Der Büro-Ninja - Lars Berge - E-Book
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Der Büro-Ninja E-Book

Lars Berge

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Beschreibung

Eine beißende Satire auf die Absurditäten des Büro-Alltags

Jens Jansen ist ein absoluter Durchschnittsmensch: Er arbeitet in einem mittelständischen Unternehmen, hat ein ansehnliches Jahresgehalt, eine Eigentumswohnung und eine langjährige Freundin. Trotzdem quält ihn eine große innere Leere. Beruflich hat er sich schon längst aufs Nichtstun spezialisiert – auch wenn das niemand bemerkt. Um einer bevorstehenden Beförderung zu entgehen, zieht Jens Jansen lieber radikale Konsequenzen: Er versteckt sich in einem längst vergessenen Abstellraum im labyrinthischen Bürokomplex seiner Firma. Zur Tarnung, falls er doch jemanden treffen sollte, verkleidet er sich als Ninja. Doch mit der Ruhe ist es vorbei, als Jens erfährt, dass er nicht der Einzige ist, der sich in einem Büro versteckt hält. Er erfährt von einer heimlichen Organisation, die den ehrgeizigen Plan hat, die Menschen vom Arbeitswahn zu befreien …

Lars Berge hat eine schreiend komische, kluge Satire geschrieben, in der er die moderne Arbeitswelt mit viel schwarzem Humor entlarvt. Mit unbändigem Einfallsreichtum spielt er einen Wunsch durch, der vielen bekannt sein dürfte: angesichts des alltäglichen Bürowahnsinns einfach zu verschwinden.

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Seitenzahl: 247

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Copyright © Lars Berge 2013

First published by Wahlström&Widstrand, Stockholm Sweden

Published in the German language by arrangement with Bonnier Rights, Stockholm Sweden

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2015

bei carl’s books, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Umschlaggestaltung: semper smile, München

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-15251-2V003

www.carlsbooks.de

Ihnen ist nicht nach Lächeln zumute? Was tun? Zwei Dinge. Erstens: Zwingen Sie sich dazu. Wenn Sie allein sind, zwingen Sie sich, eine Melodie zu pfeifen, zu singen oder zu summen. Tun Sie, als wären Sie glücklich, und es wird Ihnen leichter fallen, glücklich zu sein.

Dale Carnegie, Wie man Freunde gewinnt: Die Kunst, beliebt und einflussreich zu werden

Think outside the box

Der Karton stand bündig auf einer Palette, Standardmaß 1168 x 768 Millimeter. Er war gut und gern einen Meter hoch und fest mit Paketband und dicker Nylonschnur verschlossen.

Laut Packzettel beinhaltete das Paket Büromöbel, doch aus dem Inneren waren deutliche Kratzgeräusche zu vernehmen. Dann ein lautes Klopfen gegen die dicke Wellpappe. Kein Zweifel, das Paket enthielt ein lebendes Wesen. Halb erstickte Hilferufe drangen nach außen. Obwohl die Stimme ziemlich schrill klang, gehörte sie eher einem Mann. Leider konnte ihn niemand hören. Der Raum war leer und dunkel. Die große Wanduhr zeigte kurz nach halb sieben am Morgen.

Nun waren dumpfe Schläge zu hören, und die Pappe beulte sich von innen aus. Der Karton wackelte und kippte von der Palette. Ein Fuß drang durch den Deckel, gefolgt von einem Arm und einem zerzausten Haarschopf, als schlüpfe ein Küken aus einem kubischen Riesenei. Die Nylonschnur riss mit einem Knall, und eine Gestalt in schwarzem Trainingsanzug rollte aus dem Paket, bedeckt von Millionen weißer Styroporkügelchen. Sie klebten überall, in der Nase, auf der Zunge, sogar im Rachen. Der Mann hustete so heftig, dass er fast erstickte. Die Kügelchen hingen in langen Schleimfäden aus seinem Mund, er stützte sich auf die Knie, prustete und spuckte.

Dann richtete er sich auf, kniff die Augen zusammen und sah sich um. Er fluchte, ging zu seinem Paket zurück und wühlte im Styropor, bis er eine dicke Hornbrille fand. Er setzte sie auf und tastete sich bis zur nächsten Tür. Die Klinke war mit einem Besenstiel blockiert. Er nahm ihn weg, öffnete die Tür und blinzelte ins Tageslicht, das im nächsten Raum durch die Fenster schien.

