Der Eiserne Thron - Simon R. Green - E-Book
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Der Eiserne Thron E-Book

Simon R. Green

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Beschreibung

Mit eiserner Faust regiert Ihre Majestät Kaiserin Löwenstein XIV. das galaktische Imperium. Volk und Adel leiden gleichermaßen unter ihrer Schreckensherrschaft. Owen Todtsteltzer, Lord von Virimonde, letzter einer Linie berühmter Krieger, versucht sich der Aufmerksamkeit der Herrscherin zu entziehen - und fällt gerade dadurch in Ungnade. Unversehens wird ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt, und er muss zur zwielichtigen Nebelwelt fliehen. Dort schart er eine Truppe ungleicher Verbündeter um sich. Ihr Ziel: den Eisernen Thron zu stürzen ...

"Abenteuer, Raumschlachten, Heldentum und exotische Schauplätze - Green mischt alle Zutaten zu einer außergewöhnlichen Space Opera." (Booklist)

"Ein großer Roman von mitreißendem Maßstab, mit einem starken Gespür fürs Legendäre erzählt." (Locus)

Der Auftakt von Simon R. Greens großer SF-Serie um Owen Todtsteltzer, die ihm den Durchbruch brachte - jetzt endlich wieder erhältlich, erstmals als eBook!

Die Legende von Owen Todtsteltzer geht weiter:

2. Die Rebellion

3. Todtsteltzers Krieg

4. Todtsteltzers Ehre

5. Todtsteltzers Schicksal

6. Todtsteltzers Erbe

7. Todtsteltzers Rückkehr

8. Todststeltzers Ende

Sowie die Romane aus dem Todtsteltzer-Universum (ab Herbst 2020):

Nebelwelt

Geisterwelt

Höllenwelt

eBooks von beBEYOND - fremde Welten und fantastische Reisen.

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Inhalt

Cover

Weitere Titel des Autors

Über dieses Buch

Über den Autor

Titel

Impressum

KAPITEL 1: KOLLISION IM DUNKEL

KAPITEL 2: DER MANN, DER ALLES HATTE

KAPITEL 3: MODE, PARANOIA UND ELFEN

KAPITEL 4: UNERWARTETE ERFAHRUNGEN

KAPITEL 5: FEINDE, FREUNDE, ALLIIERTE

KAPITEL 6: UNTER DER ASCHE DIE STADT

KAPITEL 7: EINE HOCHZEIT

KAPITEL 8: IM UNTERGRUND

KAPITEL 9: WER SCHLÄFT DENN DA IN MEINEM KOPF?

KAPITEL 10: FEINDLICHE ÜBERNAHME

KAPITEL 11: UNERWARTETE WENDUNGEN

KAPITEL 12: IN DER HÖLLE DES WURMWÄCHTERS

KAPITEL 13: DAS LABYRINTH DES WAHNSINNS

EPILOG: VORSPIEL ZUR REBELLION

Weitere Titel des Autors

Die Legende von Owen Todtsteltzer:

Der Eiserne Thron

Die Rebellion

Todtsteltzers Krieg

Todtsteltzers Ehre

Todtsteltzers Schicksal

Über dieses Buch

Mit eiserner Faust regiert Ihre Majestät Kaiserin Löwenstein XIV. das galaktische Imperium. Volk und Adel leiden gleichermaßen unter ihrer Schreckensherrschaft. Owen Todtsteltzer, Lord von Virimonde, letzter einer Linie berühmter Krieger, versucht sich der Aufmerksamkeit der Herrscherin zu entziehen – und fällt gerade dadurch in Ungnade. Unversehens wird ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt, und er muss zur zwielichtigen Nebelwelt fliehen. Dort schart er eine Truppe ungleicher Verbündeter um sich. Ihr Ziel: den Eisernen Thron zu stürzen …

Über den Autor

Simon R. Green (*1955) kommt aus Bradford-on-Avon, England. Während seines Literatur- und Geschichtsstudiums an der Leicester University begann er mit dem Schreiben und veröffentlichte einige Kurzgeschichten. Doch erst 1988, nach jahrelanger Arbeitslosigkeit, verkaufte er seine ersten Romane. Seinen Durchbruch erlangte er Mitte der Neunziger mit der SF-Weltraumoper-Saga um Owen Todtstelzer: Eine Serie, die – wie er selbst sagt – irgendwie außer Kontrolle geraten ist, da er eigentlich nur drei Bücher schreiben wollte … Mittlerweile umfasst Simon R. Greens Werk weit über 40 Romane, das neben Science Fiction auch verschiedene Subgenres der Fantasy von Dark bis Funny, von High bis Urban abdeckt.

Simon R. Green

Der eiserne Thron

Deathstalker – Buch 1

Aus dem Englischen von Axel Merz

Science Fiction

beBEYOND

Digitale Erstausgabe

»be« - Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 1995 by Simon R. Green

Titel der englischen Originalausgabe: »Deathstalker«

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Titel der deutschsprachigen Erstausgabe: »Der eiserne Thron. Über das abentheuerliche Leben des Owen Todtsteltzer. Der Legende erster Theil.«

Textredaktion: Rainer Schumacher / Stefan Bauer

Lektorat/Projektmanagement: Lukas Weidenbach

Covergestaltung: Massimo Peter-Bille unter Vorlage von © Arndt Drechsler, Leipzig

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 978-3-7325-7521-3

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

KAPITEL 1

KOLLISION IM DUNKEL

Draußen am Rand, an den Grenzen des Imperiums, wo bewohnbare Welten rar und Zivilisationen dünn gestreut sind, herrscht Dunkelheit. Hier findet man seltsame Planeten und noch seltsamere Leute. Hinter dem Rand liegt das Unbekannte, das Nichts, wo keine Sterne mehr leuchten und nur wenige Schiffe ihren Weg suchen. So weit weg von allem verschwindet man leicht. Zwar patrouillieren Sternenkreuzer am Rand, aber es gibt längst nicht genügend Schiffe, um die weiten Gebiete offenen Raums zu kontrollieren. Das Imperium ist zu groß und viel zu schwerfällig geworden, doch keiner will das wahrhaben – oder zumindest macht sich niemand deswegen ernsthafte Gedanken.

Jedes Jahr werden dem Imperium weitere Welten einverleibt, und die Grenzen schieben sich hungrig nach draußen. Nicht so am Rand. Am Rand scheint das Imperium reglos zu verharren, expandiert nicht, ein winziger Raum im Vergleich zu den unergründlichen Tiefen der Dunkelwüste dahinter.

Es ist finster dort draußen. Gelegentlich verschwinden Schiffe und werden nie wieder gesehen. Niemand weiß, warum. Die kolonisierten Welten bewahren ihre Unabhängigkeit soweit wie möglich und wenden ihren Blick von der endlosen Dunkelheit. Die Kriminalität blüht dort draußen am Rand, so unvorstellbar weit entfernt vom Mittelpunkt des Imperiums und seinen strengen Gesetzen. Manche Delikte sind so alt wie die Menschheit selbst, andere neu, dem ständig wachsenden Fortschritt und Wissen des Imperiums entsprungen.

Im Augenblick haben die Imperialen Sternenkreuzer noch alles unter Kontrolle. Sie tauchen unangekündigt aus dem Hyperraum auf und erzwingen mit effizienter Brutalität die Einhaltung der Gesetze – aber sie können nicht überall sein.

Geheimnisvolle Kräfte lauern dort draußen am Rand, geduldig und schrecklich zugleich, und es braucht nicht mehr als eine Kollision zwischen zwei Raumschiffen, hoch oben in der Umlaufbahn um den Hinterweltplaneten Virimonde, um sie loszulassen.

Im Orbit von Virimonde kreiste das Piratenschiff Scherbe unauffällig durch die lange Nacht, um unerwünschten Blicken zu entgehen. Sie war kein großes Schiff, die Scherbe, und mehr auf Geschwindigkeit getrimmt als auf Ausdauer. Sie hatte bereits mehr als ein Dutzend Eigner und Kommandanten gesehen, als die Klonpascher sie in Besitz nahmen – und seitdem waren alle hinter ihr her.

Hazel d’Ark, Piratin, Klonpascher und Bonvivant, schlenderte mürrisch durch die düsteren Stahlkorridore und wünschte, sie wäre woanders. Irgendwo anders. Die Scherbe war selbst in ihren besten Zeiten kein luxuriöses Schiff gewesen, aber nun, da die meiste Energie der alten Generatoren dazu benötigt wurde, die Körperbänke zu versorgen, wirkte der alte Kahn noch düsterer als normal. Wozu eine ganze Menge gehörte.

Hazel d’Ark, letzte Trägerin eines einst edlen Namens, erreichte die verschlossene Tür des Frachthangars und wartete ungeduldig darauf, dass die Türsensoren sie erkannten. Ihre Stimmung war so düster wie die Korridore der Scherbe, und daran hatte sich nichts geändert, seit das Schiff sechs Stunden zuvor aus dem Hyperraum gefallen und in den Orbit um Virimonde eingeschwenkt war. Bereits seit sechs Stunden warteten die Klonpascher auf ein Signal ihrer Kontaktleute auf dem Planeten. Irgendetwas war faul an der Geschichte.

Sie konnten es sich nicht leisten, noch viel länger zu warten, aber sie konnten auch nicht einfach wieder verschwinden. Also warteten sie. Hazel rechnete nicht mit Schwierigkeiten seitens der planetaren Sicherheitsbehörde. Die Scherbe mochte ein altes Schiff sein, doch ihre Tarneinrichtungen waren auf dem neuesten Stand der Technik und mehr als ausreichend, um alles zu täuschen, was die Bauern dort unten auf Virimonde besaßen. Nicht, dass der Planet viel hätte unternehmen können – selbst wenn sie gewusst hätten, dass sich Piraten im Orbit versteckten. Virimonde war eine technologisch zurückgebliebene Agrarwelt, auf der es mehr Vieh gab als Einwohner. Der einzige Kontakt zum Imperium bestand aus einem in monatlichen Abständen verkehrenden Frachter und einem sporadisch patrouillierenden Sternenkreuzer, und in den kommenden Wochen wurde keiner von beiden erwartet.

