ich, und wir stellen den Fernseher genau in dem Moment an, als Jools Holland auf Mitternacht runterzählt. Die Kids kommen aus dem Wohnzimmer gerannt, und ich lege die Arme um Tilly, meine Älteste, und um Jacob, meinen 13-jährigen Sohn, während wir die letzten drei Sekunden aus vollem Hals mitbrüllen.

Mit vielen Umarmungen und Küssen wünschen wir – insgesamt zwanzig an der Zahl – einander ein gutes neues Jahr und bilden rasch einen lockeren Kreis zwischen dem langen Holztisch und dem Herd mit dem Holzfeuer in der Küche des Scout’schen Bauernhauses in Suffolk. Wir verschränken die Hände, um »Auld Lang Syne« zu schmettern, gleichzeitig singen und lachen wir, als Pooch, unser Hund, mit dem Schwanz wedelt, als wolle er mit dem Hintern einen Shimmy hinlegen.

»We’ll take a cup of kindness yet, for auld lang syne«, gröle ich mit heißen Wangen und Schulter an Schulter mit meinen Kindern. Weiß der Himmel, was die Worte bedeuten. Es fühlt sich jedenfalls gut an, sie zu singen.

Danach lösen wir uns voneinander, und ich falle in Toms Arme. In all dem Durcheinander bin ich noch gar nicht dazu gekommen, ihm ein gutes neues Jahr zu wünschen.

»Immer schön sachte«, lacht mein Mann und stützt mich. »Hast du etwa mit Joss um die Wette Champagner getrunken?« Wir wissen beide, dass Joss uns alle unter den Tisch trinken kann.

»Ja, aber ich liebe dich«, murmele ich mit schwerer Zunge und blicke in sein vertrautes Gesicht. Er trägt eine breit gerahmte Brille, was ihn irgendwie vornehm und auch etwas schräg erscheinen lässt. Sein früher dichtes Haar ist so dünn geworden, dass er sich jetzt den Schädel rasiert, aber für mich sieht er besser denn je aus – er wird definitiv mit dem Alter attraktiver.

»Ich liebe dich auch, meine Keira.« Er streicht mir übers Haar und blickt mir in die Augen, dann küsst er mich zärtlich, und mein Herz schmilzt, so wie immer.

»Okay, okay, ihr zwei Turteltäubchen, auseinander mit euch«, sagt Joss. »Es sind Kinder anwesend. Ehrlich, ihr seid noch genauso verknallt wie vor zwanzig Jahren. Kommst du mit nach draußen?«, fragt sie mich mit einem gewissen Unterton. Ein Unterton, der Tom nicht entgeht.

»Gute Idee, ein bisschen frische Luft zu schnappen. Ich bringe Bea zu Bett«, sagt er, lässt mich los und nickt unserer Jüngsten zu, die gerade mit Pooch zu dem gemütlichen Fenstersitz zockelt. Joss schnappt sich drei Gläser Champagner und meinen Arm, und wir machen uns auf zur Hintertür. »Viel Spaß. Ich werde derweil die Teenager unterhalten«, ruft Tom uns hinterher und zwinkert mir zu.

Draußen setzen wir uns auf die Steinmauer vor der Küche, Scout gesellt sich zu uns. Der riesige Garten ist in silbrige Schatten getaucht, und die Sterne funkeln am schwarzen Himmel. Durch das beschlagene Fenster können wir sehen, wie Scouts Ehemann Mart drinnen Schnapsgläser mit Tequila nebeneinander aufreiht. Es wird eine lange Nacht werden.

»Also, ein neues Jahr«, sagt Joss und zündet sich eine ihrer dünnen Mentholzigaretten an. »Was werden wir ändern? Abgesehen vom Nicht-mehr-Rauchen – damit wird morgen bei Tagesanbruch begonnen.«

Scout und ich lachen. Wir kennen uns schon seit der Schulzeit, aber richtige Freundinnen wurden wir erst, als wir beide auf derselben Uni landeten und sie, Joss und ich im selben Studentenheim wohnten. Wir drei wurden unzertrennlich, mieteten nach dem Examen gemeinsam eine Wohnung in der Ladbroke Grove und verbrachten die Mittneunziger hauptsächlich auf Partys. Mit dem Feiern und Rauchen hörten Scout und ich dann auf, als wir heirateten und Babys bekamen – das ist lange her; aber Joss ist die ewige 25-Jährige geblieben. An jedem Silvester schwört sie, mit dem Rauchen aufzuhören, aber sie tut es nie. Ich habe nichts dagegen, denn so kann ich hin und wieder eine Partyzigarette von ihr schnorren. Ich schaue durchs Fenster, ob Tom wirklich die Teenager ablenkt. Ich kann nicht riskieren, von Tilly erwischt zu werden.

»Du kennst mich, ich hasse Veränderungen«, sage ich, als sie mir die Zigarette reicht. Ich nehme einen Zug, der Rauch brennt in den Augen. »Und außerdem läuft gerade alles total gut.«

»Jetzt wo du demnächst Einzelhändlerin des Jahres von Brightmouth wirst«, erklärt Joss begeistert. Sie spielt auf Toms Rede beim Essen an, er erzählte, wie stolz er sei, dass Wishwells, mein Geschäft, für diesen Preis nominiert wurde.

»Na ja«, erwidere ich und gebe Scout die Zigarette. »Noch habe ich nicht gewonnen, aber es tut gut, für das, was wir erreicht haben, Anerkennung zu erhalten.«

»Und ob du gewinnst«, sagt Joss mit Überzeugung, und ich muss lächeln über ihr unbeirrbares Vertrauen.

»Und du, Scouty? Lebst du glücklich deinen Traum?«, frage ich.

Scout hat vor fünf Jahren ihren lukrativen Job in der Londoner Finanzwelt gekündigt und ist in diesen wunderschönen Teil von Suffolk gezogen, um ein neues Leben als Bäuerin zu beginnen. Man käme nie auf diese Idee, wenn man sie sieht. Sie ist klein, hat kurzes blondes Haar und sieht heute Abend in ihrem alten Samtkleid von Karen Millen wunderschön aus. Nachdenklich stößt sie eine Rauchwolke aus.

»Ich denke schon, dass es gut so ist«, sagt sie. »Aber wenn ich ehrlich bin, ist es manchmal doch einsam, mit den Alpakas als einziger Gesellschaft. Ich habe einfach keine Gelegenheit, neue Leute kennenzulernen.« Es stimmt, sie ist ziemlich isoliert hier oben, und ich mache mir Sorgen um sie. Mart pendelt immer noch nach London, ist deshalb drei Nächte die Woche nicht zu Hause, und ihre Zwillingsjungen sind während des Schuljahrs im Internat.

»Oh, die werden überschätzt«, sagt Joss, und für einen Moment weiß ich nicht, ob sie Menschen oder die Alpakas meint. Sie arbeitet in einer Londoner PR-Agentur und verdient ihr Geld damit, Dinge schön zu quatschen. »Stimmt doch, K? Neue Freunde?« Sie verzieht das Gesicht. »Wer hat denn dafür Zeit?«

Ich nicke lachend. Ich habe schon jede Menge fantastischer Frauen in meinem Leben – Freundinnen, die ich seit zwanzig Jahren kenne oder sogar noch länger, so wie diese beiden. Und dann sind da noch die Angestellten in meinem Laden, von den Lieferanten und meinen vielen Stammkunden ganz zu schweigen. Meine Tage sind voll mit Menschen. Ich habe keinen Platz für irgendwelche neuen.

»Ich habe viel Zeit für mich allein, um nachzudenken«, sagt Scout, nimmt noch einen Zug und bläst Rauchringe in Richtung der Sterne. Sie ist die Einzige von uns, die das kann.

»Oje«, meint Joss spöttisch, sieht mich an und verzieht das Gesicht. »Worüber denn?«

»Na ja … fragt ihr euch denn nie, ob es das jetzt ist? Der Höhepunkt unseres Lebens?«

»Und von nun an geht es abwärts?«, rufe ich. »Sag das nicht!«

»Aber wir sind doch alle so ziemlich halbwegs durch.«

»Wir sind nicht mal fünfzig. Wir werden noch mit neunzig Berge besteigen«, erinnere ich sie. »Jetzt rede nicht so, als sei dies der Anfang vom Ende.«

»Ganz genau. Wir haben es noch drauf, oder?«, sagt Joss. Sie zieht eine Flunsch, betrachtet ihr Spiegelbild im Fenster und beugt sich vor, um ihr Dekolleté in dem tief ausgeschnittenen Lederkleid hochzuschieben.

