DER EINSAME REITER - Wade Everett - E-Book

DER EINSAME REITER E-Book

Wade Everett

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Beschreibung

Shaw Dance holte aus seinem Berg nur so viel Gold heraus, wie er unbedingt zum Leben brauchte, und er lehnte jedes Angebot ab, die Ader vollständig auszubeuten. Einer seiner Gegner war nicht auf das Gold aus – er besaß selbst mehr Geld, als er ausgeben konnte. Dennoch wollte er Shaw von seinem Berg herunterholen: Nach seiner Meinung hatte kein einzelner Mann das Recht, einen ganzen Berg zu besitzen.

Der Herausforderer war einer der vier Slate-Brüder. Und ihnen gehörte das Tal, über dem Shaws Berg aufragte...

 

Der Roman Der einsame Reiter von Wade Everett (= Will Cook und Giles A. Lutz) erschien erstmals im Jahr 1961; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1972.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Western-Klassikers in seiner Reihe APEX WESTERN.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Ähnliche


 

 

 

 

WADE EVERETT

 

 

Der einsame Reiter

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex Western, Band 31

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

DER EINSAME REITER 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

 

Das Buch

 

Shaw Dance holte aus seinem Berg nur so viel Gold heraus, wie er unbedingt zum Leben brauchte, und er lehnte jedes Angebot ab, die Ader vollständig auszubeuten. Einer seiner Gegner war nicht auf das Gold aus – er besaß selbst mehr Geld, als er ausgeben konnte. Dennoch wollte er Shaw von seinem Berg herunterholen: Nach seiner Meinung hatte kein einzelner Mann das Recht, einen ganzen Berg zu besitzen.

Der Herausforderer war einer der vier Slate-Brüder. Und ihnen gehörte das Tal, über dem Shaws Berg aufragte...

 

Der Roman Der einsame Reiter von Wade Everett (= Will Cook und Giles A. Lutz) erschien erstmals im Jahr 1961; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1972. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Western-Klassikers in seiner Reihe APEX WESTERN.

DER EINSAME REITER

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Es war noch hell, als Shaw Dance zu Abend aß, das Geschirr abwusch und sein Blockhaus tadellos aufräumte. Dann ging er hinaus, setzte sich auf die Veranda vor der Tür, legte seine geladene Winchester-Flinte über die Knie und wartete und sah zu, wie die Schatten länger wurden. Shaw Dance lebte ganz für sich allein auf halber Höhe eines Berges, der so steil und felsig war, dass bis jetzt noch niemand seinen Gipfel erklommen hatte.

Shaw Dance war noch nicht alt, kaum dreißig, aber er wirkte älter. Er war genau eins achtzig groß, breitschultrig und muskulös, aber schlank. Sein kantiges Gesicht wirkte verschlossen.

Shaw besaß viel Geduld, um zu warten; er wartete schon seit sechs Nächten, und heute hatte ihn den ganzen Tag lang die Vorahnung verfolgt, dass er nun nicht mehr sehr lange warten musste.

Ein Bach floss hinter Shaws Blockhaus. Ein Stück weiter bergauf ergoss sich ein Wasserfall aus einer verborgenen Quelle. Dicht daneben lag der Eingang zu Shaws Bergwerk: ein Stollen, der tief in den Berg hineinführte und aus dem Shaw nur so viel Gold herausholte, wie er unbedingt zum Leben brauchte. Die Hauptader rührte Shaw nicht an. Er wusste genau, welche ungeheuren Mengen Gold dort lagen, aber er hatte es niemandem verraten. Dance gehörte nicht zu den Menschen, die andere ins Vertrauen ziehen.

