Der Geheimbund der zwölf Schlüssel - Walther Kabel - E-Book

Der Geheimbund der zwölf Schlüssel E-Book

Walther Kabel

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Beschreibung

Also dieser Mr. Harry Longfield zog am zweiten April ein. Forscher, netter Kerl so weit. Nur ein Bummler. Kommt selten vor Morgengrauen heim. Im übrigen pünktlicher Zahler, ruhig, still und stets darauf bedacht, den Mädels und Henriette eine kleine Freude zu machen: Konfekt, Theaterkarten — und so weiter. Wie gesagt: netter Kerl!
Aber: das dicke Ende kommt nach! — Er hat zwei mächtige Koffer in seinem Zimmer. Und als Wera, die ältere meiner abgebauten Nichten, am fünfzehnten April mittags in Longfields Anwesenheit das Zimmer aufräumte, da hatte der Chikagoer die Schlüssel des einen Koffers stecken lassen.

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Der Detektiv

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

Band 156

Der Geheimbund der zwölf Schlüssel

© 2023 Librorium Editions

ISBN : 9782385740801

 

 

Inhalt

Der Geheimbund der zwölf Schlüssel

Der Brief aus Rügen.

Der zweite Tote.

Die zwölf Namen.

Der Dritte …

Der Patient Doktor Baakes.

Die Schlüssel — und der Schlüssel des Rätsels

Die Mordwaffe?!

Weras Fenster.

Der Mann mit der Laterne.

Wera weiß wenig …

Eine verblüffende Lösung.

1. Kapitel.

Der Brief aus Rügen.

Wir hatten damals ein paar Erholungstage wirklich nötig. Das ebenso interessante wie vielseitige Problem, das ich unter dem Titel »Der Traum der Lady Gulbranor« im vorigen Band geschildert habe, hatte selbst Haralds robusten Nerven ein wenig geschadet. Wir erholten uns jedoch in dem behaglichen Heim der Lady in Bawalar sehr schnell, und nach fünf Tagen meinte Harst morgens zu mir, daß es nun wohl an der Zeit sei, an die Heimreise zu denken.

Gerade an diesem Tage erreichte uns dort in der kleinen Residenz des Fürstentums Bawalar am Nordrande der indischen Thar-Wüste ein Brief eines deutschen Gutsbesitzers. Dieses Schreiben war vier Wochen unterwegs gewesen. Die ursprüngliche Adresse »Harald Harst, Berlin Schmargendorf, Blücherstraße 10« war von Haralds Mutter ergänzt worden. So erhielten wir den Brief denn einen Monat später hier in Bawalar. —

Während ich dies niederschreibe, liegt Herrn von Platens Brief neben mir. Ich gebe ihn also wortgetreu wieder:

Rittergut Sellinhof, Post Seebad Sellin,

Insel Rügen, den 8. Mai 192…

Sehr geehrter Herr Harst!

Sie werden gestatten, daß ich Ihnen Mitteilung von höchst eigentümlichen Vorgängen mache, für die ich keine einleuchtende Erklärung finde. Sollte Ihre Zeit es zulassen, einmal einige Zeit auf einem ländlichen Besitz zuzubringen, so sind Sie und Ihr Freund Schraut hiermit freundlichst zu mir eingeladen. Vielleicht interessiert Sie das, was ich zu erzählen habe. Vielleicht steckt weit mehr dahinter, als ich als schlichter Agrarier annehme.

Herr Harst, ich bin mein Lebtag außerordentlich schreibfaul gewesen und daher, was Briefstil angeht, nicht sehr gewandt. Ich schreibe also so, wie mir der Schnabel gewachsen ist …

Über mich: Junggeselle, sechzig Jahre, Besitzer von sechstausend Morgen Land nebst Zubehör, eifriger Jäger, eifriger Segler, denn mein Gut stößt an das Meer, und das Gutshaus liegt keine tausend Meter vom Strande ab. — Dazu Freund eines guten Tropfens und lustiger Gesellschaft.

