Der Geisterjäger 21 – Gruselroman - Andrew Hathaway - E-Book

Der Geisterjäger 21 – Gruselroman E-Book

Andrew Hathaway

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Beschreibung

Sie sind die Besten, und sie wissen genau, was sie tun und vor allem, mit welchen Horrorgestalten sie es zu tun haben: Geisterjäger nehmen im Kampf gegen das Böse die größten Gefahren und Herausforderungen auf sich. Der dramatische Streit zwischen Gut und Böse wird in diesen Gruselromanen von exzellenten Autoren mit Spannung zur Entscheidung geführt. Das Telefon klingelte um Mitternacht. Der Bauunternehmer Peter Sand meldete sich widerwillig. "Werden Sie zahlen?" fragte die heisere Stimme, die ihn seit vielen Nächten verfolgte. "Nein!" schrie Peter Sand wütend. "Ich denke nicht daran!" "Dann schicke ich Ihnen den Geist von Blenford Castle!" drohte die heisere Stimme. "Sehen Sie aus dem Fenster!" Peter Sand tat es. Was er sah, ließ ihn vor Schreck erstarren…

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Der Geisterjäger –21–

Der Geist von Blenford Castle

Roman von Andrew Hathaway

Das Telefon klingelte um Mitternacht.

Der Bauunternehmer Peter Sand meldete sich widerwillig.

»Werden Sie zahlen?« fragte die heisere Stimme, die ihn seit vielen Nächten verfolgte.

»Nein!« schrie Peter Sand wütend. »Ich denke nicht daran!«

»Dann schicke ich Ihnen den Geist von Blenford Castle!« drohte die heisere Stimme. »Sehen Sie aus dem Fenster!«

Peter Sand tat es.

Was er sah, ließ ihn vor Schreck erstarren…

*

Der grelle Schrei des Raubvogels klang durch die sturmgepeitschte Nacht. Wie ein mächtiger, drohender Schatten hing der Adler hoch oben in den Lüften, die Flügel weit ausgebreitet, den Kopf weit vorgereckt.

Er suchte ein Opfer!

»Hallo, sind Sie noch da?« drang die quäkende Stimme des nächtlichen Anrufers aus dem Telefon.

Peter Sand hatte den Hörer sinken lassen, als er ans Fenster getreten war. Jetzt hob er ihn wieder ans Ohr.

»Ja«, sagte er nervös. »Was soll das? Woher kommt dieser Vogel über unserm Haus?«

»Das ist der Geist von Blenford Castle!« Der Anrufer kicherte hohl. »Zahlen Sie oder nicht?«

In diesem Moment öffnete sich die Tür von Peter Sands Arbeitszimmer. Seine Frau Mary trat ein.

Sie trug einen Bademantel und hatte bereits geschlafen.

»Kommst du endlich ins Bett?« fragte sie gähnend und runzelte die Stirn, als sie ihren Mann am Telefon sah. Mit wem sprach Peter um diese Uhrzeit?

Peter Sand bedeutete seiner Frau zu schweigen.

»Ich habe nicht die geringste Absicht zu zahlen!« sagte er hart. »Sie können mich auch mit diesem lächerlichen Vogel nicht schrecken! Es war ein guter Gag, dieses Biest in meine Gegend zu locken, aber ich lasse mich nicht einschüchtern! Ende!«

Er knallte den Hörer auf den Apparat.

Mary hörte, daß von einem Vogel die Rede war, lief ans Fenster und blickte nach draußen. Sie schirmte die Augen mit beiden Händen gegen das Licht der Schreibtischlampe ab.

»Was ist los?« fragte sie und verdrehte den Kopf, um den Himmel abzusuchen.

»Jemand versucht, Geld von mir zu erpressen«, gab ihr Mann zu. »Ich wollte nicht darüber sprechen, um euch nicht zu ängstigen. Er hat eben wieder angerufen.«

Mary sah ihren Mann erschrocken an. Er wirkte müde, und in seinen Augen schimmerte noch ein Rest von dem Schock, den er vorhin erlebt hatte. Er schien die ganze Angelegenheit jedoch nicht besonders schwer zu nehmen.