Die Tatsache, dass Shaw Dance hier eine Goldader entdeckt und ein kleines Bergwerk angelegt hatte, war allerdings kein Geheimnis für die Leute von Summit, dem Ort unten im Tal. Aber der einzige Pfad, der hier herauf führte, war aus dem nackten Gestein herausgeschlagen und kaum breit genug für ein beladenes Maultier. Der erste Mann, der versuchte, ohne Shaws Zustimmung und vielleicht auch noch bei Nacht herauf zu klettern, stürzte unweigerlich ab und brach sich das Genick. Deshalb konnte Shaw Dance sein Bergwerk unbesorgt unbewacht lassen, wenn er hin und wieder einmal nach Summit hinunter musste.

In dem Pfad lag außerdem nicht die einzige Gefahr, die Eindringlingen drohte. Vor zwei Jahren kam ein Mann dem Bergwerk gar zu nahe. Shaw Dance brachte ihn auf seinem zweirädrigen Karren wieder hinunter ins Tal, und der Richter erklärte, dass ein Mann, der nicht genug Verstand im Kopf hatte, um seine Finger von anderer Leute Grubenrechte zu lassen, nichts Besseres verdient habe.

Heute Abend wartete Shaw Dance darauf, wieder einen Mann zu erschießen, aber diesmal lag die Sache ganz anders. Frank Slate wollte nicht das Gold. Sein Vater, der alte Christian Slate, hatte genug Geld, um den ganzen Berg zu kaufen, und war seinen vier Söhnen gegenüber äußerst großzügig. Schon so lange die Leute sich zurückerinnern konnten, gehörte Christian Slate das ganze reiche Tal: Slates Vieh beanspruchte sämtliche Weiden; Slate-Cowboys sorgten dafür, dass sich kein Fremder niederließ; und lange Zeit lebte der ganze Ort Summit nur vom Slate-Geld.

Frank Slate hatte überhaupt gar nichts auf dem Berg verloren. Er wollte nur Shaw Dance vertreiben. Er handelt wie ein dummer Junge, der zusieht, wie ein anderer über einen Zaunbalken balanciert, und weil er es selber nicht so gut und so lange kann, stößt er ihn herunter, dachte Shaw Dance. Nun, komm nur her und versuch's. Die Slates waren Viehzüchter; sie brauchten das Tal mit seinen Weiden und hatten rechtzeitig dafür gesorgt, dass sie es beherrschten. Die Berge waren für sie völlig nutzlos, aber jetzt ärgerten sie sich darüber, dass jemand anderes sein Recht auf das verteidigte, was ihnen früher nicht gut genug gewesen war. Frank Slate wollte den Berg haben, weil Shaw Dance ihn hatte.

Frank Slate war gerissen wie ein Indianer; er würde plötzlich und ohne jede Warnung auftauchen und zum Schlimmsten entschlossen sein. Shaw Dance strich mit den Fingerspitzen über das kühle Metall des Gewehrlaufes und wartete.

Er hätte gerne seine Pfeife angezündet, wie jeden Abend nach dem Essen, aber das ging nicht. Er wünschte beinahe, der Mond würde scheinen, damit er etwas sehen konnte; aber dann konnte Frank Slate ebenfalls sehen. Die Nacht war klar, obwohl kein Stern funkelte. Shaw konnte bis nach Summit hinunter blicken. Die Lichter in den Häusern verrieten, wo die Main Street verlief. Sogar die Lichter in Christian Slates Ranchhaus waren noch zu erkennen; winzige helle Punkte vor der dunklen Bergflanke, hinter der das Tal eine Biegung beschrieb. Hinter dem Wald verborgen lag Max Buchers Sägewerk. Bei Tag trug der Wind manchmal schwach das Kreischen der Säge herüber. Weiter unten am Berg, kaum eine Meile vom Ort entfernt, waren auch die Fenster im Büro des Bergwerkes noch erleuchtet. Shaw Dance überlegte, ob Roe Carly jetzt durch sein Fernglas starrte und auf das kurze Aufblitzen einer Flinte wartete.

