Der Dornenprinz - Maya Shepherd - E-Book

Der Dornenprinz E-Book

Maya Shepherd

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Beschreibung

Eine Seele, die einmal mit dem Bösen in Berührung kommt, gilt für immer als verloren. Dennoch ist es unmöglich, sich vor ihm zu verschließen, denn das Böse findet immer einen Weg zu den Menschen. Es hat viele Gesichter und kann in jeder Erscheinungsform auftreten, selbst mit einer winzigen rosa Nasenspitze, die lustig hin und her wackelt, wenn es sein Schnäuzchen in die Luft reckt. Kein Haus, nicht einmal ein Schloss, ist vor dem Bösen sicher.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhaltsverzeichnis

Was zuvor geschah

Betreten auf eigene Gefahr

Vladimir Dragoran

Ein neuer Morgen

Zwischen Wahrheit und Lüge

Schwarzer Kaffee

Eine zweite Chance

Leicht entzündlich

Kleine Hexe

Die Melodie des Drachen

Der Dornenprinz

Ein verlorener Freund

Jetzt oder nie

Schlussworte der Autorin

Danksagung

Maya Shepherd

Die Grimm Chroniken 16

„Der Dornenprinz“

Copyright © 2019 Maya Shepherd

Coverdesign: Jaqueline Kropmanns

Lektorat: Sternensand Verlag /Martina König

Korrektorat: Jennifer Papendick

Illustration „Ember“: Laura Battisti – The Artsy Fox

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Facebook: www.facebook.de/MayaShepherdAutor

E-Mail: [email protected]

Für Natascha

Bewahre dir deine innere Prinzessin.

Du gehörst zu den ›Grimm-Chroniken‹

wie der gläserne Schuh zu Aschenputtel.

Was zuvor geschah

Mittwoch, 24. Oktober 2012

18 Uhr

Rosalie kümmert sich um Joes Verletzungen, dabei gesteht sie ihm, dass sie die ›Grimm-Chroniken‹ nicht gelesen hat. Dadurch weiß sie nur das, was Vlad Dracul sie glauben lassen wollte. Sie kennt die Geschichte aber weder aus der Sicht ihrer Mutter noch aus der ihrer Schwester. Als sie auf Margery zu sprechen kommen, vertraut Joe Rosalie an, dass Margery seine Mutter getötet hat und er deshalb selbst Grund genug hätte, sie zu hassen.

19 Uhr

Jacob führt Maggy in den stillgelegten Spreepark. In dem Tunnel einer ehemaligen Achterbahn verbirgt sich ein Portal, das Menschen zu einem Ort ihrer Wahl reisen lässt. Auf diesem Weg wollen Jacob und Maggy nach Königswinter zum Lebkuchenhaus reisen, um von dort weiter zum Schloss Drachenburg zu gelangen.

20 Uhr

Ember und Philipp gelingt es durch eine List, die Bodyguards abzuhängen. Sie suchen im Wald das Lebkuchenhaus auf, um sich dort mit Arian zu treffen. Zu ihrer Überraschung kommt er nicht allein, sondern in Begleitung von Margery und Will, denen Arian zur Flucht aus der Schlosskommende verholfen hat. Gemeinsam beschließen sie, sich auf die Suche nach Lavena zu machen, da sie vermuten, dass sie diese nur bei Nacht finden können.

22 Uhr

Arian führt Ember, Margery, Philipp und Will zu dem Hügel, auf dem er sich oft mit Lavena in Engelland getroffen hat. Gerade als sie diesen erreichen, schiebt sich der Mond hinter den Wolken hervor. Es ist zwar nicht Lavena, dennoch fleht Arian den Himmelskörper an, zu ihnen herabzusteigen, um ihnen bei der Suche nach dem Mondmädchen zu helfen.

Der Mond kommt seiner Bitte nach und gibt sich als alte Frau zu erkennen. Diese rät ihnen, in einem Gewässer nach Lavena zu suchen, da sich Monde an solchen Orten zur Ruhe legen. Sie warnt sie allerdings davor, Lavena nach Sonnenaufgang zu wecken, da es Sonne und Mond verboten ist, einander zu begegnen.

