Der exzellente Butler Parker 46 – Kriminalroman - Günter Dönges - E-Book

Der exzellente Butler Parker 46 – Kriminalroman E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Exzellent – das ist er im wahrsten Sinne des Wortes: einzigartig, schlagfertig und natürlich auch unangenehm schlagfähig. Wer ihn unterschätzt, hat schon verloren. Sein Regenschirm ist nicht nur sein Markenzeichen, sondern auch die beste Waffe der Welt. Seinem Charisma, Witz und Charme kann keiner widerstehen. Der exzellente Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Lady Simpson fühlte sich übergangen und reagierte entsprechend verärgert. Sie gehörte zum Kreis der geladenen Gäste beim Geburtstagsempfang des Lord Mayors und war in ihrer mayestätischen Fülle nicht zu übersehen. Doch zwei Kellner hatten es schon gewagt, mit Sekttabletts an ihr vorbeizusegeln. "Unternehmen Sie etwas, Mister Parker!" verlangte die ältere Dame mürrisch von ihrem Butler. "Sie wollen sicher nicht warten, bis ich in dieser trockenen Luft verdurstet bin?" "Keineswegs und mitnichten, Mylady", versicherte Josuah Parker mit höflicher Verbeugung und versuchte die Aufmerksamkeit des dritten Kellners auf sich zu lenken, der gerade eilig näher kam. "Kollege kommt gleich", murmelte der Befrackte und wollte weitergehen. Doch die energische Lady setzte dieser Absicht ein unerwartetes Ende. "Moment, junger Mann!" Agatha Simpson trat mit ihrem rustikalen Schnürschuh auf die Hühneraugen des Kellners. "Eine Dame meines Standes ist es nicht gewohnt, daß man sie warten läßt." Gleichzeitig griff sie nach einem vollen Glas – buchstäblich in letzter Sekunde, denn den Frackträger hielt es nach der unverhofften Notbremse nicht länger auf den Beinen. Der Mann absolvierte eine fast elegant zu nennende Bauchlandung und verschaffte etlichen Gästen den Genuß einer prickelnden Sektdusche. Lady Agatha nahm von dem kleinen Zwischenfall kaum Notiz. Während Parker dem Kellner vom Boden aufhalf, steuerte sie auf einen untersetzten, schätzungsweise fünfundfünfzigjährigen Mann zu, der ihr im Augenblick den Rücken zuwandte. "Welche Freude, Sie hier zu sehen, mein lieber McWarden", begrüßte Mylady den leitenden Yard-Beamten, der förmlich zusammenzuckte, als das baritonal gefärbte Organ der passionierten Detektivin unmittelbar hinter ihm ertönte.

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Der exzellente Butler Parker – 46 –

Parker taucht den Brunnenvergifter

Günter Dönges

Lady Simpson fühlte sich übergangen und reagierte entsprechend verärgert. Sie gehörte zum Kreis der geladenen Gäste beim Geburtstagsempfang des Lord Mayors und war in ihrer mayestätischen Fülle nicht zu übersehen. Doch zwei Kellner hatten es schon gewagt, mit Sekttabletts an ihr vorbeizusegeln. »Unternehmen Sie etwas, Mister Parker!« verlangte die ältere Dame mürrisch von ihrem Butler. »Sie wollen sicher nicht warten, bis ich in dieser trockenen Luft verdurstet bin?«

»Keineswegs und mitnichten, Mylady«, versicherte Josuah Parker mit höflicher Verbeugung und versuchte die Aufmerksamkeit des dritten Kellners auf sich zu lenken, der gerade eilig näher kam.

»Kollege kommt gleich«, murmelte der Befrackte und wollte weitergehen. Doch die energische Lady setzte dieser Absicht ein unerwartetes Ende.

»Moment, junger Mann!« Agatha Simpson trat mit ihrem rustikalen Schnürschuh auf die Hühneraugen des Kellners. »Eine Dame meines Standes ist es nicht gewohnt, daß man sie warten läßt.«

Gleichzeitig griff sie nach einem vollen Glas – buchstäblich in letzter Sekunde, denn den Frackträger hielt es nach der unverhofften Notbremse nicht länger auf den Beinen.

Der Mann absolvierte eine fast elegant zu nennende Bauchlandung und verschaffte etlichen Gästen den Genuß einer prickelnden Sektdusche.