»Habt ihr denn nie das Bedürfnis, etwas Großes zu vollbringen – etwas Einzigartiges?«, fragt Scout und gibt Joss die Zigarette zurück. »Ihr wisst schon … denkt ihr nie an euer Vermächtnis?«

»Dein Vermächtnis, Joss, wird eine Reihe von Lustknaben mit gebrochenen Herzen sein«, stichele ich.

»Wie aufregend«, erwidert sie. Sie ist seit Kurzem Single, nachdem sie endlich ihren nutzlosen Langzeitpartner abserviert und Tinder entdeckt hat. Scouts Miene verdüstert sich. Sie neigt dazu, existenziell zu werden, wenn sie beschwipst ist, und Joss und ich machen uns dann immer lustig über sie. Doch jetzt sind wir zu weit gegangen, und das tut mir leid.

»Ich weiß, was du meinst, Scout, aber ich persönlich bin glücklich und möchte auf keinen Fall, dass sich irgendetwas ändert«, erkläre ich, greife nach ihrer und nach Joss’ Hand und küsse beide. Sie lachen, denn sie wissen, wie sentimental ich bin.

Und das stimmt. So wie jetzt in diesem Augenblick. Umgeben von meinen besten Freundinnen, fühle ich mich betrunken und zufrieden. Und ja, natürlich gibt es Dinge, die ich verbessern könnte, doch im Großen und Ganzen habe ich die richtigen Entscheidungen getroffen, finde ich. Ich möchte, dass mein Leben genauso bleibt, wie es ist.

1

3. Januar

In dem Zimmer im vierten Stock der Brustklinik scrolle ich gerade durch Pinterest, auf der Suche nach neuen Ideen für den Laden, als auf dem Handy eine WhatsApp-Nachricht von Lisa, meiner Keramikerin, aufploppt. Sieh dir die an, steht da. Ich schaue mir das Foto an, das sie geschickt hat.

»Oh, sind die hübsch«, seufze ich laut beim Anblick der reizenden Espressotassen mit unserem neuesten Blumenmuster, die sie selbst hergestellt hat. Ich kann es gar nicht abwarten, wieder in den Laden zurückzukehren und sie meinen Kolleginnen zu zeigen.

Ich fühle einen gewissen Stolz, als ich Lisa zurückschreibe und sie überschwänglich lobe. Wieder einmal danke ich meinem Glücksstern dafür, dass ich auf sie gestoßen bin, als ich vor vielen Jahren meine gesamte Keramikproduktion auslagern musste. Sie hat endlos viele Teekannen für mich gemacht, und ich freue mich so, dass sie nach unseren fantastischen Weihnachtsverkäufen sofort wieder mit frischem Schwung ins neue Jahr gestartet ist.

Doch während ich die Nachricht wegschicke, bin ich kurz abgelenkt durch die Vase mit den gelben Plastikdahlien auf dem Tisch, die im Sonnenstrahl, der durch die Lamellenjalousie fällt, zu pulsieren scheinen.

»Also echt«, seufze ich und klopfe mit dem Fuß auf den Boden. Ich habe wirklich keine Zeit, hier lange rumzusitzen. Meine Geschäftspartnerin Lorna hat für heute Vormittag ein Meeting mit unserem Buchhalter Miles angesetzt. Miles ist ein trockener alter Kerl, aber anders als Lorna kann ich ganz gut mit ihm, deshalb muss ich unbedingt dabei sein, um die Wogen zu glätten. Er ist schon ewig bei uns. Er hat sogar schon die Bücher geführt, als Wishwells noch Dads Bilderrahmengeschäft war.

Deshalb möchte ich nicht, dass Lorna – oder, schlimmer noch, Pierre – sich ohne mich mit Miles trifft. Obwohl Pierre, Lornas Ehemann, in den vergangenen Monaten sehr hilfreich war; er hat den Bürocomputer mit einem dringend fälligen Upgrade nachgerüstet, was ich selbst nie hingekriegt hätte. Das Problem ist allerdings, dass ich mir nicht sicher bin, wie lange er nur »helfen« will.

Im Grunde hatte ich nur Lorna zuliebe zugesagt, er könne vorbeikommen. Seit er Ende letzten Sommers seinen Job in der Finanzwelt (offenbar ungerechterweise) verloren hatte, saß er nur zu Hause und drehte Däumchen. Und Lorna hatte recht, dass es lächerlich war, jemanden mit dem fachlichen Wissen von Pierre in Reichweite zu haben, ohne sich das zunutze zu machen. Aber langsam habe ich das Gefühl, dass er sich schon viel zu häuslich eingerichtet hat und alles ändern möchte. Und Lorna scheint buchstäblich jedes Wort von ihm toll zu finden.

Die Tür geht auf, und die Schwester kommt herein. Sie trägt einen blauen Kittel und sieht kurz auf die Uhr, die auf ihrer Brust baumelt, bevor sie mir zulächelt und sich mit einem Seufzer auf den Stuhl sinken lässt, sichtlich froh, mal nicht stehen zu müssen. »Also, Mrs Beck …«

»Oh, bitte. Nennen Sie mich einfach Keira«, sage ich. Ich bin nicht gern Mrs Beck. Über den Namen habe ich zu viel mit dem Schlachtross von Schwiegermutter gemeinsam. Im Geschäft benutze ich meinen Mädchennamen und bin es gewohnt, Keira Wishwells zu sein.

»Keira«, lächelt sie erneut, »danke, dass Sie gewartet haben.«

»Wissen Sie, wie lang das hier noch dauern wird?«, frage ich und blicke auf mein Handy, während ich es in meine Handtasche gleiten lasse. Die große Uhr auf dem Bildschirmschoner zeigt 10.08 Uhr, was bedeutet, dass Lorna höchstwahrscheinlich mit Miles allein sein wird. Mist.

»Nun, das kommt darauf an …«

»Worauf?«

Sie rutscht unruhig auf dem Stuhl herum. »Nun, nach Ihrer ersten Mammografie vor Weihnachten haben wir Sie noch einmal hergebeten, weil …«

Etwas in ihrer Stimme lässt mich die Ohren spitzen wie ein Präriehund. Ich war davon ausgegangen, sie hätten mich routinemäßig wieder in die Klinik beordert. Darauf hatten sie damals als Möglichkeit hingewiesen. Man wird doch immerzu aufgefordert, noch mal wiederzukommen.

Sie lässt mich nicht aus den Augen. »… weil wir ungewöhnliches Brustgewebe festgestellt haben.«

Brustgewebe?

RUMMS!

Ich bin im Ruheraum.

Erst jetzt dämmert mir, dass sie mich in diesen Raum mit den Plastikdahlien gebracht hat, um schlechte Nachrichten zu überbringen. Sind das schlechte Nachrichten?

»Inwiefern ungewöhnlich?« Meine Stimme zittert piepsig und klingt überhaupt nicht wie meine Stimme.

Zehn Minuten später werde ich, ohne dass mir irgendetwas Eindeutiges mitgeteilt worden wäre, in den Mammografie-Raum gebracht, wo eine andere Dame sich mir als Sinitta vorstellt, so dass ich schon fast »So Macho« lossingen möchte, diesen Hit der Sängerin Sinitta aus den Achtzigern, für den diese Sinitta hier garantiert viel zu jung ist, um sich daran zu erinnern beziehungsweise zu erfreuen. Sie trägt ebenfalls einen Laborkittel und starrt konzentriert auf mein Datenblatt.

Ich bin von der Taille aufwärts nackt, friere und fühle mich in ihrem bedrohlichen Schweigen gefangen, während mir die Songzeilen »He’s got to be so macho, he’s got to be big and strong enough to turn me on« im Kopf herumspuken. Wieso um Himmels willen hat dieser Song mit seinem albernen Text sich in meinem Gehirn festsetzen können?

Als sie mit einem Stift Linien auf meine Brust malt und die Maschine ausrichtet, ist sie derart konzentriert, dass ich das Gefühl habe, nicht sprechen zu dürfen. Ich muss unbedingt die Sinitta in meinem Kopf zum Schweigen bringen.

Emotionslos und geschickt manövriert sie meine Brust auf eine kalte Platte vor einer riesigen weißen Maschine, die andere Platte sinkt hinab, meine Brust steckt dazwischen. Ein Tittensandwich sozusagen. Es tut weh. Mehr als beim letzten Mal im Dezember, als ich bis zu den Haarspitzen in Arbeit steckte und mein Kliniktermin eine schnelle Angelegenheit war, ganz und gar nicht wie jetzt.