Will erinnert sich an den Friedhof des versunkenen Mondes, wo er Margery zum ersten Mal in einem Traum begegnet ist. Dort gab es auch einen kleinen See, der nun zur Ruhestätte des Mondmädchens geworden sein könnte.

23 Uhr

Joe wird von Rosalie geweckt, da sie sich dazu durchgerungen hat, ihm zur Flucht zu verhelfen. Auf ihrem Weg aus dem Anwesen werden sie von zwei seelenlosen Jägern entdeckt, die Rosalie tötet. Sie geleitet ihn danach bis zu einer Bahnstation, doch als der Moment des Abschiednehmens gekommen ist, bittet Joe sie, mit ihm zu kommen.

23.30 Uhr

Arian erreicht den Friedhof des versunkenen Mondes als Erster und stürzt sich direkt in den See. Auf dessen Grund findet er den bewusstlosen Körper von Lavena. Mit der Hilfe von Philipp und Will gelingt es ihm, das Mondmädchen an Land zu bringen. Gerade als Lavena wieder zum Leben erwacht, wird die Gruppe von einem scheinbar unbekannten Mädchen mit einem Gewehr bedroht und zur Rede gestellt. Es handelt sich dabei jedoch um Simonja, die sich erst wieder an ihre Vergangenheit in Engelland erinnert, als sie Margery in die Augen blickt.

Mittwoch,

24. Oktober 2012

Noch sieben Tage

Betreten auf eigene Gefahr

Mittwoch, 24. Oktober 2012

23.45 Uhr

Königswinter, Finsterwald, Lebkuchenhaus

Es war verrückt. Vollkommen verrückt! Gerade hatte Maggy noch in dem verwitterten Achterbahntunnel des ehemaligen Spreeparks gestanden und nun spazierte sie durch eine Tür geradewegs ins Lebkuchenhaus. Trotz des dämmrigen Lichts im Inneren war der Duft nach Schokolade unverkennbar. Zudem erwartete Jacob sie bereits und deutete auf die Kohle im Ofen, die noch rot glühte.

»Wer auch immer hier war, wir haben ihn nur knapp verpasst«, meinte er konzentriert und ließ dabei völlig unbeachtet, dass sie gerade mit nur einem einzigen Schritt hunderte Kilometer, die zwischen Berlin und Königswinter lagen, überbrückt hatten.

Maggy konnte nicht so leicht den Zauber der Magie von sich abschütteln. Die Existenz des Portals war unglaublich! Nicht vorzustellen, wohin man damit überall gelangen könnte.

Sie schritt durch die Stube und stellte sich vor den Ofen, aus dem ihr noch Hitze entgegenschlug. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie sich vorstellen, dass Joe und Will direkt hinter ihr wären. Das Lebkuchenhaus war zu ihrer Zuflucht geworden, als ihre Welt im Wahnsinn versunken war. Sie hatten gescherzt, weil Maggy die Einzige von ihnen gewesen war, die in der Lage war, ein Feuer zu entfachen. Im Spaß hatten die beiden sie als Hexe bezeichnet und nicht geahnt, wie nah sie damit der Wahrheit kamen.

»Ember muss hier gewesen sein«, erwiderte Maggy, nachdem einige Sekunden verstrichen waren. »Nur sie und ich können die Flammen auflodern lassen.«

Jacob nickte. Für ihn ergab das Sinn. »Es ist wahrscheinlich, dass sie sich in Begleitung von jemandem befindet, den wir kennen.«

Maggy vermutete, dass Joe nach Königswinter zurückgekehrt war, um nach Will zu suchen. In seiner Verzweiflung hatte er sicher auch die ›Grimm-Chroniken‹ gelesen, um darin Hinweise zu finden, die ihm weiterhelfen konnten. Vielleicht war er so auf Ember gestoßen und es war ihm gelungen, sie in dieser Welt aufzuspüren.

