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"Der Elbschlosskiller"entführt die Leser:innen in das düstere Herz der Hamburger Reeperbahn. Eine Serie grausamer Morde an Frauen erschüttert die Stadt. Die Leichen sind verstümmelt und scheinen das Werk eines brutalen, ritualistischen Täters zu sein. Hauke Müller, ein angesehener Kriminologe, leitet die Ermittlungen – ohne zu ahnen, dass er dem Mörder näher steht als er denkt. Während er verzweifelt nach dem Täter sucht, kämpft Hauke gegen seine eigenen inneren Dämonen. Seine Kollegen und seine Jugendfreundin Lisa Wagner ahnen, dass etwas nicht stimmt, doch die Wahrheit ist erschreckender, als sie sich vorstellen können. Ein psychologisch fesselnder Thriller über Schuld, Verdrängung und die Abgründe der menschlichen Seele.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Impressum:
Verfasserin: Alina Klusmeyer, Wölper Str. 81F, 31582 Nienburg Email: [email protected]
Danksagung
An meine Familie, Freunde und meine Freundin, die mich auf jedem Schritt dieser Reise begleitet hat – ohne euch wäre dieses Buch nie entstanden. Eure unerschütterliche Unterstützung, euer Glaube an mich und eure Geduld haben mir die Kraft gegeben, dieses Projekt zu verwirklichen.
Danke, dass ihr an mich geglaubt habt, selbst wenn ich es manchmal selbst nicht konnte. Dieses Buch ist genauso euer Werk wie meins.
Von Herzen – danke für alles.
Klappentext:
Der Elbschlosskiller ist ein düsterer, packender Kriminalthriller, der den Leser tief in die Abgründe der Hamburger Reeperbahn zieht – ein Ort, an dem Verbrechen, Dunkelheit und Sehnsüchte aufeinanderprallen.
Kriminologe Hauke Müller ist Teil des Ermittlerteams, das eine grausame Mordserie aufklären muss. Die Opfer: Frauen, die auf der Reeperbahn arbeiten. Die Morde sind barbarisch, die Leichen verstümmelt und an verschiedenen Orten verstreut. Alles deutet auf einen Täter hin, der von einer unheimlichen Obsession getrieben wird. Doch je weiter Hauke in den Fall eintaucht, desto mehr gerät er selbst in einen Strudel aus Verwirrung und Verdacht.
Als er eines Morgens an einem der Tatorte erwacht – umgeben von Leichenteilen – wird ihm schmerzlich klar, dass der Täter vielleicht viel näher ist, als er je geglaubt hätte. Hauke begibt sich auf einen gefährlichen Wettlauf gegen die Zeit, während er verzweifelt versucht, seine eigenen Spuren zu verwischen und gleichzeitig den Fall zu lösen. Doch die Dunkelheit, die er in sich trägt, ist nicht nur im Fall selbst, sondern auch in ihm verborgen.
Zwischen den Ermittlungen mit seinen Kollegen und Rückblicken auf sein eigenes traumatisiertes Leben, muss Hauke sich der grausamen Wahrheit stellen – er könnte der Mörder sein, den er jahrelang gejagt hat.
Der Elbschlosskiller ist ein psychologisch intensiver Thriller, der die Grenzen von Glaube, Schuld und Wahnsinn verschwimmen lässt. Wer ist der wahre Mörder? Und kann Hauke seine eigene Dunkelheit bezwingen, bevor es zu spät ist?