Sie wollen alle meinen Berg haben... Dieser Gedanke amüsierte Shaw Dance genauso sehr, wie er ihn gleichzeitig ärgerte. Bis auf halber Höhe war der Berg dicht bewaldet; dann wurde er immer nackter und kahler, und das letzte Drittel unterhalb des Gipfels bestand nur noch aus steilen Klippen. Shaw hatte den Berg einmal aus vierzig Meilen Entfernung gesehen: er glich einem Männerkopf mit einer dicken Beule, die aus dem schwarzen Haar herausragte. Ein verdammt hässliches Ding, das niemandem etwas nutzt, außer mir, aber sie wollen es alle haben, dachte Shaw Dance noch einmal. Er lauschte auf die leisen Geräusche der Nacht, auf das Surren der Insekten und auf das Schaben, das aus dem Canyon heraufklang, wo ein Bock beharrlich sein Geweih an einem Baum wetzte.

Vielleicht lag Frank Slate schon irgendwo in der Dunkelheit und wartete darauf, dass Shaw sich bewegte und ein Geräusch verursachte, auf das er schießen konnte. Vorsichtig griff Shaw nach dem Holzriegel und klappte ihn lautlos hoch. Dann schob er sich ein Stück beiseite und stieß mit dem Flintenlauf die Tür auf. Die alten Angeln quietschten schrill, und eine Sekunde später knallte eine Ladung Grobschrot in das Holz.

Noch ehe das Echo des Schusses verhallte, stürzte Shaw von der Veranda. Obwohl er so blitzschnell reagierte, trafen ihn zwei Schrotkugeln in den Oberarm und in die Hüfte, denn Frank Slate bestrich mit der Schrotladung im zweiten Magazin seiner Waffe die ganze Vorderfront des Blockhauses.

Shaw richtete sich auf und ließ seinen Gewehrlauf einen kleinen Halbkreis beschreiben, als er zurückschoss. Er hörte Frank knurren, duckte sich hinter der Verandaecke und lud die Winchester wieder nach. Er hörte auch das Knacken, als Frank Slate ebenfalls zwei neue Ladungen in seine Waffe schob.

Plötzlich klang Frank Slates Stimme durch die Dunkelheit: »Dance... ich bin getroffen«, sagte er gepresst.

Shaw grinste höhnisch und dachte: du willst eine Antwort auf diese Lüge, damit du weißt, wohin du mit deinen nächsten beiden Ladungen zielen musst. Lass dir einen gescheiteren Trick einfallen.

Ein paar Minuten verstrichen in tiefem Schweigen.

Dann wiederholte Frank Slate: »Dance, hilf mir, ich bin getroffen!«

Okay, ich helfe dir, dachte Shaw. Er glitt hinter die Blockhaus wand und legte beide Hände wie einen Trichter vor den Mund. Für jemanden vor dem Haus musste seine Stimme jetzt so klingen, als stecke er zwischen den Büschen am Rand der Lichtung. »Du lügst, Frank«, sagte Shaw.

Das Wort Frank schon wurde vom Krachen des Gewehrs übertönt. Die doppelte Ladung zerfetzte nur das Blattwerk. Shaw Dance trat einen Schritt von der Hauswand weg und schoss seine Flinte leer. Frank Slate stürzte mit einem dumpfen Laut zu Boden, wälzte sich herum und schrie.

Diesmal war es echt. Shaw lud seine Winchester noch einmal. Die Wunden in seinem Arm und an der Seite begannen zu schmerzen und bluteten ziemlich stark. Seine Hand war feucht und sein Hemd klebte fest.

Frank Slate ächzte und stieß gurgelnde Laute aus, die immer schwächer wurden; er musste einen Lungenschuss haben. Shaw ging ins Blockhaus und holte eine Laterne, ehe er Frank Slate auf den Rücken drehte. Er lebte noch.

»Warum, zum Teufel, hast du das getan, Frank?«

»Kein Mann... hat... das Recht, einen... ganzen Berg für... sich allein... du verdammter...«, stammelte Frank Slate. Dann war er tot.