Lady Agatha nahm von dem kleinen Zwischenfall kaum Notiz. Während Parker dem Kellner vom Boden aufhalf, steuerte sie auf einen untersetzten, schätzungsweise fünfundfünfzigjährigen Mann zu, der ihr im Augenblick den Rücken zuwandte.

»Welche Freude, Sie hier zu sehen, mein lieber McWarden«, begrüßte Mylady den leitenden Yard-Beamten, der förmlich zusammenzuckte, als das baritonal gefärbte Organ der passionierten Detektivin unmittelbar hinter ihm ertönte.

»Die Freude liegt ganz auf meiner Seite, Mylady«, erwiderte der Chief-Superintendent und verneigte sich, während die ältere Dame ihm die Rechte zum Handkuß bot.

Der galante Beamte, der dank seiner vorstehenden Basedowaugen mitunter wie eine gereizte Bulldogge wirkte, war unmittelbar dem Innenminister unterstellt und leitete eine Sondereinheit zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens.

Er verkehrte regelmäßig im Hause Simpson. Dabei galten seine Besuche allerdings weniger der immens vermögenden Witwe, die die Kriminalistik als Hobby betrieb, als Josuah Parker, dessen ausgewogenen Rat McWarden seit langem schätzte, besonders, wenn konventionellen Ermittlungsmethoden kein Erfolg beschieden war.

Agatha Simpson hingegen, die sich für die kriminalistische Begabung des Jahrhunderts hielt, ließ keine Gelegenheit aus, den beamteten Ganovenjäger mit mehr oder minder boshaften Sticheleien auf die sprichwörtliche Palme zu treiben – was ihr häufig genug gelang. Ihr größter Triumph war es, dem Yard-Mann bei brisanten Ermittlungen zuvorzukommen. Dank der diskreten Hilfe ihres Butlers waren solche Triumphe nicht gerade selten.

»Haben Sie nicht schon oft gesagt, daß Sie im Dienst keinen Alkohol zu sich nehmen, Mister McWarden?« erkundigte sich Lady Agatha mit vorwurfsvollem Blick auf sein Sektglas.

»Stimmt, Mylady«, nickte der Chief-Superintendent. »Aber heute bin ich nicht im Dienst.«

»Der wahre Detektiv ist immer im Dienst«, mußte er sich belehren lassen. »Das ist eben der Unterschied zwischen einem Beamten und einer Kriminalistin aus Berufung.«

McWarden überlegte, ob er sich mit einer Bemerkung über Lady Simpsons Sektglas revanchieren sollte, doch in diesem Augenblick kam der Lord Mayor direkt auf ihn zu. Sir Arthur Marvilles Schritte waren so eilig, wie es die Würde seines Amtes als Gastgeber gerade noch erlaubte.

»Welch ein Glück, daß Sie hier sind, Mister McWarden«, sprach er den Yard-Beamten an. »Ich muß Sie dringend sprechen.«

»Jederzeit, Sir«, gab McWarden zur Antwort. »Es ist doch hoffentlich nichts Schlimmes passiert?«

»Wie schlimm es ist, wird sich noch herausstellen«, erwiderte der Lord Mayor. »Gehen wir in mein Büro?«

Mit einer angedeuteten Verbeugung wollte sich der Chief-Superintendent von Lady Agatha verabschieden. Doch diese Geste erübrigte sich. Die Neugier der älteren Dame war geweckt, und nichts konnte sie davon abhalten, den Männern forschen Schrittes zu folgen.

»Leider muß ich Sie bitten, Mylady ...«, sagte Sir Arthur Marville mit leicht säuerlichem Lächeln, als man gleich darauf die mahagonigetäfelte Tür seines repräsentativ ausgestatteten Büros erreicht hatte.

»Sie werden es bereuen, wenn Sie mich nicht in die Ermittlungen einschalten«, unterbrach ihn die ebenso resolute wie selbstbewußte Dame. »Es sei denn, es handelt sich um einen Fall außerhalb meines Interesses.«

»Lady Simpson ist Privatdetektivin, Sir«, griff McWarden erläuternd ein.

»Nun, wenn Sie keine Bedenken haben, Mister McWarden«, zögerte der Lord Mayor.