Kapitel 1
Das Mädchen stand nur wenige Schritte entfernt, ihr Blick halb gelangweilt, halb aufmerksam auf die Straße gerichtet. Sie zog an ihrer Zigarette, ihr Atem formte kleine weiße Wolken in der kalten Nachtluft. Die Lichter der Reeperbahn flackerten, während sich Schatten über ihr Gesicht legten. Haukes Herz schlug schnell, doch sein Atem blieb ruhig – viel zu ruhig. Er konnte den Druck in seinem Kopf fühlen, ein dumpfes Pochen, das immer lauter wurde, je näher er kam. Etwas in ihm zerrte an seiner Kontrolle, forderte ihn auf, weiterzugehen, nicht zu zögern. Es war kein impulsiver Drang. Es fühlte sich eher an wie eine Pflicht, eine längst überfällige Handlung. Als er direkt vor ihr stand, hob sie den Kopf. Ihre Augen musterten ihn mit der geübten Gleichgültigkeit einer Frau, die schon zu viele fremde Männer auf der Straße getroffen hatte. „Was willst du?“ fragte sie, mit einem Ton, der zugleich herausfordernd und genervt war.
Seine Hand wanderte in die Tasche, umfasste den Griff des Dolchs. Der kalte Stahl fühlte sich beruhigend an, wie eine Verbindung zu etwas Unausweichlichem. „Es tut mir leid,“ murmelte er, und für einen Moment glaubte er, es zu meinen. „Was soll das heißen?“ Ihre Augen weiteten sich, als er die Klinge hervorholte. Sie ließ die Zigarette fallen, trat einen Schritt zurück, doch es war zu spät. Mit einer blitzschnellen Bewegung packte er ihren Arm und zog sie zu sich heran.
Die erste Berührung der Klinge durchbrach die dünne Schicht ihrer Haut mit erschreckender Leichtigkeit. Hauke spürte den Widerstand der Muskeln, hörte das schmatzende Geräusch, als die Klinge tiefer glitt. Sie schrie, ein hoher, abgerissener Laut, der abrupt verstummte, als er eine Hand über ihren Mund legte. „Ruhig,“ flüsterte er. Sein eigener Atem kam jetzt schneller, aber es war nicht Panik. Es war Fokus. Absolute, unerbittliche Konzentration. Das Blut sickerte warm über seine Finger, pulsierte in unregelmäßigen Schüben, die mit ihrem immer schwächer werdenden Herzschlag zusammenfielen. Er drückte sie zu Boden, ihre Bewegungen wurden hektischer, ihre Finger krallten sich in seinen Mantel. „Es muss sein,“ murmelte er, während er die Klinge erneut ansetzte. Seine Gedanken liefen wie auf Schienen, eine Stimme in seinem Kopf wiederholte immer wieder denselben Satz: Nur durch Zerstörung kann etwas Neues entstehen. Er begann zu schneiden. Systematisch. Ein Arm, dann ein Bein. Der Widerstand der Gelenke, das scharfe Knirschen, als die Knochen unter der Klinge nachgaben, füllten die Stille um ihn herum. Jedes Körperteil war wie ein Puzzlestück, das an seinem Platz liegen musste. Seine Hände waren glitschig vor Blut, doch er arbeitete weiter, fast mechanisch.
Ein Moment des Innehaltens. Er betrachtete das, was vor ihm lag – die aufgetrennten Gliedmaßen, den entstellten Rumpf, das Gesicht, das nun in einer grotesken Maske aus Schmerz erstarrt war. Sein Herzschlag verlangsamte sich, wurde gleichmäßig.
„Perfekt,“ flüsterte er, und in diesem Moment fühlte er etwas, das einem Lächeln nahekam. Es war kein Stolz, sondern Zufriedenheit – die unheimliche Gewissheit, dass alles genauso war, wie es sein sollte. Doch tief in ihm, verborgen hinter dieser verstörenden Ruhe, war ein leiser, zitternder Gedanke, kaum mehr als ein Flüstern: Was, wenn das nicht das letzte Mal ist?
Hauke wischte die Klinge ab, schob sie zurück in seine Tasche und verschwand in der Dunkelheit der Nacht. Die Reeperbahn lebte weiter, als hätte niemand den Verlust bemerkt. Noch nicht.
