Der Deutschlehrer #2 - Wolfgang Krewe - E-Book

Der Deutschlehrer #2 E-Book

Wolfgang Krewe

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Beschreibung

Der Deutschlehrer Paul hatte sich mit seiner Familie in Brasilien eine neue Existenz aufgebaut, nachdem er den dubiosen Machenschaften des geheimnisvollen Agenten Christian knapp entkommen konnte. Als dieser eines Tages plötzlich in Pauls Surfshop auftaucht, ist Paul sofort klar, dass sein beschauliches Leben abrupt zu Ende geht. Denn Christian will Rache und wird ihn in ein weiteres gefährliches Spionageabenteuer verwickeln.

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Seitenzahl: 149

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhaltsverzeichnis

Wiedersehensfreude

BESCHEID

SEIXAL

Es geht los

An den Ufern von Babylon

FREIHEIT

An die Arbeit

Neue Strände - neue Ufer

Special Agent Paul

Geht doch…

Fracht für St. Petersburg

John Lennon in Lissabon

Modisches Mailand

Zukunftspläne

Das Ende?

Wiedersehensfreude

„Kennst du die Kermadec-Islands bei Neuseeland? Christian kannte sie! Du kommst da nicht mehr raus!“ - dröhnten Gustavs Worte in Pauls Kopf, als er für sich und Christian zwei eiskalte Bavaria-Biere aus dem Kühltruhe holte.

Christian hatte ihn doch noch gefunden!

Nach 3 Jahren. Aber wie?

Und?

Was würde jetzt passieren?

Für den Bruchteil einer Sekunde dachte Paul daran wegzulaufen, aber das war natürlich lächerlich.

Also, stellte er dem grinsenden Christian das Bier auf die improvisierte Holztheke, und trat einen Schritt zurück.

„Schön hast du es hier, Mann! Freut mich ehrlich, dass du deinen Traum verwirklichen konntest. Und, dass ich dir dabei helfen konnte…“

Damit drehte Christian der Bar und Paul seinen Rücken zu und blickte genußvoll über den Strand. Er ließ sich Zeit, die sanften Wellen der kleinen Bucht auf sein Gemüt schwappen zu lassen.

Für einen Aussenstehenden wirkte das wohl wie das Treffen zweier alter Schulfreunde, die sich nach Jahren zufällig am Strand in Brasilien wieder trafen und über die guten alten Tage plauderten.

Aber sie waren keine Freunde.

Sie waren Feinde!

Denn Christian hatte Paul erpresst und dieser hatte Christian verraten, raste es durch Pauls Kopf. Ok, dabei ging es um sehr viel Geld und er hatte sich kaufen lassen, weswegen Christian sich jetzt sicherlich rächen wollte.

„Es freut mich auch für Isabella. Wie ich höre, ist sie sehr beliebt in dieser Privatschule, in der sie arbeitet. Ihr HR-Chef, wie war gleich sein Name? - Louis? - scheint ja mehr als berufliches Interesse an deiner Frau zu haben…kann ich verstehen. Sie ist immer noch wunderschön! Naja, du wirst ihr wohl vertrauen müssen. Du weißt schon was du tust.“

„Laß diese dummen Spielchen. Wie hast du mich gefunden?“

„Ja. Wie habe ich dich wohl gefunden? Du hast solange keine Kreditkarten oder Mobiltelefone benutzt. Gut aufgepasst, mein Freund.

Alles nur bar und durch Mundpropaganda - sehr clever. Zu clever.

Denn deine Zusammenarbeit mit den großen Hotels hat nicht nur dein Geschäft belebt, sondern auch Spuren bei diesen freundlichen serviceorientierten Reiseführern hinterlassen. Und auch, wenn für die meisten Brasilianer jeder Gringo ein `Alemao´ ist, so haben deine Fussballkenntnisse dich klar als Deutschen identifiziert. Ausserdem redet die schöne Isabella auch gerne und viel. Radio Brasil!