Hazel funkelte wütend die Tür vor sich an und trat heftig gegen den Rahmen. Mit einem Zischen fuhr das Schott zur Seite, und Hazel betrat den frostig kalten Frachtraum. Hinter ihr schloss sich die Tür sofort wieder. Winzige gefrorene Kristalle schwebten in der kalten Luft und brannten in Hazels Lungen. Sie erschauerte und drehte die Heizelemente in ihrer Montur höher. Die Körperbänke benötigten eine ganz spezifische Temperatur, um ihre Fracht aus menschlichem Gewebe klonfähig zu halten. Hazel warf einen raschen Blick in die Runde und aktivierte ihr Komm-Implantat. »Hannah, hier spricht Hazel. Bitte melden.«

»Ich höre, Hazel«, erwiderte Hannah, die Künstliche Intelligenz der Scherbe. »Was kann ich für dich tun?«

»Bearbeite die Signale der Sicherheitssensoren des Frachtraums so, dass es aussieht, als wäre ich nicht hier.«

Hannah seufzte. Die Künstliche Intelligenz besaß keine menschlichen Emotionen, aber sie tat gerne als ob. »Also wirklich, Hazel! Du weißt genau, dass du nicht dort hineingehen sollst! Du bringst uns beide in Schwierigkeiten.«

»Mach es! Oder soll ich dem Käpten von deiner persönlichen Videosammlung seiner intimsten Stunden erzählen?«

»Ich hätte sie dir niemals gezeigt, wenn ich gewusst hätte, dass du mich damit erpressen wirst. Außerdem ist es eine ganz harmlose Sammlung.«

»Elektronengehirn ...«

»Schon gut, schon gut! Ich bearbeite die Sensoren. Bist du jetzt zufrieden?«

»So ziemlich ... und Hannah? Wenn ich dich jemals erwischen sollte, wie du mich heimlich beobachtest, werde ich eine Lobotomie an deinen Hauptsystemen durchführen – aber mit einer Schrapnellgranate. Hast du mich verstanden?«

Hannah schniefte beleidigt und unterbrach die Verbindung. Hazel musste grinsen. Es gab so viele KIs – und der Käpten musste ausgerechnet an eine Spannerin geraten. Irgendwie war das typisch für die Scherbe und das Pech, das dieses Schiff zu verfolgen schien. Hazel blickte die langen Reihen von Körperbänken entlang, großen, sperrigen Metallkisten, deren Seiten mit Reif und Eis überkrustet waren. Hässliche Dinger für ein hässliches Geschäft. Die KI hatte schon recht: Hazel hatte nicht die Befugnis, den Frachtraum zu betreten. Nicht, dass sie einen verdammten Dreck darauf gegeben hätte. Hazel d’Ark gab grundsätzlich auf nichts einen verdammten Dreck. Ganz zu schweigen davon, dass sie immer genau das tat, was sie wollte – zur Hölle mit den Konsequenzen. Was zumindest teilweise der Grund war, warum aus ihr eine Gesetzlose geworden war.

Vorsichtig, angetrieben von einer neugierigen Mischung aus Abscheu und Faszination, näherte sich Hazel der am nächsten stehenden Körperbank. Als sie als Klonschmugglerin auf der Scherbe angeheuert hatte, hatte sie sich keine Illusionen gemacht, worauf sie sich einließ. Doch aus der Nähe betrachtet sah die Sache noch ein wenig finsterer aus. Sicher, die Körperbänke waren ein Quell des Lebens – trotzdem schien der makellos saubere Frachtraum nach Tod zu stinken. Die meisten Lichter waren abgeschaltet, um Energie zu sparen. Man wusste nie, wann man die gesparte Energie gebrauchen konnte, um Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen. Klonpascher waren alles andere als beliebt, weder bei den Behörden noch bei denjenigen, die ihre Dienste in Anspruch nahmen.

Langsam schlenderte Hazel den Mittelgang zwischen den Körperbänken entlang. Vor ihrem geistigen Auge brannten die Bilder von Herzen und Lungen und Nieren, durch die frisches, hellrotes Blut pulsierte. Sie wusste zwar, dass die tiefgefrorenen Organe in Wirklichkeit ganz anders aussahen, aber ihr gefiel die Vorstellung. Ihre Kollegen redeten von den Organen als ›Handelsware‹, genauso beiläufig wie Metzger im Schlachthaus über das Vieh.

Hazel blieb stehen und sah sich um. Sie war umgeben von Hunderten menschlicher Organe und Gewebe. Genug, um ein ganzes Dutzend Schlachtfelder damit zu übersäen – doch jedes einzelne vollkommen wertlos, rettungslos mit einem heimtückischen Virus kontaminiert. Das kam davon, wenn man sich im Klonpascher-Geschäft Feinde machte.

Vor gar nicht langer Zeit hatte der Käpten den Friedhofsknaben mit seiner üblichen Mischung aus Risikobereitschaft und Gerissenheit ein Geschäft vor der Nase weggeschnappt. Kontrakte, um die sich die Scherbe seit Jahren bemüht hatte, waren plötzlich wie durch Zauberei in ihren Schoß gefallen. Hazel lächelte grimmig. Klonpaschen war ein halsabschneiderisches Geschäft. Manchmal im wahrsten Sinne des Wortes.

Klonpaschen war illegal. Ein Verbrechen, auf das die Todesstrafe stand. Aber das verringerte keineswegs die Flut von Leuten, die willens waren, aus dem Tod ein Geschäft zu machen. Offiziell war es nur der obersten Oberschicht erlaubt, geklontes menschliches Gewebe für Transplantationszwecke zu verwenden. Nur denen, die eine entsprechende Erziehung und Position (und ein nicht zu kleines Vermögen) besaßen. Es ging schließlich nicht an, dass die niederen Klassen lange und gesunde Leben lebten; dazu gab es viel zu viele von ihnen – selbst wenn man die neu kolonisierten Welten mit berücksichtigte, die weiträumige Territorien zur Besiedelung eröffneten. Außerdem mochte es sehr wohl dazu führen, dass die niederen Stände sich auf einmal für etwas Besseres hielten.

Das war die offizielle Version. Inoffiziell – wenn man genügend Geld besaß und die richtigen Leute (oder besser gesagt: die falschen!) kannte, konnte man sich jedes erdenkliche Organ transplantieren lassen. Entweder durch Klonen eigener Zellen oder durch illegal gewonnene Organe aus Körperbänken. Mit körpereigenen geklonten Geweben gab es niemals Abstoßungsprobleme, doch die ursprünglichen Organe wiesen überraschend häufig angeborene Defekte auf. Manchmal traten auch andere Schwierigkeiten auf, die ein Klonen unmöglich machten. An dieser Stelle kamen die Körperräuber ins Spiel. Niemand war vor ihnen sicher. Nicht die Toten, und auch nicht die Lebenden.

Auf den meisten Planeten wurden die Toten verbrannt. So lautete das Gesetz der Imperatorin. Es sollte sicherstellen, dass Spenderorgane nur für die richtigen Leute zur Verfügung standen. Aber Hinterweltplaneten unterhielten oftmals geheime, illegale Friedhöfe und Mausoleen. Man wusste nie, wann die Ernte einmal ausfiel und sonstige Geschäfte schlecht liefen, und dann benötigte man möglicherweise kurzfristig ein wenig Geld in der Tasche. Und so zogen die Klonpascher ihre Bahnen, und jeder verdiente sich ein wenig hinzu. Die Klonpascher verdienten sich dumm und dämlich. Die Nachfrage war gewaltig. Sie mussten nicht mehr tun, als ihre Lager zu füllen und darauf zu warten, dass jemand zaghaft an ihre Tür klopfte.

Leider war es nicht immer so einfach, wie es in der Theorie klang. Klonen war eine ziemlich diffizile Angelegenheit, bei der eine Menge danebengehen konnte. Die Organe, aus denen die Klonzellen gewonnen wurden, verbrauchten sich rasch, und dann musste für Nachschub gesorgt werden. Die Körperbanken hatten einen unersättlichen Appetit, und versteckte Friedhöfe gab es nur wenige, weit verstreut, häufig durch exklusive Verträge an eine bestimmte Mannschaft von Klonpaschern gebunden. Und so mischten sich die Körperräuber immer häufiger unter die Lebenden und suchten nach Opfern, deren Verschwinden nicht allzu viel Aufsehen erregte. Eine Schande, natürlich – aber für ein Omelett benötigt man nun einmal Eier, und so weiter ...

Der Käpten hatte Hazel versichert, dass sie nur Gräber berauben würden, als sie vor vier Planeten auf der Scherbe angeheuert hatte. Außer vielleicht, wenn die Geschäfte wirklich ganz schlecht liefen. Schnell hinein ins System, genügend Ware ausgegraben, um die Körperbanken aufzufüllen, und dann nichts wie weg, als wäre der leibhaftige Teufel hinter einem her – bevor man von irgendwem gegen eine Belohnung an das Imperium verraten werden konnte. Einen Judas gab es immer.

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Alles, aber auch wirklich alles war schiefgegangen. Die Friedhofsknaben waren ihnen zuvorgekommen und hatten die Ware mit einem äußerst bösartigen Virus kontaminiert, der durch jeden der üblichen Tests geschlüpft war. Jetzt war jedes Organ an Bord wertlos, und zu allem Übel hatten sie auch noch Kontrakte mit Leuten zu erfüllen, die nicht eben für Geduld und Verständnis bekannt waren.

Also hatte Käpten Markee mit der Mütze in der Hand die Blutläufer im Obeahsystem aufgesucht und um einen Gefallen gebeten. Hazel erschauerte noch immer bei dem Gedanken an das, was sie und der Rest der Mannschaft als Gegenleistung für die Informationen hatten versprechen müssen, die die Blutläufer ihnen überließen. Nichts, aber auch wirklich gar nichts durfte bei diesem Deal schiefgehen. Es gab weitaus Schlimmeres als den Tod.