Will und Margery befanden sich höchstwahrscheinlich in der Gewalt der bösen Königin. In dieser Hütte hatte Maggy beide zum letzten Mal außerhalb eines Traumes gesehen. Hier war es gewesen, als sich beide gegenseitig ihre Liebe gestanden hatten und Maggy ein stummer Zeuge davon geworden war. Die Erinnerung daran war wie ein Kniff in ihre Brust, nicht angenehm, aber ertragbar. Solange sie Will finden würden, wäre alles andere unwichtig.

»Was machen wir jetzt?«, wandte sie sich an Jacob. Sie brauchte ihn, damit er ihr sagte, was sie zu tun hatte. Für gewöhnlich konnte sie selbst Entscheidungen treffen, aber sobald ihr Herz involviert war, fiel es ihr schwer, rational zu bleiben.

»Wir sollten uns an den ursprünglichen Plan halten und uns auf den Weg zu Schloss Drachenburg machen«, beschloss Jacob. »Wenn wir dort nichts finden, was uns weiterbringt, können wir immer noch hierhin zurückkehren.«

Alles war besser, als in diesem Haus zu sitzen und nur abzuwarten. Ihnen lief die Zeit davon. Der erste Tag war beinahe um und danach blieben ihnen nur noch sechs, um dafür zu sorgen, dass die Geschichte dieses Mal ein anderes Ende nahm. Eines, in dem Will nicht starb.

Gemeinsam verließen sie das Lebkuchenhaus und traten in den Finsterwald hinaus. Obwohl Maggy wusste, dass hinter der Tür unzählige Bäume warten würden, hätte es einen Teil von ihr nicht gewundert, wenn sie dort den dunklen Achterbahntunnel vorgefunden hätte. Sie hatte von jeher an die Existenz von Magie glauben wollen, aber selbst für sie war es schwer, diese nun als einen Bestandteil ihrer Welt zu erleben.

Für Jacob machte es keinen Unterschied, ob er sich in Engelland oder in Königswinter befand, der Finsterwald war derselbe. Mühelos fand er den Weg vom Lebkuchenhaus zu der Lichtung, auf der sich das erste Hinweisschild zum Schloss befand.

Der Mond war hinter den Wolken hervorgekommen und erhellte mit seinem silbrigen Licht die Nacht. Maggy fragte sich, ob es Lavena war, die dort oben am Firmament leuchtete, doch sie konnte beim Anblick des Himmelskörpers keine besondere Verbindung zu ihm spüren. Wenn es wirklich Lavena wäre, müssten die Herzstücke von Margery, die sie in sich trugen, einander dann nicht erkennen?

Trotz der Dunkelheit erinnerte sie sich daran, dass sie schon einmal mit Will und Joe auf dieser Lichtung gewesen war. Das Schild, welches sich dort befand, war damals jedoch ein anderes gewesen, zumindest hatte es eine andere Beschriftung besessen.

Östlich der Sonne und westlich des Mondes, hatte es märchenhaft geheißen. Nun stand dort jedoch nur noch:

PRIVATGELÄNDE – Betreten auf eigene Gefahr!

Maggy machte Jacob darauf aufmerksam. »Was hat das zu bedeuten? Ich dachte, Schloss Drachenburg befindet sich in dieser Welt in städtischer Hand. Das habe ich zumindest im Internet gelesen.«

Jacob zuckte nur mit den Schultern. Ein Warnschild war nichts, wovon er sich aufhalten lassen würde. Entschlossen folgte er dem Pfad, der den Hügel hinauf zum Schloss führte.

Erst als Maggy durch den dunklen Wald lief, fiel ihr auf, dass sie sich zuvor noch nie bei Nacht dem Schloss genähert hatte. Laub raschelte unter ihren Füßen, ansonsten war es jedoch totenstill. Gerade das beunruhigte sie am meisten. Es schien, als gäbe es in diesem Teil des Waldes keine Tiere. Witterten sie die Gefahr und waren deshalb geflohen?

