Der Fluch eines Geschlechts - Walther Kabel - E-Book

Der Fluch eines Geschlechts E-Book

Walther Kabel

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Beschreibung

Die Dame ist noch recht jung; harmlos; natürlich; sehr nervös; trotzdem energisch und zielbewußt; aber auch eitel; sie benutzt trotz ihrer Jugend blaßrosa Puder und hat sich in der Eisenbahn gepudert, bevor sie diesen Brief zuklebte. Hier haften auf der schlecht getrockneten Tinte einiger Buchstaben Puderstäubchen. Sie trägt auch die Fingernägel sehr lang und ganz spitz geschnitten. Hier sind in dem Papier die Eindrücke der Nagelspitzen. Schließlich noch: sie besitzt ein nicht mehr ganz neues Perlenhandtäschchen« — er schüttete aus dem ausgeschnittenen Briefumschlag zwei winzige Glasperlen in seine flache Hand — »und ist aschblond, wie dieses durch den Kleister des Umschlages festgehaltene Härchen zeigt, das auch weiter noch den Gebrauch einer Brennschere verrät.

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Der Detektiv

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

 

Band 10

Der Fluch eines Geschlechts

 

1921

© 2023 Librorium Editions

ISBN : 9782383837336

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

Der Fluch eines Geschlechts.

Die Bulldoggen.

Das Laboratorium.

Ein Selbstmord.

Heids Patientin.

Der lange Stock.

Die wandelnde Mumie.

König Eneochar von Aegypten.

Eine raffinierte Fesselung

Harsts Kombinationen.

Ein nächtliches Verhör.

Der große Schlag.

 

 

 

Der Fluch eines Geschlechts.

1. Kapitel.

Die Bulldoggen.

Kommerzienrat Kammler, der Beauftragte der Wettgegner Harsts, war gerade bei uns, als der merkwürdige Brief vormittags eintraf. Kammler war sofort einverstanden, daß der Inhalt dieses Briefes die neue Wettaufgabe darstellen solle.

Das Schreiben lautete:

Sehr geehrter Herr Harst!

Glauben Sie nicht, daß Ihnen etwa eine Falle gestellt werden soll. Wirklich nicht. Ich schwör’s Ihnen! Nein — nur die wahnsinnige Angst läßt mich diese Zeilen in der Eisenbahn mit einer Füllfeder schreiben. Hier im leeren Abteil 2ter kann ich ja nicht beobachtet werden. Daheim oder anderswo würde ich es nicht wagen. Ja — ich wage nicht einmal, dem Papier all das anzuvertrauen, was mich bedrückt. Briefe, die ich an eine liebe Freundin schreibe, kommen nur dann an, wenn ihr Inhalt ganz harmlos ist. Kann ich wissen, ob nicht auch dieser Brief irgendwie abgefangen wird? — Ich flehe Sie an: Gewähren Sie mir eine Unterredung. — Aber diese muß unbedingt unter Vorsichtsmaßregeln stattfinden, die dafür bürgen, daß ich mich nicht noch größeren Gefahren aussetze. — Ach — wenn Sie wüßten, wie elend ich mich schon fühle! Ich schleppe mich nur noch weiter. Ich weiß ja: — eines Tages werde auch ich — Doch nein. Ich wage keinerlei Andeutungen. — Ich habe so lange nachgedacht, bis ich ein Mittel gefunden zu haben glaubte. Wir wohnen in Wannsee in der sogenannten Friedrichsburg dicht am Kleinen Wannsee in der Elsenstraße. Unser Garten reicht bis an das Wasser hinab. Wenn Sie ein Boot benutzen, können Sie nach Dunkelwerden unbemerkt dort landen. Aber seien Sie vorsichtig, wir haben drei bissige Bulldoggen, die sofort Lärm schlagen. Legen Sie bitte gegen elf Uhr an unserem Bootssteg an und warten Sie auf mich. Ich steige dann zu Ihnen ins Boot, und wir stoßen vom Lande ab. Sollte ich in der kommenden Nacht nicht unbemerkt das Haus verlassen können, versuche ich’s in der nächsten. — Ich weiß: ich bin sehr unbescheiden, Ihnen zuzumuten, für eine Fremde Ihre kostbare Zeit zu opfern. Aber ich las gestern in der Zeitung, wie schnell Sie den Fall Blinkenstein aufgeklärt haben, und da dachte ich mir sofort: vielleicht kann Herr Harst Dich retten. — Ich fürchte, ich schreibe alles recht wirr durcheinander. Aber wenn Sie mich sprechen würden, dürften Sie begreifen, daß ich kein hysterisches junges Mädchen, sondern wirklich ein armes gehetztes Wild bin. — Ich muß schließen. Ich bin in Berlin angelangt. — Nochmals: Helfen Sie mir!«

Ihre Sie bewundernde Thora von Malwack.