»Oh, nein …«, stöhnte der Mann, der dem Recyclingkarton entstiegen war, rutschte auf ein paar zerstreuten DIN-A4-Blättern aus und stieß mit dem Schienbein gegen einen ergonomischen Bürostuhl. Verzweiflung stieg in ihm auf. Er befand sich in einer verwüsteten Bürolandschaft. Die Monitore waren eingeschlagen, Tische und Raumteiler umgestürzt, zertrümmerte Lampen hingen lose von der Decke. Auf dem Boden lagen die Einzelteile eines Laserdruckers, in den Gipswänden klafften große Löcher. Auf dem Teppichboden war ein großer, dunkler Fleck, vielleicht eine Blutlache. Eine dunkelrote Spur zog sich von dort bis zur Hintertür, als hätte jemand ein Tier geschlachtet und den Kadaver zum hinteren Aufzug geschleppt, der direkt in die Tiefgarage fuhr.

Da erblickte der Mann einen Wasserspender, der den Orkan offenbar unbeschadet überstanden hatte. Unter dem Logo der Firma Eden Spring prangte der Slogan »Steigere deine Kreativität!«. Doch aus dem Zapfhahn kam nur ein leises Zischen. Neben dem Wasserspender stand ein Getränkeautomat. Jemand hatte vergeblich versucht, ihn einzuschlagen; hinter dem zersplitterten Glas stand noch eine Dose Mineralwasser mit Waldbeerenaroma. Der Mann fand ein paar Münzen auf dem Boden, hob sie auf und steckte sie mit zitternden Händen in den Münzschlitz. Erst als er den Code für das Wasser eintippen wollte, sah er, dass das Display grau und leer wie der Himmel vor dem Fenster war. Der Strom war im ganzen Büro abgestellt. Hustend humpelte er weiter zu einer Tür, auf der in großen Buchstaben »WC« stand. Dort konnte er endlich seinen Durst löschen. Gierig schluckte er das lauwarme, chlorige Leitungswasser. Dann wusch er sich das Gesicht und musterte ausgiebig sein Spiegelbild.

Der Mann war zwischen dreißig und vierzig. Die dicke Brille verbarg matte, tief liegende Augen mit bläulichen Ringen. Aus der bleichen, fast durchsichtigen Haut sprossen spärliche Bartstoppeln, das dunkelblonde Haar war fettig und verfilzt. Unter dem Trikot, das eher wie ein Schlafanzugoberteil aussah, zeichneten sich ein Paar schmächtige Arme und ein rundlicher Bauchansatz ab. Der Mann zog eine Grimasse und kratzte sich im Schritt. Erst da fiel ihm auf, dass er eine Windel trug. Fluchend riss er den nassen Fetzen vom Unterleib und warf ihn in den überfüllten Papierkorb. Er rümpfte die Nase, zog das Trikot aus und wusch sich unter den Armen und zwischen den Beinen. Der Seifenspender war leer.

Dann begab er sich wieder in die verwüstete Bürolandschaft, zog eine Schreibtischschublade auf und entnahm ihr eine Plastiktüte. Darin befanden sich ein Paar sorgfältig gefaltete Chinos, ein hellblaues Hemd und ein Jackett. Schweigend zog er sich an. Er schlüpfte in schwarze Wildlederclarks, riss einen Schnürsenkel ab und fluchte leise.

In den Überresten des Vorzimmers, das in modernen Büros gern »Lounge« genannt wird, plumpste der Mann aus dem Karton auf ein schmutziges Sofa. Er vergrub das Gesicht in den Händen und schniefte, aber er weinte nicht. Ein plötzliches »Pling« der Aufzüge riss ihn aus den Gedanken. Er erstarrte vor Schreck und lauschte angestrengt. Die Tür glitt auf, und auf dem Steg, der den Lichthof überspannte, näherten sich Schritte. Glassplitter knirschten, jemand flüsterte.

»Hallo?« Die Stimme schien einem älteren Mann zu gehören. Sie waren gekommen, um ihn zu holen.

»Jens Jansen? Bist du hier?«

The pause that refreshes

Alles hatte mit einem Anruf begonnen. Das Klingeln war der Auslöser einer höchst merkwürdigen Kette von Ereignissen gewesen, die am Ende dazu führten, dass ein Mann in den besten Jahren sich verschnürt in einem Paket wiederfand. Es war kurz nach den Ferien, vor ungefähr drei Monaten. Das Telefon war von leeren Pappbechern umringt. Niemand antwortete.

Zu jener Zeit lebte Jens Jansen ein ganz normales Mittelklasseleben in Stockholm. Stinknormal, würden die meisten sagen. Er wohnte mit seiner Freundin Mari in einer Zweizimmerwohnung in der Västmannagatan. Er war Diplomkaufmann und leitender Angestellter in einer mittelgroßen Firma, die Sicherheitsausrüstung herstellte. Jens Jansen war Brand Manager des Markenzeichens Helm Tech, Hersteller schwedischer Fahrradhelme. Ein Brand Manager formuliert Ziele, Strategien und taktische Pläne für eine Produktlinie oder ein Markenzeichen. Diese leitet er weiter an den Brand Group Manager, der wiederum dem Marketing Director Bericht erstattet.