Nachdem sie einige Aufnahmen gemacht hat und auf den Bildschirm starrt, melde ich mich zu Wort. »Kann ich auch mal gucken?«

»Oh, sind Sie medizinisch bewandert?«, fragt sie.

»Nein … ähm … nur neugierig.« Sie schwenkt den Bildschirm herum.

Da ist meine linke Brust als dunkler Umriss und sieht aus wie ein ferner Planet im Weltraum. Es könnte auch eine Szene aus der Planet Earth-Reihe über die tiefste Stelle in den Weltmeeren sein. Seltsame rankenartige weiße Dinger treiben darin. Gruselig, wie sie sich, spinnenartig und spindeldürr, bewegen. Sind das Milchkanäle oder was?

Zu keinem Zeitpunkt meines Lebens habe ich mich gefragt, wie genau mein Inneres funktioniert. Meine Zellen, mein Blut, die Organe, das Gewebe. Es ist ein Schock, einen Blick in diese innere Welt zu werfen, die sich von ganz allein verändert, lebt und alles Mögliche tut. Es ist, als sähe man Fotos von Moos im Zeitraffer. Es ist eine Welt, die mir gehört. Doch eigentlich gehört sie der Maschine.

»Können Sie irgendetwas erkennen? An den Bildern?«, frage ich Sinitta, aber sie senkt den Blick.

»Es ist leider nicht meine Aufgabe, die Daten zu interpretieren«, sagt sie.

Daten? Bin ich jetzt zu Daten geworden?

2

Mir wird mitgeteilt, dass es wahrscheinlich mindestens eine halbe Stunde dauert, bis man mich zum Ultraschall ruft, aber ich muss unbedingt hier raus. Ich kann nicht zusehen, wie Frauen mit Klemmbrettern Zimmer betreten und verlassen, während ich immer panischer werde. Ich brauche frische Luft und einen anständigen Kaffee, und außerdem hat man hier keinen Handy-Empfang, dabei müsste ich Lorna anrufen und wegen meiner Verspätung zu Kreuze kriechen. Ich hole mir beim Hospi-Coff-Kiosk einen faden Americano und gehe über die Straße in den Park. Ich bin völlig durcheinander, es ist, als sei ich gerade aus meinem Leben gehoben worden.

Während ich auf die kahlen Bäume starre, geht mir durch den Kopf, dass ich tatsächlich zuletzt als Teenager allein und ohne Hund auf einer Parkbank gesessen habe. Und meine erste Knutscherei mit Gary Stubbs fand auf einer Parkbank genau wie dieser hier statt. Wie lang das her zu sein scheint. Als Sinitta in den Charts war. So lange genau.

So macho …

Hör verdammt noch mal auf, Sinitta! Nicht jetzt, kapiert?

Pling! Eine SMS von Lorna.

Ähm … Erde an Keira? Bitte kommen …

Ich schreibe eine Nachricht an Lorna, lösche sie aber wieder. Ich kann mich nicht konzentrieren. Alles, woran ich denke, sind diese Ranken und was sie bedeuten. Bevor der Ultraschall nicht gemacht worden ist, fände ich es ein wenig dramatisch, ihr irgendetwas zu erzählen – nicht einmal, wo ich bin. Ich stecke das Handy in die Tasche und umfasse den Kaffeebecher mit beiden Händen, um mich zu wärmen, doch mir klappern die Zähne. Am Himmel sind ein paar Wolken, und ich beobachte, wie ihr Schatten das Gras verschluckt.

»Verdammte Hölle, Dad«, sagte ich laut und stelle fest, dass mein Atem Wölkchen bildet.

Dad starb vor fünfzehn Jahren, als sein Campingmobil mit einem Sattelschlepper zusammenstieß. Angeblich war er auf der Stelle tot und hat nicht gelitten; doch der Schock und der Kummer, ihn so plötzlich zu verlieren, halten bis heute an. Ich spreche häufig mit ihm – meistens, wenn ich mich über die Kids und ihre maßlose Unordentlichkeit ärgere und jemanden brauche, der auf meiner Seite steht, und das tat er ausnahmslos. Oder wenn ich im Laden bin und ganz dringend etwas suche – eine Schere zum Beispiel oder den Schlüssel zum Stromzählerkasten. Oft bitte ich ihn, besagten Gegenstand für mich zu orten, und gewöhnlich findet sich der Gegenstand direkt vor meiner Nase in seinem alten Schrank.

»Kannst du bitte dafür sorgen, dass das in Ordnung kommt? Ich kann das nicht. Ganz bestimmt nicht.«

Ich bin viel zu beschäftigt, um ein medizinisches Problem zu haben. Medizinische Probleme sind überhaupt nicht mein Ding. Ich bin robust. Gesund. Lieber Himmel, ich habe kaum Zahnfüllungen!

Das kann ja wohl nichts Ernstes sein, oder? Ich bin erst 47. In der Blüte meiner Jahre. Die meisten Frauen werden erst ab 50 zur Mammografie aufgefordert; ich hatte nur ein Schreiben erhalten, dass man stichprobenartig nun auch unter Fünfzigjährige zum Screening einlade.

Ich hätte das Schreiben ja ignoriert, aber Tom fand es und meinte, ich könne doch einfach mal hingehen. Wegen des Grübchens. Des winzigen kleinen Grübchens an der Unterseite meiner Brust, das ich entdeckt hatte … vor wie langer Zeit? Vor einem Jahr? Nichts, weswegen ich mir große Sorgen gemacht hätte.

Denn mein Hausarzt sagte, es sei in Ordnung.

Aber was, wenn es nicht in Ordnung ist?

3

Ich warte auf irgendein Zeichen, aber da ist nur der Wind in den kahlen Bäumen. Doch dann sehe ich eine Frau, die mir auf dem Weg langsam entgegengelaufen kommt. Sie ist eine schreckliche Joggerin, da kann sie ja gleich gehen. So würde ich beim Joggen aussehen. Allerdings jogge ich derzeit gar nicht, trotz all meiner guten Vorsätze. Ich glaube, das letzte Mal war ich vor etwa sechs Monaten laufen, und das war so hart, dass ich mich danach nicht mehr überwinden konnte, meine Turnschuhe wieder anzuziehen. Tom gegenüber witzele ich immer, ich sei für Bequemlichkeit gemacht, nicht für Tempo.

Außerdem habe ich ein Problem mit dem Laufen – und zwar seit dem Schulsporttag 1984, der sich mir als die demütigendste Erfahrung meines Lebens unauslöschlich eingeprägt hat. Nach einem langen, engagierten Feldzug, der mir die Aufmerksamkeit von Ollie Redfern, dem Schwarm aller Mädchen (und Doppelgänger von Danny aus Grease), sichern sollte, hatte ich ordentlich abgenommen und mit Fitness-Training begonnen und fand mich – die Brüste mit Socken im BH aufgepolstert – ziemlich unwiderstehlich, während ich mich für die 800 Meter aufwärmte.

Alles lief gut, ich näherte mich schon der Ziellinie und konnte Ollie erkennen, der anfeuernd auf der Tribüne stand, doch was ich nicht bemerkte, war, dass meine linke Brust aus meinem tief ausgeschnittenen BH hüpfte, als ich zum Endspurt ansetzte. Das registrierte ich erst, als ich triumphierend die Ziellinie überquerte und mir das laute Gelächter der gesamten Schule in den Ohren dröhnte. Halb tot vor Scham sah ich, dass Ollie Redfern am lautesten klatschte und pfiff – aber aus den falschen Gründen. Würg. Wenn ich nur daran denke, fange ich wieder an zu zittern.

Als die Läuferin näher kommt, sehe ich, wie ihre Brust sich hebt und senkt. Beim angestrengten Einatmen produziert sie ein krächzendes Geräusch. Sie ist komplett in Markenlaufkleidung verpackt, und an ihrem Hals kann ich unter dem langen pechschwarzen Haar Tattoos erkennen. Ich weiß, dass heutzutage alle welche haben, aber was daran so toll sein soll, ist mir bisher entgangen, und sofort bin ich etwas voreingenommen. Vielleicht ist sie auf Drogen.