Über die Sache selbst:

Ich war am zweiten Mai nach Berlin gefahren, wollte einen neuen Motorpflug kaufen und mal wieder Berliner Luft atmen, die trotz Staub und Benzingestank mich immer wieder lockt.

Habe da entfernte Verwandte in Berlin, denen es mordsschlecht geht: Witwe eines Vetters nebst zwei Töchtern. — Bei denen wohne ich immer und nehme ihnen dann ein anständiges Freßpaket mit, das für zwei Monate langt.

Also ich wohnte wieder bei Henriette, Charlottenburg, Waitzstraße 26, Gartenhaus rechts zwei Treppen … —

Meine Nichten, wie ich sie nenne, waren bisher Tippfräuleins gewesen, aber abgebaut worden — am ersten April. So hatte Henriette denn vernünftigerweise ein Zimmer vermietet.

Und damit kommen wir auf den Kern der Sache …

Nämlich den Mieter …

Der junge Mann ist ein Amerikaner aus Chikago, der hier in Deutschland Medizin studiert — an der Berliner Universität.

Kein Jüngling mehr. Schätze ihn auf dreißig (denke eben dran, dreißig stimmt, denn es stand in der polizeilichen Anmeldung).

Also dieser Mr. Harry Longfield zog am zweiten April ein. Forscher, netter Kerl so weit. Nur ein Bummler. Kommt selten vor Morgengrauen heim. Im übrigen pünktlicher Zahler, ruhig, still und stets darauf bedacht, den Mädels und Henriette eine kleine Freude zu machen: Konfekt, Theaterkarten — und so weiter. Wie gesagt: netter Kerl!

Aber: das dicke Ende kommt nach! — Er hat zwei mächtige Koffer in seinem Zimmer. Und als Wera, die ältere meiner abgebauten Nichten, am fünfzehnten April mittags in Longfields Anwesenheit das Zimmer aufräumte, da hatte der Chikagoer die Schlüssel des einen Koffers stecken lassen.

Mädels sind neugierig. Also Wera öffnet das Kofferungetüm und findet darin nichts als einen riesigen Schlüssel aus Pappe, aus zwei Teilen bestehend …

Riesig — eben eine Schlüsselattrappe, mit hellgrauem Papier beklebt, unterhalb des Bartes zwei Löcher … Und unten der Schlüsselgriff nur halb, zwei gebogene Röhren, die mit Leinwand beweglich an das Hauptstück angeklebt sind, — beide Teile der Attrappe etwa anderthalb Meter lang und das Mittelstück mit einem Durchmesser von gut fünfzig Zentimeter.

Wera denkt an ein Maskenkostüm oder derartiges und verschließt den Koffer wieder.

Das war am fünfzehnten mittags.

Abends fragt Longfield die Mädels vorsichtig so von hinten herum aus, ob sie etwa den Koffer geöffnet haben.

Sie merken’s und schwindeln natürlich, und der Chikagoer ist beruhigt.

Am achtzehnten liest Wera in der Zeitung, daß ein Polizeiwachtmeister (jetzt heißen sie Schupo, früher hießen sie »Blaue«) nachts einem Mann angehalten habe, weil ihm dessen großes Paket auffiel … Der Mann versetzte dem Schupo einen kunstgerechten Kinnhaken (so nennt man so wohl einen Boxhieb), warf das Paket weg und kniff aus. Der Schupo erholte sich, öffnete das Paket und fand darin … — raten Sie, was, Herr Harst?! — Nun — eine riesige Schlüsselattrappe, nichts weiter. —

So war es in der Zeitung zu lesen. Wera ist nun keineswegs auf den Kopf gefallen. Sie dachte sofort an Longfield — eben, daß der Chikagoer vielleicht der Boxer gewesen. Aber das stimmte nicht, denn Harry Longfield glich in keiner Weise der Beschreibung, die dann abends in der Zeitung von dem Boxer veröffentlicht wurde.