Hahaha….“

„Ok. Du hast mich gefunden. Was willst du jetzt? Das Geld ist weg.“

„Ach, Paulchen…..sei doch nicht so ungemütlich. Ich habe dich so lange gesucht. War denn wirklich alles so schlimm damals? Hatten wir nicht auch ein paar gute Zeiten zusammen? Erinnerst du dich an die Greenfieldsnummer? Mit dem falschen Aktenordner? An Verena? Die haste doch gemocht, oder? Wie sie dich überführt hatte, du mit Schimpf und Schande rausgeworfen wurdest und ich alle Hebel in Bewegung setzen mußte, damit du nicht in den Knast wanderst? Und hast du mir das jemals gedankt?“

Paul sagte nichts. Das alles lief wieder ganz klar vor seinem geistigen Auge ab.

„Nein! Ich wollte auch gar keinen Dank. Es war ein Geschäft. Das mir neun Monate Untersuchungshaft einbrachte und mich meinen sicheren Job beim BND kostete.“

Es entstand eine Pause. Keiner sprach. Christian nahm zu Ehren dieser Erinnerungen, seufzend einen tiefen Schluck aus seiner Bierdose.

Dabei betrachtete er entrückt den Horizont, wie eine Leinwand auf der alles noch einmal Revue passieren würde.

Paul wußte, der große Knall würde schon noch kommen. Und je mehr er sagte, desto schneller würde Christian diesen Plauderton abstellen und sein wahres Gesicht zeigen. Aber er wusste auch, dass nur in Hollywoodfilmen die Schurken sich und ihre Motive erklärten. Und das hier war kein Film - sondern verdammt real.

„Neun Monate ist gar nicht so lang…“

Warum, zum Teufel, sagte Paul das jetzt?

Denn nun drehte sich Christian wieder zu ihm. Schweigend nippte er am Bier, stellte es dann sehr langsam ab und hob erst dann den Blick zu Paul. Das hatte durchaus etwas von einem Hollywoodfilm.

Ob Christian hier Hannibal Lecter imitierte?

„Willst du es mal ausprobieren? Ein Anruf genügt. Die finden hier hundert Prozent etwas, dass dich für lange Zeit hinter Gitter bringen würde, auch wenn sie es hier erst selbst deponieren müssten. Und ein brasilianischer Knast ist sicherlich um einiges spannender, als die geheizten Zellen in Deutschland, wo es überall Fernsehen und frische Wäsche gibt. Soll ich …?“

Damit hob er sein Mobiltelefon hoch und schaute Paul mit einem zynischen Lächeln an.

„Nein. Was willst du von mir? Willst du mich töten, wie den armen Inder damals in Berlin? Willst du Geld? Oder einen Surfkurs buchen?“

„Ich würde dir gerne auf die Fresse hauen. Ehrlich! Aber wie ich sehe, sind dir die Jahre am Strand gut bekommen. Breite Schultern, gut durchtrainiert…. du machst Capoeira, oder? Du bist fit. Für dein Alter.

Und es würde doch ziemlich lächerlich aussehen, wenn wir beiden alten Säcke hier über den Strand rollen würden, bei dem Versuch uns die Zähne auszuschlagen …..nein, nein, keine Sorge. Ich will nur, dass du dir mein Angebot anhörst.“

Paul taxierte ihn mit den Augen. Er wusste, dass dieses `Angebot´ ihm wieder eine Menge Ärger einbringen würde. Aber er wußte auch, dass der Surfshop seit langem mehr Geld kostete, als er einbrachte. Die politische Situation in Brasilien hatte nicht nur viele ausländische Investoren verschreckt, weswegen Isabella auf der internationalen Schule nur noch Teilzeit arbeiten konnte, auch waren durch die Coronapandemie, Inflation und Ukrainekrieg Flugtickets nur noch für Superreiche erschwinglich, und die gingen lieber Golfspielen, als Kitesurfen. Er wollte Zeit zum Nachdenken gewinnen. Und sich das Angebot anzuhören, heißt ja noch nicht es anzunehmen, nicht wahr?