Um Gottes willen! Ich klinge ja wie meine Schwiegermutter …

Kurz vor meiner Bank bleibt sie stehen, beugt sich vor, stützt die Hände auf die Knie und holt gierig Luft. Ich kann sehen, dass lauter klotzige Silberringe ihre Finger zieren. Sie wirkt schlank und ziemlich fit, deshalb überrascht es mich, dass sie offenbar Probleme hat. Ihre Augen sind geschlossen – als tue ihr etwas weh. Sie wird doch wohl keinen Herzstillstand haben?

Schon werde ich aus meiner potenziellen medizinischen Krise in ihre höchst reale katapultiert. Ich stehe auf.

»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, frage ich ziemlich panisch, weil ich keine Ahnung von Erster Hilfe habe. »Möchten Sie sich kurz setzen?«

Sie nickt, und ich führe sie zur Bank. Sie setzt sich, die Augen immer noch geschlossen. Sie scheint sich sehr zu konzentrieren – fast als meditiere sie. Ihre Haut ist totenblass, doch dann sehe ich, dass es weißes Make-up ist, dazu schwarzer Eyeliner, verwegen dick aufgetragen und leicht verschmiert. Ihre Lippen sind nicht, wie ich dachte, blau aus Mangel an Sauerstoff, sondern von einem metallisch glänzenden Lippenstift. Ihr schwarzes Haar, das unter ihrem Nike-Cap hervorguckt, ist ganz offensichtlich gefärbt und lässt sie noch blasser erscheinen. In den Ohren hat sie jede Menge Piercings.

Am meisten jedoch überrascht mich, dass sie in meinem Alter sein muss, mindestens. Ich tadele mich, weil ich sie für eine Junkie gehalten habe. Aber eine joggende ältere Gothic-Frau in voller Montur ist schon einigermaßen ungewöhnlich.

»Danke«, sagt sie, als sie schließlich die Augen öffnet. Sie sind tiefblau. Ihre Stimme ist sanft und leise. »Sie sind sehr freundlich.«

»Möchten Sie etwas zu trinken?«, frage ich, obwohl ich gar kein Wasser dabeihabe, weshalb es ein ziemlich unsinniges Angebot ist. Ich mustere den Plastikdeckel meines Kaffeebechers. Das kleine Loch ist mit pinkfarbenem Lippenstift umrandet. Das wird sie bestimmt nicht wollen.

»Himmel! … Es ist einfach schrecklich hart«, sagt sie kopfschüttelnd.

Sie meint das Laufen.

»Neujahrsvorsatz?« Das frage ich, weil ich mir ihre Geschichte schon zurechtgebastelt habe. Sie ist ein reuiger Punk. Jahrelang hat sie sich zugedröhnt (und/​oder gespritzt) und dabei düstere Musik gehört (natürlich im Düstern – oder im matten Schein einer Totenkopfkerze), aber nun, mit Beginn des neuen Jahres, hat sie ein neues Kapitel aufgeschlagen. Dies ist seit Jahren ihr erstes Training bei Tageslicht …

»Nein. Ich bin Langstreckenläuferin.«

Oh.

Das schließt dann wohl all das aus. Ist sie also gerade eben eine wirklich sehr, sehr lange Strecke gelaufen? Ich wäre schon außer Atem, wenn ich nur vom Parktor bis hierher gerannt wäre.

»Beziehungsweise ich war es«, sagt sie, und in ihrem Lachen liegt Bitterkeit. Sie atmet einmal tief und entschieden ein, schlägt sich dann mit ihren schwer beringten Händen auf die Knie und erhebt sich. »Bleiben Sie dran. Das ist die einzige Möglichkeit«, sagt sie wie zu sich selbst.

»Ist wirklich alles in Ordnung mit Ihnen?«

»Noch bin ich nicht tot«, sagt sie und lächelt mich an. Es ist ein breites Lächeln – ein echtes freches Cheshirekatzen-Grinsen. In ihrem Blick liegt etwas beeindruckend Trotziges, und ich nehme alle meine Vorurteile sofort zurück. Das ist eine Frau mit »Grips und Courage«, wie meine Mutter sagen würde. Irgendwie mag ich sie.

»Warten Sie gerade? Müssen Sie da wieder reingehen?«, fragt sie, bevor sie geht. Sie weist mit den Augen zur Brustklinik auf der anderen Straßenseite. Ist das so offensichtlich? Ist dies hier die Bank, auf der von Panik geschüttelte Frauen mittleren Alters sitzen? Es macht mir Angst, dass ich offensichtlich nicht die Erste bin.

»Woher wussten Sie das?«

»Kein Mensch mit klarem Verstand würde sich von dem Kiosk da drin einen Kaffee holen, außer er befände sich zwischen zwei Terminen. Welcher Werbefuzzi hat sich bloß Hospi-Coff ausgedacht? Das klingt doch nach heißgemachtem Auswurf«, sagt sie und nickt in Richtung meines Pappbechers mit dem Logo des Kiosks, und ich muss lachen. »Viel Glück«, sagt sie, dann geht sie davon.

Ich nippe an meinem Kaffee, und bei der Vorstellung, es sei erhitzter Schleim, schaudert es mich. Ich sehe ihr nach, wie sie aus dem Schatten ins Sonnenlicht stapft.

4

Meine Begegnung mit der zähen Punk-Läuferin hat mich ein wenig aufgeheitert, und ich versuche, mich kampfeslustig zu geben, als man mich in den Ultraschallraum führt. Er ist dunkel und uterusartig und erinnert mich an meine Ultraschalluntersuchungen während der Schwangerschaften. Ich weiß noch, wie ich die kleinen Schwarz-Weiß-Umrisse meiner Kinder zum ersten Mal sah – ihre schlagenden Herzen, ihre spitzen Fingerchen – und wie überwältigt, wie erleichtert und glücklich ich mich fühlte. Jacob schenkte uns damals sein berühmt gewordenes doppeltes Daumen-hoch. Irgendwie weiß ich, dass dies hier nicht dasselbe sein wird.

Eine neue Schwester bettet mich auf die Liege und legt einen kratzigen Bogen Papier auf meine nackten Brüste, während die Radiologin auf den Bildschirm blickt und verschiedene Knöpfe drückt.

Es wird gut ausgehen. Ich weiß, dass es gut ausgehen wird. In zehn Minuten bin ich wieder draußen, werde ins Büro eilen, mich bei Lorna entschuldigen. Vielleicht süße Teilchen für alle mitbringen. Scheiß auf die Neujahrsvorsätze. Gönnen wir uns etwas. Ich werde diese kleinen Donuts aus Jennifer’s Café besorgen …

Die Radiologin hat dunkle Ringe unter den intelligenten Augen, aber sie schenkt mir einen freundlichen Blick, als sie mit dem Ultraschall beginnt. Das Gel ist warm und nicht kalt, wie ich erwartet habe. Sie kippt den Bildschirm, und ich kann eine andere Sorte Weltraum sehen, während sie mit dem Ultraschallkopf immer wieder meine Brüste abfährt. Ich versuche, ihn mit meinem Willen zum Zaubern zu zwingen, ihn zu zwingen, dass alles gut wird.

Doch dann sehe ich, wie ihr Gesichtsausdruck sich verändert, und ich weiß Bescheid, ich weiß es einfach. Sie hat etwas gefunden.

Einen Knoten.

Ich starre angestrengt auf die dunkle graue Masse, die deutlich auf dem Schirm zu erkennen ist, doch ich kann mir keinen Reim darauf machen. Ist das ein Knoten?

Ich höre kaum, was sie sagt, als sie mir erklärt, sie werde eine Biopsie machen müssen, und der Schwester zunickt. Mit stählerner innerer Stimme versuche ich mich zu beruhigen, dass da nichts ist. Es ist eine Zyste. Ein Knötchen aus Nichts, richtig?

Die Schwester streicht Narkosegel auf die Stelle, und ich zucke zusammen, als ich auf dem Bildschirm verfolge, wie die Nadel meine Haut durchsticht. Von wegen: Ein Pieks ins Gewebe! Ich war gewarnt worden, die Nadel werde ein Geräusch machen, aber sie klingt beängstigend, genau wie ein Tacker. Ich muss an Moira, unsere Geschäftsführerin, denken, wenn sie im Büro Dienstpläne an die Pinnwand tackert.

Die Radiologin wiederholt den Einstich, und jedes Mal sehe ich zu, wie die Nadel auf dem Bildschirm in die dunkle Materie fährt. Dann werden kleine Proben von meinem außerirdischen Gewächs in ein Glas gepackt, und die Schwester hilft mir, mich aufzusetzen.