McWarden zögerte allerdings nur so lange, bis er Agatha Simpsons unmißverständlichen Blick auffing.

»Ich habe nichts dagegen, wenn Mylady an der Unterredung teilnimmt, Sir«, ließ der Chief-Superintendent zähneknirschend verlauten, um einen Eklat zu vermeiden.

»Die Sache ist ausgesprochen heikel«, begann Marville, während Parker als letzter eintrat und geräuschlos die Tür hinter sich schloß. »Man will mich erpressen ...«

*

»Das ist der Brief, um den es geht«, fuhr der Lord Mayor fort und legte ein mit Schreibmaschine beschriebenes Blatt auf den Tisch. »Vielleicht handelt es sich ja nur um einen Verrückten, aber das werden Sie besser beurteilen können als ich.«

»Würden Sie den Text bitte vorlesen?« fragte Agatha Simpson.

»An den Lord Mayor von London«, kam McWarden der Bitte nach. »Politiker aller Richtungen führen heute täglich das Wort ›Freiheit‹ im Mund. Auch Sie, verehrter Lord Mayor, bilden da keine Ausnahme. Aber vielen britischen Bürgern wird die elementarste Freiheit vorenthalten ...«

»Wen meint er damit?« unterbrach die Detektivin.

»Das steht im nächsten Satz, Mylady«, gab der Chief-Superintendent zur Antwort, bevor er weiterlas: »Als Vorkämpfer für alle frei geborenen Menschen, als Anwalt der Entrechteten, fordere ich Sie deshalb auf, unverzüglich Gefängnisse und psychiatrische Anstalten zu öffnen.«

»Diese Forderung ist doch blanker Wahnsinn«, warf Sir Arthur kopfschüttelnd ein, »abgesehen davon, daß der Mann meine Befugnisse bei weitem überschätzt. Eine Generalamnestie dieser Größenordnung könnte nicht mal die Premierministerin anordnen.«

»Die Vermutung, daß es sich um einen Spinner handelt, liegt in der Tat sehr nahe, Sir«, urteilte McWarden. »Aber vielleicht sollte ich erst noch die restlichen Sätze vorlesen.«

»Bitte, Mister McWarden«, gestattete der Lord Mayor.

»Ich erwarte von Ihnen«, las der Chief-Superintendent weiter vor, »daß Sie heute abend in der Nachrichtensendung des Fernsehens vor die Kamera treten und meine berechtigten Forderungen vorbehaltlos unterstützen. Andernfalls hätten Sie die Verantwortung zu tragen, wenn London in ein Irrenhaus verwandelt wird. In meinem Besitz befinden sich zweihundert Gramm reines LSD. Sollten Sie sich uneinsichtig zeigen, sähe ich mich gezwungen, das Mittel mit Hilfe der Trinkwasserversorgung an alle Haushalte zu verteilen.«

»Was verstehe ich unter LFP, Mister Parker?« erkundigte sich Lady Simpson.

»Die Buchstaben LSD«, korrigierte der Butler auf seine diskrete Weise, dürften als Abkürzung für die berauschende Chemikalie Lysergsäurediethylamid stehen, falls man nicht gründlich irrt, Mylady.«

»Und wie wirkt dieses Zeug?« wollte Marville wissen.

»Die Einnahme von LSD bewirkt Sinnestäuschungen bis hin zu Persönlichkeitsspaltungen, die von den Symptomen einer echten Schizophrenie mitunter kaum zu unterscheiden sind«, gab Parker Auskunft. »Schon unvorstellbar geringe Mengen genügen, um die genannten Wirkungen auszulösen.«

»Stimmt«, bestätigte McWarden. »Wenn ich es recht im Kopf habe, reichen 100 Mikrogramm für einen Rausch von zwölf Stunden und mehr.«

»100 Mikrogramm?« staunte Sir Arthur. »Das würde bedeuten, daß die Menge von zweihundert Gramm ...«

»... rund zwei Millionen Menschen in den Zustand absoluter Unzurechnungsfähigkeit stürzen könnte«, vollendete der Chief-Superintendent den Satz. »Das Chaos, das in einem solchen Fall hereinbrechen würde, wage ich mir kaum vorzustellen.«

»Um Himmels willen!« stöhnte der Lord Mayor und raufte sich die silbergrauen Haare.