Im sechsten Stock des Infra Business Center, dem Herzen der anonymen Bürostadt Infra City, klingelte also das Telefon. Infra City bestand aus einem Einkaufszentrum und etlichen Bürokomplexen an der viel befahrenen Europastraße 4 zwischen Stockholm City und dem Flughafen Arlanda. Die Geschichte des Quartiers war so gut wie vergessen. In den frühen Neunzigern aus dem Boden gestampft, trug es zunächst den Namen GLG-Center nach dem Erbauer und Unternehmer Göran Lars Gullstedt, der damals vor allem für sein Jetset-Leben bekannt war. Es hieß, er sei mit dem König per Du. Gullstedt wollte selbst eine 600 Quadratmeter große Suite im 23. Stock des Tagungshotels mit der glänzenden Glasfassade beziehen, aber dazu kam es nie. Die schwedische Bankenkrise ruinierte ihn. 1993 erklärte ihn das Amtsgericht Eskilstuna für bankrott und zwang ihn, seinen gesamten Besitz der Bank zu überlassen, der er 1,2 Milliarden schuldete. Die neuen Besitzer tauften den Komplex in Infra City um. Große Werbetafeln in Blau und Orange versprachen eine hochtechnologische und globale Zukunft. Knapp zwei Jahrzehnte später waren sie mit einer dicken Schicht aus Ruß und Straßendreck bedeckt. Die tiefste Wirtschaftskrise seit den Dreißigerjahren hatte die Welt und Schweden getroffen. Von dem regen Geschäftsleben junger IT-Firmen, wie es die Immobilienmakler erwartet hatten, war nichts zu erkennen. Es gab ein paar verschlafene Filialen globaler Großkonzerne und Büros stagnierender Mittelstandsbetriebe aus kalten Branchen, doch die meisten Räume standen leer. Das Konferenzzentrum wurde nur genutzt, wenn der Stadtrat von Upplands Väsby dort Tagungen oder Kurse zu gesalzenen Preisen anbot. In dem Business-Hotel mit 236 Zimmern und Dallas-Fassade wohnten nur frustrierte Reisende, die ihre Heimflüge verpasst hatten. Sie betranken sich in der überdimensionalen Bar, baggerten einander an und hatten schlechten Sex in rabattierten Hotelbetten, den sie am nächsten Morgen zutiefst bereuten.

In dieser Umgebung hatte Jens Jansen die letzten neun Jahre seines Lebens verbracht.

Das Telefon war inzwischen verstummt. Es war totenstill, nur die Klimaanlage rauschte. Normalerweise füllten stetes Gemurmel, das Rasseln der Drucker und das Brummen der Kaffeeautomaten die Räume, doch nun senkte sich Stille über 1200 Quadratmeter Bürolandschaft.

Wenige Augenblicke später erklang leise ein Klavierstück, allgemein bekannt als Erkennungsmelodie eines großen Mobilfunkanbieters. Personen mit extrem gutem Gehör hätten das Signal in der Herrentoilette lokalisiert, genauer gesagt hinter der mittleren Tür. Nur der leichte Duft eines sportlichen Aftershave mit Zitrusnote verriet, dass sich gerade jemand dort aufgehalten hatte. Acqua di Giò war Jens Jansens Lieblingsduft. Feiner, weißer Asbeststaub bedeckte den Klodeckel, den Spiegel und das Waschbecken. Aus der Zwischendecke drang ein unterdrücktes Husten. Hätte jemand die Verkleidung angehoben und einen Blick in den niedrigen Zwischenraum geworfen, hätte er Jens Jansen entdeckt. Wie eine verschreckte, frisch entflohene Laborratte klammerte sich Helm Techs Brand Manager an einen Kabelkanal. Verzweifelt versuchte er, sein klimperndes Handy mit einer Hand abzustellen. Beinahe hätte er es verloren, doch schließlich fand er die richtige Taste, und das Signal verstummte.

Der Anruf, vor dem Jens Jansen über die Toilette bis in die Zwischendecke geflüchtet war, kam aus dem Erdgeschoss. Dort befanden sich die Kongresshalle und die Konferenzräume, die nach dem Buchstabieralphabet benannt waren. In Raum Delta saß Karl Frid, seines Zeichens geschäftsführender Direktor von Helm Tech, und drückte mit finsterer Miene einen Telefonhörer ans Ohr. Ihm gegenüber saßen Jens Jansens Kollegen. Einige tuschelten nervös, andere waren in ihre Smartphones vertieft oder starrten nur dumpf an die Decke. Ein externer Unternehmensberater wischte das Whiteboard sauber. Einmal mehr sollte die von Verlusten geplagte Firma umstrukturiert werden, und es bestand Anwesenheitspflicht für alle. Karl Frid hatte eindeutige Order gegeben, also wo zum Teufel steckte Jens Jansen?