Einige Stunden nach Sonnenaufgang…
Die Seitengasse der Schmuckstraße war still, so unnatürlich still, dass es fast weh tat. Nur das Flattern des Absperrbandes im leichten Wind und das ferne Brummen der Reeperbahn durchbrachen die Dunkelheit. Doch hier, nur wenige Schritte entfernt von Hamburgs pulsierendem Nachtleben, schien die Zeit stillzustehen.
Hauke Müller stand am Eingang der Gasse, die Hände in die Taschen seines dicken Mantels vergraben. Der Geruch war unerträglich. Kupfrig, metallisch, durchzogen von fauligem Müll und abgestandener Feuchtigkeit. Er zog unwillkürlich die Schultern hoch, versuchte, die Geruchswelle auszublenden, die ihm in die Nase stieg. Doch es war zwecklos.
„Verdammt...“ Lars „die Rakete“ Baum sprach leise, fast wie zu sich selbst. Der bullige Ermittler, normalerweise unerschütterlich, hatte die Stirn in Falten gelegt, seine Augen blieben starr auf den Haufen in der Mitte der Gasse gerichtet.
„Das ist nicht einfach nur ein Mord,“ fügte er hinzu. Seine Stimme war leise, fast ehrfürchtig, als ob er die Worte vorsichtig wägen müsste.
Hauke trat einen Schritt näher, vorbei an der grellen Reflexion der Blaulichter, die die enge Gasse in ein surreal flackerndes Licht tauchten. Die Leiche – oder das, was von ihr übrig war – lag mitten in der Gasse, ein groteskes Schauspiel von Gewalt und Berechnung.
Gliedmaßen, sauber abgetrennt, waren in einer seltsam präzisen Ordnung um den Torso arrangiert. Es war wie eine groteske Symmetrie, die auf den ersten Blick kaum wahrnehmbar war. Der Kopf lag leicht seitlich geneigt, die leeren Augen starrten in die Dunkelheit, als würden sie auf Antworten warten.
„Sieh dir die Schnitte an.“ Ricardo Meyhers, der dritte Ermittler des Teams, kniete sich vorsichtig hin, ohne den Tatort zu betreten. Er zog seine Taschenlampe und leuchtete über die Überreste. „Kein Zögern. Keine Spuren von Hektik. Das hier ist... fast chirurgisch.“ Hauke nickte, ohne den Blick von der Szene zu nehmen. Seine Gedanken rasten, doch sie ließen sich nicht greifen. Es war wie ein Puzzlestück, das sich nicht in das Bild einfügen wollte. „Ritualistisch?“ fragte Ricardo und drehte sich zu ihm um. „Oder will uns der Täter einfach zeigen, wie abgebrüht er ist?“ „Vielleicht beides,“ antwortete Hauke langsam. Seine Stimme war ruhig, fast mechanisch. Aber tief in ihm war da ein Dröhnen, ein unaufhörliches Pulsieren, das ihn nicht losließ.
Filiz-Luise Bayer, die gerade am Tatort eingetroffen war, schob sich durch die Absperrung. Ihre Miene war streng, konzentriert. Ohne ein Wort machte sie sich daran, die Szene zu analysieren, ihre Handschuhe knisterten leise, als sie die Taschenlampe aus der Jacke zog. „Das ist kein Amoklauf,“ stellte sie fest. „Das ist präzise. Geplant. Kalkuliert.“ Sie richtete ihren Blick auf Hauke. „Du siehst es auch, oder?“ Hauke nickte, seine Gedanken waren wie ein Flüstern, kaum greifbar. Ich kenne das. Das Muster, die Perfektion – es war beunruhigend vertraut. Seine Augen wanderten über die Überreste, lingerte an den Schnitten, die wie ein Bild in seinem Kopf auftauchten. Die Nacht zuvor – ein verschwommenes Fragment, Hände, die eine Klinge führten.