Ihr wurde immer unheimlicher zumute, je näher sie dem Gemäuer kamen. Sie versuchte, es zu vermeiden, aber drehte sich doch immer wieder um und suchte zwischen den Baumstämmen nach leuchtenden Augenpaaren, die ihr durch die Dunkelheit folgten. Sicher bildete sie sich das Gefühl, beobachtet zu werden, nur ein. Seltsamerweise hatte die Angst jedoch erst eingesetzt, nachdem sie das Schild passiert hatten. Es war schwer vorherzusagen, was sie erwarten würde. Meistens kam es ganz anders, als man dachte. Was konnte schlimmer sein als ein blutdürstiger, schlafwandelnder Vampir?

Ob Jacob sich genauso unwohl fühlte? Zumindest ließ er sich seine Furcht nicht anmerken, sondern erklomm mit festem Schritt den Hügel. Dabei schnaufte er allerdings auffällig schwer. Sein Atem hinterließ kleine Dampfwolken in der kalten Oktoberluft. Er hatte sich eine Hand auf seine Brust gepresst.

Maggy kamen augenblicklich die mahnenden Worte des Arztes in den Sinn:

Es tut mir leid, Ihnen das mitteilen zu müssen, aber Ihr Herz wird in diesem Zustand nicht mehr lange funktionstüchtig sein.

»Jacob«, rief sie besorgt. »Wir sollten etwas langsamer gehen.«

Er drehte sich mit gerötetem Gesicht zu ihr um. »Du bist doch noch jung«, tadelte er sie scherzhaft. »Macht dir so ein kleiner Fußmarsch etwa zu schaffen?«

Mir nicht, aber dir, verkniff Maggy sich, zu sagen. Sie würde ihn niemals bloßstellen, doch ihre kummervolle Miene verriet ihre Gedanken.

»Es ist nicht nötig, dass du auf mich Rücksicht nimmst«, sagte Jacob bestimmt. »Wenn ich erst einmal unter der Erde bin, werde ich genug Zeit haben, um mich auszuruhen.«

Seine Aussage sollte sie aufheitern, aber Maggy fand daran überhaupt nichts witzig. Jacob verhielt sich ihrer Ansicht nach ziemlich unvernünftig.

»Wir brauchen dich«, erinnerte sie ihn nachdrücklich. »Bitte gib auf dich acht!«

Ihre Zuneigung besänftigte ihn, sodass er zumindest etwas langsamer ging. »Dafür, dass ich rein rechnerisch schon etwa vierhundert Jahre alt bin, habe ich mich doch ganz gut gehalten, oder?«

Sie schmunzelte und klopfte ihm auf die Schulter. »Geradezu unwiderstehlich.«

Jacob lachte verlegen auf, da kreuzten die Schienen der Drachenfelsbahn ihren Weg. Sie schimmerten im schwachen Mondschein. Nun war es nicht mehr weit. Rechts von ihnen erhoben sich bereits die Schlossmauern.

Auf den letzten Metern klopfte Maggys Herz immer schneller, bis sie Schloss Drachenburg entdeckte. Es thronte auf einem Hügel, umschlossen vom Siebengebirge. Auf den ersten Blick wirkte es nicht verändert, aber es weckte in ihr völlig andere Gefühle als bei ihrem letzten Besuch. Damals war sie fasziniert gewesen und hatte alles über diesen mysteriösen Ort erfahren wollen. Nun rief sein Anblick in ihr den Wunsch hervor, zu fliehen. Etwas Dunkles und Beängstigendes ging von dem Gebäude aus, ohne dass sie es hätte benennen können. Es wirkte auf sie nicht mehr verwunschen, sondern nur noch einsam.

Ein Blick zu Jacob verriet ihr, dass es ihm genauso erging. Das erkannte sie an seinem ernsten Gesicht und den aufeinandergepressten Lippen.

