Der entfesselte Prometheus - Ein lyrisches Drama - Percy Bysshe Shelley - E-Book

Der entfesselte Prometheus - Ein lyrisches Drama E-Book

Percy Bysshe Shelley

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Beschreibung

Percy Bysshe Shelley´s wortgewaltiger Klassiker über die Befreiung des menschlichen Geschlechts vom Tyrannenjoch - eine Allegorie, die auf jedes Zeitalter der Menschheitsgeschichte paßt.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort des Übersetzers.

Vorrede des Dichters.

Der entfesselte Prometheus.

Erster Akt.

Zweiter Akt.

Erste Szene.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Vierte Szene.

Dritter Akt.

Erste Szene.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Vierte Szene.

Vierter Akt.

Vorwort des Übersetzers.

ES gibt weltberühmte Namen, die gleichwohl für die Mehrzahl selbst der Gebildetsten nicht mehr bedeuten, als eben einen Namen ‒ also „Schall und Rauch.“ Man hat sich daran gewöhnt sie mit Ehrerbietung auszusprechen und weiß in der Regel nicht mehr von ihnen, als uns eine anekdotenhafte Tradition vom äußeren Lebenslaufe ihrer Träger übermittelt hat. Zu jenen wenig gekannten Berühmtheiten gehört in erster Linie Percy Bysshe Shelley. Die Literaturgeschichte hat ihn längst auf ein riesiges Piedestal erhoben und dort ragt er nun so hoch, daß die Vorübergehenden meist unter ihm wegsehen, zumal es schon eines tüchtigen Halsreckens und einer gehörigen Anstrengung der Sehkraft bedarf, um die hehre, in einen leichten Nebelschleier gehüllte Gestalt des großen Briten voll ins Auge zu fassen.

In England freilich hat in den letzten Jahren in Bezug auf Shelley ein erfreulicher Umschwung stattgefunden: Das heutige England beeilt sich, die große Ehrenschuld zu tilgen, die das „bigotte Albion“ der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf sich geladen, da es seine beiden größten Lyriker, Byron und Shelley, in hochkirchlicher Engherzigkeit wegen ihrer „Freigeisterei“ verstoßen und verlästert hat. Die junge Dichtergeneration Englands zollt den Manen Shelleys enthusiastische Verehrung, und sein tiefgehender Einfluß auf ihre Entwicklung wäre leicht nachzuweisen. In Deutschland hingegen hat sich in dieser Hinsicht noch immer nicht viel gebessert.

Zwar sollte man glauben, daß das „Volk von Dichtern und Philosophen“ dem britischen Dichterphilosophen mehr Sympathie und Verständnis entgegenbringen müßte, als seine eigenen, über und über realistischen Landsleute, und wenn auch dem metaphysischen Zuge in Shelleys Poesie die Hauptschuld beigemessen werden muß, weshalb sie wohl niemals in die Massen dringen wird, so sollte es doch im Vaterlande Kants und Schillers kaum einen wahrhaft Gebildeten mehr geben, dem Shelleys Dichtungen eine völlige terra incognita sind. Demungeachtet ist bei uns die Shelley-Verehrung noch immer auf eine winzige andächtige Gemeinde beschränkt und die wenigsten wissen auch nur über den Grundzug seines Wesens Bescheid. Nur allzuhäufig wird Shelley mit Byron zu den „Pessimisten“, zur sogenannten „Schule der großen Verzweifelten“ gezählt, während uns doch schon die oberflächlichste Bekanntschaft mit seinen Dichtungen – und speziell mit der vorliegenden ‒ darüber belehren muß, daß es nie einen Dichter gegeben hat, der, bei allem Zorn und Mißmut, mit dem er sich von Vergangenheit und Gegenwart abgewendet, das Banner des Ideals zukunftsfreudiger und verheißungsvoller geschwungen, als er. War Schopenhauer der Apostel des „Pessimismus“, so kann Shelley der Evangelist des „Optimismus“ genannt werden, und sein Prometheus predigt dieses Evangelium mit Feuerzungen. Aber auch in schlichter Prosa liegt uns hierüber ein wertvolles Zeugnis vor. Wie wenig Shelley tatsächlich Pessimist war, erhellt am schlagendsten aus folgenden Worten seiner Gattin, Mrs. Mary Shelley:

„Der hervorstechendste Zug in Shelleys Theorie von der Bestimmung des Menschengeschlechts war der, daß das Böse in dem System der Schöpfung nicht inhärent sei, sondern etwas Zufälliges, das wieder ausgeschieden werden könnte. Dies bildet auch einen Teil des Christentums: Gott machte die Erde und den Menschen vollkommen, bis dieser durch seinen Fall

Den Tod bracht' in die Welt und alles Weh'.

Shelley meinte, die Menschheit brauche nur zu wollen, daß es kein Böses gebe und es würde keines geben. Daß der Mensch einen Grad der Vollkommenheit erreichen könne, der ihn befähigte, das Böse aus seiner eigenen Natur und aus dem größten Teile der Schöpfung zu bannen, war der Kardinalpunkt seines Systems.“ ‒

Das klingt wahrhaftig nicht, wie das Glaubensbekenntnis eines Verzweifelnden!

Um wieviel besser ist Byron in Deutschland gekannt! Während die Zahl der Byron-Übersetzer bei uns bereits Legion zu werden droht, harren wir zur Stunde noch einer, unseren Ansprüchen genügenden deutschen Ausgabe von Shelleys sämtlichen Werken. Julius Seybt gebührt das unstreitig große Verdienst, im Jahre 1844 die erste – und bis jetzt einzige ‒ Übersetzung sämtlicher Dichtungen Shelleys dem deutschen Publikum geboten zu haben, aber sie hat nur allzuwenig Beachtung gefunden und ist heute fast vergessen. Die Seybt'sche Übersetzung und die verschiedenen Einzelversuche anderer, wie Prössel, Adolfi etc., entbehren überdies, wie Adolf Strodtmann sagt: „trotz einzelner wohlgelungener Stellen, doch im Ganzen jenes leichten rhythmischen Flusses und jenes poetischen Hauches, welche einzig imstande sind, das Werk des Übersetzers annähernd auf die Stufe eines Kunstwerkes zu erheben.“ Dem trefflichen, unermüdlichen Strodtmann selbst blieb es vorbehalten, uns mit Shelleys Ausgewählten Dichtungen in ausgezeichneter Verdeutschung zu beschenken, er hat aber, aus mir unbekannten Gründen den Entfesselten Prometheus, den ich für Shelleys tiefsinnigste Dichtung halte1, in seine Auswahl nicht einbezogen. Ich würde mich glücklich schätzen, wenn der Versuch einer Übersetzung dieses Dramas, den ich hiermit der Öffentlichkeit übergebe, würdig erachtet werden sollte, der Strodtmann'schen Ausgabe als Supplement zu dienen.

Ich verzichte um so mehr darauf, hier eine Biographie des Dichters zu geben, als ja der Leser eine solche der Strodtmann'schen Ausgabe, die ich allzugerne in seinen Händen wüßte, vorangedruckt findet. Auch darf ich Shelleys überaus romantischen Lebenslauf, der selbst ein Gedicht genannt werden könnte, als bekannter voraussetzen, denn seine Werke.

Wer sich aber über die richtige Wertschätzung Shelleys Rats erholen will, der lese die herzerhebenden Worte, die der rastlose Kämpe der Humanität, unser wackerer Johannes Scherr, sowohl in seiner Allgemeinen Geschichte der Literatur als in seiner Spezialgeschichte der englischen Literatur über Shelley geschrieben. Auch sollte keiner verabsäumen, den von tiefem Verständnis und hinreißender Begeisterung zeugenden Abschnitt zu lesen, den der ausgezeichnete dänische Literarhistoriker G. Brandes in dem jüngst erschienenen vierten Bande seiner Hauptströmungen der Literatur des neunzehnten Jahrhunderts Shelley gewidmet hat.2

Indem ich mich nun unserem Stück selber zuwende, will ich den Leser mit einem schwerfälligen „Kommentar“ verschonen und mich damit begnügen, ihm die notwendigsten Direktiven zu geben.