»Keine Sorge, Sir«, beruhigte McWarden das Stadtoberhaupt. »Bei dem Briefschreiber scheint es sich wirklich um einen Verrückten zu handeln, der sich nur wichtig machen will. Daß der Mann tatsächlich über die genannte Menge LSD verfügt, halte ich für ausgeschlossen.«

»Trotzdem werden wir der Sache mit allem Ernst nachgehen, bis sich herausstellt, daß es tatsächlich ein harmloser Irrer ist«, kündigte der Yard-Beamte an. »Auf welchem Weg gelangte der Brief übrigens in Ihre Hände, Sir?«

»Er wurde nicht mit der Post geschickt, sondern direkt in den Hausbriefkasten geworfen«, teilte Sir Arthur mit. »Mein persönlicher Referent hat ihn geöffnet und mich dann sofort verständigt.«

»Und wie lange könnte der Brief schon im Kasten gelegen haben?« fragte McWarden weiter.

»Nicht lange«, erwiderte der Lord Mayor. »Tagsüber wird der Briefkasten stündlich geleert.«

»Jetzt ist es fünf Uhr zwanzig«, stellte der Yard-Beamte nach einem Blick auf seine Armbanduhr fest. »Der Brief muß also nach vier eingeworfen worden sein.«

»Und wie wollen Sie konkret verfahren, Mister McWarden?« fragte Sir Arthur.

»Da wir im Moment nichts als diesen Brief haben, werden wir ihn nach allen Regeln der Kriminalistik untersuchen, Sir«, äußerte der Chief-Superintendent. »Das reicht bis zur chemischen Analyse des Papiers, auf dem der Brief getippt wurde.«

»Hoffentlich kommen Sie mit diesen Methoden zum Ziel, Mister McWarden«, meinte der Lord Mayor.

»Was ich allerdings aus guten Gründen bezweifle«, schaltete Lady Agatha sich unüberhörbar ein. »Ein solcher Fall erfordert in erster Linie Instinkt und Fingerspitzengefühl.«

»Wir werden sehen, wem es gelingt, den Erpresser zu entlarven«, reagierte McWarden pikiert.

»Diesen Fall überlasse ich Ihnen gern. Hinter einem harmlosen Irren herzujagen, ist nicht meine Aufgabe«, parierte Mylady.

»Um so besser«, schien McWarden gereizt. »Scotland Yard macht das schon allein.«

»Unverschämtheiten lasse ich mir nicht bieten«, grollte die Detektivin. »Kommen Sie mit, Mister Parker! Hier habe ich nichts mehr verloren.«

Sir Arthur Marville wirkte irritiert, als er die erzürnte Lady zur Tür geleitete.

»Aber ich darf doch mit Ihrer absoluten Diskretion rechnen, Mylady?« vergewisserte er sich. »Nicht auszudenken, wenn die Öffentlichkeit davon erführe. Die Zeitungen würden sich förmlich auf diese Nachricht stürzen.«

»Was für die Ermittlungen natürlich ausgesprochen nachteilig wäre«, ergänzte McWarden.

»In dieser Hinsicht können Sie sich uneingeschränkt auf mich verlassen«, versprach Agatha Simpson dem Lord Mayor. »Diskretion ist nämlich meine Spezialität.«

*

»Darf man höflich fragen, ob Mylady an der Absicht festzuhalten gedenken, in diesem Fall keine Ermittlungen aufzunehmen?« vergewisserte sich Parker, während man durch den Empfangssaal dem Ausgang zustrebte.

»Soll McWarden mit diesem Verrückten doch selig werden«, mokierte sich die passionierte Detektivin. »Ich habe Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel könnte ich ein Stündchen meditieren und dann an meinem Kriminalroman Weiterarbeiten.«

»Wie Mylady zu wünschen belieben«, erwiderte Parker höflich und bahnte seiner Herrin eine Gasse durch die immer noch dicht gedrängt stehenden Gäste. Daß der Gastgeber schon seit einiger Zeit fehlte, schien niemand zur Kenntnis zu nehmen. Kein Wunder angesichts der Tatsache, daß vor wenigen Minuten der Run aufs kalte Büffet begonnen hatte.

