Der Dunwich Horror - H. P. Lovecraft - E-Book

Der Dunwich Horror E-Book

H. P. Lovecraft

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Beschreibung

Die Hügel im Westen von Massachusetts bergen dunkle und schreckliche Geheimnisse. Seltsame Familien leben dort ganz unter sich und praktizieren Riten uralter und unaussprechlicher schwarzer Magie. Diese schrecklichen und unheiligen Rituale gebären eine Monstrosität jenseits jeglicher Vorstellungskraft, eine Monstrosität, die die Menschheit als Ganzes bedroht! Der "Dunwich Horror" ist die Geschichte von Wilbur Whateley, dem Sohn einer deformierten Albino-Mutter und eines unbekannten Vaters. Wilbur reift ungewöhnlich schnell heran und erreicht innerhalb eines Jahrzehnts die Männlichkeit – währenddessen wird er von seinem Großvater in die dunklen Rituale und Hexenkünste eingeführt. Kann es einer Handvoll mutiger Gelehrter gelingen, die Bedrohung aus einer anderen Dimension abzuwenden?

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Der Dunwich Horror

von H.P. Lovecraft (1929)

 

 

 

 

 

Übersetzung: Fritz Nordsieck (2021)

Aureon Verlag GmbH (Alle Rechte vorbehalten)

INHALTSVERZEICHNIS

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

 

Der Dunwich Horror von H.P. Lovecraft

„Gorgonen und Hydren und Chimären – grässliche Geschichten von Celéno und den Harpien mag das Hirn der Abergläubischen hervorbringen. Doch es gab sie auch schon vorher. Es sind dies Kopien, Muster – die Archetypen sind in uns und ewig. Wie sonst könnte die Schilderung dessen, was wir bei wachem Verstand als Irrtum erachten, überhaupt eine Wirkung auf uns ausüben? Liegt es daran, dass wir von Natur aus Grauen vor solchen Dingen empfinden, wenn wir die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sie uns körperliches Leid zufügen könnten? Aber keineswegs! Jene Schrecken sind weit älteren Ursprungs. Sie sind älter als der Körper und auch ohne den Körper wären sie dieselben. Dass die hier behandelte Furcht rein spiritueller Natur ist; dass sie umso stärker ist, als sie auf Erden gegenstandslos zu sein scheint und dass sie in der unschuldigen Zeit der früheren Kindheit vorherrscht – das alles sind Fragen, deren Lösung einen glaubhaften Einblick in unseren vormenschlichen Zustand – zumindest aber einen verstohlenen Blick ins Schattenland der Vorexistenz gewähren könnten.“

– Charles Lamb: Witches and Other Night Fears. –

 

I

Nimmt ein Reisender im nördlichen Massachusetts an der Kreuzung der Straße der Aylesbury Mautschranke kurz hinter Dean’s Corner die falsche Abzweigung, dann kommt er in ein einsames und merkwürdiges Land. Das Gelände steigt an und die von Rosensträuchern gesäumten Steinmauern drängen sich immer näher an die zerfurchte, staubige und kurvenreiche Straße. Die Bäume der zahlreichen Waldgebiete wirken unnatürlich groß und die Wildsträucher, Dornengestrüppe und Gräser sind von einer Üppigkeit, wie man sie in dichtbesiedelten Gebieten nicht antrifft. Die wenigen bestellten Felder erscheinen öde und unfruchtbar, während die spärlich verstreuten Häuser erstaunlicherweise allesamt von Alter, Verwahrlosung und Verfall gezeichnet sind. Ohne zu wissen warum zögert man, die rauen, einsamen Gestalten, die man dann und wann auf zerfallenen Veranden oder auf den abschüssigen, steinübersäten Weiden erblickt, nach dem Weg zu fragen. Diese Leute sind so schweigsam und von einer solchen Verstohlenheit, dass einen ungewollt das Gefühl überkommt, sich etwas Verbotenem zu nähern, mit dem man besser nichts zu schaffen hat. Dieses seltsame Unbehagen verstärkt sich noch, sobald die ansteigende Straße einen Blick auf die Berge offenbart, die die tiefen Wälder überragen. Ihre Gipfel wirken zu glatt und zu symmetrisch, um das Gefühl angenehmer Natürlichkeit vermitteln zu können. Und sonderbare Steinkreise, mit denen die meisten Berge gekrönt sind, zeichnen sich bisweilen mit außerordentlicher Klarheit vor dem Himmel ab.