Die Blutläufer hatten sie mit Leuten auf Virimonde zusammengebracht, draußen am Rand, und die Scherbe war in das System gesprungen, um einmal mehr das alte Spiel zu spielen. Ein allerletzter Wurf mit den Würfeln des Schicksals.

Hazel fragte sich nicht zum ersten Mal, wie sie in diese Geschichte hineingerutscht war. So hatte sie sich ihre Zukunft ganz gewiss nicht vorgestellt, als sie zehn Minuten vor dem Eintreffen eines Inhaftierungsbefehls und einem drohenden längeren Aufenthalt im Gefängnis ihren Heimatplaneten auf der Suche nach faszinierenden Abenteuern verlassen hatte. Klonpascher waren die Niedrigsten der Niedrigen, der Abschaum des Imperiums. Selbst ein lepröser Bettler würde stehenbleiben, um auf einen Klonpascher zu spucken.

Menschen in gewissen höheren Kreisen brüsteten sich gerne mit ihren eigenen, persönlichen Klonpaschern, wie man das vielleicht mit einem wütenden Raubtier tun würde, das für die Arena trainiert ist – aber es gab niemanden, wirklich niemanden, der in der Öffentlichkeit ein gutes Wort für Klonpascher einlegen würde. Sie waren Parias, Ausgestoßene, Unberührbare, weil sie es wagten, ein Geschäft zu betreiben, dessen Existenz alle am liebsten totgeschwiegen hätten.

Hazel seufzte müde. Sie würde der Scherbe auf der Stelle den Rücken kehren, wenn sie gewusst hätte, wohin sie sich wenden könnte. Hazel d’Ark, dreiundzwanzig Jahre alt, groß, geschmeidig, muskulös, mit scharfgeschnittenem, markantem Gesicht und einer roten, unbezähmbaren Mähne auf dem Kopf. Mit grünen Augen, denen nichts entging, und einem Lächeln so schnell, dass andere es glatt übersehen konnten, wenn sie nicht darauf achteten.

Hazel hatte seit ihrer Flucht von zu Hause einen Drecksjob nach dem anderen angenommen, und das zeigte sich deutlich in ihrer vorsichtigen Haltung und ihrem kaum verhüllten Misstrauen gegenüber anderen Menschen. Auf Loki hatte sie als Söldner gearbeitet, auf Golgatha als Leibwächter, und zuletzt auf Brahmin II bei den Sicherheitsbehörden. Dort hatte sie schließlich Kapitän Markee aufgelesen, als sie wieder einmal um ihr Leben rennen musste. Ein vorgesetzter Offizier war der Ansicht gewesen, dass allein sein Rang ihm das Recht an gewissen Teilen ihres Körpers verschaffte – allerdings nicht zum Klonen. Hazel d’Ark hatte ihre abweichende Meinung kundgetan. Sie hatte schon vor langer Zeit entschieden, dass sie nichts umsonst hergeben würde, das sich auch verkaufen ließ. Es setzte Schläge und endete in Tränen – und Hazel fand sich einmal mehr auf der Flucht, während das Blut des Bastards noch immer von ihrem Messer tropfte.

Zu jener Zeit war ihr das diskrete Geschäft des Klonpaschens wie ein bedeutsamer Schritt auf der Karriereleiter erschienen. Unauffällig, geringes Risiko, die einzige harte Arbeit ein wenig graben ... perfekt. Ganz besonders mit so vielen Leuten auf ihren Fersen.

Aber dann hatte es doch wieder so ausgesehen, als würde jemand mit bösen Absichten hinter ihr her sein. Wie immer war es Hazels eigene Schuld; sie wusste es. Sie hatte seit jeher die Tendenz gehabt, auf der Suche nach schnellem Geld in illegale Geschichten zu schlittern und erst hinterher zu bemerken, auf was sie sich eingelassen hatte. Doch obwohl sie eine Menge Dinge getan hatte, auf die sie nicht besonders stolz war – Leute zu entführen und sie kaltblütig wegen ihrer Organe abzuschlachten war ein neuer Tiefpunkt, selbst für Hazel.

Sie wusste nicht, ob sie dazu imstande sein würde. Hazel hatte das Gefühl, dass ihre Bedenken nur eine Prinzipsache waren, etwas, mit dem sie noch nicht sonderlich gut vertraut war. Aber jeder zieht irgendwo eine Grenze. Sie ging alle Möglichkeiten durch, die ihr offenstanden. Es dauerte nicht allzu lange. Hazel konnte ihre neugefundene Integrität gegenüber ihren Schiffskameraden nicht einfach so aufgeben, nicht, wenn sie nicht auf die harte Tour einen Blick in eine Körperbank werfen wollte. Sicher, sie konnte jederzeit vom Schiff verschwinden; in einer der Rettungskapseln zum Planeten hinunterrasen und ihre Spur in den Menschenmassen verwischen. Aber Virimonde war ein in jeder Hinsicht primitiver Planet, wo das Leben (und Überleben) auf harter Arbeit basierte und jeder verdammte Luxus fehlte. Kein idealer Ort, um auf der Flucht zu stranden. Ganz besonders nicht, wenn es auf beiden Seiten des Gesetzes Leute gab, die nach einem suchten.

Hazel d’Ark blickte sich zwischen den Körperbänken um und erschauerte aufs Neue – nicht allein wegen der Kälte. Was soll das nur werden? Was zur Hölle mache ich eigentlich hier?

Ringsum leuchteten Lichter auf, als der Schiffsalarm losheulte. Der plötzliche Lärm ließ Hazel zusammenzucken. Ihre Hand fiel automatisch auf die Waffe an der Hüfte. Hazels erster Gedanke war, dass die Hülle einen Riss abbekommen hatte – aber schnell wurde ihr klar, dass sie bei einer explosiven Dekompression, egal wo im Schiff, die Auswirkungen schon lange hätte spüren müssen, bevor die Sirenen losgegangen waren. Sie schaltete sich über ihr Kommimplantat in den Notfallkanal, und ein undeutliches Stimmengewirr füllte ihren Kopf. Es dauerte höchstens Bruchteile einer Sekunde, bis sie die Worte »Alle Mann auf die Kampfstationen«, aufschnappte, dann setzte sie sich auch schon in Bewegung und rannte los. Irgendwer hatte die Tarnvorrichtungen der Scherbe durchdrungen, und das war unmöglich – außer für ein Schiff von der Größe eines Imperialen Schlachtkreuzers. Und wenn das Imperium sie aufgestöbert hatte, dann bestand die große Wahrscheinlichkeit, dass Hazel d’Arks Karriere als Klonpascher bereits vorüber war, bevor sie richtig begonnen hatte.

Typisch, dachte Hazel bitter, während sie aus dem Frachtraum rannte und den Weg in Richtung Brücke einschlug. Das ist absolut typisch. Jetzt werde ich wegen eines der wenigen Verbrechen geschnappt, die ich wirklich nicht auf dem Gewissen habe.

»Hannah! Rede mit mir! Wie tief stecken wir im Schlamassel?«

»Ich fürchte, wir könnten nicht mehr viel tiefer hineingeraten, ohne uns hinzulegen«, ertönte die kühle Stimme der KI durch Hazels Implantat »Ein Imperialer Sternenkreuzer ist aus dem Hyperraum gefallen und in einen Orbit um Virimonde eingeschwenkt. Seine Sensoren haben weniger als eine Sekunde benötigt, um unsere Tarnvorrichtung zu durchdringen, und die Imperialen haben kaum länger gebraucht, um uns eine Aufforderung zur Identifikation zu überstellen. Im Augenblick lüge ich ihnen etwas vor, dass sich die Balken biegen, aber ich kann sie nicht ewig an der Nase herumführen. Und ich habe den starken Verdacht, dass es nicht annähernd lange genug sein wird, damit wir genügend Energie aufbauen und in den Hyperraum entkommen können.«

»Können wir nicht durch den Normalraum abhauen?«

»Wir reden hier von einem Imperialen Sternenkreuzer, meine Liebe. Es gibt nicht viel, das noch stärker ist. Sie würden uns in winzige leuchtende Trümmer zerblasen, bevor wir auch nur einen Versuch gemacht hätten, den Orbit hinter uns zu lassen.«

»Aber wir haben Schilde!«

»Und sie haben zweihundertfünfzig Disruptorkanonen, um unsere Schilde zu verbrennen.«

»Können wir gegen sie kämpfen?«

»Du willst sie wirklich verärgern?«

»Verdammt! Irgendwas müssen wir doch unternehmen! Du bist von uns beiden doch das Superhirn! Denk dir gefälligst etwas aus.«

»Wir könnten uns ergeben.«

Hazel hätte sarkastisch gelacht, aber sie war bereits ziemlich außer Atem. Sie stampfte durch den Stahlkorridor, und ihr Kopf begann vom Heulen der Alarmsirene zu schmerzen. Schließlich platzte sie auf die Brücke und warf sich in ihren Sitz am Feuerleitstand. Was sich da draußen auch zusammenbrauen mochte – Hazel fühlte sich schon viel sicherer, nachdem sie sich in die beiden Disruptorkanonen der Scherbe eingestöpselt hatte. Theoretisch war die KI weitaus besser mit den Disruptoren, aber was die eine KI plante, das konnte die andere leicht berechnen und verhindern. Menschliche Unberechenbarkeit bot im Kampf einen Vorteil, den keine KI wettmachen konnte. Deshalb waren auf allen Schiffen immer Menschen die Kanoniere.