„Hauke?“ Filiz-Luise sah ihn scharf an, und er riss sich aus seinen Gedanken. „Ja.“ Seine Stimme klang seltsam hohl. „Es... es ergibt ein Muster. Wir müssen herausfinden, warum er das tut. Warum auf diese Weise.“
Sie nickte, doch ihr Blick blieb auf ihm haften, forschend.
Ein Beamter kam näher, die Stimme hektisch. „Herr Müller! Die Nachbarn haben etwas ehört. Schreie, ungefähr um drei Uhr morgens. Aber keiner hat jemanden gesehen.“ Hauke spürte, wie sein Magen sich zusammenzog. Drei Uhr morgens. Die Zeit, in der er – nein. Er schob den Gedanken beiseite. Konzentriere dich. Sei professionell.
„Notieren Sie alles,“ wies Filiz-Luise an, bevor sie den Blick wieder auf die Leiche richtete. „Wir haben es hier mit einem Monster zu tun.“ Hauke wandte den Blick ab. Ihre Worte hallten in seinem Kopf nach, unerbittlich: Ein Monster.
Kapitel 2
Die Nacht war kalt, aber Hauke spürte sie kaum. Der Wind biss ihm ins Gesicht, doch in ihm brannte eine ganz andere Kälte, eine, die aus den Tiefen seines Inneren kam und die er nicht loswerden konnte. Seine Schritte waren schwer, mechanisch, als ob sie von einer fremden Macht gelenkt wurden.
Was mache ich hier? Warum kann ich nicht einfach umdrehen?
Die Gedanken schossen durch seinen Kopf wie Kugeln, doch sie prallten an der Wand ab, die ihn immer wieder in diese Situationen trieb. Er hatte längst aufgehört, nach Antworten zu suchen. Es war, als ob ein Teil von ihm wach war und alles mit Entsetzen beobachtete, während der andere Teil, der stärkere, die Kontrolle übernahm.
Dann sah er sie. Die junge Frau. Der rote Mantel zog seinen Blick auf sich, ein greller Kontrast in der düsteren Umgebung. Sein Herzschlag wurde langsamer. Die Stimme in seinem Kopf wurde lauter.
Da ist sie. Die Richtige. Es muss sein. Du hast keine Wahl.
Seine Schritte wurden schneller, zielgerichteter. Er beobachtete sie, wie sie die Zigarette zum Mund führte, wie der Rauch in die kalte Nachtluft aufstieg. Sie wirkte so sorglos, so ahnungslos.
Sie hat keine Ahnung. Keiner von ihnen hat je eine Ahnung.
Ihr Blick streifte ihn, kurz, bevor sie den Kopf wieder abwandte. Kein Anzeichen von Misstrauen. Kein Hauch von Angst. Er fühlte, wie ein eigenartiges Kribbeln seine Hände ergriff. Sie war perfekt. „Kommst du auch für ein bisschen Spaß?“ fragte sie mit einem rauen Ton, der ihn aus seinen Gedanken riss. Er zwang sich zu einem Lächeln. Tu so, als wärst du normal. Du bist normal. Du bist nur hier, um sie zu retten. Um die Ordnung wiederherzustellen.
„Vielleicht,“ sagte er, seine Stimme seltsam ruhig. Er folgte ihr, seine Hände blieben in den Taschen, wo die Klinge auf ihn wartete. Während sie durch die enge Seitengasse gingen, dröhnte die Stimme in seinem Kopf unaufhörlich weiter.
Es muss sein. Sie ist die Nächste. Du kannst es nicht aufhalten. Sie wird verstehen. Am Ende verstehen sie alle.
Die Dunkelheit verschlang sie, nur der Mond warf ein schwaches Licht auf die Backsteinwände. Der Geruch von Müll und Urin hing in der Luft, doch Hauke nahm ihn kaum wahr. Alles, was zählte, war sie. Sie drehte sich zu ihm um, die Hände in die Hüften gestemmt. „Also? Was willst du?“ Der Moment. Dieser eine Moment, in dem alles in ihm still wurde. Die Stimme in seinem Kopf verstummte, die Welt hielt den Atem an. Es war, als ob er in einem Vakuum stand, nur er und sie.