„Willst du noch ein Bier?“

„Ich dachte du fragst nie. Klar!“

Jetzt sassen sie wirklich wie zwei alte Kameraden auf den Liegestühlen unter den Palmen und Paul erfuhr, dass Christian mithilfe seiner Kontakte aus der Privatwirtschaft nicht nur früher aus dem Gefängnis entlassen wurde, sondern sich auch mit einer eigenen Firma selbständig gemacht hatte.

„Was genau ist dein Job? Das habe ich in all den Jahren nie ganz begriffen.“

„Ganz einfach. Wenn immer, sagen wir, ein internationaler Energiekonzern, eine weltweit agierende Bank, oder ein Rüstungsunternehmen, wieder einmal sehr viel Geld verdient hat, und sie befürchten müssen, das alles nicht nur bei der Steuer wieder abgeben zu müssen, sondern eventuell dafür auch noch öffentlich als Krisengewinnler an den Pranger gestellt zu werden, dann biete ich ihnen Lösungen an.“

„Was sind das für Lösungen? Geben sie dir das Geld aus ihren Gewinnen? Dann bin ich sofort dabei.“

„Ich investiere es manchmal in Offshore Firmen, die für die lokalen Steuerbehörden nicht greifbar sind, oder ich gründe Subunternehmen, die dann genug Verlust machen, um sie steuerlich abschreiben zu können und so den Gewinn, und die damit verbundenen Steuern, nicht nur zu minimieren, sondern auch noch eine Steuerrückzahlung zu ermöglichen.“

„Verstehe ich dich richtig: ihr betrügt den Staat gleich zweimal?“

„Würde ich jetzt so nicht sagen. Vielleicht eher, dass die Staaten nicht so kreativ sind wie wir, wenn es um das Generieren von Umsätzen geht.“

„Hahaha! Immer um den heißen Brei herumreden, was?“

„Saude! Wie man hier sagt.“

„Prost. Du wolltest über ein Angebot sprechen?“

„Du hast doch sicher davon gehört, dass durch die Coronapandemie und den Lockdown in China, der größte Containerhafen der Welt in Shanghai für Monate geschlossen war und dadurch die Versorgung in vielen Bereichen auch in Deutschland und Europa zusammengebrochen ist, oder? Von Weizen, über Shrimps bis zu Kleidung und kleinsten Computerteilen - überall gab es Einbrüche, die teilweise sogar Firmen in die Pleite getrieben haben. Deswegen verlagern jetzt wieder einige Unternehmen ihre Produktion, vor allem für Elektro- und Computerherstellung, zurück nach Europa. Damit vermeiden sie die langen Lieferwege und die Unsicherheit, falls mal wieder auf der anderen Seite der Welt etwas passiert. Gibt es noch ein Bier?“

Paul holte zwei neue Biere.

„Rede weiter.“

„Große Unternehmen, wie VW produzieren schon lange in Brasilien oder auch in Portugal. Dorthin ziehen jetzt einige Zulieferer für elektronische Steuerungen. Du weißt ja, dass ein Auto heute mehr einem fahrenden Computer gleicht, als einer motorisierten Kutsche.

Die Technik dafür kam bisher aus China, und die Chinesen sind gar nicht begeistert, dass dieses Know-How, das sie jahrelang ausspioniert und kopiert haben, sich jetzt ihrem Zugriff entziehen soll. Also, wollen sich diese Zulieferer gegen Spione schützen und da kommen wir ins Spiel…“

„Wir? Auch wenn die Biere heute auf meine Rechnung gehen, sind wir noch nicht im Geschäft.“

„Kennst du eigentlich den Namen des Securitymannes, der Stanley´s Schule bewacht? Du weißt schon, der dünne Kerl mit dem dicken Sturmgewehr, bei dem alle Eltern die Kinder abgeben müssen, weil ihr ja aus Sicherheitsgründen das Schulgelände nicht betreten dürft.