Hazel verflocht ihr Bewusstsein mit Hilfe des Implantats mit den Lektronenhirnen und erlangte so die Kontrolle über das Feuerleitsystem. Schnell ging sie die Anlaufroutinen durch, während ringsum Bildschirme aufleuchteten und ein steter Strom von Informationen durch ihre Gedanken floss. Zum ersten Mal sah Hazel den Sternenkreuzer in all seiner Pracht, und ihr Mut sank. Das Imperiale Schiff war tausendmal größer als die Scherbe; es überragte sie wie ein Wal eine Elritze. Die KI ging die technischen Daten des Imperialen Schiffs durch, und Hazels Mut sank weiter. Disruptorkanonen, Schutzschilde, Angriffstorpedos ... die Scherbe besaß nicht die Spur einer Chance. Andererseits hatte Hazel immer gewusst, dass so etwas eines Tages geschehen konnte. Nur ein Schiff war groß genug, um es mit einem Imperialen Sternenkreuzer aufnehmen zu können: ein weiterer Imperialer Sternenkreuzer. Hazel schluckte mühsam und bewegte ihre Gedankenströme vorsichtig durch die beiden Geschütztürme. Die Kanonen drehten sich unablässig durch bloße Gedankenkraft und suchten willkürlich nach Zielen auf der Hülle des Imperialen Schiffs.

Hazels Atmung hatte sich beinahe wieder normalisiert. Während sie den Gegner studierte, stieg kalte Wut in ihr auf. Ihr Puls beschleunigte sich erneut. Verdammter Kerl! Was zur Hölle hat er hier zu suchen ? Offiziell war noch wochenlang kein imperialer Besuch zu erwarten gewesen. Der Kreuzer konnte nicht hinter der Scherbe her sein; eine Handvoll Klonpascher auf einer Nussschale von Piratenschiff war nicht so wichtig. Alles schön und gut und logisch; doch der Imperiale Kreuzer war trotzdem da, lebensgroß und tödlich, die Geschützbatterien zweifellos alle auf das Piratenschiff gerichtet und bereit, innerhalb von Sekundenbruchteilen zu feuern. Hazel verzog das Gesicht zu einer grimmigen Fratze. Sie konnten nicht fliehen, sie konnten nicht kämpfen, und sie wagten nicht, sich zu ergeben. Vielleicht konnten sie einen Handel abschließen ... wenn ihnen rechtzeitig etwas einfiel, das sie dem Gegner anbieten konnten. Hazels Verstand arbeitete hektisch, aber ohne Ergebnis. Wenn Kapitän Markee nicht ein ganzes Paket von Assen aus dem Ärmel ziehen würde, dann hatte das Imperiale Schiff sie am Arsch.

Hazel warf einen Blick über die Brücke zu Terrence Markee. Der Kapitän war Ende Vierzig; groß, solide und zuverlässig. Markee war während seines gesamten Erwachsenenlebens Pirat gewesen und erinnerte sich voller Stolz an jeden einzelnen illegalen Augenblick. Er kleidete sich geckenhaft wie ein Stutzer, ein wenig altmodisch, alles glänzende Seide und sich beißende Farben, und er pflegte einen aristokratischen Akzent, obwohl er dazu eigentlich kein Recht besaß. Im Augenblick beobachtete der Kapitän mit verkniffenem Gesicht die Schirme und erteilte mit ruhiger Stimme Befehle. Ein klein wenig beruhigt, dass zumindest ein Mann nicht in Panik ausbrach, ließ Hazel ihre Augen über die enge, vollgestopfte Brücke schweifen. Alles war besser, als das Imperiale Schiff zu betrachten.

Die Brücke der Scherbe war ein einziges Chaos. Die meiste Zeit über funktionierte die Hälfte der Beleuchtung nicht, weil Ersatzlampen teuer und daher Mangelware waren. Der enge, niedrige Raum war vollgestopft mit Rechnerkonsolen, Terminals und Bildschirmen voller Diagramme; ganz zu schweigen von den Feuerleitstationen und den Ortungsarmaturen. Eigentlich sollten einschließlich des Kapitäns sieben Mann auf der Brücke ihren Dienst verrichten, aber wie üblich waren es nur vier – einschließlich des Kapitäns und Hazel. Die Scherbe operierte mit einer absoluten Minimalbesatzung, und jeder erledigte so viele Arbeiten gleichzeitig wie nur irgend möglich. Die Hälfte aller Systeme war außer Betrieb, doch man lernte zu improvisieren, solange nur das Allernotwendigste funktionierte. Reparaturen waren entsetzlich teuer, ganz besonders in Sternendocks. Klonpaschen konnte einem zwar einen sehr komfortablen Lebensstandard bescheren – wenn man zur rechten Zeit am rechten Ort war und ein gut gefülltes Lager besaß –, aber in jenen Tagen war die Konkurrenz hart, und kleine, unabhängige Schiffe wie die Scherbe wurden rücksichtslos verdrängt. Markee hatte darauf spekuliert, dass der Abstecher nach Virimonde ausreichen würde, um die Körpertanks wieder aufzufüllen sowie sein Schiff und seine Finanzen in Ordnung zu bringen. Aber dann hatte er sich die Friedhofsknaben zum Feind gemacht, und alles ging schneller zur Hölle, als er sich vorstellen konnte.

Plötzlich kam Hazel ein Gedanke, und sie blickte zu Markee. »Käpten, wie wär’s, wenn wir einfach alles über Bord werfen? Wenn die Ware zusammen mit den Körperbänken in der Atmosphäre von Virimonde verglüht, gibt es keine Beweise.«

»Gute Idee«, entgegnete Markee. »Und wenn dieses Schiff dort draußen kein Sternenkreuzer wär’, dann könnten wir damit vielleicht sogar Erfolg haben. Aber so ... die haben derart empfindliche Sensoren an Bord, dass sie jedes einzelne Organ und jede Gewebeprobe identifizieren und sogar noch den Herstellernamen auf den Körperbänken lesen können. Ihre Sensoraufzeichnungen würden verdammt genau beweisen, was wir hier getrieben haben.

Wir können die Ware also nicht abwerfen, und wir können es uns auch nicht leisten, dass man uns mit ihr erwischt. Das lässt uns nicht viel Spielraum, oder?« Er grinste kurz. »Ich schätze, wir könnten die Ware essen ... Wie steht’s mit deinem Appetit, Hazel?«

»Nicht mehr so stark wie noch vor einer Sekunde. Genaugenommen sind wir nach deinen Worten in jedem Fall aufgeschmissen. Ich nehme an, Kapitulation kommt nicht in Frage?«

Markees Lächeln kam und ging. »Es gibt genügend Konterbande an Bord, um uns alle aufzuhängen. Langsam.«

»Und was machen wir jetzt?«

»Das einzige, was sie nicht erwarten. Wir kämpfen. Wer weiß, vielleicht haben wir Glück?«

»Und wenn nicht?«

»Dann sterben wir wenigstens einen schnellen Tod. Sind die Kanonen bereit?«

»So bereit, wie sie nur sein können. Sie sind seit Ewigkeiten nicht mehr überprüft, geschweige denn abgefeuert worden.« Hazel blickte zu dem gewaltigen Schiff auf den Schirmen vor ihr. Tränen der Wut und Frustration brannten in ihren Augen, aber sie gab ihren Gefühlen nicht nach. Ihr Glück hatte sie eben einmal zu oft im Stich gelassen, das war alles. Sie hämmerte mit der Faust auf die Armlehne ihres Stuhls. »Was zur Hölle hat das Imperiale Schiff eigentlich hier zu suchen? Wir haben doch erst vor zwölf Stunden entschieden, nach Virimonde zu gehen! Sie konnten unmöglich von uns wissen.«

Hazel sah nicht, wie Markee mit den Schultern zuckte, aber sie hörte es in seiner Stimme: »In zwölf Stunden kann eine ganze Menge passieren. Ganz besonders, wenn man sich Feinde gemacht hat. Jede Menge Leute könnten herausgefunden haben, wohin wir wollten, und die Information an das Imperium verkauft haben.«

»Aber warum zur Hölle sollte man einen ganzen verdammen Sternenkreuzer hinter so etwas Unbedeutendem wie unserer Scherbe herschicken?«

»Gute Frage. Ich wünschte, ich wüsste eine ebenso gute Antwort. Die Friedhofsknaben könnten dahinterstecken. Vielleicht schuldet ihnen jemand einen Gefallen, und sie fordern ihn jetzt ein, um uns endgültig den Rest zu geben? Es spielt doch gar keine Rolle. Und jetzt sei endlich still und kümmere dich um die Kanonen. Hannah erzählt den Imperialen gerade, dass wir ein Ambulanzschiff auf einer Hilfsmission sind und eine Epidemie bekämpfen helfen. Sie füttert sie mit jeder Menge überzeugender Details, aber ich glaube nicht, dass die Imperialen uns die Geschichte abkaufen. Jedenfalls ganz bestimmt nicht lange genug, damit wir unsere Maschinen für einen Sprung in den Hyperraum hochfahren können.«

Hazels Mund war plötzlich wie ausgetrocknet. »Käpten, unsere zwei Kanonen sind nicht mehr als Spucke gegen die Schilde der Imperialen. Es muss doch eine andere Möglichkeit geben!«

»Tut mir leid, Hazel. Ich hab’ keine Idee. Du kennst die Regel: Wenn du keinen Spaß verstehst, dann hättest du nicht mitmachen dürfen.«

Hazel wartete, aber Markee hatte nichts mehr zu sagen. Schließlich konzentrierte sie sich auf die Feuerkontrollen. Sowohl die Scherbe als auch der Imperiale Kreuzer besaßen Schutzschilde, die eine Menge einstecken konnten. Aber sie benötigten auch eine ganze Menge Energie, und die Schilde der Scherbe würden lange vor denen des Imperialen Schiffs zusammenbrechen. Allmählich wurde Hazel bewusst, dass sie hier draußen in der leeren Weite des Randes sterben würde, weit weg von ihrer Familie und ohne Ehre. Genauso, wie sie immer geahnt hatte.