Wassup?!

»War Jansen heute Morgen hier?«, fragte Karl Frid seine Angestellten.

»Wie bitte?«, fragte jemand.

Es war Stefan York, der Mann mit den Hasenzähnen und dem engen, weißen Trikothemd, unter dem aufgepumpte Bizepse schwollen. An einem Ohr trug er ein Bluetooth Headset. Er zog die Augenbrauen hoch, eine einstudierte Geste, die volle Aufmerksamkeit signalisieren sollte. Leider schmatzte er weiter auf seinem Kaugummi, weshalb er eher wie ein Biber aussah. Hätte man durch eine anonyme Umfrage den meistgehassten Kollegen ermittelt, hätte Stefan York sicher die meisten Stimmen bekommen. Nicht wegen des ständigen Wiederkäuens oder der vergeblichen Versuche, good vibes zu verbreiten, wie er es nannte, damit hätte man noch leben können, sondern weil er jeden Morgen keuchend ins Büro kam, mit Helm und Fahrradhose, die seine muskulösen, gebräunten Beine und sein stattliches Geschlechtsorgan betonte, und einen uralten Werbespot für amerikanisches Bier zitierte:

»Wassup?«

Seit Dezember 1999, als der Spot zum ersten Mal im amerikanischen Fernsehen lief, war dies sein Gruß. Das war zwei Jahre vor dem Einsturz der Zwillingstürme, als es noch keinen iPod gab und die Minidisk noch als Speichermedium der Zukunft galt. Als noch niemand von Dokusoaps oder Facebook gehört hatte. Elf Jahre lang, jeden Tag, mit herausgestreckter Zunge:

»Wassup?«

Dann schaute er mit bebenden Nasenflügeln in die Runde, bis ein barmherziger Kollege, meist Jens Jansen, seufzend antwortete:

»Wassup, Stefan?«

So auch an jenem Tag, als Jens Jansen verschwand.

Karl Frid schaute verbissen drein und knallte den Hörer auf.

»Elisabeth, würden Sie bitte nach oben fahren und Jens Jansen holen? Vielen Dank.«

Hohe Absätze klapperten durch den Raum, und kurz geschorene Köpfe drehten sich, um den Hüftschwung und das eng anliegende Kleid von hinten zu bewundern. Die Männer sahen einander einvernehmlich an, nur um sich gleich wieder über die Displays ihrer Smartphones zu beugen. Vor zwanzig Jahren hätte man ihr asoziales Verhalten als erstes Anzeichen einer Psychose gewertet, heute jedoch hielt der in Infra City gängige Slang ein positives Wort dafür bereit: Multitasking.

Empowering People

Elisabeth Pukka nahm den gläsernen Aufzug in den sechsten Stock, um Jens Jansen zu suchen. Währenddessen malte der Betriebsberater mit rotem Stift ein großes Schriftzeichen an das Whiteboard. Er setzte eine feierliche Miene auf und drehte sich zu der Belegschaft um.

»Wei Ji«, sagte er überdeutlich und zeigte auf die Tafel. »Das ist Chinesisch und bedeutet ›Krise‹.«

Müde Blicke trafen auf den gebräunten Mann, der die Ferien offensichtlich an einem sonnigeren Ort als alle anderen im Raum verbracht hatte. Sein Lächeln entblößte eine perfekt gebleichte Zahnreihe, er trug eine dicke Armbanduhr. Sein Hemd war faltenfrei gebügelt, sein Haar zurückgekämmt. Man sah auf den ersten Blick, dass dieser Mann kein bleicher Bürosklave war. Und alle wussten, dass er sich dessen bewusst war. Der Berater klopfte mit dem Stift an die Tafel und lächelte entwaffnend. Dieselbe Prozedur hatte er etliche Hundert Mal in krisengeplagten Unternehmen durchgeführt, um hinterher den Personalabbau zu organisieren.

»Wei Ji ist aus zwei verschiedenen Zeichen zusammengesetzt, und jedes hat seine eigene Bedeutung«, sagte er ernst. »Das eine steht für Risiko, das andere für Chance.«

Hier legte er eine kalkulierte Kunstpause ein.