Cesar? Jesus?….irgendwie so, oder?“

„Messias. Warum? Was ist mit dem?“

„Er soll doch dafür sorgen, dass die Kinderchen der Gringos nicht von den bösen Jungs aus den Favelas entführt werden und die Eltern für die Rückgabe der Blagen horrende Lösegelder bezahlen müssen, richtig?“

„Ja. Warum?“

„Da du seinen Namen kennst, muss ich dir ja wohl nicht erzählen, dass Messias hier in der Favela Tudos os Santos wohnt, oder? Und sein Bruder `der Chefe´ dort ist…“

„Komm zum Punkt.“

„Naja, Stanley geht natürlich bei denen als Brasilianer durch, aber wenn die wüßten woher sein Vater stammt….könnte das schon teuer für dich werden….ganz zu schweigen von den Sorgen, ob sie ihn dir überhaupt lebend zurückgeben werden. Du verstehst was ich meine…“

Paul konnte nur in Christians Gesicht starren.

Das war er, ohne Maske!

Hannibal Lecter goß sich den letzten Schluck Bier langsam in den Mund, wartete wieder einen Moment, bevor er sanft fortfuhr.

„Wo war ich gleich? Achja, Portugal. Ich habe südlich von Lissabon, in Seixal, eine Sprachschule gegründet, um den Arbeitern besagter Zulieferer wenigstens soviel Deutsch beizubringen, dass sie mit dem Mutterkonzern verhandeln können. Dort sind einige wichtige deutsche Unternehmen angesiedelt, so dass wir verschiedene Kunden mit Informationen über ihre Angestellten versorgen können. Und da wir natürlich auch Hausbesuche anbieten, erfahren wir eventuell auch das eine oder andere Detail, um unsere Kosten decken zu können. Wir machen das prinzipiell genau so wie vor 3 Jahren in Berlin - mit dem Telefon. Fragen?“

„Wann soll das losgehen? Und was springt für mich dabei raus?“

„Ich mag deine fokussierte Art. Du denkst praktisch - sehr gut. Geht noch eins?“

Damit hob er die leere Bierdose hoch und grinste Paul an.

Paul war selbst ein wenig von seiner Kaltblütigkeit überrascht, als er zum Kühlschrank ging und zwei weitere Bierdosen herausholte. Hatte der Typ nicht gerade seine Familie bedroht? Wieder einmal! Nur dieses Mal würde Paul nicht mit dem Tropical Island davon kommen. Hier waren die echten Tropen, mit echten Gefahren. Aber irgendwie hatte Paul in den vergangenen Jahren gefühlt, dass dieser Moment kommen würde. War er deswegen so cool?

„Also, was ist für mich drin?“

Er reichte Christian ein weiteres Bier und ein böser Gedanke schoß ihm durch den Kopf.

Sie sind hier alleine am Strand, die Strasse ist weit weg, es ist schon dunkel, Christian ist angetrunken - sollte er ihn nicht einfach beseitigen? Jetzt wäre der ideale Moment.

Aber er wußte, dass er kein Mörder ist.

„Du wirst mein Teilhaber - natürlich nur pro Forma, da wir für die Registrierung der Schule einen echten Deutschlehrer vorweisen sollten.

Damit bist du an unserem Gewinn beteiligt - natürlich auch nur pro Forma und kannst so deine Schulden bei mir abbezahlen.

Selbstverständlich bekommst du alles, was du in Lissabon zum Leben brauchst. Kannst auch deine Familie mitbringen…“

„Wann soll es losgehen?“

„In drei Tagen.“

„Habe ich eine Wahl?“

Christian hob das Telefon hoch und wedelte damit.