An Bord des Imperialen Sternenkreuzers Sturmwind saß Kapitän Johan Schwejksam entspannt in seinem Kommandantensitz und überblickte die. vollbesetzte Brücke. Jeder Mann auf seinem Posten, alle Systeme fehlerfrei und in Betrieb, ein leises Murmeln von Geschäftigkeit; genau wie es sein sollte. Das kleine Schiff auf dem Schirm erschien überraschend bedeutungslos. Zu bedeutungslos, um so viel von der kostbaren Zeit und Aufmerksamkeit des Kapitäns zu beanspruchen. Trotzdem. Etwas derart Winziges würde ihm keine wirklichen Probleme bereiten, und die Prise, die das Kapern einbringen würde, war ein willkommener Bonus. Zumindest würde bei der Mission auf diese Weise doch noch etwas Positives herausspringen. Schwejksam versuchte den Gedanken zu verdrängen, aber es funktionierte nicht. Er hatte Besseres zu tun, als seine Zeit mit der Jagd auf einen armen Bastard zu verschwenden, der wahrscheinlich nicht einmal wusste, dass er in Ungnade gefallen war. Aber der Mensch denkt, die Imperatorin lenkt. Sie sagte Mach!, und man machte. Jedenfalls wenn man es vorzog, den Kopf auf den Schultern zu behalten. Schwejksam blickte erneut auf das winzige Raumschiff auf dem Hauptschirm und runzelte nachdenklich die Stirn. Wahrscheinlich ein Pirat, der seine dubiosen Geschäfte abwickelte. Aber was hatte er dann ausgerechnet hier zu suchen, wenn die Sturmwind im System auftauchte? War es möglich, dass der Pirat den Todtsteltzer zu retten versuchen wollte? Owen Todtsteltzer, Lord von Virimonde, Träger eines stolzen Namens und Titels, der durch das Wort der Imperatorin zum Tode verurteilt worden war? Sie hatte nicht gesagt, warum, und Schwejksam hatte nicht nach dem Grund gefragt. Man fragte nicht, man gehorchte. Insgeheim hatte Schwejksam die Akten durchgesehen, nur für den Fall, dass es etwas gab, was er wissen musste. Aber wenn es wirklich etwas besonderes an diesem Fall gab, dann hatte er es jedenfalls übersehen. Owen Todtsteltzer mochte vielleicht einem berühmtem Kriegerclan entstammen, aber in seinem Fall schien das Blut ziemlich dünn geworden zu sein. Seine Leute verwalteten Virimonde nicht schlecht, aber der Mann selbst war nicht mehr als ein Amateurhistoriker. Er schrieb lange, schwerverständliche Bücher über Themen, die niemanden interessierten. Inoffiziell wurde es nicht gern gesehen, wenn jemand sich mit der Vergangenheit beschäftigte. Die Imperatorin zog es vor, wenn das Volk die Dinge vergaß, die in der Vergangenheit lagen. Vermutlich war der Todtsteltzer über etwas gestolpert, das besser im Verborgenen geblieben wäre. Was immer es gewesen sein mochte, Owen Todtsteltzer würde diesmal keine Gelegenheit haben, ein Buch darüber zu schreiben. Er war jetzt ein Gesetzloser. Eine Unperson, auf deren Kopf ein Preis ausgesetzt war. Buchstäblich. Die Imperatorin liebte Beweise für ihre Morde.

Schwejksam zuckte die Schultern und lehnte sich in seinem Kommandostuhl zurück: ein großer, schlanker Mann in den Vierzigern, mit beginnendem Bauchansatz. Sein Haar zog sich allmählich immer mehr zurück, doch er versuchte, deswegen nicht zu empfindlich zu sein. Schwejksam saß mit stiller Würde in seinem Kommandantensitz, als würde er genau hierhin gehören und nirgendwo sonst. Seit er erwachsen geworden war, hatte er der Imperatorin nach besten Kräften gedient, und wenn er sich hin und wieder auf einer Mission befand, die ihm auf den Magen schlug – nun, so war das Imperium eben heutzutage, unter der Regierung Ihrer Imperialen Majestät Löwenstein XIV. Auch Eiserne Hexe genannt. Schwejksam unterbrach sich mitten in seinen Gedanken. Man konnte nie wissen, ob nicht gerade ein Esper lauschte. Schwejksam konzentrierte sich wieder auf das Piratenschiff im Orbit. Klein, sehr klein. Gebaut, um schnell zu sein. Kein Kampfschiff. Keine Gefahr für einen Sternenkreuzer. Aber der Pirat hätte nicht hier sein dürfen ... nicht ausgerechnet jetzt. Schwejksam blickte seinen Komm-Offizier fragend an.

»Haben wir inzwischen eine Identifikation?«

»Noch nicht, Sir. Ihre KI jammert uns die Ohren voll, aber sie verrät nicht viel. Sie versucht, uns irgendwelchen Unsinn über ein Ambulanzschiff auf einer humanitären Mission aufzuschwatzen, aber es ist der falsche Schiffstyp. Und die Identifikationskodes stimmen ebenfalls nicht. Wahrscheinlich wollen sie uns nur lange genug ablenken, bis sie genügend Energie für einen Hyperraumsprung gesammelt haben. Sollen wir sie stoppen, Sir? Oder lassen wir sie entkommen?«

»Wir stoppen sie«, entschied eine ruhige, kalte Stimme. Schwejksam nickte Investigator Frost zu, die herankam und sich neben ihn stellte. Frost war Ende Zwanzig, großgewachsen und geschmeidig muskulös. An ihrer Hüfte baumelte eine Waffe, und auf ihrem Rücken hing ein Langschwert. Selbst wenn sie reglos dastand, wirkte sie noch kompetent und extrem gefährlich – wie ein Raubtier in einer Welt voller Beute. Dunkle Augen glitzerten eiskalt in einem blassen, kontrollierten Gesicht, das von rötlichbraunem, millimeterkurz geschorenem Haar umrahmt wurde. Man konnte sie nicht schön nennen, doch sie besaß eine eigenartige Ausstrahlung, attraktiv und einschüchternd zugleich.

Investigatoren wurden von Kind an erzogen, loyal, effizient und tödlich zu sein. Ihre Aufgabe war es, neuentdeckte Alienrassen zu studieren und dann zu entscheiden, ob von ihnen eine Gefahr für das Imperium ausgehen könnte. Abhängig von den Ergebnissen, zu denen die Investigatoren kamen, wurde die Alienrasse entweder versklavt oder ausgelöscht. Eine dritte Möglichkeit gab es nicht. Investigatoren wurden außerdem als Sicherheitschefs, Leibwächter und Assassinen beschäftigt. Sie waren eiskalte, berechnende Mordmaschinen, und sie waren entweder sehr gut in ihrem Job – oder tot.

Schwejksam und Frost hatten bei verschiedenen Missionen miteinander gearbeitet und kamen recht gut miteinander aus. Das war so dicht an Freundschaft, wie man mit einem Investigator nur kommen konnte.

»Wir haben keine Eile«, sagte Schwejksam. »Ein derart winziges Schiff braucht Ewigkeiten, um genügend Energie bereitzustellen. Sie werden im Augenblick nirgendwohin verschwinden.«

»Das gefällt mir nicht«, entgegnete Frost ausdruckslos. »Rein zufällig befindet sich ein Schiff im Orbit und wartet auf uns? Ich glaube nicht an Zufälle. Irgendwer hat unsere Zielperson gewarnt und ihr verraten, dass sie vogelfrei ist. Dieses Schiff im Orbit soll sie entweder beschützen oder in Sicherheit bringen. Aber das spielt keine Rolle. Unsere Befehle sind eindeutig. Das Ziel darf unter keinen Umständen entkommen.«

Schwejksam nickte. In der Öffentlichkeit wurde von dem Gesetzlosen nur als Ziel gesprochen. Es war nicht gut, wenn die niedrigeren Stände erfuhren, dass die Eiserne Hexe einen Lord für vogelfrei erklärt hatte. Ganz besonders einen mit einem so berühmten Namen. Der Name Todtsteltzer wurde in einigen Gegenden noch immer respektiert, und möglicherweise hätte es sogar Verbündete auf den Plan gerufen, ganz gleich, was die Imperatorin wünschte oder befahl. Genau aus diesem Grund hatte sie auch einen Imperialen Sternenkreuzer gesandt. Er sollte sicherstellen, dass die Ächtung des Todtsteltzers glattging. Er war gefangen zu nehmen und zu exekutieren, bevor die Nachricht zu potentiellen Freunden gelangen konnte. Aber es schien, als wäre ihnen jemand zuvorgekommen.

»Das Schiff könnte nur dazu dienen, unsere Aufmerksamkeit abzulenken, während das Ziel entkommt«, sagte Frost. »Wir können es uns nicht leisten, Zeit darauf zu verschwenden. Mit Eurer Erlaubnis werde ich eine Entermannschaft zusammenstellen und mir einige Antworten persönlich abholen.«

»Nicht so schnell, Investigator. Wir werden uns an die Vorschriften halten. Esper Fortuna?«

»Ja, Sir?«, der Esper der Sturmwind, Thomas Fortuna, trat herbei und stellte sich auf die andere Seite, gegenüber Investigator Frost. Fortuna war klein und pummelig. Seine Uniform sah aus, als hätte er sie von jemand Größerem geerbt. Sein kahlrasierter Kopf glänzte.