»Und genau so sollen Sie die Situation betrachten, in der wir uns befinden: als Chance.«

Karl Frid schluckte und grinste nervös. Ob der Berater wusste, dass er gerade einen im Geschäftsleben allgemein bekannten Wandermythos bestätigt hatte? Alle wussten, was Sache war. Wenn der Chef teure Berater einstellte, die mit gefakten fernöstlichen Weisheiten um sich warfen, standen Einsparungen und Stellenabbau bevor. Etliche Mitarbeiter würden ihre Jobs und Einkommen verlieren, und noch mehr überbelastete Immobilien würden auf dem sowieso schon labilen Wohnungsmarkt landen. Urlaubspläne würden platzen, Renovierungen aufgeschoben. Trotzdem würde in der Kaffeepause kein Einziger zugeben, dass ihm der Arsch auf Grundeis ging. Insgeheim wähnten sich manche am Abgrund zur Armut. Wie lange würden sie die Familie noch ernähren können? Was, wenn die Miete erhöht wird? Müssen wir das Haus verkaufen, und wie reagieren die Kinder, wenn man sie aus ihrem gewohnten Schulalltag reißt? Unruhe machte sich breit, doch der Berater hatte ein dickes Fell. Nach einem Exkurs zum Thema »positives Denken« (mit Verweis auf diverse indigene Völker und deren Lebensweisheiten) bot er individuelle Gespräche an. »Personal Business Planning in drei Schritten« nannte er die schicksalsschweren Unterredungen. Innerhalb von drei Monaten sollten die Angestellten von Helm Tech erfahren, ob sie gefeuert waren, während er selbst eine Rechnung von über einer Million an die dezimierte Buchhaltung schickte.

Im selben Moment, als der Betriebsberater die von Panik ergriffene Belegschaft zum Yoga-Sonnengruß animieren wollte, stieg Elisabeth Pukka im sechsten Stock aus dem Aufzug. Ihr Gesicht war kantig und jungenhaft, die Lippen schmal und blass. Nur die Augen waren stark geschminkt, und das rabenschwarze Haar war stramm zu einem Pferdeschwanz gebunden. Das Echo ihrer klappernden Absätze hallte durch den Lichthof, als sie über den Steg ging. Sie hielt ihre Magnetkarte vor den Türöffner, es summte, und sie trat ein. Der Teppichboden, der das Großraumbüro wie ein grauer, synthetischer Rasen bedeckte, dämpfte ihre Schritte. Vor dem Büromodul, das sie mit Jens Jansen und Stefan York teilte, blieb sie stehen. Eigentlich war es Helm Techs PR-Abteilung. Elisabeth runzelte die Stirn, als sie den Schreibtisch ihres Kollegen sah. Der Monitor war von bunten Post-it-Zetteln umrahmt. An der Trennwand hingen Entwürfe der kommenden Werbekampagne. Auf den Bildern waren zwei Eier zu sehen. Eines war zertrümmert, das andere trug einen Fahrradhelm. Der zugehörige Slogan lautete: »How do you want your head?« Elisabeth seufzte resigniert. Aus der Toilette drang ein Geräusch.

»Jens?«

Geschlechtertrennung auf der Toilette hatte sie noch nie gekümmert. In der Kneipe ging sie immer auf die Herrentoilette, weil sie keine Lust hatte, fürs Pinkeln Schlange zu stehen. Jedenfalls, wenn sie betrunken war. Das Leben war leichter in berauschtem Zustand, obwohl ihr das Risiko durchaus bewusst war, denn es gab Alkoholiker in der Familie. Deshalb zählte sie gewissenhaft ihre Drinks und ließ sich nie einladen. Spätestens nach dem vierten hörte sie auf. Jede Kneipentour wurde im Kalender vermerkt, das Limit lag bei einmal pro Woche. Doch so selten sie ausging, für die umständlichen Rituale auf der Damentoilette hatte sie kein Verständnis. Auch nicht dafür, dass es den Herren an der Pissrinne eventuell peinlich war, wenn eine Frau den stinkenden Raum betrat und ihre schlaffen Schniedel sah. Sie riss die Tür zur Personaltoilette auf und rief in melodiösem Finnlandschwedisch:

»Hier versteckst du dich also! Im Delta ist die Kacke am Dampfen. Es ist öffentliche Hinrichtung, und ALLE müssen kommen.«

Sie hielt ein und lauschte. War da nicht ein unterdrücktes Niesen und Schniefen zu hören? Zaghaft klopfte sie an die Tür der mittleren Zelle. Sie war nicht verschlossen.

»Jens? Bist du okay?«

Die Zelle war leer. Elisabeth sah sich verwirrt um und verließ die Herrentoilette. Die Tür knallte zu, und ihre Schritte hallten über den Korridor.

Because you’re worth it

Draußen auf dem Parkplatz schüttelte der Wind die kleinen Bäume. In ihren Zweigen hingen verlassene Vogelnester und zerfetzte Plastiktüten. Ein Schwarm Dohlen plünderte die Mülltonne vor dem menschenleeren McDonald’s. Die große Uhr an der Bürofassade zeigte abwechselnd Zeit und Temperatur. 21:12, 14 °C; 21:12, 14 °C; 21:13 und so weiter. Aus Helm Techs Hauptquartier fiel ein schmaler Lichtstrahl. Auf der Personaltoilette lugte ein strubbeliger Kopf durch den Türspalt.