„Ich will, dass du still bist,“ murmelte er, und die Worte waren kaum verhallt, als seine Hände sie schon gepackt hatten. Das Adrenalin rauschte durch seinen Körper, als er die Klinge zog. Sie schrie, schlug um sich, trat nach ihm, doch er war stärker. Der erste Schnitt war tief, glitt durch Fleisch und Gewebe, und ein heißer Schwall Blut bedeckte seine Hand.
Es ist richtig. Das ist, was getan werden muss.
Ihre Augen weiteten sich, Tränen mischten sich mit Blut, als sie nach Luft schnappte. Ein Hauch von Bedauern durchzuckte ihn, doch es war zu spät. Es war immer zu spät. „Es tut mir leid,“ flüsterte er, fast zärtlich, als er die Klinge erneut ansetzte. Doch er wusste, dass es nicht die Wahrheit war. Es tat ihm nicht leid. Es konnte ihm nicht leid tun. Ihre Bewegungen wurden schwächer, bis sie schließlich still wurde. Hauke ließ sie zu Boden sinken und sah auf ihre leblosen Augen hinab. Sein Atem war schwer, die Luft um ihn herum schien zu flimmern.
Es ist vorbei. Für heute.
Doch es war nie vorbei. Die Arbeit begann jetzt erst. Mit präzisen, routinierten Bewegungen begann er, die Klinge erneut einzusetzen. Die Schnitte waren sauber, mechanisch, fast wie ein Kunstwerk. Arme, Beine, der Torso. Alles musste perfekt arrangiert sein. Während er arbeitete, sprach die Stimme in seinem Kopf wieder zu ihm.
Gut gemacht. Sie gehört jetzt zur Ordnung. Du hast sie befreit.
Als er fertig war, betrachtete er sein Werk. Die roten Stofffetzen des Mantels lagen verstreut zwischen den blutigen Überresten, der Mond spiegelte sich in den feuchten Pfützen. Es war ein Bild des Chaos, und doch fühlte er sich ruhig.
Das ist, wer du bist. Akzeptiere es.
Er wischte seine Hände ab, steckte die Klinge zurück in die Tasche und verschwand in der Dunkelheit der Nacht. Doch während er durch die Gassen schlich, wuchs die Stille in ihm. Eine erdrückende, schmerzhafte Stille, die ihn wieder einholte. Die ihn daran erinnerte, dass er morgen wieder hier sein würde.
Kapitel 3
Die ersten Sonnenstrahlen kämpften sich durch die Wolkendecke, doch die Reeperbahn war noch in den letzten Atemzügen der Nacht gefangen. Beathe, die resolute Besitzerin eines kleinen Bordells an der Schmuckstraße, trat missmutig aus ihrer Hintertür. Ihr Morgenritual: die Mülltonnen kontrollieren, bevor die Stadtreinigung kam. Doch diesmal war etwas anders. Der Gestank, der ihr entgegenschlug, war anders als die sonst üblichen Gerüche aus den Containern. Schärfer. Metallisch. Sie zog die Stirn in Falten, hielt die Nase zu und trat näher.
„Was zum Teufel...?“ Ihr Blick fiel auf einen Schatten, der halb hinter einem der Container verborgen lag. Eine Gestalt. Klein, regungslos.
„Hallo? Alles in Ordnung?“ Ihre Stimme war unsicher, brüchig. Sie machte einen Schritt näher, und dann sah sie es.