Schlimme Dinge hatten sich in dem Gemäuer ereignet. Unschuldige Menschen hatten dort ihr Leben lassen müssen und böse Gedanken zogen sich darin wie Schimmel über die Wände. Verweilte man zu lange, bestand die Gefahr, ihre Sporen einzuatmen. Sie befielen die Seele, und selbst wenn es einem gelang, zu fliehen, wurde man sie danach nicht mehr los. Hatte das Böse erst einmal von einem Besitz ergriffen, war es schwer, es zurückzuweisen.

Jacob atmete heftig. Es lag nicht nur an dem mühsamen Aufstieg, sondern er musste sich auch dazu überwinden, nicht umzukehren.

Langsam überquerten sie die Brücke, die zum Torbogen führte. Ein massives Gitter versperrte ihnen den Durchgang. Das war neu. Probehalber rüttelte Jacob daran und das Geräusch hallte erschreckend laut durch die Nacht.

Unsicher schaute er sich nach einer anderen Möglichkeit um, während Maggy den Klingelknopf neben dem Tor bemerkte. Es war unwahrscheinlich, dass ihr jemand öffnen würde, vielleicht fand sie nur deshalb den Mut, ihn zu betätigen. Alarmiert starrte Jacob sie an, woraufhin sie mit den Schultern zuckte. Was sollte schon passieren?

Vermutlich überhaupt nichts, umso mehr erstaunte es sie, als ein Summen erklang und das Tor aufschnappte. Jemand hatte ihnen geöffnet – mitten in der Nacht, ohne auch nur nachzufragen, wer sie waren und was sie wollten.

Ungläubig starrte sie den Durchgang an und entdeckte ganz oben in der Ecke das rote Licht einer Kamera. Wer immer ihnen geöffnet hatte, konnte sie dadurch deutlich erkennen.

Fragend drehte sie sich zu Jacob um. Sollten sie eintreten? Was, wenn sich die böse Königin im Schloss aufhielt und nur auf sie gewartet hatte? Aber hätte sie dann nicht schon längst einen ihrer Jäger geschickt, um sie festnehmen zu lassen? Geduld zählte nicht zu ihren Stärken.

Wenn sie wissen wollten, was aus Schloss Drachenburg geworden war und wer sich im Inneren aufhielt, blieb ihnen wohl nichts anderes übrig, als der unausgesprochenen Einladung zu folgen.

Vorsichtig passierten sie das Tor und schritten auf den Eingangsbereich zu, in dem sich früher ein Ticketschalter, ein Souvenirladen und ein Restaurant befunden hatten. Nun war dort nur noch eine leere Glashalle, die sie von dem eigentlichen Schloss trennte. Ihre Schritte hallten von den hohen Wänden wider und verdeutlichten ihnen, dass sie auf sich allein gestellt waren. Wenn ihnen etwas geschah, würde niemand wissen, dass sie hier gewesen waren.

Jacob legte Maggy schützend eine Hand auf die Schulter, als sie die Stufen zum Schloss emporstiegen. Hab keine Angst, bedeutete seine Geste. Ich beschütze dich.

Maggy reagierte darauf mit einem schwachen Lächeln. Sie wusste seine Fürsorge zu schätzen, aber wie wollte er sie beschützen, wenn sie nicht wussten, was sie erwartete? Sie hatten ja nicht einmal etwas dabei, um sich zu verteidigen, abgesehen von ihrem Hexenbuch. Es war viel zu wertvoll, um damit jemanden zu erschlagen.

Der gesamte Park, der das Schloss umgab, lag verlassen da. Auch in den Fenstern war nicht einmal das flackernde Licht einer Kerze zu erahnen. Wenn ihnen nicht jemand das Tor geöffnet hätte, hätte Maggy nicht geglaubt, dass sich außer ihnen noch jemand hier aufhielt.

Sie erreichten die schwere Holztür des Haupteingangs und Jacob klopfte mit gerunzelter Stirn dagegen. Selbst ihm fiel es schwer, sich vorzustellen, dass ihnen geöffnet werden würde.

Schritte erklangen aus dem Inneren und ließen sie vor Spannung den Atem anhalten.

Niemals wären sie darauf gekommen, wer ihnen öffnete. Hätten sie auch nur die leiseste Ahnung gehabt, wären sie niemals auch nur in die Nähe des Schlosses gekommen. Doch dafür war es zu spät.