Shaw Dance schüttelte den Kopf und murmelte: »Was für eine Dummheit, mit sechsundzwanzig«, und ging ins Blockhaus, um seine Wunden notdürftig zu verbinden. Er musste nach Summit zum Doktor, sonst bekam er eine Bleivergiftung. Er zog ein sauberes Hemd über die Verbände und spannte dann die Pferde vor den Wagen. Mit seinem verletzten Arm war es sehr mühsam, Frank Slate in eine Decke zu wickeln und auf den Wagen zu heben, aber er schaffte es. Dann schob er die Winchester auf den Sitz und stieg auf. Der Weg bergab folgte den Windungen und ausgewaschenen Schneisen des Berges, und das einzige, was Shaw zu seiner Verbesserung getan hatte, war, die größten Felsbrocken beiseite zu rollen. Als er den Wald erreichte, wurde der Weg etwas breiter, und hier fand Shaw auch Frank Slates Pferd. Er band es hinten am Wagen an. Eine knappe Stunde später war er in Summit.

Summit lag am Fuß des gegenüberliegenden Berghanges auf der anderen Seite des Tals. Der Ort bestand nur aus der Main Street und ein paar steil ansteigenden Nebenstraßen. Die Häuser klebten auf dem Hügel, wie Käfer auf einem Baumstamm, und die Leute, die ganz oben wohnten, konnten auf ihre Nachbarn hinuntersehen. Summit war recht wohlhabend, denn drei verschiedene Gruppen versuchten, sich gegenseitig mit ihrem Geld auszustechen: durch Christian Slates reiche Ranch war der Ort entstanden; etwas später wurde das Bergwerk eröffnet, und jetzt brachte auch noch Max Buchers Sägewerk Geld.

Irgendwie schmeichelte es Shaw Dance, dass sie ihn alle um seinen Berg beneideten. Wahrscheinlich lag es nicht nur daran, dass dort Gold zu finden war, sondern vor allem, weil es unwahrscheinlich und herausfordernd wirkte, dass ein einzelner Mann ein verbrieftes Recht auf solch einen riesigen Berg besaß. Christian Slate wollte den Berg, weil er sozusagen gut zu seinem Königreich im Tal passte. Max Bucher wollte ihn, weil er sich nicht traute, auch nur einen einzigen Baum dort zu fällen, solange Shaw Dance wie ein Rachegott oben in den Felsen hockte und herunterschaute. Roe Carly wollte ihn, weil es einen guten Eindruck bei seiner Bergwerksgesellschaft machen würde, wenn er ihr die Goldader verschaffte.

Trotz der späten Stunde waren ziemlich viele Leute auf der Main Street. Shaw wusste, dass sie hier warteten, um zu sehen, wer vom Berg herunterkam. Als sie seinen Wagen hörten, lief ein Murmeln die Straße entlang. Vor dem Hotel stand Christian Slates eleganter Kutschwagen und daneben die Pferde seiner drei Söhne, Morey, Kyle und Leed. Aus den Hotelfenstern fiel Licht und ließ die Silberbeschläge an den Sätteln glänzen.

Shaw Dance fuhr bis vor das Büro des Sheriffs, aber er stieg nicht ab, sondern wartete auf dem Kutschbock, bis Cove Butler herauskam, einen Zipfel der Decke hochhob und trocken feststellte: »Frank hat's also nicht geschafft.«

Die Leute auf der Main Street waren dem Wagen gefolgt. Christian Slate und seine drei Söhne drängten sich rücksichtslos durch die Menge. Shaw wandte sich auf dem Kutschbock um, nahm sein Gewehr unter den Arm, legte den Finger auf den Abzugshahn und hielt den Lauf nicht gerade direkt auf Christian Slate gerichtet, aber doch nicht weit davon.