Wer an die Lektüre von Shelleys Entfesseltem Prometheus geht, behebe sich von vorneherein aller Ansprüche, die man an ein regelrechtes „Drama“ zu stellen pflegt. Der Dichter selbst hat diese Ansprüche durch die Bezeichnung „Lyrisches Drama“ zurückgewiesen, und von einer eigentlich dramatischen Handlung, von einer kunstgerechten Schürzung und Lösung eines Knotens usw. ist in seinem Werke kaum die Rede. Wer den Entfesselten Prometheus unter dem Gesichtspunkte des Dramatikers betrachten wollte, müßte ihn unbedingt als ein völlig zusammenhangloses, zerfahrenes und ins Visionäre zerflatterndes Stück – als ein mißlungenes Produkt bezeichnen.

Wir haben es hier lediglich mit einer großartigen Allegorie zu tun, bei welcher die dialogisierte Form reine Nebensache ist. Treffend bezeichnet Johannes Scherr dieses „Drama“ als einen „Hymnus auf die welterlösende Kraft der Humanität.“

Da ich die Prometheus-Mythe als jedermann bekannt voraussetzen darf, wird es genügen, ihre Grundzüge in gedrängtester Kürze zu rekapitulieren:

Prometheus war nach der griechischen Mythologie einer der Titanen, der Sohn des Titanen Japetos und der Okeanide Klymene. Er schlug sich während des Kampfes der Götter gegen die Titanen zur Partei des Zeus, der mit seiner Hilfe seinen Vater Saturn vom Throne stieß und die Oberherrschaft über die übrigen Götter erlangte. Als es nun aber an die Verteilung der Güter der Welt ging, wollte der Tyrann des Olymps das Menschengeschlecht nicht nur nicht berücksichtigen, sondern plante sogar dessen völlige Vertilgung und wollte ein neues Geschlecht schaffen. Prometheus, der warme Anwalt der Sterblichen, rettete dieselben vom Untergange, stahl das Feuer vom Himmel, um es seinen Schützlingen dienstbar zu machen, unterwies die Menschen in allen Wissenschaften und Künsten und flößte ihnen die Hoffnung ein, damit sie den Tod nicht zu fürchten brauchten. Zeus, über den Wohltäter des von ihm verachteten und geknechteten Menschengeschlechts erbost, ließ ihn durch den Hephaistos (Vulkan) an einen Felsen des Kaukasus schmieden, woselbst ihm ein Adler an jedem dritten Tage die Leber abfressen sollte, die stets wieder nachwuchs. Prometheus erduldet diese Qual durch lange Zeit mit erhabener Standhaftigkeit, denn er weiß, daß der Tag seiner Befreiung kommen wird, und endlich kommt Herakles (Herkules), erlegt den Adler und befreit, mit Zeus' Zustimmung, den großen Dulder aus seinen Banden. – Aischylos hat diese Mythe in einer Trilogie ‒ Der feuerholende, Der gefesselte und Der entfesselte Prometheus behandelt, von welcher bekanntlich nur das mittlere Stück auf uns gekommen ist. In Aischylos' Entfesseltem Prometheus soll die endliche Befreiung des Märtyrers dadurch bewirkt worden sein, daß dieser dem Zeus die Gefahr entdeckte, welche ihm aus seiner beabsichtigten Vermählung mit der Nereide Thetis erwüchse. Denn dieser Ehe sollte ein Sohn entsprießen, der, stärker als Zeus, seinen Vater vom Throne stoßen würde. Zeus, solcherweise gewarnt, läßt Thetis mit dem Sterblichen Peleus vermählen und Prometheus zum Danke durch Herakles entfesseln.

Shelley verwahrt sich in seiner (nachstehend abgedruckten Vorrede) ausdrücklich gegen die Zumutung, als habe er das verlorengegangene Stück des Aischylos wieder herstellen wollen; denn einmal hätte er den Vergleich mit dem großen griechischen Tragiker gescheut, zum anderen aber wäre er auch einer Katastrophe abgeneigt, die zahm genug ist, den Vorkämpfer der Menschheit mit ihrem Tyrannen zu versöhnen. ‒ Shelley stellt in der Tat den griechischen Mythos, die Fabel des Aischyleischen Dramas, geradezu auf den Kopf.