„Natürlich. Deine Entscheidung.“

`Ich bin kein Mörder´- hörte Paul seine innere Stimme mahnen. Konnte aber nicht verhindern, daran zu denken, wie einfach es sein würde Christian von hinten ein Surfbrett über den Kopf zu schlagen und ihn dann irgendwo am Strand zu vergraben. Es werden öfters tote Gringos am Strand gefunden…

„Sag mir einfach morgen Bescheid, ok? SERGIO! Estou pronto aqui. Vamos.“

Während Christian, ohne sichtbare Wirkung des Alkohols aufstand, trat ein Mann hinter der Surfbarracke hervor. Und er hatte eine Waffe im Gürtel stecken.

Klar, war Christian nicht unvorbereitet zu so einem Treffen gekommen.

BESCHEID

Nachdem Christian und der Gangster gegangen waren, lief Paul noch den leeren Strand entlang und versuchte seine Gedanken zu ordnen - einen Plan zu entwickeln.

Wie sollte er das Isabella erklären?

Was würde mit Stanley passieren?

Bei allen Plänen, die Paul in seinem Kopf schmiedete, wurde ihm immer wieder klar, wie verletzlich er durch die Sorge um seine Familie war. Er konnte nicht einfach den Streit mit Christian suchen, denn der hatte Druckmittel gegen ihn in der Hand und war bereit diese zu benutzen. Paul wußte, dass er in der Falle saß. So wanderte er, ohne es zu merken, auf und ab und wägte das Für und Wider ab, nur um immer wieder zu dem selben Schluß zu kommen.

Zu keinem.

Er wußte nicht, wie lange er schon über den Strand tigerte, als er plötzlich in der Dunkelheit ein Licht sah. Es kam von seinem Surfshop.

Deponierte Christian jetzt schon ein Päckchen Drogen, das morgen dann die Polizei, die `ganz zufällig´ vorbeischaute, finden würde?

Er beschleunigte seine Schritte, blieb aber vorsichtig, da er Bewegung in der Barracke wahrnahm. Was sollte er denn jetzt tun? Derjenige da drin würde ganz sicher auch bewaffnet sein und nicht einfach verschwinden, nur weil Paul auftauchte. Er versteckte sich hinter der Palme, die am nächsten zur Bar und Veranda stand und überlegte.

„Was soll das denn? Ich habe dich gesehen! Komm raus, Mann, wir müssen reden.“

Es war seine Frau - Isabella!

„Warum bist du nicht zuhause? Mit wem hast du Bier getrunken?

Flirtest du mit der Gatinha vom Mar y Sol? Warum läufst du alleine über den Strand?“

„Blödsinn. Das Mar y Sol hat zu. Ich mußte nur nachdenken.“

„Ich auch. Gibt es noch ein Bier? Schön kalt, ja? Wir haben ein Problem.“

„Achja? Was denn? Hier, dein Bier.“

„Weißt du, wer heute mit mir gesprochen hat?“

Paul ahnte es. Das ging auf einmal alles sehr schnell.

„Wer?“

„Louis, mein HR-Manager. Und du glaubst nicht was er zu mir gesagt hat…ich dachte, ich höre nicht richtig. Ich habe mich gefühlt, wie damals in der Schule, als meine Freundin Clara, du weißt schon, die, die dann diesen Gringo aus New York geheiratet hatte und von ihm ein Kind bekommen hat, als er bei dieser Bank, wie hieß die nochmal…?