»Peter!« Mrs. Sand war eine vernünftige Frau. Sie legte ihrem Mann die Hände auf die Schultern und sah ihn fragend an. »Womit erpreßt er dich? Er muß doch mit etwas drohen! Weiß er etwas über dich?«

»Reg dich nicht auf«, bat Peter Sand und zwang sich zu einem sorglosen Lächeln. »Alles halb so wild. Ich glaube, der Anrufer ist nicht ganz bei Verstand. Er faselt etwas von einem Geist von Blenford Castle, den er mir schicken will.«

Seine Frau taumelte schreckensbleich zurück. »Der Geist von Blenford Castle?« Ihr Blick zuckte zum Fenster. »Ein Vogel war da? Was für einer?«

»Mary, was ist denn?« rief der Bauunternehmer bestürzt. »So kenne ich dich nicht!«

»Zahle!« Mary Sand packte ihren Mann an den Aufschlägen seiner Hausjacke. Angst flackerte in ihren Augen. »Zahl, was der Mann verlangt, ganz gleich, wieviel es ist!«

»Aber…«, setzte Peter Sand an.

Er kam nicht weiter.

Durch die Nacht hallte ein schriller, kreischender Schrei.

»Der Geist von Blenford Castle!« Mrs. Sand schlug die Hände an den Kopf.

Sie starrte durch das Fenster des Arbeitszimmers in den Nachthimmel hinaus. Ihre Augen weiteten sich. Ihr Mund öffnete sich zu einem Schrei, der ihr jedoch in der Kehle steckenblieb.

Peter Sand fuhr zum Fenster herum.

Wieder gellte der Angriffsschrei.

Er prallte zurück, als der Adler auf das Fenster zuschoß. Die Spannweite seiner Flügel war enorm. In diesen Sekundenbruchteilen meinte Peter Sand, der Adler könne das ganze Haus mit einem einzigen Flügelschlag zerstören.

Unmittelbar vor der Fensterscheibe bremste der Adler ab.

Für einen Moment blickte Peter Sand fassungslos auf den Kopf des Vogels!

Es war nicht der schmale Schädel eines Adlers mit den großen dunklen Augen und dem scharfen Schnabel, sondern ein menschlicher Kopf!

Glühende Augen starrten dem Bauunternehmer entgegen.

Gleich darauf drehte der Adler ab und verschwand aus dem Blickfeld der entsetzten Eheleute.

»Das… das ist…!« stotterte Peter Sand.

Auch diesen Satz konnte er nicht zu Ende führen. Irgendwo im Haus krachte es schmetternd. Klirrend barst Glas.

Spitze Schreie gellten durch das Haus.

»Das ist bei Joe und Betty!« rief Peter Sand.

»Sarah!« schrie Mary Sand den Namen ihres zweijährigen Enkelkindes.

Ohne zu zögern stürmte der Bauunternehmer auf den Korridor hinaus und zu den Räumen hinüber, die sein Sohn mit Frau und Kind bewohnte.

Peter Sand stieß die Schlafzimmertür der Eheleute auf.

Drinnen brannte Licht. Betty, die Schwiegertochter, saß kerzengerade im Bett. Schock zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab.

Der riesige Adler aber hockte auf Joe Sand, dem einundzwanzigjährigen Sohn des Bauunternehmers.

Jetzt ragte aus dem menschlichen Schädel der Bestie ein langer, spitzer und messerscharfer Schnabel.

Wieder ertönte der langgezogene, bösartige Angriffsschrei des Geisteradlers.

Im nächsten Moment stieß das Ungeheuer zu…

*

Chefinspektor Hempshaw von Scotland Yard wandte sich an die Herrin des Hauses.