Die Tür wurde aufgeschoben und aus dem Schatten dahinter trat der Fürst der Finsternis – Vlad Dracul. Sobald Maggy und Jacob ihn erkannten, taumelten sie zurück, fuhren auf dem Absatz herum und wollten die Flucht ergreifen. Doch plötzlich lag der Park hinter ihnen nicht mehr verlassen da, sondern war voller Vampire. Sie bedeckten die Rasenfläche im Abstand von wenigen Metern. Ausgeschlossen, dass sie ihnen entkommen könnten. Sicher waren sie es auch gewesen, die Maggy bereits auf dem ganzen Pfad zum Schloss gespürt hatte. Vlad Dracul hatte gewusst, dass sie auf dem Weg zu ihm waren, lange bevor sie geklingelt hatten.

»Welch willkommener Besuch«, höhnte der neue Schlossherr mit dunkler Stimme.

Jacob trat instinktiv schützend vor Maggy. Er hatte noch deutlich vor Augen, wie Vlad die Klinge seines Schwertes in Wills Brust gebohrt hatte, und hätte ihn dafür am liebsten auf der Stelle selbst erstochen. Aber ohne Waffe war das unmöglich.

»Wir wollen nichts mit Euch zu schaffen haben«, brüllte er deshalb abweisend. Er wusste nicht, was er tun sollte. Sie waren den Vampiren wehrlos ausgeliefert, aber deshalb würde er sich nicht kampflos fügen.

Maggy tastete verzweifelt nach der Magie in ihrem Inneren. Es knisterte zwischen ihren Fingern, als Vlad beiseitetrat und meinte: »Tretet bitte ein!«

Sein Verhalten irritierte sie. Warum befahl er seinen Vampiren nicht, sich auf sie zu stürzen? Sie erinnerte sich daran, wie er ihr gedroht hatte, dass er die Wahrheit über die Vergessenen Sieben aus ihr herausbekommen würde. Ging es darum?

»Nein«, knurrte Jacob entschieden.

Vlad hob belustigt seine linke Augenbraue und blickte demonstrativ von ihnen zu seiner Armee, die sich rund um das Schloss aufhielt. Es war nicht so, als ob Jacob eine Wahl hätte.

»Bitte«, bat er höflich. »Ich führe wichtige Unterhaltungen ungern zwischen Tür und Angel.«

»Was wollen Sie von uns?«, fragte Maggy ängstlich, bevor Jacob ihn erneut abweisen konnte.

Der Vampir lächelte sie an. »Ich möchte euch ein Angebot machen, das für uns alle gleichermaßen gewinnbringend sein wird.«

Jacob schnaubte verächtlich. Ein Handel mit dem Teufel reichte ihm. Gewiss würde er sich nicht auch noch auf ein Abkommen mit dem Fürsten einlassen.

Vlad ignorierte ihn. »Kommt rein, solange der Tee noch warm ist«, säuselte er und bedeutete ihnen mit einer Handbewegung, ihm zu folgen. Dieses Mal wartete er nicht auf eine Antwort, sondern ging voraus.

Als Maggy und Jacob sich zum Park umdrehten, hatten sich direkt hinter ihnen vier Vampire aufgebaut, die sie bedrohlich anstarrten. Ihre Körpersprache war eindeutig: Entweder folgten sie Vlad freiwillig ins Schloss oder seine Anhänger würden dafür sorgen, dass sie seiner Aufforderung nachkamen.

Widerwillig schritt Jacob über die Türschwelle und gemeinsam mit Maggy ging er Vlad durch den dunklen Korridor nach. Er führte sie in einen Salon mit einem knisternden Kaminfeuer, das von der Parkseite des Schlosses nicht einzusehen gewesen war. Vor den Flammen befand sich ein Tisch, der mit einem Geschirrservice eingedeckt war. Aus den Tassen stieg eine dampfende Flüssigkeit auf.

---ENDE DER LESEPROBE---