»Können Sie mir einfach sagen, was das ist?«, frage ich souverän und mit Nachdruck. Die Radiologin sieht mich an.

»Ich kann es erst mit Sicherheit sagen, wenn die Testergebnisse zurückkommen«, antwortet sie.

»Aber Sie müssen es doch wissen?«, bohre ich nach. »Sie müssen bei mir kein Süßholz raspeln. Ich möchte lieber Bescheid wissen.«

Sie schaut kurz zur Schwester, und ich bekomme ihren stummen Blickwechsel mit. Das hier entspricht ganz offensichtlich nicht dem Protokoll.

»Bitte«, dränge ich. »Sagen Sie es mir einfach. Ich kann es ertragen.«

Die Schwester greift nach der Schachtel mit den Kleenex auf dem Tisch neben sich.

»Also, es ist nur eine Meinung, aufgrund jahrelanger Erfahrung, aber ich fürchte, für mich sieht es sehr nach Krebs aus.«

5

Ich weiß nicht, wie ich es ins Auto geschafft habe, ich komme erst wieder zu mir, als ich auf dem kleinen Parkplatz hinter der Hauptstraße neben Lornas Mini halte. Meine Hände umkrallen das Lenkrad so angestrengt, dass die Knöchel weiß hervortreten. Ich blicke an der Rückseite von Wishwells hoch, auf das verschachtelte Fachwerkgebäude, das für mich wie ein zweites Zuhause ist, und entspanne mich langsam.

Das Haus hat sich kaum verändert. Zu meinen Kinderzeiten war hier Großvaters Tischlerei, und ich kann mich noch an den Geruch von Kitt und Sägespänen erinnern und daran, wie Großpapa immer vor sich hin pfiff. Später dann, als Dad daraus ein Bilderrahmengeschäft machte, roch es immer noch nach Sägespänen, und auf dem Plattenteller lag Crosby, Stills und Nash, während Dad, stets einen Bleistift hinters Ohr geklemmt und ein Lächeln im Gesicht, mit den Kunden plauderte.

Genau das brauche ich jetzt. Ich muss in dieses Haus und vergessen, was gerade passiert ist. Ich muss Moira sehen. Die liebe, wunderbare Moira, die zehn Jahre lang für Dad arbeitete und dann blieb, um mir zu helfen, was allerdings so klingt, als sei sie eine Angestellte, dabei ist sie in Wirklichkeit eher eine zweite Mutter. Es war Moira, die mich dazu ermutigte, überhaupt mit Keramik anzufangen; es war Moira, die wusste, dass Tom »Der Richtige« war, und die kurz nach der Geburt meine Babys hütete und die den Laden am Laufen hielt, als Dad starb. Sie ist mein Fels in der Brandung, und genau jetzt möchte ich nichts anderes, als in ihrer weichen, parfümierten, armreifenklingelnden Umarmung zu versinken. Ich brauche dringend das Gefühl, dass alles normal ist.

Aber Moira ist nicht im Laden. An ihrer Stelle ist Ruby da und faltet gerade die karierten Kaschmirdecken, die in den Januarausverkauf sollen. Wir haben Ruby direkt nach dem Collegeabschluss eingestellt, und sie ist ein liebes Mädchen, auch wenn sie ausnahmslos formlose schwarze Sachen trägt. Lorna versucht dauernd, ihr – sehr undiplomatisch – eine Diät vorzuschlagen. Bei ihrem Anblick fällt mir wieder ein, dass ich unterwegs Donuts besorgen wollte. Doch das war vorher.

Ich fühle mich, als würde ich alles durch einen verrückten Instagram-Filter erleben. Alles ist anders. Es gibt ein Vor diesem Morgen und ein Danach. Zwei separate Teile meines Lebens. Die Person von heute Morgen gehört der Vergangenheit an. Dem alten Ich. Dies hier ist neues Territorium.

»Hey«, ruft Ruby, als sie mich im Treppenhaus an der Hintertür sieht. Ihrer Miene entnehme ich sofort, dass etwas nicht stimmt.

»Hi, Süße«, sage ich, mit einer Stimme, die jedoch komisch klingt. »Alles in Ordnung?« Sie zuckt die Achseln, aber mir fehlt die Zeit, ihr die Details ihres neuesten Problems aus der Nase zu ziehen. »Wo ist Lorna?«

Ruby blickt kurz zur Treppe, und ich steige die wackeligen Holzstufen hinauf, berühre dabei die gerahmte Zeitungsdoppelseite an der Wand, eine Homestory über Wishwells in der Lokalpresse, als ich Lorna zu meiner Geschäftspartnerin machte.

Damals war sie die Freundin meines Bruders Billy, und ich überschrieb ihr die Hälfte der Anteile, weil ich dachte, sie würde vielleicht Billy heiraten und Familie und Unternehmen könnten eine schöne Symmetrie ergeben. Aber dann trennte sie sich von Billy, der für uns alle überraschend nach Australien auswanderte, und Lorna heiratete Pierre, der in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von Billy ist.

Das kann ich ihr aber nicht vorwerfen. Genau wie ich hat sie für Wishwells gelebt, und wenn sie nicht gewesen wäre, würde ich immer noch ausschließlich in Keramik machen, anstatt in die weite Welt der Geschenkartikel zu expandieren. Sie hat mich auch ermutigt, uns auf risikofreudige Investoren einzulassen, so dass wir das Geschäft ausweiten und online gehen konnten – wobei ich sagen muss, dass diese letzte Geschichte mit Jackson ein bisschen nervig wurde.

Jackson ist Lornas Mopsmischling, ein Hund, der, soweit ich beurteilen kann, keine einzige Gehirnzelle im Kopf hat. Lorna machte jedenfalls ein flottes Doodle von ihm, und angefeuert von den Mädels im Büro, klebte sie das Bild auf unsere verschiedenen Handy- und iPhone-Hüllen. Dann erschien dieser YouTuber, von dem ich noch nie gehört hatte – der aber bei den jungen Leuten eine Riesennummer ist –, in unserem Laden, kaufte eine Handyhülle und erklärte sie auf seinem Kanal zum »Must-have« für Weihnachten, worauf die Nachfrage prompt durch die Decke ging.

Lornas Hund kann ich trotzdem nicht ausstehen – jetzt hat er auch noch Celebrity-Status und sogar seinen eigenen Instagram-Account. Was für ein Quatsch!

Doch dann, rumms! Es trifft mich wie ein Ziegelstein – Jackson, die Arbeit, vielleicht alles, worum sich mein gesamtes Leben bis zu diesem Zeitpunkt gedreht hat, ist eigentlich überhaupt nicht mehr wichtig.

Nein. Nicht. Ich kann nicht einfach so aufgeben. Das Leben muss weitergehen, stimmt doch? Sagen sie das nicht immer? Denk an die Kinder. An Tom. Nach der Klinik habe ich bestimmt zehnmal zum Handy gegriffen, um ihn anzurufen, aber ich konnte nicht … ich fand einfach keine Worte.

Okay, also tief durchatmen. Dann mal los. Setz dein Pokerface auf, Keira. Es wird Zeit, sich Lorna zu stellen.

6

Ich schiebe mich durch die Treppenhaustür und betrete das Büro, in dem mehrere Schreibtische und überall jede Menge Kartons mit sortierter, noch zu etikettierender Ware herumstehen. Becca, unsere Online-Chefin, sitzt mit Kopfhörern am Schreibtisch und starrt auf den riesigen Mac-Bildschirm vor sich. Sie bemerkt mich gar nicht.

Lorna steht mit dicken Auftragsordnern im Arm am Fenster. Sie trägt orangefarbene Hosen und einen schwarzen Rollkragenpullover, was ihren schlanken, straffen Körper betont. Wie üblich sieht sie unangestrengt stylish aus. Dagegen fühle ich mich in meinem grünen Tweedmantel einfach schäbig.

»Schönen Nachmittag! Wo warst du denn?«, sagt Lorna und versucht vergeblich, es komisch klingen zu lassen. Ihr muss aber meine gequälte Miene aufgefallen sein, denn sie hört damit auf. »Ah ja. Stimmt. Du möchtest einen schwarzen Kaffee?«

Das ist unser Code für ein »internes Blitzgespräch« in der Büro-Teeküche. Sie marschiert hinter mir her und schließt die Tür.

Sie weiß, dass bei mir etwas Ernsthaftes passiert sein muss, weil ich heute Morgen nicht an der Besprechung teilgenommen und auch ihre SMS ignoriert habe. Ich merke, wie sie mein Gesicht nach Hinweisen absucht. Ich muss mir etwas einfallen lassen. Jetzt auf der Stelle. Ich kann ihr jetzt nicht die Wahrheit sagen.