Sein Jupiter hat sich durch die Fesselung des Prometheus, durch dessen weise Ratschläge er seine Herrschaft erlangt und bisher behauptet hatte, der festesten Stütze seines Thrones selbst beraubt. Er tappt fortan im Finstern und wird durch seine rohen Herrschergelüste ins Verderben gestürzt. Er erfährt nichts von dem verhängnisvollen, dem Prometheus allein bekannten Orakelspruch, nach welchem aus seiner beabsichtigten Ehe mit Thetis sein eigener Verderber entsprießen würde. Wir hören ihn vielmehr zu Beginn des dritten Aktes seinen Untergöttern mit stolzen Worten verkünden, daß er den Bund mit Thetis vollzogen und einen Sohn gezeugt habe: Ein seltsam Wunder, das da ein Schrecken soll der Erde sein. Dieser Sohn soll, wenn die Schicksalsstunde kommt, hinabsteigen und die lodernde Flamme des rebellischen Menschengeistes austreten. In diesem Moment hat aber auch schon die Schicksalsstunde für den Tyrannen des Olymps geschlagen. Der „verhängnisvolle Sohn“, vor dessen Anblick das Erdenvolk (Demos) wie vor einem Gorgonen-Haupte erstarren und im Schreck vergehen sollte, erscheint in der grausigen Gestalt des „Demogorgon“ vor Jupiter und reißt ihn mit den Worten:

Nun steig' herab und folg' mir in den Abgrund! Ich bin dein Sohn, wie du's warst des Saturn Und mächtiger als du

in die bodenlose Tiefe.

Mit der hier versuchten Interpretation ist freilich das Dunkel noch nicht völlig gelichtet, das über der ersten Szene des dritten Aktes wie eine schwere Nebelwolke lagert. Dem Leser wird sich zunächst die Frage aufdrängen: Wie kann der Sohn, den Jupiter eben erst gezeugt haben will, identisch sein mit Demogorgon, von welchem im bisherigen Verlaufe des Stückes schon wiederholt die Rede war, in dessen Höhle uns der Dichter in der letzten Szene des zweiten Aktes geführt, und den wir dort ein langes Zwiegespräch mit „Asia“ pflegen gehört? Sehen wir denn noch schärfer zu und vielleicht führt uns eine Notiz, die ich in den Aufzeichnungen der Mrs. Mary Shelley finde, auf die richtige Spur!

Mrs. Mary nennt zwar den „Demogorgon“ nicht, sie sagt aber, nachdem sie von der Vermählung des Jupiter mit Thetis gesprochen: „In diesem Moment vertreibt ihn die Urkraft der Welt (the Primal Power of the world) von seinem usurpierten Thron.“ – Die Urkraft der Welt ist ein von Ewigkeit Vorhandenes. Da nun aber Demogorgon auf Jupiters Frage:

Entsetzliche Gestalt! – Wer bist du? – sprich!

antwortet:

Die Ewigkeit! verlang' nicht grauser'n Namen,

da überdies Jupiter den von ihm gezeugten Sohn als einen Geist bezeichnet, der körperlos, gefühlt, doch ungesehen im Himmel schwebe und noch seiner leiblichen Gestalt harre, die vom Thron des Demogorgon eben heraufkommen solle, so scheint mir die Lösung des Rätsels darin zu liegen, daß

Jupiter die „Urkraft der Welt“ mit einem Geist beseelen will, der dem Menschengeiste überlegen sein und ihn vernichten soll. Sobald sich dieser Geist aber mit der rohen Urkraft verbindet, entsteht ein Ungeheuerliches, das dem Gott selber über den Kopf wächst und ihn ins Nichts versinken läßt. –

Mrs. Mary Shelley erzählt, daß ihr Gatte die Absicht hatte, Metaphysische Essays über die Natur des Menschen usw. zu schreiben, die zur Erklärung mancher dunklen Stelle in seinem Prometheus wesentlich beigetragen haben würden. Leider aber ist es dazu nicht mehr gekommen, und einige wenige Notizen und Anmerkungen sind alles, was wir von seiner Hand hierüber besitzen.