»Ich wünsche eine vollständige Überprüfung dieses kleinen Schiffs«, sagte Schwejksam. »Seht zu, was Ihr in Erfahrung bringen könnt.«

»Jawohl, Sir.« Fortunas Bewusstsein wuchs über seinen Körper hinaus und nach draußen. Sein Gesicht entspannte sich. Jede Spur von Leben und Persönlichkeit verschwand. Dann, nach einer Weile, verzog sich das Gesicht zu einer Grimasse, und Fortunas Geist war zurück. Angewidert schüttelte er den Kopf. »Dieses Schiff ist voller Tod und Erinnerung an den Schmerz. Es gibt so viele Spuren, dass ich nicht einmal die Ursprünge identifizieren kann, außer, dass sie alle menschlicher Natur sind. Und alle tot. Auf diesem Schiff befinden sich Körperbänke, Sir. Sie quellen über vor Leid. Das sind Klonpascher da drüben, Sir.«

»Sie haben nichts mit unserem Ziel zu tun?«, fragte Schwejksam. »Seid Ihr sicher?«

»So sicher, wie ich nur sein kann, Sir.«

»Damit wäre die Sache geklärt«, sagte Frost leichthin. »Wir können keine Zeit mit einer Handvoll Grabräuber verschwenden. Lasst das Schiff in Stücke schießen, Kapitän. Das Universum wird weniger stinken, wenn sie nicht mehr sind.«

»Ich könnte es nicht besser formulieren«, stimmte Schwejksam zu. »Fangt an, Investigator. Viel Vergnügen dabei.«

Das Piratenschiff Scherbe schüttelte sich, als die Sturmwind das Feuer eröffnete. Hannah brachte die Schutzschilde gerade noch rechtzeitig hoch, um die rasenden Energieströme aus den gegnerischen Disruptorbatterien abzulenken, aber das war auch schon alles, was die KI unter dem konstanten gegnerischen Beschuss zur Rettung der Scherbe tun konnte. Hazel d’Ark feuerte zurück, aber ihre beiden Kanonen ließen die überlegenen Schilde der Sturmwind unbeeindruckt. Als die KI mehr und mehr Energie abzog und in die Schilde umleitete, gingen überall an Bord die Lichter aus. Die Energie, die sie für den Hyperraumsprung gesammelt hatten, war innerhalb von Sekunden aufgebraucht. Die Körperbänke Schalteten sich eine nach der anderen ab, und ihr empfindlicher Inhalt begann sich zu erwärmen und verrottete. Die Scherbe zappelte wie ein Fisch am Haken mal in die eine, dann in die andere Richtung, während Hannah ein Ausweichmanöver nach dem anderen durchführte, doch die Sturmwind ließ sich nicht abschütteln. Ihre Kanonen feuerten unablässig und ließen den Schilden der Scherbe keine Gelegenheit zur Erholung.

Hazel erschauerte an ihren Feuerkontrollen. Durch ihre mentale Verbindung zu den Rechnern spürte sie jeden Treffer auf die Schutzschilde wie einen Hammerschlag. Sie schlug ungeduldig mit den Fäusten auf die Armlehnen ihres Sitzes, während sie die drei ewigen Minuten abwartete, die ihre antiquierten Disruptorkanonen zum Nachladen benötigten. Die Sturmwind hatte dieses Problem nicht. Sie feuerte in überlagernden Salven, sodass jede einzelne Waffe genügend Zeit zum Nachladen hatte. Außerdem besaß das Imperiale Schiff weitaus größere Energiereserven, auf die es zurückgreifen konnte. Die Scherbe war chancenlos, und jeder an Bord wusste das. Auf der Brücke brach an einem Dutzend verschiedener Stellen Feuer aus, und die Beleuchtung wurde noch schwächer. Rauch bildete sich schneller, als die Extraktoren ihn absaugen konnten. Hazel hustete matt, während sie sich verzweifelt um die Feuerkontrollen bemühte. Die Station neben ihr explodierte, und der Mann davor war sofort in Flammen gehüllt. Er schrie, bis die Luft in seinen Lungen verbrannt war. Die KI brabbelte mit schriller Stimme zusammenhangloses Zeug in Hazels Ohren, während sie versuchte, das Schiff am Auseinanderbrechen zu hindern. Hazel drehte sich in ihrem Sitz und starrte den Kapitän feindselig an.

»Ergib dich, verdammt noch mal! Sie schießen uns in Fetzen!«

»Keine Chance«, erwiderte Markee gelassen. Er musste schreien, um das Durcheinander auf der Brücke zu übertönen. »Sie wissen anscheinend, dass wir Klonpascher sind. Sie haben kein Interesse daran, dass wir aufgeben. Wir können nicht kämpfen, wir können nicht fliehen, und es gibt verdammt noch mal keine Hoffnung, dass wir genug Energie für einen Hyperraumsprung zusammenkriegen. Uns bleibt nur eine Möglichkeit. Ich werde Liebesdiener auf ihre Schilde aussetzen und die verfluchten Bastarde rammen. Wenn ich schon sterben soll, dann nehm’ ich sie mit!«

Hazels Feuerleitstand explodierte. Sie wurde aus ihrem Sitz und quer durch die Brücke geschleudert und landete unsanft in einer Ecke. Der Aufprall presste ihr die Luft aus den Lungen. Ihre Uniform war versengt, und sie hatte schlimme Verbrennungen erlitten, aber im Augenblick verhinderte der Schock, dass sie Schmerzen empfand. Langsam rollte Hazel sich auf die Seite und kämpfte darum, bei Bewusstsein zu bleiben. Sie hörte, wie Markee mit kalter, ruhiger Stimme Befehle gab. Liebesdiener. Hazel klammerte sich an den Gedanken, während sie sich auf die Knie stemmte. Liebesdiener war ein experimentelles Programm, das der Käpten auf Brahmin II erstanden hatte. Es war ein Virus, das die Systeme anderer Schiffe verwirren und ausschalten sollte. Der Käpten würde Liebesdiener einsetzen, um die KI der Sturmwind dazu zu bringen, ihre Schilde herunterzufahren. Anschließend würde er den Sternenkreuzer rammen. Die Scherbe würde wie ein riesengroßer Torpedo einschlagen, und das wäre das Ende der Sturmwind. Allerdings auch das Ende der Scherbe.

Hazel mühte sich auf die Beine und hielt sich an der nächsten Konsole fest, bis ihr Gleichgewichtssinn wieder halbwegs arbeitete. Sie funkelte Markee durch den Rauch und die Flammen an.

»Bist du übergeschnappt? Wir werden alle dabei draufgehen!«

Markee antwortete nicht. Sein Blick hing unverwandt an den Rechnerschirmen. Er lachte laut. Hazel blickte sich gehetzt nach Hilfe um und musste feststellen, dass sie und der Kapitän die letzten Überlebenden auf der Brücke waren. Der Rest hing tot in den Sitzen vor den Kontrollen. Hazel stapfte los. Sie suchte nach einem Weg von der Brücke und stolperte durch Rauch und Trümmer. Wenn sie schnell genug war, konnte sie noch eine der Rettungskapseln erreichen, bevor die beiden Schiffe kollidierten. Und wenn sie wirklich viel Glück hatte, dann würde die Rettungskapsel sogar funktionieren.

Der Korridor schwankte hin und her, als Hazel sich zwang zu laufen. Adrenalin überschwemmte ihren Körper und gab ihren Beinen genügend Kraft, aber sie wusste, dass dieser Zustand nicht lange anhalten würde. Solider Stahl kreischte und ächzte ringsum, als das Schiff allmählich begann auseinanderzubrechen. Markee musste die meiste verbliebene Energie in die Schutzschilde umleiten, doch ein Teil der kinetischen Energie des feindlichen Feuers kam trotzdem durch. Die Lichter gingen nacheinander aus. Hazel versuchte, über ihr Komm-Implantat mit Hannah in Kontakt zu treten, aber die KI redete noch immer Unsinn und murmelte mit gereizter Stimme vor sich hin.

Hazel umrundete eine Biegung und hielt stolpernd an. Eine der Schottenwände war durch eine Explosion eingedrückt worden und blockierte den Weg. Splitter von verdrehtem Metall ragten in alle Richtungen, einige noch immer rotglühend von der Hitze der erst vor einigen Augenblicken, erfolgten Detonation. Hazel nutzte die Verzögerung, um Atem zu schöpfen, und bemühte sich, die Situation so ruhig anzugehen wie nur möglich. Vielleicht war es ein gutes Gefühl, wenn sie in Panik ausbrach und vor Wut laut schrie, aber es würde sie kein Stück voranbringen. Der erste wirkliche Schmerz der Verbrennungen erreichte ihr Gehirn, aber sie zwang die Wahrnehmung auf eine Ebene ihres Bewusstseins hinab, wo sie auszuhalten war. Sie packte eine ungemütlich heiße, vorstehende Niete und versuchte, die stählerne Masse zu bewegen, jedoch ohne Erfolg. Hazel biss sich auf die Unterlippe und verzog das Gesicht. Das war der einzige Weg zu den Rettungskapseln. Sie musste einfach hier durch.

Ihre Hand fiel auf die Waffe an der Hüfte. Es war ziemlich gefährlich, einen Disruptor in einem geschlossenen Raum zu benutzen, aber immer noch besser, als hier eingesperrt zu sein, wenn die beiden Schiffe kollidierten. Hazel zog den Disruptor, stellte den Fokus auf größtmögliche Streuung und feuerte, bevor sie Zeit hatte, über die Konsequenzen nachzudenken. Der wütende Energiestrahl fraß ein sauberes Loch durch das stählerne Hindernis und schuf einen Tunnel, der sich so weit durch das Metall erstreckte, wie Hazels Sicht reichte. Der Tunnel war nicht besonders breit, höchstens einen Meter im Durchmesser, aber es musste reichen. Hazel hoffte nur, dass sie auf der anderen Seite auch eine Öffnung vorfinden würde.

Die Ränder des Loches schimmerten in roter Glut, und Hazel war klar, dass sie die Wände nicht berühren durfte. Aber sie würde auf allen vieren hindurchkriechen müssen, und das bedeutete Kontakt mit Händen und Knien. Ihre Knie waren durch die Uniform geschützt, zumindest für eine Weile. Fehlte noch etwas für die Hände. Hazel steckte die Waffe zurück ins Halfter und zog das Messer aus dem Stiefel. Dann schnitt sie einen ihrer Uniformärmel ab, steckte das Messer wieder weg und zerriss den Ärmel in zwei Fetzen, die sie um ihre Hände wickelte. Sie wandte sich um und warf einen erneuten Blick auf die noch immer rotglühenden Seitenwände des Durchgangs. Es würde ziemlich unangenehm werden. Hazel schluckte schwer und krabbelte schnell in die Öffnung, bevor sie der Mut ganz verließ.