»Das ist nicht nötig, Shaw«, sagte Cove Butler.

»Das kann man nie wissen«, antwortete Shaw.

Christian Slate blieb dicht vor dem Wagen stehen: »Ist das mein Junge?«

»Ich muss zum Doktor. Willst du ihn runternehmen?«, sagte Shaw Dance zu Cove Butler.

»Antworte gefälligst!" schrie Christian Slate.

»Ist das nötig?«, fragte Shaw.

Christian Slate befahl seinen Söhnen mit einer Kopfbewegung, Frank vom Wagen zu heben und auf den hölzernen Bürgersteig zu legen.

Ohne eine Sekunde länger als unbedingt nötig zu warten, ließ Shaw das Gespann anfahren. Die Menge wich zurück. Er hörte noch Christian Slates zornige Stimme und Cove Butlers ruhige Antwort, dann bog er um eine Ecke und ließ das alles hinter sich.

Shaw band seine Pferde vor dem Haus des Doktors an. Als er an der Tür klopfte, öffnete Jane Meer sofort.

»Ich dachte mir schon, dass du heute Abend noch kommst«, begrüßte sie ihn. Shaw folgte ihr ins Sprechzimmer, setzte sich auf den schmalen Operationstisch und zog unaufgefordert das Hemd über den Kopf, während Jane Meer die Petroleumlampe so einstellte, dass sie etwas heller brannte.

Dann untersuchte sie seine Wunden. »Grobschrot. Und was hast du verwandt?«

»Meine Winchester.«

Jane Meer war Ende Zwanzig, klein und sehr sachlich. Ihr helles Haar wäre blond geworden, wenn sie nur etwas mehr in die Sonne gekommen wäre. Sie war ausgesprochen hübsch. Jetzt tippte sie Shaw mit dem Finger auf die nackte Brust; das bedeutete, dass er sich lang hinlegen sollte. Mit schnellen, sicheren Bewegungen schnitt sie die Kugeln aus den Wunden, so dass Shaw die Schmerzen nur wenige Sekunden aushalten musste. Als sie die Kugeln in die Instrumentenpfanne fallen ließ, fragte sie: »Musstest du ihn erschießen? Warum ist er überhaupt auf den Berg gekommen?«

»Wenn ich ihn nicht erschossen hätte, hätte er mich umgelegt. Außerdem war ich schon verwundet, ehe ich ihn erwischte. Der ganze Ort weiß, wie er geprahlt hat, er würde mich von meinem Berg verjagen. Deshalb ist er gekommen.«

»Bist du sicher, dass du ihn nicht dazu gebracht hast?«

»Was meinst du damit?«

»Ich habe zwei Brüder. Der eine ist Rechtsanwalt, dem anderen gehört eine große Zeitung in Chicago. Beide sind sehr erfolgreich. Mein Vater hat bestimmt, welchen Beruf sie ergreifen. Er wollte immer einen dritten Sohn haben, der dann Arzt werden sollte. Er war enttäuscht, als er nur noch eine Tochter bekam, und hat mich behandelt, als ob es meine Schuld sei, dass ich nur ein Mädchen war. Deshalb bin ich Ärztin geworden, und dann war es ihm auch nicht recht.«

»Ich habe Frank Slate niemals herausgefordert, wenn du das meinst, Jane.«

»Du hast wegen dieses Berges zwei Männer erschossen, Shaw. Wann soll das aufhören?«

»Sobald die Leute mich in Ruhe lassen und nicht mehr das haben wollen, was ihnen nicht gehört.« Shaw setzte sich auf und bewegte vorsichtig seinen Arm. »Als Christian Slate als blutjunger Mann hierherkam, hat er sich einmal umgesehen und gesagt: das Tal gehört mir. Und dabei ist es geblieben. Ich hatte genauso wenig wie er, ich habe mir den Berg angesehen und gesagt: der Berg gehört mir. Und ich sehe nicht ein, warum es nicht ebenfalls dabei bleiben sollte.«