Shelley hatte den Entfesselten Prometheus ursprünglich mit dem dritten Akt abgeschlossen. Erst einige Monate später drängte sich ihm der Gedanke auf, einen vierten Akt, eine Art von Freudenhymnus über die Erfüllung der Prophezeiung in Bezug auf Prometheus hinzuzudichten.

Sehr schön und treffend sagt Brandes:

„Shelleys Entfesselter Prometheus ist das moderne Gegenstück zu Aischylos Gefesseltem Prometheus. ‒ Diese großartige Dichtung krönt Shelleys ganze Freiheitspoesie. Hier versucht er zum ersten Mal mit Erfolg den herrschenden Typus seiner Poesie und seines Zeitalters erschaffen. Viele Typen zogen durch sein Hirn: Hiob, Tasso, derselbe Stoff, welcher gleichzeitig Byron und Goethe ergriff. Seine Wahl fiel auf Prometheus. Über die Seen und Ebenen der gleichzeitigen englischen Dichtung erheben sich Byrons Alpen mit seinem Manfred und Shelleys Kaukasus mit seinem Prometheus. Seit die Befreiung des Menschengeistes ernstlich begonnen ward, beschäftigte dieser Typus alle großen Dichter. Er feiert gegen den Anfang des 19. Jahrhunderts seine Auferstehung in Goethes, Byrons und Shelleys Gehirnen. Goethes schönes Gedicht schildert den vom Götterglauben losgerissenen Menschengeist in seiner Arbeit und seinem künstlerischen Schaffen, stolz auf seine Hütte, die der Gott nicht gebaut und Menschen formend nach seinem Bilde. Goethes Prometheus ist der schaffende und freie. Byrons harter, kurzer, glutvoller Vers schildert den Märtyrer, der mit zusammengebissenen Zähnen schweigend duldet, dem keine Folter das Geständnis entringen kann, und der seine höchste Ehre darein setzt, seine Qualen nicht ahnen zu lassen; dieser Titan würde sich niemals, wie der antike, von den Töchtern des Okeanos haben trösten lassen oder vor ihnen geklagt haben, ‒ Byrons Prometheus ist der trotzende und gefesselte. Aber Shelleys Prometheus gleicht keinem von ihnen. Er ist der wohltätige Menschengeist, der wider das böse Prinzip kämpft, der eine unendlich lange Zeit hindurch von demselben unterdrückt wird und nicht von diesem allein, sondern von allen anderen Wesen, auch von den Guten, welche betört sind, das Böse für notwendig und heilsam zu halten; er ist der Geist, der nur eine Zeitlang, wenn auch noch so lange – gefesselt und geknebelt werden kann, der aber eines Tages zum Entzücken des Weltalls befreit wird, der siegreiche, der erlöste, der vom einstimmigen Jubelgesang aller Himmelskörper begrüßte Prometheus. – Er ist selbst in seinen Qualen vollkommen ruhig, denn er weiß, daß Jupiters Herrschaft nichts anderes und nicht mehr ist, als eine Periode im Leben der Welt. Darum möchte er den schwarzen Abgrund, in welchem er verschmachtet, nicht gegen die wollüstige Freude am Hofe Jupiters vertauschen. Als die Furien ihm in die ewig-schlaflosen Augen lachen, antwortet er:

Ich will nicht wägen, was ihr Böses tut,

Nur was ihr leidet, da ihr böse seid.

Wie ganz anders würde ein Byron'scher Prometheus geantwortet haben! – Er ist ganz Liebe – zu seinen Feinden, zu den Menschen. Und der Trotz hat nicht das Herz des Titanen der sanften Liebesneigung verschlossen. Er gedenkt in seinen Qualen seiner Braut, ihrer,

Die, wenn sein Dasein überströmte, glich

Dem gold'nen Kelch für einen edlen Wein.