»Mrs. Kent, es war ein vorzügliches Abendessen«, sagte er genüßlich. »Ihr französischer Koch ist jedes Pfund wert, das Sie ihm bezahlen.«

»Es sind viele Pfunde, die ich ihm bezahlen muß«, antwortete Mrs. Hazel Kent charmant. »Aber Sie haben recht, Mr. Hempshaw, Pierre kocht phantastisch.«

»Er rettet den Ruf der englischen Küche«, bemerkte der Geisterdetektiv Rick Masters. »Wir sollten dazu übergehen, ihn nicht mehr als französischen Koch zu bezeichnen. Sagen wir doch ganz einfach, er wäre Engländer. Dann bleibt der Ruhm seiner Kochkunst im Land.«

»Pierre würde sofort kündigen«, meinte Hazel Kent. »Und diesen Verlust möchte ich nicht riskieren. Bleiben wir bei der Wahrheit. Das ist ohnehin immer am besten, meinen Sie nicht auch, Mr. Hempshaw?«

»Nun ja, es kommt auf den Fall an«, antwortete Chefinspektor Hempshaw zögernd.

»Das sagen Sie als Kriminalbeamter?« Hazel Kents graue Augen funkelten belustigt.

»Es gibt da eine Geschichte, die genau erklärt, wie ich es meine«, setzte der Chefinspektor an.

»Erzählen Sie uns diese Geschichte doch in der Bibliothek, Mr Hempshaw«, schlug Hazel Kent vor. Sie war die Besitzerin dieses luxuriösen Stadthauses im Londoner Stadtteil Westminster. »Kommen Sie! Bei einem guten Kognak in der Bibliothek kann man am besten Geschichten erzählen.«

Rick Masters legte einen Arm um die Schultern seiner Freundin, während sie in die Bibliothek überwechselten. Sein winziger Hund Dracula trottete mißmutig hinter Rick her. Dracula hätte gern den Chefinspektor gebissen, den er aus unerfindlichen Gründen nicht ausstehen konnte. Rick hatte es ihm jedoch verboten, und Dracula hielt sich daran.

Endlich hatten es sich alle in der Bibliothek bequem gemacht, Dracula auf Ricks Schoß, Hazel in ihrem Lieblingssessel neben dem Kamin, der in dieser Juninacht nicht brannte, und der Chefinspektor in einem breit ausladenden Ledersessel.

Hempshaw erzählte seine Geschichte, fügte eine zweite hinzu, dann steuerte Rick etwas bei. Auch Hazel Kent kannte interessante Geschichten. Als Besitzerin und Leiterin der bedeutenden Kent-Werke kam sie viel in der Welt herum.

Als Hazel Kent, der Chefinspektor und Rick Masters wieder an die Uhrzeit dachten, dämmerte es bereits vor den hohen Fenstern des alten Hauses.

»Unglaublich!« rief Rick Masters. »So spät schon!«

»Und ich muß morgen mittag… nein, heute mittag zu einer Konferenz«, sagte Hazel.

»Es tut mir leid, das ist meine Schuld«, erklärte der Chefinspektor. Er, der sonst bei Scotland Yard für seine bullige, direkte Art bekannt und gefürchtet war, wurde bei Hazel Kent stets ein wahrer Gentleman. Sie hatte allein durch ihre Nähe eine besänftigenden Einfluß auf ihn.

»Entschuldigen Sie sich nicht, Mr. Hempshaw, es war sehr unterhaltend und interessant«, versicherte die Gastgeberin. »Ich werde noch ein paar Stunden schlafen, damit ich zur Konferenz munter bin.«

»Ich habe zum Glück dienstfrei«, erklärte Hempshaw. »Das wäre sonst ein Tag für mich.«

»Und ich habe im Moment keinen aktuellen Fall am Hals«, sagte Rick Masters lächelnd. Er hakte sich bei Hazel unter. »Das heißt, daß ich bis heute abend schlafen werde. Sehen wir uns dann?«

Hazel nickte. »Falls nichts dazwischenkommt«, schränkte sie vorsichtshalber ein. »Du hast schon viel zuviel Zeit für mich, Darling! Das ist verdächtig.«

»Stimmt«, sagte Rick lachend. »Wir haben einen schönen Abend verbracht, ohne gestört zu werden. Hoffentlich bleibt es noch eine Weile so. Mein Bankkonto könnte zwar wieder das fette Honorar für einen großen Auftrag vertragen, aber im Moment tut mir die Ruhepause sehr gut.«

Sie verabschiedeten sich alle voneinander. Während Hazel Kent in ihr Haus zurückkehrte, um sich auszuruhen, stieg Hempshaw in das bestellte Taxi. Rick fuhr mit seinem Hund nach Hause.