Jens Jansen klopfte eine dicke Schicht weißen Staub aus den Kleidern und huschte geduckt zu seinem Schreibtisch. Er warf nervöse Blicke zur Tür und auf sein Handy. Drei entgangene Anrufe, zwei von Karl Frid und einer von seiner Freundin Mari. Genauer gesagt seiner Ex, denn sie wohnten nicht mehr zusammen. Er steckte das Handy wieder ein – es war viel zu kompliziert, um es am Telefon zu erklären. Als er sicher war, dass keiner mehr auf der Etage war, ging er in die Lounge und öffnete den Kühlschrank. Eine Packung Sauermilch, deren Haltbarkeitsdatum längst überschritten war, und zwei Dosen Falcon Export, die von einem Firmenfest übrig geblieben waren. Im Obstkorb lag eine braun gefleckte Banane. Er wühlte in der Hosentasche, fand zwei Kronenstücke, warf sie in den Kaffeeautomaten und zuckte zusammen, als das Mahlwerk laut dröhnend ansprang. Endlich pisste der Automat die graubraune Ökobrühe in den Pappbecher und bedeckte sie zischend mit weißem Schaum.

Seine Jacke hing an der Garderobe beim Hinterausgang. Noch hätte er nach Hause fahren können, als wäre nichts geschehen. Karl Frid würde er sagen, er sei beim Zahnarzt gewesen. Er würde einen Rüffel einstecken und den Rest der Woche dem Krisenmanagement widmen. Mari war es längst egal, wo er steckte. Wahrscheinlich wollte sie nur wissen, ob ihre gemeinsame Wohnung endlich verkauft war. Nach zwölf Jahren hatten sich ihre Wege getrennt. Er schlürfte den Kaffee und betrachtete die dunkle Bürolandschaft. Die Module waren durch schalldämpfende Stellwände voneinander getrennt, an der Decke hingen lange Neonröhren. Bildschirmschoner malten psychedelische Muster auf die Monitore.

Ab 20 Uhr war die Eingangstür automatisch verriegelt. Nur mit Passierkarte und Code konnte man das Büro verlassen, ohne Alarm auszulösen. Jens Jansen blieb allein zurück, während die Sonne hinter dem Fichtenwald versank und der Abend in Nacht überging. Die Autolichter auf der E 4 formten ein weiß-rotes Perlenband am Horizont. Es mochte irrational erscheinen, in die Zwischendecke der Toilette zu kriechen, bloß weil der Chef anrief. Aber Jens Jansen hatte nichts dem Zufall überlassen. Unter seiner Nummer würde es keinen Anschluss mehr geben. Code ungültig, Page not found. Er würde verschwinden. Sich verstecken, bis keiner mehr nach ihm suchte. Er hatte einen Plan.

Ideas for life

Meist leitete Jens Jansen alle eingehenden Anrufe mit einem Knopfdruck auf Elisabeth Pukkas Telefon um. Keiner von der Geschäftsleitung wusste, dass sämtliche Arbeit der PR-Abteilung von der jungen Finnlandschwedin erledigt wurde. Stefan York war zweifellos ehrgeizig, doch seine himmelschreiende Inkompetenz blockierte jegliche Organisation. Genauer gesagt blockierte sie Elisabeth Pukka. Sie gab die Hoffnung nicht auf, eines Tages in der Hierarchie aufzusteigen. Aber weil niemand ihren Einsatz würdigte, arbeitete sie noch härter und wurde immer frustrierter.

In Jens Jansens Fall lagen die Dinge anders. Eine Beförderung war das Schlimmste, was er sich denken konnte. Geld war ihm egal. Er hatte jedes Interesse an teurer Heimelektronik, Einrichtung, Autos, Mode oder Musik verloren. Bier aus Mikrobrauereien und andere Lifestyle-Produkte, mit denen urbane Männer ihr Dasein versüßten, kümmerten ihn nicht. Er wollte keine Macht über andere Menschen haben. Macht bedeutete Verantwortung, und nichts war ihm unerträglicher als das. Und weil Elisabeth Pukka sich wie viele andere junge Frauen im Stillen totschuftete, fürchtete er, früher oder später für ihren Fleiß belohnt zu werden. Was für ein Albtraum! Bisher hatte er alle Umstrukturierungen unbeschadet überstanden. Mit leeren Floskeln und gespieltem Übereifer war es ihm gelungen, sich als idealer Abteilungsleiter zu verkaufen. Jemand, der die Erwartungen erfüllt, aber nicht unbedingt für einen höheren Posten geeignet ist. Es war ein heikler Balanceakt, doch die Personalberater verzweifelten regelmäßig an ihm.