Harst erklärte zu diesem Schreiben: »Die Dame ist noch recht jung; harmlos; natürlich; sehr nervös; trotzdem energisch und zielbewußt; aber auch eitel; sie benutzt trotz ihrer Jugend blaßrosa Puder und hat sich in der Eisenbahn gepudert, bevor sie diesen Brief zuklebte. Hier haften auf der schlecht getrockneten Tinte einiger Buchstaben Puderstäubchen. Sie trägt auch die Fingernägel sehr lang und ganz spitz geschnitten. Hier sind in dem Papier die Eindrücke der Nagelspitzen. Schließlich noch: sie besitzt ein nicht mehr ganz neues Perlenhandtäschchen« — er schüttete aus dem ausgeschnittenen Briefumschlag zwei winzige Glasperlen in seine flache Hand — »und ist aschblond, wie dieses durch den Kleister des Umschlages festgehaltene Härchen zeigt, das auch weiter noch den Gebrauch einer Brennschere verrät. — Natürlich werden wir sofort nach Wannsee hinaus, das Terrain besichtigen und uns dort vielleicht irgendwo als harmlose Sommergäste und leidenschaftliche Angler einmieten. Der Fall scheint ja recht eigenartige Seiten zu haben. Vor acht Tagen ist ein Fräulein von Malwack, wie in den Zeitungen zu lesen war, beim Baden ertrunken. Mein Gedächtnis läßt mich nie im Stich.«

»Und vor einem Monat etwa starb ein Student desselben Namens an einer hier seltenen Krankheit: der Cholera asiatica,« warf Kammler ein.

»Ganz recht. Es blieb die einzige Choleraerkrankung im Berliner Studentenviertel,« meinte Harst. »Die Bewohner des Hauses, in dem Malwack wohnte — in der Gartenstraße glaube ich, — machten unnötig eine achttägige Absperrung durch. — Die beiden Personen dürften fraglos Geschwister unserer Hilfesuchenden sein.«

Ich stand am Fenster, sah nun einen Depeschenboten unseren Vorgarten betreten. Er brachte ein Stadttelegramm für Harst. Es war auf dem Postamt Leipzigerplatz aufgegeben, und der Inhalt war folgender:

Bitte nicht kommen. Anders überlegt. Verreise sofort für länger. Thora.

Harst starrte, nachdem er uns diese Absage vorgelesen hatte, schweigend und regungslos auf die Depesche. Dann nahm er den Umschlag des Briefes der neben ihm auf seinem Schreibtisch lag, trat dicht ans Fenster, besichtigte ihn nochmals, rief dann: »Ich Stümper,« holte ein Vergrößerungsglas und nahm die Rückseite des Umschlages endlos lange in Augenschein, wandte sich uns zu und meinte: »Dieser Umschlag ist heimlich geöffnet und ebenso geschickt wieder zugeklebt worden und die Depesche ist natürlich — gefälscht! Irgend jemand hat ein Interesse daran, daß ich mit Thora nicht zusammentreffe. Sie hätte nun, wenn ich diese Absage für echt gehalten hätte, mehrere Abende umsonst gewartet und wäre schließlich überzeugt gewesen, ich wolle ihr nicht helfen. — Hm — unser Haus dürfte jetzt vielleicht auch sehr scharf bewacht werden. Wir können daher auch nur unter allerlei Vorsichtsmaßregeln nach Wannsee hinaus. — Es wird ein recht interessantes Unternehmen werden, diese Rettungsaktion, denn ich bin der Meinung, wir haben es hier mit einer größeren Bande zu tun, die Briefe abfängt, öffnet, wieder schließt, Depeschen fälscht und — Thora nie aus den Augen läßt. Ja — es müssen mehrere sein. Einer allein bewältigt das alles nicht.«

Kammler hatte sich dann fünf Minuten drauf kaum verabschiedet, als Harst an eine bekannte Speditionsfirma telefonierte: ein Piano sollte von hier nach dem Lagerraum der Firma nachmittags abgeholt werden.

Wir hatten im Schuppen im Gemüsegarten eine leere Klavierkiste zu stehen. — Harst rief nachher den Spediteur noch persönlich an den Apparat und gab ihm einige Anweisungen über die Art der Aufbewahrung der Kiste.

Nachmittags nagelte Frau Auguste Harst, meines Brotherrn Mutter, die Kiste eigenhändig zu. Eine Viertelstunde drauf erschienen drei Männer und schleppten sie davon.

Der Spediteur ließ sie in seinen Speicher bringen. Als seine Leute diesen verlassen hatten, nahm er ein kleines Brecheisen und wuchtete den Deckel ab. — Nun konnten wir wieder hinaus. Harst dankte dem Spediteur für die freundliche Unterstützung, und durch eine Seitenpforte des Speichers schlüpften wir ins Freie. Wir trugen die Verkleidung älterer Herren, kauften in Berlin zwei Koffer und verschiedenes andere ein und waren gegen halb sieben in Wannsee, diesem idyllisch schönen Villenort, dessen Lage an zwei waldumsäumten Seen ihn mit Recht zu einem beliebten Nachmittagsausflugsort macht. Eine Stunde später hatten wir uns in einem kleinen Häuschen am äußersten Ende der Elsenstraße bei einfachen Leuten — einem Maurer — als Sommergäste eingemietet. Vorher aber hatte Harst noch in einem Fleischgeschäft drei Leberwürste erstanden und war auch noch in der Apotheke gewesen.

Unser Wirt Höppner war ein schon bejahrter Mann, dabei aber noch sehr rüstig. Harst biederte sich sofort mit ihm an. Wir hatten uns als Brüder namens Hevelke ausgegeben, wollten Angestellte einer Versicherungsgesellschaft sein und hier unseren Urlaub verleben.

Von Höppner erfuhren wir über die Bewohner der Friedrichsburg als Alteingesessenem recht viel, ohne daß er ahnte, man horche ihn aus.