»Sind es die Kids? Ist es Tom? Tilly? Sag nicht, du hast sie mit Drogen erwischt?«, fragt sie mit leiser, besorgter Stimme.

O Gott. Das ist es also, was sie über mein Leben denkt.

Ich schüttele den Kopf.

»Was dann?«

Und in dem Moment wird mir klar, dass ich nicht lügen kann. Es ist einfach zu groß … zu bedeutsam … Ich muss es ausspucken: Die K-Bombe.

»Ich habe Brustkrebs.«

Es ist das erste Mal, dass ich es laut ausgesprochen habe, und die Worte fallen wie eine Guillotine zwischen uns. Ausnahmsweise sagt Lorna nichts.

Und plötzlich sind da die Tränen, die sich auf dem Weg hierher angesammelt haben. Dicke, fette Tropfen stürzen wie aus einer geplatzten Wasserleitung. »Ich ko-ko-komme ge-ra-ra-rade von-n der Kl-kl-klinik.«

Lorna nimmt mich in die Arme. Sie duftet nach einem teuren Diptyque-Parfüm.

»Oh, Keira. Es tut mir so leid.«

»Ich kann es einfach nicht glauben. Was, wenn ich total verkrebst bin.« Ich schluchze. »Was, wenn ich sterbe?«

So wie jetzt habe ich seit … eigentlich seit Ewigkeiten nicht mehr geweint. Ich keuche, kriege keine Luft. Es ist echt beängstigend.

Lorna packt mich bei den Schultern und beugt sich zu mir, ihre Augen blicken finster unter dem wilden Pony. »Hör auf«, sagt sie in so scharfem Ton, dass meine Tränen versiegen. »Du wirst nicht sterben. Das ist nur ein Ausreißer. Eine Bremsschwelle.«

Sie hilft mir, einige tiefe, langsame Atemzüge zu machen, greift dann nach dem Geschirrtuch neben der Mikrowelle und tupft mir das Gesicht ab. Es riecht, aber das macht mir nichts aus.

»Es ist eine ganz schön hol-hol-holprige Bremsschwelle«, bringe ich schließlich heraus. Der heftige Heulanfall vor Lorna ist mir peinlich. Ich atme noch einmal tief und laut aus, froh, dass die Tränen jetzt erst einmal gestoppt sind, aber da sind noch mehr. Jede Menge mehr.

»Hast du es schon Tom gesagt?«, fragt sie.

»Das kann ich nicht. Er ist bei Gericht. Und es geht um diesen großen Fall. Es ist … es ist einfach der denkbar schlechteste Zeitpunkt.«

»Ich glaube nicht, dass es irgendjemanden gibt, bei dem es der passende Zeitpunkt ist für … du weißt schon …« Sie kann das Wort nicht aussprechen.

»Ich werde es ihm später sagen müssen. Ich kann ihm keine Sprachnachricht schicken.«

Ich erzähle ihr, was in der Klinik und bei der Biopsie passiert ist und dass ich erst in einer Woche die endgültigen Resultate erfahre. Ich habe diesen plötzlichen Heul-Schluckauf, wie meine Kleinen früher, wenn sie geweint hatten.

»Also bist du gar nicht sicher, ob es … du weißt schon … ist?«

Oh, Mann, sie kann das Wort wirklich nicht aussprechen.

»Die Radiologin kam mir sehr erfahren vor. Sie hätte mir doch nicht gesagt, es sei wohl … du weißt schon … Krebs …, wenn es keiner gewesen wäre.«

»Aber sie könnte sich irren?«

»Theoretisch, ja.«

»Okay, also gibt es keinen Grund, die ganze nächste Woche Panik zu schieben.«

Sie terminiert also ihre Panik. Oder, genauer, meine Panik. Sie erklärt mir, ich soll mich zusammenreißen. Vielleicht hat sie ja recht? Es würde uns auch nicht weiterhelfen, wenn wir jetzt beide durchdrehten.

Ich muss noch mal hicksen und lege die Hand auf meine Brust. Nach meinem Tränenschwall fühle ich mich irgendwie überschwemmt, so wie wenn man im Schwimmbecken einen Purzelbaum macht und einem das Wasser in die Nase steigt.

Sie lächelt mich an, aber ihr Gesicht drückt etwas aus, das ich noch nie an ihr beobachtet habe – eine Art erniedrigenden Mitleids. Ich versuche es zu ignorieren. »Lorna, bitte sag es niemandem. Noch nicht.«

»Okay.« Sie nickt, dann plingt ihr Handy, und sie zieht es aus der Tasche.

»Wo ist eigentlich Moira?«, frage ich, weil ich nicht möchte, dass sie sich ablenken lässt.

»Oh … ähm«, meint sie zerstreut. »Ich wollte es dir längst sagen. Sie kommt heute nicht. Sie … ähm … es ist … also, sie hat Urlaub«, erklärt Lorna, blickt auf ihr Handy und bewegt sich Richtung Tür. »Ich habe gesagt, das sei in Ordnung.«

»Urlaub?«

»Sie bekam die Chance, eine Kreuzfahrt zu machen.«

Das sind wahrlich Neuigkeiten. Moira war, solange ich denken kann, noch nie auch nur einen Tag nicht im Geschäft.

»Das kam ganz plötzlich«, sagt Lorna und hält mir die Küchentür auf, aber ich bin immer noch verwirrt. Moira hätte mir so etwas Aufregendes sicher erzählt oder mindestens eine SMS geschrieben.

»Und wie lange wird sie weg sein?«

»Ich weiß nicht – einen Monat vielleicht?«, erwidert Lorna. »Aber das ist doch in Ordnung, oder? Wir brauchen sie nicht.«

Darum geht es nicht. Ich brauche sie.

7

Ohne Moira fühlt sich die ganze Atmosphäre in Wishwells anders an. Vielleicht bin ich ja paranoid, aber ich spüre, dass etwas Unausgesprochenes in der Luft liegt … nicht nur meine Krebs-Neuigkeit. Ich habe den Verdacht, dass mit Miles heute Vormittag etwas Wichtiges passiert ist, aber Lorna darüber nicht sprechen möchte.

Stattdessen beschäftigt sie sich mit den Vorbereitungen für die Messe in Birmingham Ende des Monats – obwohl das eigentlich in meinen Aufgabenbereich fällt. Plötzlich behandelt sie mich, als wäre ich zerbrechlich wie eine unserer Teekannen und könnte in tausend Stücke zerspringen.

Inzwischen wünschte ich, ich hätte nie etwas gesagt. Ich wünschte, ich hätte alles, was heute früh geschehen ist, für mich behalten.

Becca bemerkt nicht, wie Lorna mich behandelt. Sie ist eine kleinere Ausgabe von Lorna und mit ihrem Nasenring und dem halb rasierten Schädel geradezu wehtuend hip. Sie staunt geräuschvoll über den Erfolg des neuesten Videos mit Jackson, wie er eine Socke kaut, und Lorna schaut ihr nachsichtig lächelnd über die Schulter, während beide auf den Bildschirm starren. Ich kann ihre Begeisterung nicht teilen. Eigentlich möchte ich über die ganze nichtssagende Dümmlichkeit am liebsten schreien, während das Wort »Krebs« sich in jeden einzelnen meiner Gedanken drängt.

Ich gehe nach unten in den Laden, aber Ruby schmollt noch immer. Offenbar mache ich sie nervös, und erst als ich in Jennifer’s Café auf der anderen Straßenseite für jede von uns einen Mochaccino gekauft habe, erfahre ich schließlich, was eigentlich los ist.

»Natürlich verstehe ich die Firmenpolitik«, sagt sie, als sei das etwas, worüber sie viel nachgedacht habe. Sie hat ihr dunkles Haar mit einem Gummi oben auf dem Kopf zusammengefasst, und trotz der dicken Schicht Make-up auf ihrer blassen Haut wirkt sie sehr jung.

»Firmenpolitik? Wovon redest du?«

»Ich habe Weihnachten zu viel ausgegeben, und bis zum Zahltag ist es noch ewig hin, und jetzt habe ich nicht mehr genug für die Miete.« Sie sieht aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. »Ich habe um einen Vorschuss gebeten.«

»Nun, das geht doch sicher in Ordnung?«, sage ich verwirrt. Ich hatte noch nie ein Problem damit, den Mädels einen Vorschuss auf ihren Lohn zu geben. Ich weiß, wie eng es immer im Januar für alle ist. Außerdem hat Ruby sich vor Weihnachten schwer ins Zeug gelegt. Da ist es doch das Mindeste, dass wir ihr helfen.