Sein Zuhause war ein Wohnbüro in der Londoner City, direkt im Herzen der Stadt in einem uralten Haus. Der Geisterdetektiv hatte dieses Wohnbüro mit sehr viel Sorgfalt und Mühe hergerichtet und wäre um keinen Preis der Welt mehr von hier weggegangen.

Er stellte seinen Morgan, einen offenen Sportwagen im Oldtimer-Look, in die Garage, betrat das Haus – und prallte zurück.

Nach einer durchwachten Nacht war er im Morgengrauen verständlicherweise nicht mehr taufrisch. Deshalb bemerkte er den Mann auf der Treppe erst so spät, daß er schon in Reichweite war.

Es wäre nicht das erste Mal gewesen, daß Rick in dem Haus überfallen wurde. Dieser ungefähr fünfzigjährige Mann hatte jedoch friedliche Absichten. Er blickte Rick müde aus rotgeränderten Augen entgegen und richtete sich langsam auf.

»Zu wem wollen Sie?« fragte der Geisterdetektiv, da er das alte Haus nicht allein bewohnte. Er hatte nur sein Wohnbüro gemietet.

»Zu Mr. Masters, dem Detektiv«, erwiderte der Fremde mit unverkennbar wallisischem Dialekt. »Sind Sie Mr. Masters?«

Rick nickte. »Warten Sie schon lange auf mich?«

»Seit gestern abend.« Der Mann deutete auf eine lederne Reisetasche, die weiter oben vor Ricks Wohnungstür stand. »Die Nachbarn meinten, Sie wären nicht verreist, sondern würden irgendwann in der Nacht nach Hause kommen.«

»Es muß sehr wichtig sein, weshalb Sie mich sprechen möchten«, stellte der Geisterdetektiv fest.

»Lebenswichtig«, versicherte der Fremde.

Rick deutete nach oben, führte den Mann in seine Wohnung und setzte den Wasserkessel auf.

»Ich mache uns erst einmal starken Tee«, rief der Geisterdetektiv aus der Küche, erhielt keine Antwort und sah im Wohnzimmer nach. Der Mann war eingeschlafen.

Rick weckte ihn erst, als der Tee fertig war.

»Entschuldigen Sie«, murmelte der Besucher, »ich habe seit zwei Tagen kaum geschlafen. Mein Name ist übrigens Peter Sand. Ich bin Bauunternehmer in Tinlock, einer Kleindstadt in Wales.«

Rick nickte, schenkte den Tee ein und entspannte sich. Er fühlte sich naturgemäß auch müde, war jedoch neugierig, was Mr. Sand zu berichten hatte.

»Sand«, sagte Rick lächelnd. »Ein passender Name für einen Bauunternehmer.«

Über das eingefallene Gesicht des Mannes huschte ein flüchtiges Lächeln.

»Das stimmt, Mr. Masters.« Er zögerte. »Ich habe gelegentlich in der Zeitung von Ihrer Zusammenarbeit mit Scotland Yard in ungewöhnlichen und schwierigen Fällen gelesen. Einige dieser Fälle waren… sagen wir, sie waren sonderbar.«

»Man könnte auch sagen«, fügte Rick amüsiert hinzu, »daß übersinnliche Kräfte mitspielten.«

»Das ist es!« Peter Sand seufzte tief auf, als wäre ihm eine Last von der Seele genommen. »Ich habe einen solchen Fall und brauche Ihre Hilfe.«

»Erzählen Sie!« forderte Rick seinen Besucher auf und streifte seinen Hund Dracula mit einem flüchtigen Blick. Dracula besaß die Gabe, schwarzmagische Ausstrahlung zu fühlen und seinen Herrn zu warnen. Bei Mr. Sand blieb er ganz ruhig, ein Zeichen, daß Sand ein gewöhnlicher Mensch war.

»Ich werde erpreßt«, berichtete Peter Sand. »Ein Unbekannter fordert Geld.«

»Ein Mann«, vergewisserte sich der Geisterdetektiv.