Blut. Es war überall. Dick, dunkel und klebrig, es zog sich in unregelmäßigen Bahnen über den Boden. Der rote Mantel der toten Frau leuchtete wie ein schreckliches Warnsignal, ein Detail, das sich sofort in Beathes Geist einbrannte. Die Gliedmaßen lagen grotesk arrangiert, fast wie ein grausames Stillleben. Beathe taumelte zurück, stieß sich an einem Container und presste die Hand auf ihren Mund, um nicht zu schreien. Ihre Beine fühlten sich wie Gummi an, doch sie zwang sich, das Handy aus ihrer Tasche zu ziehen.
„Polizei... Ich... Ich habe eine Leiche gefunden. Hinter meinem Bordell. Es... es ist schrecklich...“
Die Befragung
Das Verhörzimmer des Polizeipräsidiums war kahl und funktional. Die Neonröhren flackerten leicht, die Luft war stickig, und der Raum hatte die Aura von unerschütterlicher Autorität. Beathe saß mit verschränkten Armen am Tisch, ihre Miene starr, doch ihre Hände zitterten leicht. Hauke saß ihr gegenüber, begleitet von Lars und Ricardo. Filiz beobachtete die Szene durch den einseitigen Spiegel im Nebenraum.
„Beathe, danke, dass Sie sich die Zeit nehmen,“ begann Hauke mit einer ruhigen, sachlichen Stimme. Er hatte sich innerlich gezwungen, jede persönliche Regung zu unterdrücken. „Wir wissen, wie schwierig das für Sie sein muss. Aber jede Information könnte uns helfen.“
Beathe schnaubte und verschränkte die Arme enger vor der Brust. „Schwierig ist gar kein Ausdruck. Ich hab’ schon viel Scheiße gesehen, aber das heute... das war anders.“
„Was genau haben Sie gesehen?“ fragte Ricardo, der den Notizblock in der Hand hielt.
„Wie gesagt, ich bin raus, um die Müllcontainer zu kontrollieren. Da war dieser Gestank, ich dachte zuerst, ein Tier ist irgendwo verreckt. Aber dann hab’ ich sie gesehen. Sie lag da...“ Beathe schüttelte den Kopf, ihre Stimme brach. „Wie kann jemand so was tun? Die Arme waren abgetrennt... und diese Anordnung... Es sah fast aus wie... wie Kunst. Aber auf die kranke Art.“
„Kunst?“ Lars lehnte sich vor, seine Stirn gerunzelt. „Können Sie das näher beschreiben?“
„Na ja, es war nicht einfach so hingeschmissen. Die Teile waren angeordnet, versteht ihr? Der Mantel, das Blut, die Gliedmaßen... als ob der Täter wollte, dass man es bewundert.“ Sie spuckte das Wort fast aus, als ekle sie sich vor der Vorstellung.
Hauke nickte langsam. „Haben Sie irgendjemanden bemerkt? Irgendwelche ungewöhnlichen Geräusche in der Nacht?“ Beathe schüttelte den Kopf. „Ich hab’ nichts gehört. Es war eine ruhige Nacht, soweit ich weiß. Die Mädels kamen gegen zwei Uhr rein, und danach hab’ ich mich hingelegt. Das muss später passiert sein.“
„Kannten Sie das Opfer?“ fragte Ricardo.