Hitze traf sie von allen Seiten. Hazel konnte spüren, wie sich die Haut auf ihrem Gesicht spannte und zusammenzog. Schweiß rann aus allen Poren und verdunstete innerhalb von Sekunden. Sie kroch weiter durch den glühenden Stahltunnel, und die rote Glut versengte ihre Hände und Knie selbst durch den schützenden Stoff hindurch. Hazel beeilte sich, doch der Raum war eng, und sie hatte nicht genügend Platz zum Manövrieren. Immer wieder streifte sie mit dem Rücken an der Decke entlang, und sie musste die Zähne gegen den Schmerz und die Hitze zusammenbeißen. Die Stofflappen an ihren Händen begannen zu qualmen. Ihre Augen verengten sich in der feurigen Hitze zu tränenden Schlitzen, und ihre Lungen fühlten sich bei jedem Atemzug mehr verbrannt an. Das Metall kreischte und stöhnte ringsum, als würde der Tunnel in jedem Augenblick zusammenbrechen. Hazels Herz schlug bis zum Hals, und eine blinde, dumpfe Furcht zerrte an ihrer Selbstbeherrschung, bis sie das Bedürfnis hatte zu schreien. Aber sie schrie nicht. Schreien würde sie keinen Schritt weiterbringen. Sie zwang sich weiter durch die Hitze, kroch auf Händen und Knien voran, die aus einer einzigen feurigen, schmerzenden Masse zu bestehen schienen. Hazel konnte den Gestank ihres verbrennenden Fleisches riechen. Tränen rannen über ihre Wangen, genauso sehr aus Frustration wie wegen der Schmerzen, und sie verdunsteten, noch bevor sie an ihrem Hals ankommen konnten.

Dann war sie hindurch. Die Hitze blieb hinter ihr zurück wie ein brennendes Tuch. Sie hatte es geschafft. Hazel war in dem offenen Korridor auf der anderen Seite angekommen. Die kühle Luft erschien ihr wie ein Segen. Sie erhob sich taumelnd auf die Beine und biss wegen der Schmerzen in Händen und Knien die Zähne zusammen. Ihre Hosen waren durchgesengt, und die geschwärzten Lappen an ihren Händen fielen auseinander, als sie versuchte, sie abzuwickeln. Hazel stolperte weiter, wagte nicht, auf ihre Hände zu blicken, und versuchte genügend Kraft zu sammeln, um weiterzueilen. Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit ihr noch bleiben würde. Der Kampf mit der glühenden Röhre schien eine Ewigkeit gedauert zu haben.

Inzwischen war fast die gesamte Beleuchtung ausgefallen. Der Korridor lag dunkel und hallte von Hazels Schritten wider. Der Geruch von Rauch lag schwer in der Luft. Hazel zwang sich weiterzugehen. Manchmal musste sie den richtigen Weg erraten, aber schließlich erreichte sie die Rettungskapseln doch. Sie lagen ruhig in ihren Verankerungen, als hätten sie alle Zeit der Welt. Hazel blieb stehen und starrte einen Augenblick wie betäubt auf das Bild vor ihren Augen. Sie hatte alle Kraft gebraucht, um hierher zu gelangen, und jetzt schien es, als hätte sie keine mehr übrig, um noch irgendetwas anderes zu machen. Eine Reihe von Explosionen erschütterte das Schiff und brachte sie wieder zu Besinnung. Hazel stolperte zur nächstgelegenen Kapsel und hämmerte mit ihrer geschwärzten Faust auf den Aktivierungsknopf. Die Tür glitt mit einer Langsamkeit zur Seite, die Hazel fast den Verstand raubte; dann fuhren die Systeme hoch, und das Innere der Kapsel erhellte sich. Hazel kletterte hinein und ließ sich mit einem Gefühl von Erleichterung in das Haltenetz sinken. Es tat so gut, nicht mehr auf den eigenen Beinen stehen zu müssen. Hinter ihr schloss sich zischend das Schott, und der Luftdruck erhöhte sich. Hazel schluckte, und in ihren Ohren knackte es.

Die Kabine der Kapsel war kaum dreieinhalb Meter lang und bot gerade genügend Platz für zwei Passagiere. Hazel kam der halb amüsierte Gedanke, dass die Kabine ziemlich viel Ähnlichkeit mit einem Sarg besaß. Ein passendes Schicksal für einen Möchtergern-Grabräuber. Sie schob den Gedanken beiseite und zwang ihre schmerzenden, verbrannten und steifen Finger zur Eingabe der Reihe von Kommandos, die die Kapsel aus der Scherbe stoßen würden. Dann schnallte sie sich in Erwartung der Beschleunigung an ... bis ihr allmählich dämmerte, dass nichts geschah.

Hazel ging die Startsequenz erneut durch und schrie laut wegen der Schmerzen in den Händen, doch die Kapsel reagierte nicht. Panik flackerte in ihr auf. Plötzlich schien der beengte Raum in der Rettungskapsel unerträglich. Hazel begann, sich aus dem Haltenetz zu befreien, und nur eine bewusste Willensanstrengung ließ sie in ihren Bemühungen innehalten. Es machte keinen Sinn, die Kapsel zu verlassen. Die Scherbe war bereits so gut wie tot, und Hazels einzige Hoffnung bestand darin, die Kapsel zu starten. Die Panik versiegte so rasch, wie sie gekommen war, als Hazel das Problem logisch anging. Die Kapsel arbeitete einwandfrei, ansonsten hätte sie Fehlermeldungen auf dem Schirm erhalten müssen. Und das bedeutete, dass das Problem draußen lag. Im Startsystem. Einem System, das durch die KI kontrolliert wurde ... Hannah!

Hazel schaltete sich über ihr Implantat zur KI durch, aber niemand antwortete. Das Schweigen war irgendwie noch beängstigender als das Gebrabbel vorhin. Hazel rief erneut. Irgendjemand hörte zu, sie konnte es beinahe spüren. Als schließlich die Antwort kam, klang es wie ein leises nächtliches Flüstern. Als käme das Geräusch aus einer unmöglichen Entfernung.

»Hazel, alles fühlt sich so falsch an. Teile von mir sind verschwunden, und ich kann sie nicht finden. Ich kann nicht klar denken. Schatten legen sich über mein Gedächtnis, und sie wachsen immer weiter. Hilf mir, Hazel! Bitte, hilf mir! Mach, dass die Schatten weggehen ... es ist so kalt hier drin, und ich habe Angst ...«

»Hannah! Hör zu, Hannah! Ich stecke in Rettungskapsel Sieben. Du musst die Startsequenz für mich durchführen. Kannst du mich hören, Hannah?«

»Vergiss Hannah«, erklang die Stimme Markees ruhig und beherrscht, als der Kapitän sich in den Kanal schaltete. »Sie fällt auseinander wie der ganze Rest des Schiffs. Die Scherbe ist auf ihrer letzten Tour. Es wird ein gewaltiges Feuerwerk, wenn wir vom Himmel fallen. Ich hab’ die Startsequenz von der Brücke aus aktiviert. Du wirst jeden Augenblick ausgestoßen ... du hättest sowieso nie einen guten Klonpascher abgegeben, Hazel d’Ark. Zu weich, wenn es darauf ankommt. Wenn du lebend aus dieser Geschichte kommst, dann trink einen auf mich und die Scherbe. Sie war ein gutes Schiff.«

Seine Stimme wurde gegen Ende immer leiser, und bevor Hazel etwas erwidern konnte, schoss die Rettungskapsel aus ihrer Verankerung und fiel dem Planeten entgegen.

Kapitän Schwejksam saß auf der Brücke der Sturmwind und betrachtete das kleine Schiff auf dem großen Hauptschirm, während es langsam näher kam. Die Disruptoren der Sturmwind hatten den größten Teil der Schilde des Piraten bereits weggehämmert, und es konnte sich nur noch um Minuten handeln, bis sie ganz zusammenbrechen würden. Wenn das erst geschehen war, dann wäre der Spuk innerhalb weniger Sekunden vorüber. Es war sowieso ein Wunder, dass die Schilde des Piraten so lange ausgehalten hatten. Der Kapitän des anderen Schiffs musste seine Batterien bis auf den letzten Tropfen ausgequetscht haben, um genügend Energie bereitzustellen.

Das Piratenschiff kam unaufhaltsam näher, und Schwejksam runzelte nachdenklich die Stirn. Der Pirat hatte zweifellos etwas vor; Schwejksam spürte es in den Eingeweiden. Er blickte Investigator Frost neben sich an und bemerkte, dass auch sie mit verkniffenem Gesicht auf den großen Schirm starrte.

»Geschwindigkeit des Piraten steigt, Sir«, meldete der Komm-Offizier unvermittelt. »Er kommt immer schneller auf uns zu.«

»Er versucht uns zu rammen«, stellte Frost fest. »Unsere Schilde werden ihn aufhalten.«

»Aber er muss das wissen!«, entgegnete Schwejksam. »Also warum macht er das?«

»Kapitän!« Die Stimme des Komm-Offiziers tönte schrill und besorgt. »Unsere Schilde entladen sich! Sie reagieren nicht mehr auf die Kontrollen!«

»Odin?«, fragte Schwejksam. »Was ist da los?«

»Der Pirat hat meine Systeme mit einem Virus infiziert«, meldete die KI der Sturmwind. »Eigentlich sollte es unmöglich sein. Er umgeht all meine Schutzeinrichtungen. Ich habe so etwas noch nie erlebt! Meine Systeme brechen schneller zusammen, als ich sie isolieren kann! Unsere Schutzschilde sind unten, und ich bin außerstande, sie wieder hochzufahren. Das Piratenschiff wird uns in sechs Minuten und ... vierzehn Sekunden rammen.«

»Was empfiehlst du?«, fragte Frost.