Henriette und die Mädels vergaßen die Sache, bis — ich in der kleinen Wohnung als Gast erschien. Mir erzählten sie es, und Henriette meinte, eigentlich hätte man wohl der Polizei melden sollen, daß Longfield in seinem Koffer eine gleiche Schlüsselattrappe aufbewahre. —

Werden Sie — nicht ungeduldig, Herr Harst. Mein Geschreibsel wird sehr bald recht spannend …

Wie gesagt: am zweiten Mai traf ich in Berlin ein. Am dritten abends hatten wir mit alten Bekannten eine ziemlich schwere Sitzung bei Kempinski. Ich hatte mich etwas übernommen, und als ich um halb zwei das Haus Nr. 26 aufschließen wollte, merkte ich, daß ich die Schlüssel vergessen hatte … Ich schlenderte vor dem Hause hin und her, wartete auf einen Schließer, der mir öffnen sollte.

Und da — kam jemand aus Nr. 26 heraus … Ich hatte den Chikagoer schon kennen gelernt, erkannte ihn sofort. Er trug ein mächtiges Paket in der Hand.

Wenn ich nun nicht so viel Alkohol im Schädel gehabt hätte, wäre mir nie im Leben der Gedanke gekommen, dem Amerikaner zu folgen …

Aber damals hatte die schwere Sitzung mir einen höchst sonderbaren Unternehmungsgeist eingeflößt. Jedenfalls: ich spielte zum ersten Mal in meinem Leben so was Ähnliches, wie Sie es sind, Herr Harst: Detektiv!

Der Chikagoer hatte mich nicht gesehen, bestieg ein Mietauto — ich auch …

Um nicht zu weitschweifig zu werden: ich konnte dem Amerikaner bis zur Müllerstraße im Norden Berlins folgen … Dort verschwand er, nachdem er das Auto vorher hatte halten lassen, in einem kleinen Häuschen, das mitten in einem verwilderten Garten liegt.

Wie ich noch so auf der anderen Straßenseite hin und her bummle, kommt ein zweiter Mann — auch mit solch einem Riesenpaket, schlüpft in den Garten — ist weg …

Und — noch vier weitere kamen … Dann war’s Schluß.

Inzwischen hatte sich mein Schädel etwas ausgelüftet, und wie ich mir eine Zigarre anstecken will, finde ich neben der Zigarrentasche die »vergessenen« Schlüssel …

Ich hatte nun genug von diesem Abenteuer, fuhr heim und schlief bis elf Uhr. — Nachmittags gegen sechs kam die Abendzeitung. Und — da finde ich zu meinem Schreck in dem Blatt eine Meldung über einen Mord in der Müllerstraße: im Garten eines baufälligen leerstehenden Häuschens hat man morgens einen Mann tot aufgefunden — zwei Messerstiche ins Herz!

Ich lese und lese … Und immer klarer wird mir da, daß es sich um dasselbe Häuschen handelt …

Aber ich sage Henriette und den Mädels nichts davon, denn ich hatte ihnen ja auch mein Abenteuer verschwiegen, außerdem für diesen Abend Karten für die Skala besorgt, für das Varieteetheater …

Trotzdem ließ mir die Geschichte keine Ruhe. Ich wußte, daß der Chikagoer zu Hause war. Ging also zu ihm hinein …

Und — das war, unter uns gesagt, eine ungeheure Dummheit.

Ich wollte mal prüfen, ob er verlegen werden würde, wenn ich ihm erzählte, daß ich ihn in der Nacht mit einem Paket das Haus habe verlassen sehen …

Longfield spricht perfekt deutsch.

Aber — verlegen wurde er nicht … Meinte nur, er sei allerdings noch ausgegangen … Er habe einem Bekannten etwas gebracht …

Wir redeten dann noch eine Weile von anderen Dingen … Ich verabschiedete mich.

In der Skala war’s sehr nett. Weniger nett war’s am nächsten Vormittag, denn da stellten wir fest, daß Longfield samt seinen Koffern … verduftet war … Keine Zeile hatte er zurückgelassen — nur die Miete für Juni.

Wera heulte …