»Lorna hat nein gesagt«, erklärt Ruby.

»Ähm, Ruby … Ich hoffe, du belästigst Keira nicht mit deinen Problemen.« Beide fahren wir herum. Pierre, Lornas Ehemann, steht in seiner Designerlederjacke an der Kasse, als gehöre ihm der Laden. Offenbar hat er sich durch die Hintertür hereingeschlichen. Jackson hält er unter dem Arm geklemmt.

Ruby wird knallrot, und ich bedeute ihm, in den Flur zu treten, raus aus dem Ladenbereich. Automatisch will ich Jacksons Kopf streicheln, doch der kleine Hund gibt ein leises, warnendes Knurren von sich. Seine braunen Glubschaugen funkeln mich finster an.

Ich möchte Pierre zur Rede stellen, weil er sich in mein Gespräch mit Ruby eingemischt hat, doch er bückt sich, lässt Jackson mit einem »Allez, allez. Geh, such Maman« frei und sieht ihm zärtlich hinterher, wie er die Hintertreppe zu Lorna hinaufschnuffelt.

Pierre ist hochgewachsen und hat schwarzes, auffällig gestyltes Haar, das ihn wie ein Frisurenmodel aussehen lässt. Es ist etwas leicht Unnahbares, Hochnäsiges an ihm, was dazu führt, dass ich in seiner Nähe nie ganz ich selbst bin. Er ist nicht »Familie«, wie Joss sagen würde. Vielleicht liegt es auch einfach nur daran, dass er Franzose ist.

»Oh, Keira, ich habe gehört, was mit dir ist«, sagt er, indem seine dichten Augenbrauen aneinanderstoßen und sein Gesicht sich zu einer Miene verzieht, die er offenbar für mitfühlend hält. So wie er es sagt, klingt es aber, als hätte ich die Neuigkeit von den Dächern gebrüllt, und ich bin auf der Stelle sauer, dass Lorna ihr Versprechen so schnell gebrochen hat.

Es folgt eine Pause. Offenbar wartet er auf meine Reaktion. Ich sehe kurz zum Laden, um mich zu vergewissern, dass Ruby nicht mithört.

»Ich … ähm … ich möchte lieber nicht darüber sprechen.«

»Also, ich bin für dich da«, sagt er und drückt ernst meinen Arm. Ich habe sofort das Bedürfnis, ihn abzuschütteln. »Was immer du brauchst. Egal was.«

»Ähm … danke«, sage ich verlegen. Es ist wirklich eine sehr unangenehme Situation. Ich will nichts von Pierre, außer dass er sich um seine eigenen Sachen kümmert.

»Weißt du, warum Lorna Ruby einen Vorschuss verweigert hat?«, frage ich, um das Thema zu wechseln.

»Tatsächlich war ich es, der nein gesagt hat«, erklärt er, und als er meinen Blick sieht, fährt er fort: »Das hatten wir doch diskutiert, oder? Wir hatten beschlossen, dass ich die Finanzen saniere.«

Hatten wir das? Ich erinnere mich an eine hastige Diskussion mit Lorna im Laden kurz vor Weihnachten, und mit einem leichten Schock fällt mir ein, dass ich tatsächlich irgendwie bereit war, Pierre die Buchprüfung zu überlassen, aber das hier … das ist einfach zu viel. Ich habe mir Wishwells immer gern als Erweiterung meiner Familie vorgestellt. Und in der Familie hilft man einander, nicht wahr?

»Wir müssen einfach eine gewisse Professionalität einführen, Keira. Das ist alles. Ich schätze deinen sanften Führungsstil, aber das ist nicht gesund. Jedenfalls nicht für die Bilanzen. Wir versuchen aus Wishwells ein richtiges Unternehmen zu machen.«

Ich schlucke diese bissige Kritik und meinen Schock über seinen beiläufigen Gebrauch von »Wir« hinunter.

»Weißt du was«, sagt er. Dabei sieht er mir direkt in die Augen, und ich empfinde seinen Blick als äußerst einschüchternd. »Ich möchte dir nicht zu nahetreten, aber du wirkst sehr müde und angestrengt. Wie wäre es, wenn du heute früh nach Hause gingst? Niemand hätte etwas dagegen, wenn du dir eine Auszeit nähmst.«

8

Fast auf die Sekunde genau bin ich unten in der Diele, um Tom zu begrüßen, als er durch die Tür tritt. Ich hatte ihm eine SMS geschickt, er möge nach dem Gericht direkt nach Hause kommen und nicht erst zu Bryant & Woodruff fahren, der Anwaltskanzlei, in der er arbeitet. Es ist wichtig, hatte ich getippt. Ich muss es dir PERSÖNLICH sagen. In Großbuchstaben.

Das klingt nach etwas Dramatischem, und er weiß es. Dabei hätte das neue Jahr eigentlich nicht dramatisch beginnen sollen. Der Januar hätte ein Monat des Schotten-dicht-Machens sein sollen, ein Monat der gesunden Vorsätze nach den anarchischen Trink- und üppigen Fressorgien des Dezembers. Von Silvester und dem kolossalen Kater, den wir beide hatten, gar nicht zu reden.

Er weiß auch, dass ich ihm ein Geheimnis noch nie länger als eine Nanosekunde lang habe vorenthalten können. Er sieht gerädert aus, schleudert seinen Schlüsselbund auf den Dielentisch. Er arbeitet gerade unentgeltlich an einem grässlichen Fall um einen korrupten Bauunternehmer mit, und alles ist ziemlich garstig. Heute war der erste Verhandlungstag, und seinem Verhalten entnehme ich, dass es nicht gut gelaufen ist.

»Erzähl’s mir«, sagt er. Er macht sein Pokerface. Lad es bei mir ab, bedeutet das. Ich kann mit allem fertigwerden.

Das ist mein Mann, mein Fels, mein Liebster. Der Gedanke an das, was ich ihm gleich sagen werde, und daran, wie sehr es ihn treffen wird, kommt mir so gewaltig vor, dass ich kurz überlege, ob ich lügen soll. Ich könnte ihm vielleicht erzählen, mir sei der Führerschein entzogen worden oder wir müssten das Geschäft schließen. Beides erscheint mir weniger dramatisch.

Die Kids sind in der Küche. Ich kann hören, wie Tilly Jacob und Bea piesackt, sie aufzuhetzen versucht. Es wird jede Minute zum Streit kommen. Diese Augenblicke sind kostbar.

Ich möchte ihm unbedingt berichten, wie schrecklich es mit Pierre war, aber wie furchtbar der Tag bisher war, kann ich ihm erst schildern, wenn er die Fakten kennt.

»Du erinnerst dich, ich habe dir erzählt, ich müsse noch einmal zur Brustklinik?«

Er nickt und runzelt die Stirn. »Du hattest gesagt, es sei keine große Sache …«

»Das dachte ich auch, aber …«

Er nimmt mich in die Arme. Seine Tasche rutscht ihm vom Arm und knallt auf die lackierten Bodendielen. »Ach, Baby«, sagt er. »Komm her.«

Ich berge mein Gesicht an seiner Brust, und zum ersten Mal an diesem Tag merke ich, wie meine Anspannung nachlässt, aber gleichzeitig wird die Sache dadurch, dass ich sie ihm anvertraut habe, umso realer.

Ich rekapituliere flüsternd, was in der Klinik vorgefallen ist.

»Dann ist es also Krebs?«, fragt er mit weit aufgerissenen Augen. Er wirkt schockiert, und allein dadurch wird meine Angst noch größer, als sie ohnehin schon ist.

»In einer Woche weiß ich endgültig Bescheid.«

»In einer Woche?« Sein Tonfall sagt alles. Im Augenblick fühlt sich das an wie ein Jahr.

»Bitte sag den Kindern nichts. Im Augenblick wissen wir noch nichts Genaues.«

Er nickt, und ich schlucke meine Tränen hinunter. Wie um Himmels willen soll ich ihnen jemals sagen, dass ich Krebs habe? Tilly hat Das Schicksal ist ein mieser Verräter – die Love Story ihrer Generation – an die hundert Mal gesehen. Sie wird in ein tiefes Loch fallen.