Was die Aufmerksamkeit aller erregte, blieb auch Lady Agatha nicht verborgen.

»Eine kleine Stärkung vor der Heimfahrt könnte nicht schaden, Mister Parker«, entschied sie und bedachte die kulinarischen Köstlichkeiten mit begehrlichem Blick. »Meditieren werde ich später.«

»Myladys Wünsche sind meiner Wenigkeit Befehl«, versicherte der Butler mit einer höflichen Verneigung. Steif, als hätte er einen Ladestock verschluckt, schritt er zum Büffet, um Mylady mit erlesenen Häppchen zu versorgen.

»Wie Sie wissen, Mister Parker, halte ich strenge Diät«, tat die Lady kund, als der Butler kurz darauf mit einem gefüllten Teller zurückkehrte. »Aber davon wird ja nicht mal ein Spatz satt.«

»Meine Wenigkeit eilt, Myladys Wünschen in vollem Umfang gerecht zu werden«, erwiderte der Butler und schritt erneut von dannen.

Er war ein Mann von schwer bestimmbarem Alter und eher durchschnittlicher Statur. In seinem konservativ geschnittenen Zweireiher mit weißem Eckkragen, der schwarzen Melone und dem altväterlich gebundenen Regenschirm am angewinkelten Unterarm stellte er geradezu das Urbild eines hochherrschaftlichen britischen Butlers aus vergangenen Zeiten dar.

Makellose Umgangsformen entsprachen dem stets korrekten Äußeren. Vor anderen Menschen seine Gefühle zu zeigen, kam ihm nicht in den Sinn.

Parkers glattes Pokergesicht wirkte stets gelassen und nahezu teilnahmslos.

Während der Butler am Büffet lustwandelte, kam Lady Simpson mit Gästen ins Gespräch. Daß sie versprochen hatte, ihr Wissen über den Erpressungsversuch für sich zu behalten, schien die ältere Dame indes nicht mehr so genau zu wissen.

Josuah Parker konnte aus Fetzen der Unterhaltung zweifelsfrei entnehmen, daß die Detektivin nicht nur mit dem prunkte, was sie erfahren hatte – durch zusätzliche Ausschmückungen sorgte sie auch noch dafür, daß die Aufmerksamkeit ihrer Zuhörer nicht erlahmte.

Als das kalte Büffet geplündert war und Agatha Simpson sich zur Heimfahrt entschloß, gab es kaum noch eine Ecke in dem weitläufigen Empfangssaal, in der nicht über den verrückten Erpresser diskutiert wurde.

Am Ausgang begegneten Parker und Agatha Simpson Chief-Superintendent McWarden, der von drei jüngeren Kollegen begleitet wurde.

»Ich hoffe, Sie sind mit Ihren Ermittlungen inzwischen vorangekommen, mein lieber McWarden«, stichelte die passionierte Detektivin und lächelte etwas spöttisch.

McWarden stieß unverständliche Laute aus und wollte mit starr geradeaus gerichtetem Blick an Lady Agatha vorbei. Dann überlegte er es sich aber doch anders, hielt unvermittelt inne und trat näher.

»Sie werden hoffentlich Stillschweigen über den Fall bewahren, Mylady?« vergewisserte er sich in fast flehendem Ton. »Wenn die Öffentlichkeit Wind davon bekommt, sehe ich schwarz für die Fahndung.«

»Das brauchen Sie einer Kriminalistin nicht zu erklären, McWarden«, räsonierte Mylady. »Abgesehen davon ist meine Verschwiegenheit geradezu sprichwörtlich, wie Mister Parker Ihnen bestätigen kann.«

»Nichts liegt meiner bescheidenen Wenigkeit ferner, als Myladys Feststellung zu widersprechen«, versicherte der Butler mit knapper Verbeugung.

McWarden verzichtete darauf, das Thema zu vertiefen. Mit einem Kopfnicken verabschiedete er sich von dem skurrilen Paar und entfernte sich.

Auf einem Tisch am Ausgang fiel dem Butler die Liste der geladenen Gäste ins Auge. Im Vorbeigehen griff er mit der schwarz behandschuhten Rechten danach und ließ das Papier in einer Innentasche seines schwarzen Covercoats verschwinden.

Es konnte nicht schaden, die Namen aller Gäste griffbereit zu haben.

*