Felsschluchten und Einschnitte von unergründlicher Tiefe unterbrechen den Weg und die roh gezimmerten Holzbrücken scheinen nur zweifelhafte Sicherheit zu bieten. Die Straße führt dann wieder hinab in die Ebene und verläuft durch ein Sumpfgebiet, gegen das man sofort eine instinktive Abneigung verspürt und das man zur Abendstunde tatsächlich fürchten lernt, wenn unsichtbare schwarze Nachtschwalben schreien und Glühwürmchen in ungewöhnlicher Fülle erscheinen, um im heiseren, schaurig beharrlichen Rhythmus der durchdringend quakenden Ochsenfrösche zu tanzen. Das dünne, schimmernde Band des Oberlaufs des Miskatonics, der inmitten des Berglandes entspringt, windet sich wie eine Schlange zu Füßen der kuppelförmigen Hügel. Nähert man sich diesen Hügeln, so fallen ihre bewaldeten Hänge mehr ins Auge als ihre felsgekrönten Gipfel. Sie ragen so finster und bedrohlich auf, dass man ihnen am liebsten fern bleiben möchte. Doch es führt kein Weg um sie herum. Jenseits einer überdachten Brücke sieht man ein kleines Dorf eingepfercht zwischen dem Fluss und dem fast senkrechten Abhang des Round Montains. Man wundert sich über diesen Haufen faulender Mansardendächer, die einem älteren Baustil angehören als die der umliegenden Ortschaften. Es ist nicht gerade beruhigend, bei näherer Betrachtung feststellen zu müssen, dass die meisten Häuser verlassen und dem Verfall preisgegeben wurden und dass sich der einzige schäbige Kaufladen des Dorfes in der Kirche mit dem eingestürzten Turm befindet. Man scheut sich, der finsteren, tunnelartigen Brücke sein Vertrauen zu schenken, aber man kommt nicht um sie herum. Auf der Dorfstraße schlägt einem ein schwacher, übler Geruch entgegen, der dem geballten Moder und Verfall von Jahrhunderten entstammt. Es ist stets eine Erleichterung, den Ort hinter sich zu lassen und der schmalen Straße zu Füßen der Hügel in das Flachland zu folgen, bis sie sich wieder mit der Straße der Aylesbury Mautschranke vereinigt. Später erfährt man dann, man sei in Dunwich gewesen.

Fremde besuchen Dunwich nur sehr selten und seit einer gewissen Zeit des Grauens sind alle Straßenschilder, die auf den Ort hinwiesen, entfernt worden. Die Landschaft, beurteilt man sie nach den üblichen ästhetischen Maßstäben, ist von außerordentlicher Schönheit. Trotzdem ist sie nicht das Ziel von Künstlern oder Sommertouristen. Zweihundert Jahre zuvor, als das Gerede über Hexerei, Satansverehrung und sonderbare Waldwesen noch keinen Spott hervorrief, wusste man noch, weshalb man diese Ortschaft mied. In unserem rationalen Zeitalter und seitdem das Grauen von Dunwich im Jahre 1928 von jenen vertuscht wurde, denen das Wohlergehen des Dorfes und der Welt am Herzen lag, meiden die Leute den Ort, ohne wirklich zu wissen warum. Ein Grund mag darin bestehen, auch wenn er nicht auf unkundige Fremde zutreffen kann, dass die Einheimischen mittlerweile abstoßend entartet und auf dem Pfad der Rückentwicklung schon weit vorangeschritten sind, wie es in so vielen Provinzen Neuenglands üblich ist. Sie stellen nun eine Rasse für sich dar und weisen die ausgeprägten geistigen und körperlichen Stigmata von Degenerierung und Inzucht auf. Die durchschnittliche Intelligenz dieser Leute ist erbärmlich niedrig, während ihre Annalen überquellen von unverhohlener Lasterhaftigkeit und kaum vertuschten Morden, Fällen von Inzest und Übeltaten von fast unbeschreiblicher Brutalität und Perversion. Die alte Oberschicht, bestehend aus zwei oder drei adligen Familien, die 1692 aus Salem hierhergekommen waren, hielten sich ein wenig über dem allgemeinen Niveau des Verfalls. Etliche ihrer Angehörigen sind jedoch schon so weit in der verkommenen Bevölkerung aufgegangen, dass einzig ihre Namen noch auf ihre Herkunft verweisen, der sie Schande bereiten. Manche der Whateleys und Bishops schicken ihre Söhne nach wie vor nach Harvard und Miskatonic, auch wenn die jungen Männer nur selten wieder zu den modrigen Mansardendächern zurückkehren, unter denen sie und ihre Ahnen geboren wurden.