»Ich liebe dich«, sagt er und sieht mich an. »Was immer auch passieren wird, wir werden es gemeinsam meistern, einverstanden? Ich bin bei dir.« Er beugt sich zu mir herunter und küsst mich.

»Eklig. Sucht euch ein Zimmer, ihr zwei.« Das ist Jacob hinter uns.

Wir fahren auseinander und wechseln einen verzweifelten Blick.

»Wir brauchen kein Zimmer, schönen Dank, wir haben ein ganzes Haus«, sage ich und gehe an ihm vorbei in die Küche, während Tom und unser Sohn ihr übliches Schattenboxen-Hallo-Ding vollführen.

In letzter Zeit sind mir in den Wochenendbeilagen einige Artikel aufgefallen, in denen die Frage verhandelt wurde, ob es moralisch sei, seine Kinder anzulügen. Ich persönlich halte das für Schwachsinn. Ich habe meine Kinder angelogen, seit sie auf der Welt sind. Über das Christkind, die Zahnfee und später dann darüber … mit wie vielen Menschen ich Sex hatte und über allerlei sonstiges schlechtes Benehmen in meiner Jugend. Also sollte das Lügen mir jetzt leichtfallen, tut es aber nicht.

Ich komme mir vor wie ein davontreibender Heliumballon, als wir am Tisch sitzen und das Ragout essen, das ich aufgetaut habe. Von hoch oben schaue ich auf mich und meine kostbare kleine Sippe herab, ich selbst in der Mitte, wie in einem Familienporträt.

Neben mir Tilly, unsere brillante, stinkfreche 16-Jährige – ein Großmaul mit Zahnspange, voller Perlen der »Weisheit« aus Snapchat und YouTube, aber im Begriff, eine Schönheit zu werden. Dann Jacob, mein Sonnenschein, der hippe Haarschnitt plattgedrückt von der Baseball-Cap. Und schließlich mein Baby Bea, die gerade Tom anlächelt, als er ihr Wasser ins Glas gießt – Bea mit ihrem Herzen aus Gold und den blonden Wuschellocken, fest entschlossen, die Welt zu retten, obwohl sie erst neun ist.

Unter dem Tisch schiebt Pooch seine Schnauze in meinen Schoß. Er weiß, dass etwas in der Luft liegt. Ich blicke hinunter in seine trübseligen braunen Augen und streichele seine graumelierten Schlappohren.

Was, wenn ich all dies für zu selbstverständlich gehalten habe? Meine Kinder, mein Heim, meine glückliche Familie, und jetzt wird mir alles entrissen werden? Oder schlimmer noch, ich ihnen? Denn das ist eigentlich näher an der Wahrheit. Ich bin es, die möglicherweise verschwindet. Wie in Zurück in die Zukunft einfach ganz plötzlich aus dem Familienfoto gelöscht.

Sie merken nicht, wie still ich beim Essen bin – die Kids sind zu sehr damit beschäftigt, sich zu zanken; dann gibt es ein Gerangel, als ich sie zum Abdecken auffordere, und schließlich lässt Bea den grünen Teller auf den Boden fallen, und er zerspringt.

Eine tödliche Stille entsteht.

Die Kinder wissen, dass der Teller – das letzte Stück aus dem Essservice, das ich als Abschlussarbeit in meinem Keramikkurs gemacht habe – für mich von besonderem, sentimentalem Wert ist; wir starren alle auf den Boden, und Bea blickt mich mit angstvoll aufgerissenen Augen an.

»Es tut mir leid, Mum«, sagt sie.

Ich nicke, unterdrücke das Jammern, das sich in mir aufgestaut hat, und bücke mich, um die drei zerbrochenen Porzellanscherben aufzusammeln.

»Damit wäre es dann also vorbei«, sage ich, aber meine Stimme ist nur noch ein Flüstern.

9

Danach verdrücken sich die Kids, also räumen Tom und ich die Küche auf. Ich versuche ihm zu erklären, wie Lorna mit mir umgegangen ist, nachdem sie die Neuigkeit erfahren hat, und wie ihr Mitleid fast wie eine Kränkung klang, aber ich merke schnell, dass er es nicht richtig versteht.

»Und dass Moira nicht da ist, kommt mir höchst seltsam vor. Wieso hat sie mir nicht gesagt, dass sie verreisen will?« Ich schlage die Spülmaschinenklappe unnötig heftig zu.

»Sie hat es doch Lorna gesagt«, meint Tom vernünftig. »Und außerdem erklärst du ihr schon seit Jahren, sie soll mal Urlaub machen. Du kannst jetzt nicht sauer reagieren, wenn sie es tut.«

»Ja, wahrscheinlich.«

»Und Pierre will nur helfen. Jetzt hör mir mal zu«, sagt Tom und nimmt mich in die Arme. »Du hast im Moment andere Probleme. Ich möchte nicht, dass du dir zusätzlichen Stress wegen der Arbeit machst, verstanden?« Er drückt sein Gesicht in mein Haar.

»Verstanden«, lenke ich ein, froh, dass er mich umschlungen hält.

»Komm, wir gehen ins Bett«, flüstert er mir ins Ohr.

So normal ist es für uns nicht mehr, einfach an einem Dienstag miteinander zu vögeln, aber oben in unserem Zimmer fallen Tom und ich übereinander her und küssen uns mit geradezu trotziger Heftigkeit. Wahrscheinlich haben wir das Bedürfnis, uns lebendig und stabil und »eins« zu fühlen, aber mittendrin fangen wir beide an zu weinen. Ich sitze, das Federbett über dem Kopf, rittlings auf meinem Ehemann, fast als würden wir zelten.

»Es tut mir leid«, sagt er.

»Nein, nicht«, flüstere ich.

»Ich kann es nicht glauben.«

»Ich auch nicht.«

Er umfängt meine linke Brust mit beiden Händen. »Tut es weh?«

»Ja.« Ich blicke auf das Pflaster über der Stelle, wo die Biopsie gemacht wurde, und entdecke einen getrockneten Blutfleck. Sexy! »Was, wenn ich sie mir abnehmen lassen muss?«, sage ich. »Und was, wenn beide weg müssen?«

Während ich auf mich hinunterschaue, überfällt mich Panik. Tom liebt meine Brüste. Er wirkt ebenfalls erschüttert.

»Lass uns nicht über das Was-wäre-wenn reden, sondern nur über die Fakten, einverstanden?«

Ich nicke, er richtet sich auf, und ich drücke sein Gesicht an meine Brust. Und während ich seinen Kopf halte, spüre ich eine Feuchtigkeit, die wohl von seinen Tränen stammt.

Schließlich schläft er ein – jedenfalls glaube ich, dass er schläft, während ich hellwach daliege, an die Schlafzimmerdecke starre und mich mit einem Mal völlig verloren fühle, als triebe ich einsam im Weltraum.

Mein Kopf ist ein Flipperautomat, der ständig Gedanken abfeuert, die innen gegen meine Schädeldecke krachen. Ich werde sterben. Vielleicht schon in den nächsten zwei Wochen. Die Enge in meiner Brust zeigt eindeutig, dass ich auch Lungenkrebs habe. Ich hätte Silvester niemals mit Joss und Scout diese Zigarette rauchen sollen.

Herr des Himmels, ich muss noch so viel in Ordnung bringen, bevor ich sterbe! Ich kann nicht sterben und den Hauswirtschaftsraum in seinem momentanen Zustand hinterlassen. Und meine Schränke und Schubladen … und ich muss noch die Tiefkühltruhe abtauen. Und ich muss meine Teenagertagebücher auf dem Dachboden finden und verbrennen, ehe jemand sie entdeckt.

Und ich muss den Kindern Abschiedsbriefe schreiben und Jacob Ratschläge geben, die er in ein paar Jahren brauchen wird – darüber, dass er Frauen zu respektieren und sich von Internetpornos fernzuhalten hat. Und Klein-Bea. Sie wird sich nicht einmal mehr an mich erinnern, wenn sie erwachsen ist. Ich muss in den Drogeriemarkt gehen und sämtliche Fotos auf meinem Handy ausdrucken. Warum habe ich bloß keine jährlichen Fotoalben gemacht, wie ich es eigentlich vorhatte? Warum habe ich mir nicht die Zeit genommen? Und was ist mit Australien? Ich wollte doch Billy und seine Kinder sehen. Was, wenn diese Reise, über die wir ewig gesprochen haben, niemals stattfinden wird? Was, wenn ich meinen kleinen Bruder nie mehr wiedersehe?