Beathe zögerte, bevor sie nickte. „Ja, sie war eine von uns. Eine von den Mädchen, die auf der Straße arbeiten. Ihr Name war Milena. Nettes Ding, immer höflich. Warum ausgerechnet sie?“ Hauke schloss kurz die Augen, zwang sich, den Blick auf Beathe zu richten. „Wir wissen es noch nicht, aber wir werden alles tun, um das herauszufinden.“
„Das hoffe ich,“ sagte Beathe mit Nachdruck. Sie beugte sich leicht vor. „Aber wisst ihr, was ich glaube? Der Typ, der das getan hat... der ist nicht einfach nur krank. Der glaubt, dass er einen Grund dafür hat. Und das macht ihn noch gefährlicher.“ Filiz, die durch das Glas zusah, runzelte die Stirn. „Sie könnte recht haben,“ murmelte sie zu sich selbst. Lars nickte Beathe zu. „Vielen Dank für Ihre Hilfe. Sie wissen, dass wir Sie jederzeit wieder kontaktieren könnten?“
„Natürlich.“ Sie erhob sich, zündete sich eine Zigarette an und zog tief daran. Ihre Hände zitterten immer noch leicht. „Ich hoffe nur, dass ihr diesen Bastard bald kriegt. Bevor noch jemand dran glauben muss.“
Als sie den Raum verließ, herrschte einen Moment lang Stille. Ricardo klappte seinen Notizblock zu und sah die anderen an. „Was meint ihr? Schlüsselzeugin oder einfach zur falschen Zeit am falschen Ort?“ Hauke starrte gedankenverloren auf den leeren Stuhl, auf dem Beathe gesessen hatte. „Beides.“ Seine Stimme war leise, fast flüsternd. „Aber wir müssen sie im Auge behalten. Wenn der Täter etwas mit ihr wollte, wird er sich nicht damit begnügen, eine Nachricht zu hinterlassen.“
Die Luft im Büro war schwer, durchzogen von abgestandener Heizungsluft und dem bitteren Geruch von kaltem Kaffee. Das Whiteboard an der Wand dominierte den Raum – ein düsteres Puzzle aus Fotos der Opfer, Tatortaufnahmen und Markierungen, die mit schwarzem Marker aufgetragen worden waren. Eine kleine Karte des Kiezes hing daneben, übersät mit roten Punkten, die die Fundorte markierten.
Hauke saß an seinem Schreibtisch, die Ellbogen aufgestützt, die Stirn in die Hände gestützt. Seine Augen brannten vor Müdigkeit, doch er zwang sich, wach zu bleiben. Der Fall ließ ihm keine Ruhe.
Drei Frauen. Drei Leben, die brutal beendet wurden. Und wir tappen immer noch im Dunkeln.
„Ich sag’s euch, das ist jemand, der den Kiez wie seine Westentasche kennt,“ begann Lars, der auf der Tischkante saß und einen Kuli nervös zwischen den Fingern drehte. „Die Fundorte – Schmuckstraße, Hein-Hoyer-Straße und jetzt der Hinterhof am Hans-Albers-Platz – liegen alle nah beieinander. Das ist kein Zufall.“
Ricardo stand mit verschränkten Armen am Fenster, sein Blick auf die dunstige Stadt gerichtet. „Kein Amateur, das steht fest. Das hier ist nicht nur Mord, das ist eine Botschaft. Aber welche?“ Filiz stand vor dem Whiteboard, ihre Stirn in tiefe Falten gelegt. „Was mich stutzig macht, ist, wie die Opfer arrangiert wurden. Es wirkt... geplant. Als ob der Täter uns etwas sagen will.“ Hauke hob den Kopf und sah die Bilder an, die unheilvoll auf ihn zurückstarrten. Milena, Larissa und Anna. Ihre Gesichter waren inzwischen beinahe vertraut, und doch wirkten sie so weit entfernt.