»Meine Position in der Gruppe? Schwer zu sagen. Ich bin ein Teamworker, der keine Angst davor hat, individuell zu arbeiten. Wer mich kennt, würde mich wohl als äußerst flexibel beschreiben.«

»Flexibel?«

»Ja, Sie wissen schon. Ich passe mich an meine Umgebung an, sage aber auch meine Meinung. Ich habe eine ausgesprochen fokussierte Ganzheitssicht.«

»Fokussierte Ganzheitssicht? Das klingt, äh … irgendwie widersprüchlich.«

»Stimmt. Darin liegt meine Stärke. Ich sage eine Sache, meine aber etwas ganz anderes. Eine kristallklare Message.«

»Okay? Und was genau heißt das? Können Sie das näher erläutern?«

»Ich bin ein leeres Blatt Papier. Sie füllen mich mit Inhalt.«

»Wenn Sie Ihr berufliches Engagement im letzten Jahr auf einer Skala von eins bis zehn bewerten müssten, wie viele Punkte würden Sie sich geben?«

Zahlen waren gefährlich, fand Jens Jansen. Bewertete er sich zu hoch, bestand das Risiko, dass man ihm genügend Selbstbewusstsein für einen höheren Posten unterstellte. Bewertete er sich zu niedrig, konnte der Eindruck entstehen, er sei gelangweilt und unterfordert und brauche neue Herausforderungen. Er musste sicherstellen, dass er Brand Manager bleiben und seine Arbeitszeit weiterhin dem Nichtstun widmen durfte.

»Hmmm. Ich würde sagen sechs. Oder vielleicht sieben? Nein, sechs passt besser. Ich glaube, dass ich mein Potenzial als Brand Manager noch nicht voll ausgeschöpft habe.«

Die Personalberaterin hatte genickt und etwas auf ihrem Block angekreuzt. Er war noch einmal davongekommen. Um ein Haar hätten sie ihm den Job als Group Manager angeboten und ihn direkt Karl Frid unterstellt. Puh! Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn zwangsbefördern würden. Als er dann an jenem Augustmorgen, direkt nach dem Urlaub, die adrette Personalberaterin mit dem zurückgekämmten Haar und der Aktenmappe unterm Arm in Gesellschaft von Karl Frid ins Büro kommen sah, wusste er, dass es so weit war. Diesmal würde er nicht entkommen. Elisabeth Pukka würde mit größter Wahrscheinlichkeit gefeuert werden. Ebenso gut hätte man den Motor aus einem Auto herausschrauben können, aber davon hatten die Männer in der Firmenleitung keine Ahnung. Sie waren blind für alles, was die junge Frau aufgebaut hatte (nicht jedoch für ihren knackigen Hintern). Jens Jansen wäre gezwungen, Pukkas enorme Arbeitslast zu übernehmen, was unweigerlich zur Katastrophe führen würde. Während er mit anderen Abteilungsleitern im Golfsimulator des Einkaufszentrums Abschläge geübt oder sich in der Toilette eingeschlossen und mit seinem Smartphone gespielt hatte, hatte Pukka auf eigene Faust ihre Arbeit umorganisiert und effektiviert. Alles nach irgendeinem modernen System, das Jens Jansen nicht vorhatte zu lernen.

Und während alle Kollegen sich im Konferenzsaal Delta versammelten, saß er allein in dem menschenleeren Büro und ignorierte das wütende Signal des Telefons. Durch das Panoramafenster zum Lichthof sah er den gläsernen Aufzug wie eine Seifenblase aufsteigen. Sie kamen, um ihn zu holen. Er war ein zum Tode Verurteilter kurz vor der Injektion des Nervengifts. In diesem Moment fasste er den endgültigen Entschluss. Es war Zeit, seinen Plan in die Tat umzusetzen und diese Welt zu verlassen. Als Elisabeths Absätze über den Steg klapperten, flüchtete er in die Toilette, und als der Teppichboden ihre Schritte dämpfte, stieg er auf die Kloschüssel, hob eine Platte aus der Deckenverkleidung und machte einen Klimmzug. Seitdem war er verschwunden.

Das Ganze dauerte nur wenige Sekunden. Welche Grenze hatte er in diesem Augenblick überschritten? Galt er nun offiziell als verrückt? Hatte er den ersten Schritt in eine psychische Krankheit getan? Jens Jansen hatte keine Ahnung. Vielleicht war seine Reaktion auch völlig normal. War nicht in Wirklichkeit seine Umgebung krank? Eins war sicher: An einen Verschwundenen konnte man keinerlei Ansprüche stellen. Und das war letztendlich alles, was er wollte.