Peter Sand stutzte. »Nun ja…«, sagte er zögernd. »Eigentlich könnte es auch eine Frau sein. Die Stimme ist so heiser und offenbar verstellt, daß ich mich nicht festlegen möchte.«

»Weiter«, forderte Rick ihn auf.

»Der Erpresser verlangt hunderttausend Pfund!« Sand seufzte erneut. »Ich nahm es nicht ernst, bis mir der Anrufer mit dem Geist von Blenford Castle drohte. Das war vor zwei Tagen um Mitternacht. Ich wollte noch immer nicht bezahlen. Daraufhin griff ein riesiger Adler mein Haus an. Ein Adler mit einem Menschenkopf und einem dolchartigen Schnabel! Diese Bestie brach in das Schlafzimmer meines Sohnes ein und verletzte ihn schwer. Joe liegt noch auf der Intensivstation. Seine Frau schlief neben ihm und kam mit dem Schock davon. Seine zweijährige Tochter schlief nebenan. Nicht auszudenken, was alles hätte geschehen können. Aber Joe ist wenigstens über den Berg.«

»Der Geist von Blenford Castle«, murmelte Rick. »Was wissen Sie darüber?«

»Ich gar nichts, aber meine Frau hat von ihm gehört«, erwiderte der Unternehmer. »Ich stamme aus einem anderen Teil von Wales und habe nach Tinlock geheiratet. Meine Frau ist dort geboren und aufgewachsen. Die alten Leute in der Gegend erzählen sich, daß nachts ein riesiger Adler über Blenford Castle kreist und schaurig schreit. Aber gesehen hat noch niemand diesen Geistervogel.«

»Doch jetzt hat er Ihren Sohn verletzt, um die Forderung eines gemeinen Erpressers zu unterstützen«, fügte Rick hinzu. »Blenford Castle! Wird das Schloß bewohnt?«

»Der Earl of Blenford wohnt dort mit seiner Familie«, gab Mr. Sand Auskunft und gähnte herzzerreißend. »Werden Sie mir helfen, Mr. Masters?«

»Wollen Sie bezahlen?« stellte der Geisterdetektiv eine Gegenfrage.

»Meine Frau besteht darauf«, erklärte Sand. »Sie fürchtet sich vor dem Geist. Ich tue das auch, aber ich möchte nichts unversucht lassen. Wissen Sie, Mr. Masters, ich hielt nie viel von Geistergeschichten, aber jetzt habe ich es mit eigenen Augen gesehen und fast am eigenen Leib gespürt. Werden Sie mir helfen können? Gegen den Geist ist sicher nichts zu machen, aber ein Mensch steht dahinter und setzt den Geist für seine erpresserischen Pläne ein. Ihn können Sie wenigstens fassen.«

»Haben Sie die Polizei verständigt?« erkundigte sich Rick, bevor er seine Entscheidung bekanntgab.

»Selbstverständlich, aber ich habe nur von dem Vogel gesprochen«, sagte der Bauunternehmer. »Von der Erpressung sagte ich nichts. Ich fürchte für meinen Sohn, meine Schwiegertochter und mein Enkelkind. Natürlich auch für meine Frau! Ginge es nur um mich, würde ich glatt die Zahlung ablehnen.«

»Also gut«, meinte der Geisterdetektiv, »ich übernehme Ihren Fall. Selbstverständlich werde ich versuchen, den Erpresser selbst zu fassen. Aber Sie täuschen sich, man kann auch etwas gegen den Geist unternehmen. Lassen Sie das meine Sorge sein. Richten Sie sich in Zukunft nach meinen Anweisungen. Und wenn sich der Erpresser wieder bei Ihnen meldet, informieren Sie mich. Noch etwas«, fügte er hinzu. »Ich habe sehr gute Verbindungen zu Scotland Yard.«

»Keine Polizei!« warf Peter Sand hastig ein.