„Vielleicht will er nicht nur uns etwas sagen,“ murmelte Hauke schließlich. „Vielleicht will er die ganze Stadt schocken.“ Filiz nickte langsam. „Ein Täter, der Aufmerksamkeit will... Aber warum diese Frauen? Was verbindet sie außer ihrer Arbeit?“ Hauke zuckte mit den Schultern, die Müdigkeit nagte an seiner Konzentration. „Vielleicht ist es genau das. Frauen, die nachts arbeiten, sind leichter angreifbar. Sie stehen oft allein da. Der Täter nutzt ihre Verletzlichkeit aus.“ Lars seufzte und stand auf. „Klingt nach jemandem, der sich überlegen fühlt. Jemandem, der glaubt, dass er das Recht hat, über Leben und Tod zu entscheiden.“ Hauke spürte einen Kloß in seinem Hals, doch er schüttelte den Gedanken ab. „Dann sollten wir uns darauf konzentrieren, was er hinterlässt. Wenn er uns eine Botschaft senden will, gibt es vielleicht Hinweise in der Art, wie er die Tatorte hinterlässt.“ Ricardo schnaubte leise. „Wir brauchen einen Durchbruch. Irgendwas, das uns hilft, diesen Typen zu fassen. Sonst sitzen wir nächste Woche wieder hier, mit einem vierten Punkt auf der Karte.“
Die Worte trafen Hauke wie ein Schlag. Der Gedanke, dass noch jemand sterben könnte, lastete schwer auf ihm.
„Wir müssen nochmal alles durchgehen,“ sagte Filiz schließlich und drehte sich zum Tisch um. „Die Berichte, die Aussagen... vielleicht haben wir etwas übersehen.“ „Ich nehme die Karte,“ sagte Lars und schnappte sich einen Marker. „Vielleicht finde ich ein Muster, das wir noch nicht erkannt haben.“ Filiz sah zu Hauke, ihre Augen aufmerksam. „Alles okay bei dir? Du bist heute ziemlich ruhig.“ Hauke hob den Blick und setzte ein schwaches Lächeln auf. „Ja, alles gut. Ich denke nur nach. Dieser Mistkerl... wir müssen ihn stoppen.“ Filiz nickte, doch ihre Augen ruhten einen Moment länger auf ihm, bevor sie sich wieder dem Whiteboard zuwandte. Hauke ließ den Blick sinken und starrte auf die Tischplatte.Drei Leben. Und immer noch keine Spur. Was übersehen wir?
Es war spät, als Hauke das Büro verließ. Die Stadt war in Dunkelheit gehüllt, und ein feiner Nieselregen legte sich wie ein Schleier über die Straßen. Die Neonlichter der Reeperbahn flimmerten träge, und vereinzelte Nachtschwärmer suchten Schutz vor dem Wetter.
Hauke zog seinen Mantel enger um sich, die Kälte biss durch den Stoff und hinterließ ein unangenehmes Prickeln auf der Haut. Sein Kopf war schwer von den Ereignissen des Tages, die Stimmen seiner Kollegen hallten noch in seinem Geist nach.
Drei Frauen. Drei Tatorte. Keine Spur.
Sein Weg führte ihn durch die engen Gassen des Kiezes, vorbei an stillgelegten Bars und geschlossenen Läden. Die Dunkelheit schien ihn zu verschlingen, und die Schritte seiner eigenen Schuhe klangen unnatürlich laut auf dem nassen Pflaster.
Zu Hause angekommen, ließ Hauke die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Die kleine Wohnung war still, nur das Summen des Kühlschranks durchbrach die Stille. Er schaltete das Licht ein, zog den Mantel aus und warf ihn achtlos über einen Stuhl.
Das Wohnzimmer war spartanisch eingerichtet – ein Sofa, ein niedriger Couchtisch, ein Bücherregal, das sich unter Aktenordnern und Fachbüchern bog. An der Wand hing ein eingerahmtes Schwarz-Weiß-Foto: Hauke mit seiner Mutter, aufgenommen vor vielen Jahren.
Er ließ sich schwer auf das Sofa sinken, die Hände in die Haare vergraben. Sein Kopf dröhnte, die Bilder der Tatorte liefen vor seinem inneren Auge wie ein endloser Film ab.
Was übersehen wir? Warum wirkt alles so... durchdacht?
Seine Gedanken schienen nicht zur Ruhe zu kommen. Er stand auf, ging in die Küche und schenkte sich ein Glas Whisky ein. Der bittere Geschmack brannte in seiner Kehle, doch er hoffte, dass der Alkohol die Rastlosigkeit dämpfen würde.