Niemand weiß, was es eigentlich mit Dunwich auf sich hat. Nicht einmal diejenigen können es sagen, die Kenntnis von den Fakten über die jüngsten Gräuel haben. Alte Legenden erzählen von unheiligen Riten und geheimen Zusammenkünften der Indianer, während derer sie verbotene Schattengestalten auf den Berggipfeln beschworen und wilde, orgiastische Anrufungen besangen, die von lautem Krachen und Rumpeln aus dem Erdinnern beantwortet wurden. Im Jahre 1747 hielt Reverend Abijah Hoadly, der erst seit kurzem an der Gemeindekirche von Dunwich wirkte, eine denkwürdige Predigt über die nahe Gegenwart Satans und seiner Gehilfen, in der er sagte:

„So muss denn gesagt werden, dass jene Blasphemien einer höllischen Schar von Dämonen eine zu weithin bekannte Angelegenheit sind, um sie noch leugnen zu können. Die verruchten Stimmen derer von Azazel und Buzrael, derer von Beelzebub und Belial unter dem Erdboden wurden nun schon von weit mehr als einem Dutzend glaubwürdiger lebender Zeugen vernommen. Und ich selber hörte vor nicht mehr als vierzehn Tagen einen deutlichen Disput böser Mächte auf dem Hügel hinter meinem Hause und darein mischte sich ein Rasseln und ein Rollen, ein Stöhnen, ein Kreischen und ein Zischen, wie kein Wesen der Erde sie auszustoßen vermag. Und wie unbeherrschbar sie aus jenen Kavernen drangen, wie allein die schwarze Magie sie zu entdecken und nur der Teufel sie zu öffnen vermag!“

Mr. Hoadly verschwand kurz nachdem er diese Predigt gehalten hatte, doch der in Springfield gedruckte Text ist noch vorhanden. Ein ums andere Jahr wird von Geräuschen im Bergland berichtet, die den Geologen und Geomorphologen nach wie vor Rätsel aufgeben. Andere Überlieferungen berichten von fauligen Gerüchen in der Nähe der Steinkreise auf den Berggipfeln von dahinbrausenden Luftwesen, die zu gewissen Stunden an bestimmten Stellen in den tiefen Schluchten schwach vernehmbar seien. Weitere wiederum wollen eine Erklärung für den Devil’s Hop Yard – den Tanzplatz des Teufels liefern, einen kahlen, unfruchtbaren Berghang, wo kein Baum und kein Gestrüpp, ja nicht einmal ein Grashalm zu wachsen vermag. Überdies haben die Einheimischen eine furchtbare Angst vor den zahlreichen schwarzen Nachtschwalben, die sich in warmen Nächten vernehmen lassen. Man ist fest davon überzeugt, dass diese Vögel Psycho-Bomben seien, die auf die Seelen der Sterbenden lauern und dass sie ihre unheimlichen Schreie in Einklang mit dem stockenden Atem der Leidenden ausstoßen würden. Gelänge es ihnen, eine fliehende Seele einzufangen, wenn diese den Körper verlässt, so flatterten sie mit einem Gekrächze davon, das dämonischem Lachen gleiche. Wenn es ihnen jedoch misslingt, so verfielen sie bald darauf in enttäuschtes Schweigen.

Diese Geschichten sind selbstverständlich überholt und lächerlich; schließlich entstammen sie längst vergangenen Zeiten. Tatsächlich ist Dunwich erstaunlich alt – weit älter als alle anderen Gemeinden im Umkreis von fünfzig Kilometern. Südlich des Dorfes kann man noch die Kellerwände und den Schornstein des alten Hauses der Bishops sehen, das vor dem Jahre 1700 erbaut wurde. Die Ruinen der Mühle, errichtet 1806 am Wasserfall, stellen das modernste Bauwerk weit und breit dar. Fabriken fassten in der Gegend nie richtig Fuß und die Industrialisierung des neunzehnten Jahrhunderts hielt nicht lange vor. Von allem am ältesten sind die großen Kreise grob behauener Steinsäulen auf den Gipfeln, doch schreibt man sie in der Regel eher den Indianern als den Siedlern zu. Schädel und Knochenfunde innerhalb der Steinringe und des gewaltigen, tischähnlichen Felsens auf dem Sentinel Hill untermauern die weit verbreitete Ansicht, dass es sich bei solchen Orten um Grabstätten der Pocumtuck-Indianer handele. Dennoch beharren, ungeachtet der Absurdität einer solchen Theorie viele Ethnologen darauf, die Überreste seien kaukasischen Ursprungs.

 

II