Morgan? PJ - Bank? …irgendwie so, du weißt schon…“

„Was hat Louis gesagt?“

„Das glaubst du nicht! Dieser filho da puta. Ich würde ihm am liebsten so richtig eine…“

„WAS?“

„Sie müssen mir kündigen, weil zu wenig Arbeit für mich da ist. Seit dieser Präsident hier regiert, sind alle Gringos abgehauen und sie haben keine Visaaufträge mehr, die ich übersetzen kann. Also hat er gesagt, dass sie mich nicht mehr brauchen. Aber seine Frau, du weißt schon, die mit den komischen Augen, die aussieht als würde sie immer nur an dir vorbeischauen und die immer diese fürchterlichen Hüte auf hat, selbst wenn sie in einem vier Sterne Restaurant sitzt, das sie sich eh nicht leisten kann….“

„Hat Louis mit dir gesprochen, oder jemand anderes?“

„Na, Louis, wer denn sonst? Er hat auch gesagt, wenn ich mit ihm mal Essen ginge, dann könnte er etwas bei einem Freund von ihm für mich finden. Aber der will nur mit mir ins Bett gehen, so wie mit allen anderen. Dabei bin ich viel älter als er und verheiratet. Ich bin Mutter!

Das habe ich ihm gesagt!“

Paul wußte, dass verheiratet sein oder gar Mutterschaft in keinster Weise irgendeinen Brasilianer davon abgehalten hätten, seiner Leidenschaft nachzugeben. Einer uralten Tradition folgend, war Fremdgehen ein Kulturgut wie Samba und Carnaval. Das gehörte für einen Brasilianer einfach dazu. Und niemand hielt sich lange mit den daraus entstehenden Konsequenzen, wie Geschlechtskrankheiten, ungewollte Schwangerschaften oder sogar einer Kugel aus dem Revolver des gehörnten Ehemanns, auf. Da die Gleichberechtigung auch in Brasilien auf dem Vormarsch war, stand auch durchaus mal die gehörnte Ehefrau mit einer Waffe auf der Veranda von Circe.

„Wo ist Stanley?“

„Na, mit Thiago beim Fussballtraining, denke ich. Du mußt ihm endlich mal sagen, dass er sich nach dem Sport duschen muß! Er ist in der Pubertät und fängt an zu stinken. Ich habe ihm schon ein Deo gekauft, aber er sprüht es immer nur unter seine Achseln ohne sich zu waschen und das stinkt dann noch viel mehr. Das macht der Sohn von Ariana, die Mutter von Alvaro, der Junge mit diesen super schwarzen Haaren und den grünen Augen, den ich so süß finde….“

„Wir fahren nach Hause - jetzt! Ich muß sehen, ob Stan zu Hause ist.

Christian ist wieder aufgetaucht.“

„Wer?“

„Christian! Aus Berlin!“

Obwohl sie reflexartig noch etwas sagen wollte, ging Isabellas Mund nur auf.

Radio Brasil hatte Sendepause.

„Er kennt Louis und er weiß wo Stan zur Schule geht und Fussball spielt. Er weiß alles über uns.“

Auf dem Weg zum Land Rover versuchte Isabella Stanley über ihr Mobiltelefon zu erreichen. Aber er ging nicht ran.

Wenigstens erreichte sie Thiago, aber nur um zu erfahren, dass er und Stanley sich vor zwei Stunden, nach dem Training, getrennt hatten.

Während der Fahrt nach Hause erzählte Paul von Christians Besuch und dessen Bedingungen. Isabella hörte nur zu und Paul konnte sehen, wie in ihrer Phantasie die Angst wuchs. Trotzdem überraschte sie ihn wieder einmal mit einer kaltblütigen Sachlichkeit, als sie sagte: „Aber das Haus verkaufen wir nicht. Und wir werden Stanley nicht aus der Schule und von seinen Freunden wegnehmen. Du mußt alleine nach Portugal fliegen und wir sehen uns dann nur an den Wochenenden.“

LOUIS!

War Pauls erster Gedanke. Lief da schon etwas zwischen Isabella und Louis? War sie sogar froh, dass Paul weg mußte? War er schon zu lange hier und hatte die brasilianische Denkweise verinnerlicht?

Oder war das Christians Gift, was zu wirken begann? Bleib sachlich!