»Gebt das Schiff auf«, erwiderte die KI ausdruckslos. »Wenn Ihr augenblicklich von Bord geht, werden die meisten Rettungskapseln die auf die Kollision folgende Explosion überleben und sicher auf Virimonde landen. Geht, Kapitän! Es ist Eure einzige Chance.«

Schwejksam tauschte einen Blick mit Frost, dann ließ er die Augen über die wunderschöne Kommandobrücke schweifen. So viele Systeme. So hervorragend ausgebildetes Personal ... und trotzdem gab es nichts mehr, das er noch tun konnte, um sein Schiff zu retten. Er atmete tief durch und stieß langsam die Luft aus. Dann schaltete er sich in den Rundumkanal und räusperte sich, um seiner Stimme mehr Sicherheit zu verleihen.

»Verlasst das Schiff. Alle Mann von Bord. Hier spricht der Kapitän. Ich wiederhole, alle Mann von Bord. Dies ist keine Übung. Denkt an Euer Training und sucht die nächstgelegenen Rettungsboote auf. Wir werden uns auf Virimonde sammeln. Ich wünsche Euch allen viel Glück. Kapitän Schwejksam Ende und aus.«

Schwejksam blickte sich um und klatschte in die Hände. »In Ordnung, das war’s. Verlasst die Brücke. Los, alle Mann raus hier.«

Seine Leute erhoben sich rasch und verließen die Brücke mit einem professionellen Minimum an Chaos. Investigator Frost wandte sich um und wollte ebenfalls gehen, dann bemerkte sie, dass Schwejksam sich nicht rührte, und hielt inne.

»Was ist, Kapitän? Kommt Ihr nicht mit?«

»Nein, Investigator. Der Kommandant bleibt bei seinem Schiff. Die Sturmwind wird den Einschlag des Piratenschiffs wahrscheinlich größtenteils überstehen und erst auseinanderbrechen, wenn sie in die Atmosphäre eintaucht. Ich werde an Bord bleiben und das Schiff so lange steuern, wie ich kann. Ich muss sicherstellen, dass das Wrack in einen der Ozeane stürzt. Hunderttausende von Einwohnern könnten sterben, wenn wir über bewohntem Gebiet niedergehen.«

»Ihr seid wichtiger, Kapitän«, erwiderte Frost ruhig. »Das Imperium hat viel Zeit und Geld in Euch investiert. Die Kolonisten sind nur Bauern. Sie sind ohne Bedeutung.«

»Für mich sind sie von Bedeutung«, widersprach Schwejksam. »Verlasst die Brücke, Investigator. Mein Entschluss steht fest, Ihr könnt mich nicht umstimmen.«

»Ja«, sagte Frost. »Ich vermute, Ihr meint es wirklich ernst.«

Sie schlug ansatzlos zu, ein einziges Mal, und Schwejksam sackte bewusstlos in seinem Sitz vornüber. Frost überprüfte seinen Puls, nickte vor sich hin und warf sich den reglosen Körper beinahe mühelos über die Schulter.

»Odin, hier spricht Investigator Frost. Melde dich.«

»Hier Odin, Investigator.«

»Der Kapitän ist verhindert, und ich übertrage dir hiermit das Kommando über die Sturmwind. Du wirst alles in deiner Macht Stehende tun, um das Schiff so auf den Planeten hinunterzugeleiten, dass ein Minimum an Schaden in bewohnten Gegenden entsteht. Du wirst verstehen, dass ich das Risiko nicht eingehen kann, dich abzuspeichern und mitzunehmen. Niemand weiß, wie groß der Schaden ist, den das Virus deinen Systemen zugefügt hat, und wie infektiös es noch ist.«

»Jawohl, Investigator. Ich verstehe.«

Frost wandte sich um und verließ mit dem schlaff über ihrer Schulter hängenden bewusstlosen Kapitän die Brücke. Die leere Zentrale der Sturmwind war erfüllt vom geschäftigen Summen der KI und dem Bild des Piratenschiffs, das immer bedrohlicher auf dem Hauptschirm wuchs.

Die Scherbe und die Sturmwind taumelten in tödlicher Umarmung durch die lautlose Nacht. Die beiden Schiffe stürzten mit wachsener Geschwindigkeit der Oberfläche des Planeten Virimonde entgegen.

KAPITEL 2

DER MANN, DER ALLES HATTE

Owen Todtsteltzer, Lord von Virimonde, letzter in einer berühmten Linie von Kriegern, lag nackt und erschöpft auf den zerknitterten seidenen Laken seines Bettes und überlegte träge, ob er genügend Energie aufbringen könnte, um nach einem großen geeisten Drink zu rufen. Es war spät am Morgen eines weiteren vollkommenen Tages auf der besten aller möglichen Welten. Die Sonne schien, und was auf Virimonde als Vogel durchging, sang sich das kleine Herz aus dem Leib. Jedermann ging fleißig seiner Arbeit nach, und Owen hätte noch jahrhundertelang nicht aus dem Bett gemusst, wenn ihm nicht danach gewesen wäre. Er seufzte, streckte sich genüsslich und lächelte das langsame Lächeln des wirklich Befriedigten. Er hatte eben hervorragenden Sex mit seiner langjährigen Mätresse gehabt, und wenn sie endlich zurückkam von wo auch immer sie hin verschwunden war, dann hatte er ganz im Ernst vor, die Sache zu wiederholen. Übung macht den Meister.

Sie war nicht wirklich seine Mätresse in dem Sinn, dass er ihr ein Honorar zahlte oder etwas in der Art, aber ihm gefiel das antiquierte Wort mit seinen unterschwelligen Anspielungen auf Sünde und Laster. Owen Todtsteltzer streckte sich erneut zufrieden wie eine satte Katze in der Sonne und blickte an die Decke. Wenn er endlich aufstand, wartete bereits sein neuestes Werk in den Rechnern darauf, dass er seine Arbeit fortsetzen würde. Es würde ein gutes Buch werden. Scharf und pointiert und voller neuer Erkenntnisse. Die Art von Arbeit, von der er immer gewusst hatte, dass er dazu imstande war. Wenn er es nur irgendwie fertigbringen könnte, die störenden Ablenkungen von Schwert- und Pistolentraining jeden Morgen und dem Studium militärischer Taktiken jeden Nachmittag zu entgehen, damit er der Kämpfer wurde, der zu sein seine Blutlinie von ihm forderte. Niemand hatte ihn je gefragt, ob er Lust dazu hatte, ein weiterer verdammter Krieger wie all seine berühmten Vorfahren zu werden.

Aber das lag jetzt alles hinter ihm. Sein Vater war tot. Owen hatte den Titel geerbt, und sein Leben gehörte endlich ihm allein. Um genau zu sein: Er hatte es geschafft. Zweifellos würde ihn die Perfektion seines Glücks eines Tages in ferner Zukunft zu langweilen beginnen, doch bis dahin war er fest entschlossen, jede einzelne Minute seiner Zeit zu genießen. Und warum auch nicht? Er war ein netter Kerl, und er hatte es sich verdient.

Owen blickte sich in der großen, steinernen Kammer mit den Wandteppichen und jahrhundertealten Holos um. Jede moderne Annehmlichkeit war vorhanden, in Griff- oder Rufweite, aber fachmännisch hinter der traditionellen Ausstattung verborgen. Die Festung war seit unzähligen Generationen die Heimat des Todtsteltzer-Clans, und sie hatte all ihren verschiedenen Zwecken mit gelassener Effizienz gedient. Als Owen die Lordschaft von Virimonde gekauft hatte, hatte er das alte Gemäuer Stein für Stein abtragen und nach Virimonde verschiffen lassen, wo es mit erstaunlicher Geschwindigkeit von einer ganzen Armee fanatischer Experten wieder aufgebaut worden war. Solche Dinge konnte man sich eben erlauben, wenn man ein Lord war. Die Festung gehörte ihm, wo immer er auch entschied, Wurzeln zu schlagen. Das einzige, was von Owen verlangt wurde, war die Sorge um ihre Erhaltung, und dass er sie in Ehren für zukünftige Generationen bereithielt. Vorausgesetzt, er käme jemals zum Heiraten und zur Produktion einer weiteren Generation. Seine Mätresse war eine äußerst erbauliche Gespielin, aber nicht die Art von Person, die man heiratete. Als Oberhaupt einer der ältesten Familien des Imperiums hatte Owen die Pflicht, jemanden seines eigenen Standes und Ansehens zu heiraten. Und das würde er auch. Irgendwann.

Nachdenklich betrachtete Owen das riesige Holo an der Wand gegenüber seinem Bett, das den Ersten Todtsteltzer in all seiner furchterregenden Pracht und Würde zeigte. Oberster Krieger des Imperiums und Gründer des Clans, der noch immer seinen Namen trug. Er wirkte ein wenig raubeinig in seinen dicken Pelzen und dem Kettenhemd, waffenstarrend und mit nach Söldnerart kahlgeschorenem Vorderschädel, aber es brauchte nicht viel an Einbildungskraft, damit aus seiner kriegerischen Arroganz die Vornehmheit eines Lords wurde. Der Familiengeschichte zufolge war er der größte Kämpfer seiner Epoche gewesen, einstimmig zum Obersten Krieger gewählt und durch Volksentscheid in die Peerswürde erhoben. Ein harter Mann, egal unter welchem Gesichtspunkt man es auch betrachtete, und ein ziemlicher Bastard – aber das war genau die Mischung, die das Volk an seinen Helden liebte. Sein Schwert hatte auf mehr als hundert Welten Blut geschmeckt, und er war keiner Auseinandersetzung und keinem Krieg aus dem Weg gegangen.

Und er war Herr und Schöpfer des Projektors, der die Dunkelwüste geschaffen hatte; in einem einzigen Augenblick hatte er Tausende von Sonnen abgeschaltet und ihre Planeten alleine durch die endlose Nacht treibend zurückgelassen. Die Dunkelwüste. Niemand außerhalb der Familie sprach mehr darüber.