Jane Meer reinigte ihre Instrumente und hängte ein Handtuch zum Trocknen auf: »Je höher du hinaufkletterst, desto einsamer wird es, Shaw. Ich habe gegen meine Eltern, meine Brüder und meine Lehrer gekämpft, um Ärztin zu werden. Jetzt bin ich's, aber es wird mir nie gelingen, die Leute restlos davon zu überzeugen. Neun Zehntel der Leute von Summit reiten lieber vierzig Meilen bis nach Quartzsite zum Arzt, weil er ein Mann ist. Wir sind beide Dummköpfe. Ich, weil ich nicht zugebe, dass nur ein Mann Arzt sein kann, und du, weil du nicht einsehen willst, dass einem gar nichts anderes übrig bleibt, als wieder herunterzuklettern, wenn man den Gipfel erreicht hat, weil man sonst nirgendwo mehr hinkann.«

Shaw Dance zuckte die Achseln: »Wir haben beide das durchgesetzt, was wir wollten. Wieviel für's Blei 'rausgraben?«

»Sechs Dollar. Und komme in drei Tagen wieder, damit ich die Verbände wechsle.«

»Okay.« Unter der Tür drehte Shaw sich noch einmal um. »Du bist zwar ein Arzt, Jane, aber ich betrachte dich nicht als Mann. Im Gegenteil, ich finde, du bist ein sehr hübsches Mädchen.« Shaw wartete keine Antwort ab und ging.

Draußen am Wagen wartete der Sheriff Cove Butler auf Shaw und sagte: »Morey Slate und seine Brüder sind noch im Ort. Ich lad' dich zu einem Drink ein.«

Da wusste Shaw, dass die Slate-Brüder in Hanleys Bar auf ihn warteten. »Vielleicht ist es besser, du ergreifst nicht Partei, Cove.«

»Ich ergreife immer Partei für das Gesetz, und in dem Augenblick, in dem du es brichst, bin ich gegen dich, Shaw«, antwortete Cove Butler scharf.

»Okay«, sagte Shaw nur, und sie gingen schweigend bis zu Hanleys Bar in der Main Street.

Hanley machte heute Abend ein gutes Geschäft. Die drei reichen Slate-Söhne waren da, und außerdem lockte nichts so sehr die Kunden an, wie irgendeine Unruhe im Ort. Als Butler und Shaw Dance eintraten, drehten sich alle nach ihnen um, nur die drei Slates nicht. Sie blickten in den Spiegel hinter der Bartheke. Ein paar Männer rückten beiseite, um Platz für Shaw zu machen, aber er steuerte direkt auf den Platz neben Morey Slate zu und legte sein Gewehr vor sich auf die Bartheke, den Lauf auf die Slates gerichtet.

»Whisky«, sagte er zu Hanley, und dann zu Morey Slate: »Wenn ich das nächstemal herunterkomme, bringe ich Franks Gewehr mit.«

In der Bar war es jetzt totenstill. Hanley stieß mit dem Flaschenhals an das Glas, als er Shaw seinen Drink eingoss, und dieses Klirren sowie das glucksende Geräusch des Einschenkens klangen unwahrscheinlich laut.

»Vielleicht ist es besser, wenn einer von uns es holen kommt«, antwortete Morey. Er war Mitte Dreißig, sah sehr gut aus und sein Ruf als Schürzenjäger beschränkte sich nicht nur auf das Summit-Tal. Er war ein reicher Slate, und das allein hätte genügt, um ihn attraktiv zu machen.