»Doch«, beharrte Rick Masters. »Auf meinen persönlichen Freund, Chefinspektor Hempshaw, können Sie sich absolut verlassen. Ich werde ihn informieren und um technische Hilfe bitten. Wenn Sie damit nicht einverstanden sind, lehne ich den Fall ab.«

Das stimmte nicht. Rick Masters war auf die Spur eines Geistes gestoßen, der für verbrecherische Zwecke mißbraucht wurde. Er hätte unter gar keinen Umständen mehr lockergelassen.

Peter Sand wußte das nicht, und so gab er zähneknirschend nach.

Sie hatten sich kaum geeinigt, als Sand auch schon im Sitzen einschlief.

Rick ließ ihn schlafen, konnte er den Mann doch nur zu gut verstehen.

Der Geisterdetektiv ging in seine Bibliothek, die zu dem Wertvollsten auf dem Gebiet der Schwarzen und Weißen Magie gehörte. Seine Bücher und Schriften stammten aus allen Jahrhunderten und reichten aus grauer Vorzeit bis in die Gegenwart. Der Geisterdetektiv hatte noch nie Zeit gefunden, sich vollständig durch seine Sammlung zu arbeiten, aber er wußte, wo er was zu suchen hatte.

Er fand schließlich auch den Geist von Blenford Castle, allerdings wurde er in einem nicht seriösen Buch erwähnt. Es war keine wissenschaftliche Abhandlung, auch keine Schilderung von Augenzeugen. Es handelte sich bei dem Buch um einen sogenannten Gespensterführer, der für Touristen geschrieben worden war. Darin wurde Schloß Blenford erwähnt und der Geist so geschildert, wie Peter Sand es getan hatte.

Ein Adler mit menschlichem Kopf und scharfem Schnabel!

Er sollte der Geist eines vor Jahrhunderten verstorbenen Earls of Blenford sein.

Auch wenn Rick Masters noch keine Ahnung hatte, wie er an den Erpresser herankommen konnte, wußte er doch schon, wo er die Spur des Geistes aufnehmen konnte.

Nämlich auf Blenford Castle!

Das nötige Gespräch mit Chefinspektor Hempshaw verschob der Geisterdetektiv vorläufig, da Hempshaw jetzt sicher auch schlief.

Rick streckte sich auf der Couch aus und war im nächsten Moment weggetreten.

Um Peter Sand brauchte er sich nicht zu kümmern. Dracula würde den Fremden in der Wohnung im Auge behalten und seinen Herrn rechtzeitig wecken, falls Sand etwas unternahm.

Zwar hatten beide Männer die Sorge, wie es der Familie des Bauunternehmers unterdessen im fernen Wales ging, doch unausgeruht konnten sie gar nichts unternehmen.

Irgendwann schmuggelte sich in Ricks Schlaf ein Traum mit einem menschgesichtigen Adler ein, doch auch davon erwachte der Geisterdetektiv nicht.

Erst am späten Nachmittag weckte ihn Dracula, weil dem Hund langweilig war. Rick besprach am Telefon mit Chefinspektor Hempshaw alle Einzelheiten und verständigte Hazel.

Als Peter Sand in der Abenddämmerung aufwachte, war schon alles geregelt.

Rick Masters setzte ihm seinen Plan auseinander und schärfte ihm genau ein, wie er sich zu verhalten hatte.

Sobald es völlig dunkel war, machten sie sich zu dritt in zwei Wagen auf den Weg. Dracula durfte bei diesem Unternehmen nicht fehlen. Er hatte sich in Ricks Tätigkeit einen festen Platz erobert.

Zwar war er nicht zum ausgebildeten Polizeihund herangereift, wie Rick das einst gehofft hatte. Dazu reichte sein Westentaschenformat wirklich nicht aus. Aber er war dennoch ein unentbehrlicher Helfer geworden.

In Ricks Schulterhalter steckten seine Waffen. Über das Funkgerät in seinem Wagen verabschiedete er sich noch einmal von Chefinspektor Hempshaw und rief Hazel von der letzten Telefonzelle auf Stadtgebiet an.

»Vergiß nicht, daß ich dich liebe«, sagte sie betrübt.

»Ich werde mich bemühen«, versprach der Geisterdetektiv. »Darling, ich halte es doch für besser, wenn du mir nicht nachfährst.«