Setting the standards

Es ging auf Mitternacht zu. Jens Jansen saß noch immer regungslos auf dem Sofa der Lounge. Die Dioden des Kaffeeautomaten blinkten in der Dunkelheit. Am anderen Ende der Bürolandschaft rasselte ein Fax. Was war er für ein Mensch, der sein Leben einfach aufgab? Wer verlässt schon Freunde, Familie und Karriere, um nachts in einem anonymen Bürogebäude neben einer Autobahn herumzusitzen? Jens Jansen hatte keine bessere Erklärung als die unendliche Gleichgültigkeit, die ihn seit Jahren beschlichen und nach und nach jede Zelle seines Körpers ergriffen hatte. Dabei war er keineswegs unzufrieden oder verbittert. Er hatte bloß den Glauben an ein System verloren, in dem er nichts als ein kleines, unbedeutendes Rädchen war. Sterben wollte er auch nicht. Nein, er wollte nur nicht länger repräsentativ und konkurrenzstark sein, kein Winner, kein Ellbogentyp. Jens Jansen wollte einfach nur sein. Wenige Tage nach dem kurzen Sommerurlaub war das Unbehagen an der Lohnarbeit akut geworden, als hätte er eine Allergie entwickelt. Obwohl er eine Tasse nach der anderen aus dem geleasten Kaffeeautomaten zog, schien er nie richtig wach zu werden. Die bürokratischen Aufgaben, die er als leitender Angestellter eines mittelgroßen Exportunternehmens zu erfüllen hatte, machten ihn krank. Seine Augen brannten schon, wenn er nur die Fanfare hörte, die beim Hochfahren des Computers erklang, und der Anblick des Bildschirms ließ seinen Kopf wie ferngelenkt auf die Tischplatte sinken.

Er vereinsamte zusehends in einer Umgebung, wo alle für ihre Arbeit brannten oder zumindest so taten. Die Latte hing hoch bei seinen Kollegen, alle strebten nach mehr Verantwortung und höherem Lohn. Jens Jansens Latte hing so tief wie möglich. Sein Ziel war die Nullleistung oder schlimmstenfalls ein halbherziger, mittelmäßiger Einsatz. Im Gegensatz zu Stefan York und Elisabeth Pukka wollte er übersehen werden. Seine Antwort auf den allgegenwärtigen Slogan Just do it hieß »Lieber nicht«. Wäre Jens Jansen ein Turnschuh gewesen, hätte sein Werbespruch Impossible is everything gelautet. Er war jedoch eher ein Pantoffel. Und wie ein Alkoholiker seine Sucht zu verbergen sucht, verbarg Jens Jansen seinen Motivationsmangel. Den grafitgrauen Anzug, die hellblauen Hemden und Pikeepullover trug er nur zur Tarnung. Die Mappen, die er unablässig durch das Großraumbüro trug, waren mit leeren Blättern gefüllt, und das Handy, das er ans Ohr drückte, stand auf Flugmodus. Sein zielstrebiger Schritt war einstudiert und sollte ihn vor der Einmischung anderer bewahren. In Wirklichkeit hatte er kein Ziel und lief stets dieselbe Schleife vom Schreibtisch zum Drucker in der Ecke, den Postfächern und dem Kaffeeautomaten in der Lounge. Wenn man genau hinsah, konnte man einen Trampelpfad im Teppichboden erkennen. Einmal hatte er sogar bei einer Zeitarbeitsagentur Personal angeheuert, um ein Kundengespräch vorzutäuschen. Ein paar verwirrte IT-Berater hatten zwei Stunden lang mit ihm im Konferenzraum Foxtrott gesessen, Mineralwasser getrunken und auf eine völlig sinnfreie PowerPoint-Präsentation gestarrt. Auf die Frage, was die seltsamen Grafiken bedeuteten, hatte er mit den Schultern gezuckt.

»Was immer Sie wollen.«

»Aber was?«

»Vielleicht, wie lange es dauert, bis der Geschmack aus einem Hubba Bubba gewichen ist. Oder wie lange eine Eule zu verschiedenen Jahreszeiten schläft. Sie bestimmen das Muster.«

Die Systemadministratoren hatten gedankenvoll genickt und weiter auf das Whiteboard gestarrt. Nach langem Schweigen hatte Jens Jansen gefragt:

»Wie wäre es mit einer kleinen Verschnaufpause?«

Choose freedom

Jens Jansen hatte niemanden in seinen Plan eingeweiht. Weder die Exfreundin noch den Vater. Weder Freunde noch Kollegen. Er wollte nicht einer jener siebentausend Menschen sein, die jährlich in Schweden verschwanden, nein. Er wollte einer der dreißig sein, die nie wiederkehrten. Dies hatte gründliche Vorbereitung erfordert. Totales Verschwinden war komplizierter, als er gedacht hatte. Sobald ihn jemand – wahrscheinlich Mari – als vermisst meldete, würden die Behörden eine gründliche Untersuchung einleiten. Die Polizei würde Bekannte, Verwandte und Freunde befragen. Sie würden seine Gewohnheiten, sein Verhalten und sein soziales Netzwerk gründlichst abklopfen und seine Psyche analysieren. So würde ein Profil entstehen, das man mit Datenbanken aus aller Welt vergleichen konnte. Die Methode hieß Managing Search Operations (MSO



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