»Das kannst du gerne tun«, antwortete Shaw ruhig. »Lass mich wissen, wann du kommst, und der Kaffee wartet. An deiner Stelle würde ich bei Tag kommen, der Pfad ist nachts sehr gefährlich.«

Morey nahm einen Schluck: »Frank hat für eine dumme Prahlerei dran glauben müssen. Ich bin gescheiter.«

»Dann lebst du länger. Man sollte meinen, jemand, der ein ganzes großes Tal für sich allein besitzt, hat keine Lust und keine Zeit, auch noch auf einen Berg zu klettern.«

»Eines Tages kommst du da herunter wie ein rollender Felsen, wie ein Steinschlag, und ich werde dir den Schubs geben, der dich ins Rollen bringt«, antwortete Morey Slate.

»Ich störe dich dort oben nicht«, sagte Shaw. »Ich bin den Slates noch niemals in die Quere gekommen. Du und Frank und Kyle habt den Streit immer hinter mir hergetragen.«

»Du störst mich wohl. Mir gefällt es nicht, dass du da oben auf dem Berg hockst und auf mich im Tal herunterschaust. Mich stört es, dass du so stolz bist, obwohl du wirklich keinen Grund dazu hast. Als Junge habe ich dich deswegen mindestens einmal im Monat verprügelt. Es stört mich, wenn ich dir im Ort begegne. Es stört mich, dass du in der gleichen Bar trinkst wie ich. Du musst weg, Shaw«, sagte Morey.

Shaw Dance drehte sein Whiskyglas zwischen den Fingern. »Du verteidigst das, was dir gehört, Morey. Ich habe genau das gleiche Recht wie du. Bleib von meinem Berg weg. Ich will nicht noch einen von euch erschießen müssen.«

»Wir haben genug darüber geredet.« Morey legte ein Geldstück auf die Bar und wandte sich zum Gehen. Kyle und Leed folgten ihm. Leed war der jüngste und kleinste; er machte seine fehlende Größe durch doppelte Gemeinheit wett und schleppte wie die meisten Männer, denen zu viele Zentimeter fehlen, um ernst genommen zu werden, die größten und schwersten Revolver mit sich herum, .44er Remingtons mit sechzehn Zentimeter langen Läufen. Als er an Shaw vorbeiging, sagte er: »Warum hast du eigentlich noch nie mit mir gekämpft, Dance?«

»Weil ich solch einer halben Portion wie dir nicht weh tim möchte«, antwortete Shaw, packte Leed am Kragen, zog ihn mit einem Ruck zu sich und bohrte ihm den Gewehrlauf gegen die Brust. »Wenn ich jetzt abdrücken würde, gäb's ein sauberes rundes Loch bis in den Rücken, aber eine ziemliche Schweinerei auf Hanleys Fußboden.« Leed konnte vor Überraschung nur die Augen aufreißen.

»Lass ihn los, Dance. Du willst ihn doch nicht umbringen?«, sagte Morey.

»Die Frage ist, ob er mich nicht umbringen will«, antwortete Shaw Dance. Er zog Leed beide Revolver aus dem Halfter und legte sie auf die Bartheke.

»Komm«, befahl Morey seinem Bruder. »Du hast zu Hause ein paar andere.«

»Ich will die da zurückhaben!« verlangte Leed dickköpfig.

»Wir holen sie ein andermal zurück.« Morey nahm Leed beim Arm und zog ihn hinaus.

Als die Tür hinter den drei Brüdern Slate zufiel, atmete der Sheriff hörbar auf, und alle Männer im Raum schienen auf einmal zu sprechen. »Ich habe dir den Drink noch nicht gestiftet«, sagte Cove Butler und winkte Hanley heran. »Pass auf, falls du heute Abend noch zurückfährst, Shaw.«

»Du hast doch gehört, was Morey gesagt hat«, antwortete Shaw. »Mich hier unten umzulegen, ist nichts Besonderes. Deshalb ist heute Abend nichts passiert. Die Slates wollen, dass ich wie ein rollender Felsen herunterkomme.«

»Ich begreife immer noch nicht, warum«, meinte Butler.

»Warum beißt ein Hund den anderen?«, sagte Shaw nur.